Der Universalienrealismus Bertrand Russells


Essay, 2008

6 Seiten


Leseprobe

Der Universalienrealismus Bertrand Russells

In den 1912 erschienenen Problemen der Philosophie behandelt Bertrand Russell zentrale Fragen der Erkenntnistheorie und Ontologie und entwickelt – vornehmlich im neunten und zehnten Kapitel – eine realistische Universalienkonzeption mit „platonistischen Zügen“[1].

In der semantischen Analyse alltagssprachlicher Sätze stößt man bald auf ein Problem: Neben den Individualbegriffen, die auf ein bestimmtes Objekt der Außenwelt referieren, begegnen uns Universalien, Allgemeinbegriffe. In einem Satz wie „Sokrates ist ein Mensch“ bezeichnet „Sokrates“ ein Einzelding – eine bestimmte Person, die es nur einmal gab und geben wird –, „Mensch“ hingegen ist ein Universale, das auf potentiell unendlich viele Einzeldinge angewendet werden kann. In unserem Beispiel wurde ein Substantiv gewählt, um die Funktion eines Allgemeinbegriffes zu verdeutlichen; ebenso gut können jedoch Adjektive, Verben oder Präpositionen für Universalien stehen. Russell führt uns vor Augen, dass „sich kein Satz bilden lässt, in dem nicht wenigstens ein Wort ein Universale bezeichnet.“[2]

Russell ist davon überzeugt, dass materiellen Dingen, Sinnesdaten und Bewusstseinsinhalten ein Sein zukommt; sie existieren, sind zeitabhängig, veränderlich und vergänglich. Nun stellt sich die Frage, ob auch den Universalien ein Sein zukommt; und wenn ja, wie dieses Sein beschaffen ist. Diese Frage wurde schon in der Antike aufgeworfen und führte im Mittelalter zu einer heftigen Kontroverse – dem Universalienstreit –, die zwischen den Vertretern der „via antiqua“ und der „via moderna“ ausgefochten wurde. Im Folgenden sollen drei Positionen in der Debatte um den ontologischen Status der Universalien skizziert werden: Der Realismus, der Nominalismus und der Konzeptualismus.

Sowohl Platon als auch sein Schüler Aristoteles maßen den Universalien eine reale Existenz bei; sie unterscheiden sich jedoch in einem Punkt: Für Platon sind die Universalien oder Ideen vor den Dingen (ante res), für Aristoteles liegen sie in den Dingen (in rebus). Das platonische Höhlengleichnis veranschaulicht, dass die erfahrbaren Einzeldinge bloße Abbilder der Ideen sind; sie sind nichts als Schatten der Urbilder und haben einen geringeren Grad an Realität als jene. Die Ideen existieren unabhängig von einem wahrnehmenden Subjekt. Die Einteilung der Welt in das Reich der Lebewesen und sinnlich erfahrbaren Gegenstände einerseits und das Reich der Ideen andererseits wird auch als Zwei-Welten-Lehre bezeichnet. Die Welt der Ideen als unveränderliche und unvergängliche Welt ist der Welt der Dinge vor- und übergeordnet – sie ist vor den Dingen, ante res. In einem der platonischen Dialoge wird das Prinzip der Teilhabe aller Dinge unserer Erfahrungswelt an den Ideen thematisiert – Russell greift das von Platon verwendete Beispiel in Kapitel 9 auf: Wenn wir nach der Bedeutung eines Allgemeinbegriffs wie „Gerechtigkeit“ fragen, so können wir ihn nicht ohne Weiteres definieren, sondern ziehen in der Regel mehrere gerechte Handlungen zur Erklärung heran. Obwohl all diese Handlungen sich in vielen Einzelheiten unterscheiden können, ist ihnen etwas gemeinsam – die Gerechtigkeit. Gerecht sind die Handlungen deshalb, weil sie an der Idee, dem Urbild der Gerechtigkeit, teilhaben.

[...]


[1] Wolfgang Röd: Der Weg der Philosophie (Bd. 2). München, 2000. S. 479.

[2] Bertrand Russell: Probleme der Philosophie. Frankfurt am Main, 1967. S. 83.

Ende der Leseprobe aus 6 Seiten

Details

Titel
Der Universalienrealismus Bertrand Russells
Hochschule
Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf  (Philosophisches Institut)
Veranstaltung
Proseminar Bertrand Russell
Autor
Jahr
2008
Seiten
6
Katalognummer
V91331
ISBN (eBook)
9783638041119
Dateigröße
336 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Universalienrealismus, Russell, Bertrand, Philosophie, Erkenntnistheorie
Arbeit zitieren
Inga Bones (Autor:in), 2008, Der Universalienrealismus Bertrand Russells, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91331

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