Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Definitionhäusliche Gewalt
2.1 Erscheinungsformen
2.2 Straftatbestände
3 Ursprünge der Vorurteile durch die Gesellschaft
4 Aktuelle Erkenntnisse der Forschung
5 Das Dunkelfeld
5.1 Pilotstudie
6 Anzeigeverhalten männlicher Opfer
7 Prävention/Hilfsangebote
8 Fazit
Literaturverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Opfer partnerschaftlicher Gewalt nach Geschlecht
2 Verletzungsfolgen auf Grund körperlicher Auseinanderset-zungen oder sexualisierter Gewalt in Partnerschaften
1 Einleitung
„Häusliche Gewalt gegen Frauen, gegen Männer, gegen Kinder ist keine Privatsache. Es ist eine Straftat – und sie muss entsprechend verfolgt werden. Gewalt, die oft in den eigenen vier Wänden stattfindet, also an einem Ort, wo man sich ei-gentlich sicher fühlen sollte – ist leider für viele Frauen Reali-tät. Dieses Tabu, darüber nicht zu sprechen, muss weiter ge-brochen werden. Zum ersten Mal wurden nun Zahlen ausge-wertet speziell zu diesem Thema:“, machte Bundesfrauenmi-nisterin Manuela Schwesig deutlich.1
Dies verkündete die Bundesfrauenministerin am 22.11.2016, als sie zu-sammen mit dem Präsidenten des Bundeskriminalamtes Holger Münch zum ersten Mal kriminalistische Auswertungen zu häuslicher Gewalt vor-stellte. Es wurde herausgestellt, dass prozentual am häufigsten Frauen die Opfer sind. Durch diese Zahlen wird suggeriert, dass Männer selten bis gar keine Opfer von häuslicher Gewalt sind. Dass eine Bundesfrauen-ministerin sich für Frauen ausspricht ist verständlich, jedoch thematisiert dieses Zitat genau das Problem, welches in dieser Arbeit herausgestellt werden soll.2
Diese Aussage sowie viele Präventionskampagnen und Hilfsangebote stellen überwiegend nur auf häusliche Gewalt gegen Frauen ab. Zwar sprechen kriminalistische Auswertungen dafür, dass Gewalt gegen Män-ner nur vereinzelt vorkommt, jedoch ist auch Gewalt gegen Männer ein durchaus ernstzunehmendes Thema. Da Männer, die häusliche Gewalt erfahren, dies weder anzeigen noch darüber sprechen, ist dieses Thema für viele Menschen nicht präsent. Oft wird durch Vorurteile und klischee-hafte Rollenverteilung davon ausgegangen, dass Männer die Täter und Frauen die Opfer sind.
In der folgenden Seminararbeit wird für einen Überblick des Themas häus-liche Gewalt definiert und deren Erscheinungsformen mit der jeweiligen Strafbarkeit beschrieben. Anschließend werden kurz die Ursprünge der Enttabuisierung der häuslichen Gewalt und die fehlende, damit einher- gehende Thematisierung häuslicher Gewalt gegen Männer zur Erklärung der mangelnden Aufmerksamkeit für dieses Thema dargestellt. Außerdem werden die aktuellen Erkenntnisse der Forschung des Bundeskriminalam-tes sowie das damit zusammenhängende Dunkelfeld anhand einer Pilot-studie bearbeitet. Es soll dargestellt werden, was die aktuellen Erkenntisse des Themas sind und wie die Realität im Gegensatz dazu aussieht. Grün-de für das Dunkelfeld werden durch das Anzeigeverhalten männlicher Op-fer erklärt, welches grundlegend zu dem Dunkelfeld beiträgt. Zuletzt wird auf die (fehlende) Prävention und die aktuellen Hilfsangebote eingegan-gen.
Folgende Fragen sollen beantwortet werden: Wie hoch ist das Dunkelfeld? Warum gibt es überhaupt ein Dunkelfeld? Inwieweit trägt das Anzeigever-halten dazu bei? Warum zeigen Männer häusliche Gewalt gegen sich nicht an?
