Der Laichinger Kirchenkonvent

Zwischen Sozialdisziplinierung, Armenfürsorge und dörflichen Normen


Magisterarbeit, 2003

111 Seiten, Note: 1,2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

VORWORT

I. EINLEITUNG
1. Methodische Vorgehensweise
2. Forschungsstand
3. Herrschaft zwischen Sittenzucht und Sündenzucht
3.1. Staat und Gesellschaft - Obrigkeit und Untertanen
3.2. Die württembergischen Kirchenkonvente
4. Der Flecken Laichingen im 18. Jahrhundert
4.1. Geschichtliche Entwicklung
4.2. Die Laichinger Pfarrer im 18. Jahrhundert
4.3. Die Kirchenkonventsrichter und die Gemeinde

II. VERHANDLUNGSGEGENSTÄNDE
1. Störung der „öffentlichen“ Ordnung
1.1. Sonn- und Feiertagsheiligung
1.1.1. Obrigkeitliche Norm
1.1.2. Normverstöße
1.2. Schule
1.2.1. Normativer Rahmen
1.2.2. Schulalltag
1.3. Verhalten und Aufführen im „Alltag“
1.3.1. Obrigkeitliche Vorstellungen
1.3.2. Normverstöße
1.4. Ergebnisse
2. Störung der Sexualordnung
2.1. Eheversprechen, Ehe, Ehebruch, nicht-eheliche Schwangerschaften
2.1.1. Die Normen
2.1.2. Die Fälle
2.1.3. Kamm in den Ruf einer unehelichen Schwängerung
2.2. Ergebnisse
3. Störung der häuslichen Ordnung
3.1. Streit im Haus
3.1.1. Vom „ganzen Haus“ zum „guten Hausen“
3.1.2. Normverstöße und Normnutzung
3.1.3. Ergebnisse
4. Sozialfürsorge
4.1. Almosen und Armenregister
4.1.1. Obrigkeitliche Norm
4.1.2. Bitten zwischen Schulgeld und heiligem Laib
4.1.3. Ergebnisse
5. Verwaltung
5.1. Organisation und Selbstverwaltung
5.1.1. Finanzielles: Ämtervergabe, Gehälter und Rechnungen
5.1.2. Verpflichtungen: Spenden, Anordnungen und Ermahnungen
5.1.3. Ergebnisse
6. Exkurs: Lichtstuben, obrigkeitliche Ansichten vs dörfliche Einsichten

III. Ergebnisse

IV. Ausblick

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

V. QUELLEN- und LITERATURVERZEICHNIS

Anhang

VORWORT

Am Morgen des 24. Dezember 1749 fand der Laichinger Pfarrer Matthias Friedrich Brecht einen anonymen Zettel an seine Tür geheftet.1 Der Inhalt des Zettels und die darauf folgenden Maßnahmen wurden peinlichst genau in den Kirchenkonventsprotokollen festgehalten.

An den hochgeEhrtesten H. Pfarrer.

Bitte Euch umb Gotteswillen, Ihr wollet so gut seyn, und dem gottlosen Sodom und Gomorrha abhelffen, dem schröcklichen, in des Jakob Röschen Haus; Es ist erschröcklich gottlos: mann spihlt alle Nacht [...] gar bis morgens die bettglocken, O! Daß Gott erbarme. Ich habe selbst ein Kind darein gehen; ich bitte den hochgeEhrtesten Hl: Pfarrer, er wolle doch dem gottlosen Haus abhelffen, darf doch der gantze Orte um des Lasters willen gestrafft werde. [...] . Es gehen Buben darein um 14 Jahre, Schüler: auch confirmirte um 15. 16. Jahr. An der heiligen Christnacht stehen sie auff um 12. Uhr. Sie spielen biss morgen, da mann in die Kirche gehet; das ist ja ein Greul vor Gott dem Allmaechtigen.

Mit diesem Zettel, so ist weiter vermerkt, begab sich Pfarrer Brecht umgehend zum Amtmann und hat dort Unterredung gepflegt wie die Sache anzustellen.

