Sprache ist neben Mimik und Gestik das komplexeste Medium menschlicher Kommunikation. Kinder lernen mit einer unglaublichen Geschwindigkeit, zu einem Zeitpunkt, an dem andere kognitive Fähigkeiten noch nicht ausgebildet sind und ohne explizites Lehren anderer, ihre Muttersprache. Welche Mittel ihnen dabei zur Verfügung stehen ist bis dato nicht vollständig geklärt. Vielmehr existieren kontroverse Theorien und Meinungen zu diesem jungen, linguistischen Forschungsgegenstand. Die Wissenschaft befindet sich hier in einem andauernden und brisanten Diskurs. Erste Erkenntnisse über den L1 Erwerb bei Kindern konnten im 18. und 19. Jahrhundert gewonnen werden. Dies erfolgte durch Langzeitstudien an den eigenen Kindern von Wissenschaftlern wie Tiedemann (1787), Taine (1877), Preyer (1882) und Stern (1907/1928) , angeregt durch den Zeitgeist der Aufklärung, dem „Interesse an kindlicher Entwicklung und Bildung“ und deren Vertretern Rousseau und Goethe. Die Resultate dieser damaligen wissenschaftlichen Untersuchungen ergaben, dass der kindliche Spracherwerb einem universalen Muster folgt (Stern), auf kognitive Fähigkeiten basiert (Preyer), was in verschiedenen Stadien abläuft (Stern) und dass der Input und das soziale Umfeld den Spracherwerb beeinflussen, was wiederum vom individuellen Intellekt abhängig ist (Preyer) und sogar dass eine angeborene Fähigkeit zur Sprache existiert (Taine).
Das Thema dieser Seminararbeit ist die Beleuchtung der unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Aspekte Kommunikation und Gedankenlesen und deren Relevanz für den kindlichen Spracherwerb innerhalb des aktuellen Diskurses. Es stellt sich die Frage, woher ein 2-jähriges Kind weiß, welche Intention eine Bezugsperson bei einer Objektbenennung hat (z.B. Ball) und damit das ganze Objekt benennt und nicht etwa dessen Farbe. Hierbei wird klar, dass innerhalb des Bedeutungserwerbs die sprachliche und kognitive Entwicklung nicht separat betrachtet werden können. Kinder sind bereits im Alter von 2 Jahren fähig, ihrem Alter entsprechend mit einer Bezugsperson zu kommunizieren und deren Gedanken zu lesen, das heißt, Intentionen der Bezugspersonen zu interpretieren und daraus schlusszufolgern.
In einem Überblick werde ich kurz auf die einzelnen Forschungsansätze seit 1920 eingehen, um dann die Bedeutung der Theorien von Paul Bloom, Rosemarie Tracy sowie John Oates & Andrew Greyson über die Kommunikation zwischen Kind und Bezugsperson sowie der kindlichen Fähigkeit des Gedankenlesens herauszustellen und zu vergleichen. Die diversen Forschungsmodelle sollen innerhalb der Bedeutungserwerbsforschung transparent gemacht, einander gegenübergestellt und die Patchwork-Theorie als einen möglichen Lösungsansatz diskutiert werden.
Inhaltsverzeichnis
- I. Zur Einleitung
- II. Modelle des kindlichen Bedeutungserwerb
- 2.1 Theorien & Ansätze zur kindlichen Kommunikation
- 2.2 Mutter-Kind-Kommunikation
- 2.3 Fehlerkorrektur während der Kommunikation
- 2.4 Bemühungen und Irrtümer in der Kommunikation
- III. Relevanz des Gedankenlesens
- 3.1 Mindreading Theorie nach Bloom
- 3.2 Gegenargumente zur Theory of Mind
- 3.3 Die Wichtigkeit des Gedankenlesens
- 3.4 Differenzierung zwischen Assoziieren und Gedankenlesen
- IV. Fazit & Ausblick: Die Patchwork-Theorie
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Seminararbeit beleuchtet die unterschiedlichen Auffassungen hinsichtlich der Aspekte Kommunikation und Gedankenlesen und deren Relevanz für den kindlichen Spracherwerb im aktuellen Diskurs. Sie untersucht, wie ein zweijähriges Kind die Intention einer Bezugsperson bei einer Objektbenennung versteht und das gesamte Objekt benennt, nicht nur dessen Farbe. Dabei wird deutlich, dass bei der Bedeutungserwerbsforschung sprachliche und kognitive Entwicklung nicht getrennt betrachtet werden können.