Das Ziel dieser Arbeit ist es, ein objektiveres Umgehen mit häuslicher Gewalt von Polizeivollzugsbeamten, anderen staatlichen Organen, aber auch von Angehörigen zu erreichen. Es soll dazu beigetragen werden, ei-nen differenzierteren Blickwinkel auf den Sachverhalt zu haben, statt den Täter vorschnell aufgrund des Klischee-Denkens zu verurteilen. Durch die Problematik des Dunkelfelds soll dazu angeregt werden, bessere Präventions- und Hilfsangebote einzuführen. Außerdem sollen männliche Opfer dazu ermutigt werden, häusliche Gewalt anzuzeigen, indem sie erkennen, dass sie nicht alleine sind.
2 Definition h ä usliche Gewalt
Bei der Polizei wird in den verschiedenen Bundesländern von unter-schiedlichen Definitionen ausgegangen. Das Innenministerium NRW hat die am weitesten gefasste Definition in einer Informationsbroschüre nie-dergeschrieben: „Häusliche Gewalt wird angenommen, wenn es in einer häuslichen Gemeinschaft ehelicher oder - unabhängig von der sexuellen Orientierung - nicht ehelicher Art oder sonstiger Art, die entweder noch besteht oder in Auflösung befindlich ist oder seit einiger Zeit aufgelöst ist zur Gewaltanwendung kommt.
Häusliche Gewalt setzt nicht die Tatbegehung in der gemeinsamen Woh-nung voraus. Tatorte können auch Geschäftsräume oder der öffentliche Raum sein. In Zweifelsfällen wird die Polizei häusliche Gewalt anneh-men.“3 Um den Tatbestand zu verwirklichen, müssen also Täter und Opfer zusammen wohnen, unerheblich in welcher Beziehung sie zueinander ste-hen und wo die Tat passiert, solange Täter und Opfer in einer häuslichen Gemienschaft leben.
Aus den verschiedenen Definitionen der einzelnen Bundesländer ergibt sich eine Schnittmenge von Aspekten, welche in der legal Definition vor-kommen sollten. Es sollte die Gewalt (Verhaltensform), das Häusliche (Verhältnis der Personen zueinander), das Zeitmaß im Hinblick auf das Verhältnis der Person zueinander und die Tatorte berücksichtigt werden.4
„Gewalt“ an sich hat keine legal Definition, weshalb in verschiedenen Fachbereichen unterschiedliche Definitionen angewendet werden, wie z.B. in der Etymologie, der Sozialwissenschaften, des Strafrechts, des Zivilrechts und des öffentlichen Rechts.5 Erläuterungsansätze finden sich in den Erscheinungsformen wieder.
2.1 Erscheinungsformen
Da der Begriff der Gewalt, wie bereits erwähnt, keine legal Definition hat, wird Gewalt unterschiedlich aufgefasst. Somit gibt es drei Erscheinungs-formen der Gewalt die auftreten könnten: die körperliche, die psychische und die sexuelle Gewalt.
Die körperliche Gewalt zielt auf die Schädigung, Verletzung oder Tötung einer anderen Person ab. Zur Gewalt gehört auch die Gewaltausübung auf Sachen, die dem Opfer von besonderem Wert sind.
Psychische Gewalt kann schwerwiegender sein als die körperliche Ge-walt. Sie ist deutlich schwerer festzustellen, da sie, anders als Verletzun-gen, äußerlich nicht sichtbar ist und somit verborgen bleibt. Die psychische Gewalt wird in die Kategorien verbale und soziale Gewalt, ökonomische Ausbeutung / Abhängigkeit und Stalking unterteilt. Das Schwierige an die-ser Erscheinungsform ist auch, dass die Polizei, wenn Männer sich gegen diese Art von Gewalt wehren, nur die blauen Flecken auf der Partnerin sehen und nicht die inneren Verletzungen des Mannes sehen können. Die Glaubhaftigkeit des Mannes wird dann grundlegend in Frage gestellt.
Zuletzt beinhaltet die sexuelle Gewalt alle sexuellen Handlungen die er-zwungen wurden.6
Durch das Anwenden einer der Gewaltformen werden in der Regel Straf-tatbestände erfüllt. Gewalt an sich hat keinen eigenen Tatbestand. Welche Straftaten in Betracht kommen könnten, wird im folgenden beispielhaft auf-geführt.