Beede Vorsteher bescheideten einander Nachts umb 10 Uhr eodem, die ch. 24 xbr: und gingen allein miteinander zu des Jakob Röschen Haus, traffen aber niemand an, war auch kein Mensch auff, nachdem dises fehl geschlagen, ging Pfarrer allein [...] d. 26 xbr: nur sein [...] Sohn den scribanten bey sich habend nachts 3.4tl: auf 9. Uhr dahin. Pfarrer traff eine gantze Stube voll Männer und ledige Purschen an, die Cartenspiehle lagen auf den Tischen; der Personen waren wenigstens 30 sitzende umb 3 Tische war alles gesteckt voll.

So bald Pfarrer sich zu erkennen gab, war alles auff, und wollte zur Thür hinaus – des Pfarrers Sohn aber stand dagegen und lies keinen hinaus, darauf lieff ein Troup der Kammer zu, und stigen zum Laden hinauff; da aber diese Sach zu langsam gieng, brachen die Läuthe die Fenster samt den holtern Rahmen entzweiy, und schlupfften Hauffen weis zum zerbrochenen Fenster hinaus, biss auf einen, neml: dem so genannten Haffner Stoffel.

Darauff der Pfarrer so gleich bey Nacht im heimgehen diesen Zufall Herrn Amtmann erzehlt.

Die beteiligten Personen wurden unterschiedlich abgestraft: je nachdem ob sie Karten gespielt oder gewürfelt hatten, bzw. nur als Zuschauer anwesend gewesen waren. Der ganze Vorgang wurde nach der Predigt im Gottesdienst publice gemacht. Jakob Rösch wurde mitgeteilt, dass der Bericht über ihn noch nicht an das gemeinschaftliche Oberamt geschickt wurde, weil man sehen wolle ob er sich nicht bessern werde. 2

Dieses Beispiel zeigt, dass frühneuzeitliche Herrschaft keine Trennung von Kirche und Staat, von geistlichen und weltlichen Bereichen kennt. Die obrigkeitlichen Wertevorstellungen stützten sich auf die Bibel und hier vor allem auf den Dekalog.

Ihren Niederschlag finden diese Wertevorstellungen im Ordnungsrecht, dem rechtlichen Normenkatalog, der „guten Policey“, die sich „... orientiert an einer dem allgemeinen Besten dienenden sozialen Harmonie. Sei es die Wahrung der Rechtgläubigkeit, der regelmäßige Kirchgang bzw. die Verfolgung von Gotteslästerung und Ketzerei, sei es die rechtliche Sanktionierung der Familie mit dem Hausvater als Gebieter über Frau, Kinder und Gesinde oder sei es die Sozialpolitik, die den Zielsetzungen der Eindämmung von Verschwendung und Luxus, der Elimination von Müßiggang und Laster und der Minderung von Armut und Krankheit gehorcht, alles unterliegt der obrigkeitsstaatlichen Reglementierung, der prinzipiell nichts entzogen ist. Dabei sieht der frühneuzeitliche Staat keine Trennung zwischen sittlichen, religiösen und ökonomischen Bereichen vor. Die Obrigkeit bekämpft ebenso aus sittlichen wie aus wirtschaftlichen Erwägungen Müßiggang, Landstreicherei und Bettelei.“3

Im Herzogtum Württemberg wurden als ein Instrument zur Umsetzung und Anwendung der Policeygesetze in Form von Verordnungen, Erlassen und Reskripten 1642 die Kirchenkonvente eingerichtet.4 Zwei Jahre später folgte nach anfänglichen Mißverständnissen über die Kompetenzen des neuen Gerichts eine ausführlichere Anordnung. Die Kirchenkonvente sollten vor allem den Verfall der Sitten nach dem Dreißigjährigen Krieg entgegenwirken. Als Instrumente der Sittenzucht stellen sie kein Einzelphänomen dar. Auch in anderen Herrschaftsgebieten verschiedenster Konfessionszugehörigkeit gab es mehr oder weniger vergleichbare Gerichte.