- Die Bedeutung von Kommunikation und Gedankenlesen für den kindlichen Spracherwerb
- Vergleich verschiedener Forschungstheorien zum Spracherwerb
- Die Rolle der Mutter-Kind-Kommunikation im Spracherwerb
- Die Rolle von Fehlerkorrektur und Bemühungen in der Kommunikation
- Die "Patchwork-Theorie" als möglicher Lösungsansatz
Zusammenfassung der Kapitel
- I. Zur Einleitung: Diese Einleitung stellt das Thema der Arbeit vor, nämlich die Bedeutung von Kommunikation und Gedankenlesen für den kindlichen Spracherwerb. Sie gibt einen kurzen Überblick über die Geschichte der Spracherwerbsforschung und stellt die Kontroversen innerhalb der Forschung dar.
- II. Modelle des kindlichen Bedeutungserwerb: Dieses Kapitel beschäftigt sich mit den verschiedenen Theorien und Ansätzen zum kindlichen Spracherwerb. Es werden der Behaviorismus, der Kognitivismus und der Interaktivismus vorgestellt und miteinander verglichen.
- 2.1 Theorien & Ansätze zur kindlichen Kommunikation: Dieser Abschnitt befasst sich mit dem Behaviorismus und dem Interaktivismus als zwei wichtige Ansätze zur kindlichen Kommunikation und Spracherwerb.
- 2.2 Mutter-Kind-Kommunikation: Dieser Abschnitt beleuchtet die Rolle der Mutter-Kind-Kommunikation im Spracherwerb.
- 2.3 Fehlerkorrektur während der Kommunikation: Dieser Abschnitt untersucht die Auswirkungen von Fehlerkorrektur auf den kindlichen Spracherwerb.
- 2.4 Bemühungen und Irrtümer in der Kommunikation: Dieser Abschnitt analysiert die Rolle von Bemühungen und Irrtümern in der Kommunikation zwischen Kind und Bezugsperson.
- III. Relevanz des Gedankenlesens: Dieses Kapitel konzentriert sich auf die Bedeutung des "Gedankenlesens" für den kindlichen Spracherwerb und stellt verschiedene Theorien dazu vor.
- 3.1 Mindreading Theorie nach Bloom: Dieser Abschnitt stellt die "Mindreading Theorie" von Paul Bloom vor, die die Fähigkeit des Kindes beschreibt, die Gedanken und Intentionen anderer Personen zu verstehen.
- 3.2 Gegenargumente zur Theory of Mind: Dieser Abschnitt beleuchtet kritische Punkte und Gegenargumente zur "Theory of Mind".
- 3.3 Die Wichtigkeit des Gedankenlesens: Dieser Abschnitt befasst sich mit der Bedeutung des "Gedankenlesens" für den kindlichen Spracherwerb.
- 3.4 Differenzierung zwischen Assoziieren und Gedankenlesen: Dieser Abschnitt unterscheidet zwischen dem bloßen Assoziieren von Wörtern und Objekten und dem eigentlichen "Gedankenlesen".
Schlüsselwörter
Kindlicher Spracherwerb, Kommunikation, Gedankenlesen, Behaviorismus, Interaktivismus, Nativismus, Universalgrammatik, Theory of Mind, Bedeutungserwerb, Mutter-Kind-Kommunikation, Fehlerkorrektur, Patchwork-Theorie.
- Arbeit zitieren
- Yasmine Liebhart (Autor:in), 2008, Relevanz von Kommunikation und Gedankenlesen für den L1-Spracherwerb bei Kindern, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91160