2.2 Straftatbest ä nde
Zu der körperlichen Gewalt gehören Straftatbestände wie die Körperver-letzung jeglicher Art, Tötung und die Sachbeschädigung.
Beleidigung, Nötigung, Nachstellung und Bedrohung werden unter psychi-scher Gewalt gefasst. Sexuelle Gewalt wird in jeglichen sexuellen Missbräuchen und Nötigungen verwirklicht.7
Um als Polizei vor Ort helfen zu können, wurde der § 34a PolG NRW ein-geführt. Dort wird auf eine gegenwärtige Gefahr für Leib, Leben oder Frei-heit abgestellt um den Täter/ die Täterin der Wohnung zu verweisen und/ oder ein zehn tägiges Rückkehrverbot aussprechen zu können. Außer der Wohnungsverweisung muss die Polizei weitere Schritte zum Schutz und zur Hilfe des Opfers erklären. Zudem erstellt die Polizei eine Gefahrenpro-gnose zu der Wiederholungsgefahr des/ der gewalttätigen Täters/ Täterin.
Zum nachhaltigen Schutz, vor allem von Frauen, wurde am 11.12.2001 ein Gesetz zum zivilrechtlichen Schutz von Gewalttaten und Nachstellung (Gewaltschutzgesetz- GewSchG) verabschiedet.
In dem ersten Paragraphen geht es um die gerichtlichen Maßnahmen zum Schutz vor Gewalt und Nachstellung. Der erste Absatz umfasst die Straf-tatbestände widerechtlicher vosätzlicher Körper-, Gesundheits- oder Frei-heitsverletzungen. Das Gericht hat auf Antrag der verletzten Person alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um weitere Verletzungen abzuwen-den. Dazu kann das Gericht unter anderem anordnen, dass der Täter/ die Täterin nicht mehr die Wohnung oder den Umkreis der Wohung der verletzten Person aufsuchen darf. Dieselben Konsequenzen gelten nach Absatz zwei auch, wenn mit den Verletzungen gedroht wird oder der Täter/ die Täterin gegen den Willen des Opfers Nähe sucht. Absatz drei regelt, dass auch wenn der Täter/ die Täterin in einem die freie Willensbestim-mung ausschließenden Zustand war, alle Anordnungen von dem Gericht analog durchgeführt werden können. Einen die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand hat man, wenn sich durch Alkohol oder andere Substanzen vorübergehend in diesen Zustand versetzt wird.
Der zweite Paragraph regelt das Überlassen der gemeinsamen genutzten Wohnung und Paragraph drei bezieht sich auf die Betreuung minderjähri-ger Opfer. Unter Paragraph vier steht die Strafbarkeit des Täters geschrie-ben.
3 Ursprünge der Vorurteile durch die Gesellschaft
Der Ursprung des Klischeedenkens liegt in den 1970er Jahren, als die Frauenbewegung auf häusliche Gewalt gegen Frauen aufmerksam mach-te und das Thema somit enttabuisierte. Seitdem änderte sich die Rechts-lage und sie wurde nun nicht mehr als Privatsache deklariert. Es wurde das spezielles Gewaltschutzgesetz, dessen Fokus auf Frauen und Kinder gerichtet ist, entworfen. Diverse Frauenhäuser und Schutzwohnungen in allen Länder der Bundesrepublik wurden eröffnet und eine spezielle staat-liche Telefonhotline für weibliche Opfer wurde eingerichtet. Die Aufmerk-samkeit galt allein den Frauen.