Die folgende Arbeit basiert auf den Laichinger Kirchenkonventsprotokollen von 1729 bis 1796. „Man kann [...] an den Laichinger Dokumenten und Quellen auch den Versuch [der staatlichen und kirchlichen Obrigkeit] beobachten, die gesamten und d.h. vor allem auch die außerfamilialen Grundlagen und Formen dörflichen Lebens und Zusammenlebens zu verändern.“5 In welcher Form und ob überhaupt eine Veränderung des Verhaltens erzielt wurde, wird eine der Fragen sein, denen diese Untersuchung nachgeht. Daneben stellen sich folgende Fragen: Kommt es im Verlauf des untersuchten Zeitraums zu einer Verschiebung oder Veränderung der Verhandlungsgegenstände? Kommen neue hinzu, welche Gegenstände werden nicht mehr verhandelt? Welche Hintergründe kann es dafür jeweils geben? Oder erlauben die Quellen darüber keine Aussagen?

Wie sehen die Strafen, Sanktionen aus? Was wird wann wie gestraft? Welche „Wertigkeit“ haben die verschiedenen Normverstöße und sind auch hier Veränderungen zu sehen? Gibt es „Strafspielräume“? Gibt es gruppenspezifische Normverstöße?

Wie geht das Dorf, wie gehen die verschiedenen Interessengruppen im Dorf mit den obrigkeitlichen Normen um? Welche Interaktionen finden zwischen ihnen statt? Wo zeigen sich Übereinstimmungen, wo Überschneidungen zwischen den obrigkeitlichen und dörflichen Normen? Welche Normen gelten überhaupt im Dorf? Und welche Strategien werden in Bezug auf die verschiedenen obrigkeitlichen Normen entwickelt und angewendet? Gibt es Widerstands-strategien?

Das Ziel dieser Arbeit ist zum einen, die Arbeit des Laichinger Kirchenkonvents umfassend darzustellen, seine Aufgabenschwerpunkte und gegebenenfalls Verlagerungen nachzuzeichnen, und zum anderen, der Frage nachzugehen, welche Bevölkerungsgruppen vorwiegend mit ihm in Berührung kamen und wie diese mit dem Gericht in Interaktion traten.

Die Arbeit ist in zwei Teile gegliedert. Der erste Teil beinhaltet die methodischen Grundlagen sowie geschichtliche Hintergründe, im zweiten Teil wird den einzelnen normativen Regelverstößen systematisch nachgegangen. Dazu wird als Hintergrund sowohl die obrigkeitliche Norm einbezogen als auch vergleich-bare Untersuchungen zu den jeweiligen Gebieten.

Zu beachten bleibt, dass der Inhalt der Kirchenkonventsprotokolle sehr von der jeweiligen Situation vor Ort abhängig ist. Dabei müssen Siedlungsgeschichte, Herrschaftsentwicklung und Bevölkerungszusammensetzung berücksichtigt werden, ebenso das Umland, Grenzverläufe und Konfessionszugehörigkeit. Weiter ist die Zusammensetzung der verschiedenen Gruppen im Dorf, die innerdörflichen Hierarchien, die Verwandschaftsbande und nicht zuletzt die Beziehungseinbindung von Amtmann, Pfarrer und Richtern als ausführenden Personen der obrigkeitlichen Normen zu betrachten.

Bei der Interpretation der Quellen darf nicht vergessen werden, dass die Quellen nur einen Ausschnitt der Wirklichkeit zeigen: den Teil der Wirklichkeit, der mit der Obrigkeit in Berührung kommt. Nur diesen Ausschnitt bekommen wir zu sehen. Eine Dunkelziffer der Normverstöße bleibt bestehen.6

I. EINLEITUNG

1. Methodische Vorgehensweise

Für die systematische Analyse der Laichinger Kirchenkonventsprotokolle7 von 1729 bis 1796 wurden sechs Blöcke jeweils drei aufeinander folgender Jahre untersucht, d.h. (jeweils einschließlich) die Jahre 1729-31, 1742-44, 1755-57, 1768-70, 1781-83 und 1794-96. Dazwischen bleiben jeweils zehn Jahre unberücksichtigt, um das Quellenmaterial bewältigen zu können. Alle fünf während dieser Zeit in Laichingen tätigen Pfarrer fallen somit mindestens in einen Untersuchungsabschnitt. Da die Bevölkerung Laichingens im Verlauf des 18. Jahrhunderts nur um ca. 100 Einwohner anwuchs, ist die Vergleichbarkeit der prozentualen Ergebnisse gewährleistet.8

Für die quantitative Auswertung wurden sechs übergeordnete Normkategorien anhand der verhandelten Tagesordnungspunkte gebildet, denen die jeweiligen Einzeldelikte zugeordnet wurden.9 Dabei ist zwischen den absoluten Zahlen, die auch Vertagungen und nochmaliges Verhandeln eines Tages-ordnungspunktes mitzählen, und der tatsächlichen Zahl der Normverstöße zu unterscheiden. Der Untersuchung liegen die Zahlen der absolut verhandelten Tagesordnungspunkte zugrunde.

Die Kategorien der normativen Regelverstöße stehen auf dem Hintergrund von „Delikträumen“, zwischen „öffentlich“ und „häuslich“ befindet sich dabei der beide Bereiche tangierende Raum der Geschlechterbeziehungen . 10

Die erste übergeordnete Normkategorie Störung der „öffentlichen“ Ordnung ist weiter unterteilt in die Normgruppen: Sonn- und Feiertagsheiligung, Schule und Alltag. Es folgen die übergeordneten Normkategorien: Störung der Sexualordnung 11 , Störung der häuslichen Ordnung, Sozialfürsorge, Verwaltung und Sonstiges. Durch diese Analyse wird die Frage, womit sich der Kirchenkonvent beschäftigte und ob ein Verlagerung der Aufgabenbereiche zu erkennen ist, untersucht. Zu beachten bleibt, dass unter einen Tagesordnungspunkt auch mehrere beteiligte Personen fallen können: z.B. bei Stören im Gottesdienst, Tumult oder Schulversäumnis. Somit stimmt die Anzahl der Tagesordnungspunkte nicht mit der Zahl der betroffenen Personen überein. Im Fall der Almosenverteilung ist häufig nicht nachzuvollziehen, um wieviele Empfänger es sich handelt. Trotzdem sind m.E. Tendenzen erkennbar und Aussagen möglich.

Um die Ergebnisse im Fall der Almosenverteilung sowie der unehelichen Schwangerschaften noch weiter präzisieren zu können, wurden genauere Untersuchungskategorien gebildet.

Neben der quantitativen Auswertung wird mit Hilfe der „dichten Beschreibung“12 versucht, dem Alltag möglichst nahe zu kommen. Dabei wird weder die Durchsetzung der Normen von oben nach unten im Sinne des Sozialdisziplinierungskonzeptes von Gerhard Oestreich näher betrachtet, noch das Zivilisationskonzept von Norbert Elias. Beide Modelle werden m.E. der kleinräumigen Geschichte/Mikrohistorie nicht gerecht, da sie die fundamentalen Faktoren der lokalen Herrschaftsverhältnisse außer Acht lassen13 und eine unvoreingenommene Herangehensweise an Quellen behindern.

2. Forschungsstand

Die Literatur zu den württembergischen Kirchenkonventsprotokollen ist nicht sehr umfangreich, da die Protokolle bis heute oft nur als Steinbruch für Anekdoten genutzt und nicht wissenschaftlich untersucht werden.14 Als eigenständige Quellengattung finden sie erst seit wenigen Jahren in der historischen Forschung Beachtung.15 Martin Brecht setzte sich im Rahmen einer theologischen Arbeit zu Kirchenzucht und Kirchenordnung wissenschaftlich mit dem Kirchenkonvent auseinander.16 Er betont die Vermengung von „Polizei und Kirchenzucht“, die zu einer für ihn negativen „Intensivierung der Polizeigerichtsbarkeit“ führte. Zugleich verweist er auf die „echte Seelsorge“, die dort geübt wurde, und die Leistungen im Schulwesen und der Armenfürsorge. Als Grund für die von ihm festgestellte Zunahme der vor den Konventen verhandelten Fällen ab 1700 nennt er disziplinlos gewordene Richter und die praktische Säkularisation, die eben früher als bisher angenommen eingesetzt habe.