Gewalt gegen Männer wurde nicht priorisiert behandelt und bekam somit keine Aufmerksamkeit. Stattdessen hieß es, dass Männer keine Zufluchts-orte benötigen, wenn sie nicht selbst Gewalt anwenden würden. Mit ande-ren Worten: Männer seien selber Schuld wenn eine Frau Gewalt anwen-det. Von der Gesellschaft wird angenommen, dass Männer solche Gewalt- probleme verstecken würden oder sich selbst helfen könnten, da Männer den Frauen körperlich überlegen seien und sich wehren könnten.8
Die körperliche Überlegenheit des Mannes wird jedoch durch die Zuhilfe-nahme von Drohungen oder Nötigung der Frau ausgeglichen. Der Grund für die Gewaltanwendung von Frauen gegen ihre Partner ist biologischer Natur. Frauen fühlen sich durch ihr weibliches Geschlecht und der sprach-lichen sowie emotionalen Befähigungen überlegen. Deswegen wenden Frauen psychische Gewalt an, um ihre Unterlegenheit durch ihre Stärken auszugleichen. Aus Verzweiflung und Hilflosigkeit antworten Männer mit körperlicher Gewalt.9
4 Aktuelle Erkenntnisse der Forschung
Aus der polizeilichen Kriminalstatistik ergibt sich das Hellfeld aller be-kanntgewordenen strafrechtlichen Delikte. Aus diesen Erkenntnissen hat das BKA in den kriminalistischen Auswertungen partnerschaftlicher Ge-walt 2017 Opfer dieser Gewalt nach Geschlecht kategorisiert und unter bestimmten versuchten und vollendeten Gewaltdelikten unterteilt. Je-de Kategorie zu erläutern und deren Zahlen vorzustellen würde zu viel Ausmaß haben, weshalb im folgenden auf jeweils ein Delikt einer Erschei-nungsform von Gewalt eingegangen wird.
Unter körperlicher Gewalt werden viele Delikte gefasst. Da die vorsätzliche einfache Körperverletzung häufiger auftritt als andere Delikte, wird dieses Delikt für die Erscheinungsform exemplarisch vorgestellt. Insgesamt gab es 84.752 vorsätzliche einfache Körperverletzungen. Davon waren 16.208 männliche Opfer und 68.544 weibliche Opfer. Man erkennt also eine starke Differenz von 52.335. (siehe Tabelle 1, S. 7)
Für die psychische Gewalt erfasste das BKA die Kategorie „Bedrohung, Stalking, Nötigung“. Dort wurden insgesamt 32.382 Delikte erfasst. Davon waren 3.513 männliche Opfer und 28.869 weibliche Opfer. Das ergibt eine Differenz von 25.356.
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1 Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (2016). Wenn das ei-gene Zuhause nicht sicher ist – Gewalt in Paarbeziehungen. Letzte Aktualisie-rung: 22.11.2016. https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/presse/pressemitteilungen/ wenn-das-eigene-zuhause-nicht-sicher-ist—gewalt-in-paarbeziehungen/112658, zu-letzt aufgerufen: 04.11.2019.
2 Vgl. ebd.
3 Vgl. Innenministerium des Landes Nordrhein-Westfalen (Hrsg.) (2007). Häusliche Ge-walt und polizeiliches Handeln. Düsseldorf: jva druck + medien, S.11 ff.; künftig zitiert: IM NRW (2007).
4 Vgl. Derks, A. (2018). Häusliche Gewalt. Leitfaden für Studium und polizeiliche Praxis. Wiesbaden: Kommunal- und Schul-Verlag GmbH & CO. KG, S. 65.
5 Vgl. Gorn, G. (2015). Häusliche Gewalt und Polizeirecht. Frankfurt am Main: Peter Lang GmbH, S. 3 ff.
6 Vgl. Alzinger, J. (2016). Der „geschlagene Mann“. Männliche Opfer im Kontext häusli-cher Gewalt. Hamburg: Diplomica Verlag GmbH, S. 7 ff; künftig zitiert: Alzinger (2016).
7 Welche Auswirkungen das Klischee-Denken auf männliche Opfer hat, wird im Verlaufe der Arbeit herausgestellt.
8 Vgl. Fuhrmann, L. (2019). Männer als Opfer von häuslicher Gewalt. Die Problematik fehlender Hilfe und Sensibilisierung in der Gesellschaft. Frankfurt: Verlag für Polizei-wissenschaft, S. 41; künftig zitiert: Fuhrmann (2019).
9 Vgl. Fuhrmann (2019), S. 23 f.