Schon seit einiger Zeit beschäftigt sich Helga Schnabel-Schüle mit den Kirchenkonventen.17 In ihrem ersten Aufsatz „Calvinistische Kirchenzucht in Württemberg?“ von 1990 verweist sie darauf, dass bisher, auch bei Martin Brecht, der Einfluss von Johann Valentin Andreä und calvinistischer Gerichte bei der Einrichtung der Kirchenkonvente überschätzt wurde. Daneben hebt sie die enge Zusammenarbeit von kirchlichen und weltlichen Behörden und Beamten hervor, wobei sie auch auf die daraus entstehenden Konfliktfelder aufmerksam macht und die Abhängigkeit der Gerichte vom Denunziationswillen der Bevölkerung betont. Ihr 1994 erschienener Aufsatz „Kirchenzucht als Verbrechensprävention“18 ordnet die Arbeit der Kirchenkonvente dem Konzept der Sozialdisziplinierung zu, die sie jedoch um zwei Ebenen erweitert. Sozialdisziplinierung verläuft demnach nie nur von oben nach unten, sondern beinhaltet daneben horizontale und selbstregulierende Vorgänge.19 Durch den Gedanken der kollektiven Schuld und der Strafe Gottes wurde demnach die Denunziation gefördert und legitimiert.20 Die Kirchenkonvente waren somit fest eingebaut in das religiös motivierte Strafsystem, das Helga Schnabel-Schüle in seiner Gesamtheit für Württemberg in ihrer Habilitation „Überwachen und Strafen“ von 1997 behandelt.21

Beate Popkin sieht in ihrem Aufsatz von 1996 die Kirchenkonvente als Sittengerichte an und „... als ein Instrument der sozialen Integration [...], durch die die Kultur der gebildeten Schichten in die dörflichen Gemeinden Eingang fanden.“22 Sie sind Ausdruck der beginnenden pietistischen Bewegung und neuer Ansätze der pastoralen Arbeit. Der Kirchenkonvent lehrt Richter und Angeklagte „neue Methoden der Konfliktbewältigung.“ „Indem er Schuld und Versagen betonte, veränderte der Kirchenkonvent den Sinn der Berichte der Dorfbewohner. Er lenkte den Schwerpunkt weg von Gefühlen des Ärgers, der Wut oder der Angst und hin zu einer rationalen Erwägung innerhalb seines eigenen Wertesystems.“23 Damit „zivilisierte“ er im Sinn von Norbert Elias die Gemeinden in einem langanhaltenden Prozess.

Umfangreichere Arbeiten zu einzelnen Kirchenkonventen gibt es bisher nur von Martin Häussermann zu Waiblingen und von Susanne Schmaltz zu Holzgerlingen. Martin Häussermann untersuchte in seiner Dissertation von 1995 den Kirchenkonvent der Amtsstadt Waiblingen von 1657 bis 1803 aus einem rechtshistorischen Blickwinkel.24 Er geht quantifizierend wie be-schreibend vor und betont vor allem die bis dahin nicht wahrgenommene Rolle des Gerichts bei der Unterstützung Bedürftiger durch Almosen. Diese Aufgabe wurde dann auch im Verlauf des 18. Jahrhunderts zum Haupt-bestandteil der Sitzungen in Waiblingen. Immer weniger Normübertretungen wurden behandelt und noch weniger abgestraft. Häussermann macht auf die Zwiespältigkeit der Kirchenkonvente zwischen Sitten- und Kirchenzucht auf der einen und Sozialfürsorge auf der anderen Seite aufmerksam. „Durch die Verbindung dieser zwei Zuständigkeiten war der Kirchenkonvent in die Lage versetzt, Wohlverhalten bei den armen Schichten der Bevölkerung weniger mit Strafen als vielmehr über die Geldbörse zu erzwingen.“ Dieses Wohlverhalten sollte durch eine innere Verpflichtung der Almosenempfänger erreicht werden. Martin Häussermann betont dabei, dass auch straffällig gewordenen Almosenempfängern dasselbe nie gestrichen wurde. Daneben wurde der Kirchenkonvent mitunter auch Mittel zum Zweck und das durchaus in Übereinstimmung mit den Intentionen der Obrigkeit, wie er anhand der Beispiele von Frauen mit Ehestreitigkeiten deutlich macht.

Die Magisterarbeit von Susanne Schmaltz beleuchtet den Kirchenkonvent umfassend und fragt nach seinen „Aufgaben und Kompetenzen (1700-1846)“ unter religionswissenschaftlichen Gesichtspunkten. Sie geht der Frage nach, inwieweit die Konzepte von Max Weber, Norbert Elias und Gerhard Oestreich sich zu den Kirchenkonventen in Verbindung setzen lassen und kommt zu dem Schluss, dass sich diese Konzepte zum Großteil nicht durch die Kirchenkonventsprotokolle in Holzgerlingen belegen lassen.25 Für das 18. Jahrhundert stellt sie fest, dass die Zahl der Personen, die mit dem Kirchenkonvent in Kontakt kommen, abnimmt, wie auch die Anzahl der Anzeigen. „Zwischen 1700 und 1850 wandelte sich der Holzgerlinger Kirchenkonvent von einem Gremium, das sich hauptsächlich mit Strafjustiz befaßte, zu einem Verwaltungsorgan, dessen Hauptaufgabe im Bereich der Armenfürsorge lag.“26 Wie Häussermann protokolliert sie eine Verlagerung der Aufgabenschwerpunkte zugunsten der Verteilung von Geld- und Sachgütern ab dem 19. Jahrhundert und eine „Rationalisierung“ im Umgang mit den Vorgeladenen.

Joachim Landwehr zieht in seiner Dissertation „Policey im Alltag“ von 2000 für seine Untersuchung von Herrschaft in der Frühen Neuzeit neben den Ruggerichtsprotokollen die des Kirchenkonvents der Amtsstadt Leonberg hinzu. „Die Beziehungen zwischen den Amtsträgern und den Untertanen lassen sich anhand der Quellen des weltlichen Ruggerichts und des geistlichen Kirchenkonvents aufzeigen, der beiden wichtigsten württembergischen Institutionen, in denen den Policeyordnungen zur Geltung verholfen werden sollte.“27 Dabei merkt er kritisch an, dass bisher kein „ausgereiftes und erprobtes Untersuchungsinstrumentarium“ zur Verfügung steht, um eine Analyse auf lokaler Ebene durchzuführen.28 Methodisch untersucht er die Quellen mit Hilfe der historischen Implementationsforschung,29 basierend auf dem IEMP Model der Gesellschaft von Michael Mann und den von Pierre Bourdieu entwickelten Begriffen von „Feld“ und „Spiel“.30 Er stellt eine Kooperation der weltlichen und geistlichen Amtsträger fest, die sich erst im Verlauf des 18. Jahrhunderts langsam zu lösen beginnt;31 dem Zeitraum, in dem sich der Leonberger Kirchenkonvent immer mehr von den moralisch-sittlichen Fragen weg und den organisatorisch-institutionellen Aufgaben zuwendet.32 Abschließend stellt er in Bezug auf die Frage nach der Wirkung obrigkeitlicher Normen fest: „Werden einerseits bestimmte Optionen normativ ausgeschlossen, ergeben sich fast immer zur gleichen Zeit neue Handlungsmöglichkeiten, die durch die Normen überhaupt erst geschaffen werden, wie beispielsweise die Instrumentalisierung von Normen.“33

3. Herrschaft zwischen Sittenzucht und Sündenzucht

3.1. Staat und Gesellschaft - Obrigkeit und Untertanen

Sittenzucht34 wird nicht erst seit der Reformation durch den Landesherren praktiziert. Schon die landesherrliche Sittenkontrolle im 14. Jahrhundert und das vorreformatorische landesherrliche Kirchenregiment zeigen erste Ansätze dazu.35 Die Reformation verstärkte jedoch die Verbindung zwischen Staat und Kirche erheblich. Sitte und Moral, religiöse und obrigkeitliche Normen, die Maßstäbe für das Zusammenleben in der Gesellschaft und der Familie gehen konform.36 Die von Gott gewollte Ordnung mit dem Landesherrn an der Spitze der Gesellschaft beruht auf dem Dekalog, für deren Einhaltung er ebenfalls Sorge zu tragen hat.37

„Die staatlichen Konfessionen [...] haben die ständische Ordnung religiös zu rechtfertigen und als Gottes Ordnung zu verklären. Kompetitive Staatsentwicklung und die neuen Staatskirchen konvergieren damit in einer Synthese, in welcher der Staat mit seinen Machtpotentialen die Konfession nach außen schützt und nach innen durchsetzt. Das Schisma bedeutet damit nicht nur eine Kirchenspaltung, sondern gleichzeitig eine Verstaatlichung der Religion und eine religiöse Legitimation der staatlichen Ordnung. Die neue christliche Moral unterliegt nicht nur kirchlicher Beaufsichtigung, sondern auch staatlicher Kontrolle.“38 Frühneuzeitliche Herrschaft ist gekennzeichnet durch Herrschafts- und Rechtsintensivierung, basierend unter anderem auf dem Auf- und Ausbau der Verwaltung und der Gerichte.

Die obrigkeitliche Kontrolle findet ihren Niederschlag in den Landes- und Policeyordnungen des 16. Jahrhunderts, die das tägliche Leben der Untertanen in allen Bereichen regeln (wollen). Zum einen ging es dabei um eine gute Ordnung der Gesellschaft, um den „gemeinen Nutzen“ aller, denn nur durch diese gute Ordnung werden alle vor dem Zorn Gottes und seiner Strafe geschützt.39 Sünde musste angezeigt und vor aller Augen „öffentlich“ abgebüßt werden. Durch das Nicht-Vorhandensein einer Privatsphäre gab es kaum eine Möglichkeit, Sünde im Verborgenen zu begehen.

Zum anderen zielte jedoch auch obrigkeitliche Gesetzgebung nicht auf eine umfassende Befolgung der Verordnungen, Reskripte, Erlasse und Gesetze. Obrigkeit legitimierte sich zum Teil schon allein durch Erlasse als solche.40 Gerade bei Herrscherwechseln kommt dies zum Ausdruck, indem die bisherigen Gesetze oftmals mit nur kleinen Veränderungen neu bestätigt werden.41 Und ebensowenig ist Gesetzgebung ein Akt, der nur von oben nach unten vollzogen wird.42 Gesetze stoßen immer auf Resonanz und diese Resonanz wirkt sich wiederum auf die Gesetzgebung aus. Wo Normen geschaffen werden, sind Normabweichungen zwangsläufig. Sie bilden den Negativabdruck des Normenkatalogs.43 Eine Rezeption der obrigkeitlichen Gesetze oder Normen findet nie eins zu eins statt, da unterschiedliche Personen mit unterschiedlichen Interessen und Ansichten in Bezug auf die Umsetzung der Gesetze vor Ort beteiligt sind. Nicht zuletzt die Möglichkeiten der Verwaltung setzten der Umsetzung in der Frühen Neuzeit Grenzen.44

Doch nicht nur von Seiten der Obrigkeit war man an einer guten Ordnung und der Befolgung der Verhaltensnormen interessiert.45 Den Untertanen, dem „gemeinen Mann“, war prinzipiell ebenso auf dem Hintergrund der drohenden Strafe an einer Einhaltung gelegen.46 Nur über die genauen Inhalte des Verhaltenskataloges war man sich eben je nach Stand und individuellen Lebensumständen nicht einig.47

Zum Bild der „guten“ Obrigkeit gehört auch, dass sie sich einen Spielraum für Gnadenakte vorbehielt. Dieser Spielraum war Teil der Auffassung von einem gnädigen, christlichen Herrscher.48 Deshalb sollten vor Ort bei der Strafbemessung die jeweiligen Lebensumstände der Sünder berücksichtigt werden.49 Sein bisheriger Lebenswandel, sein Leumund, seine gesellschaftliche Position, sein Stand, sein Vermögen sowie die Meinung der Umgebung über ihn, sein soziales Kapital als Ganzes spielten dabei eine Rolle.50 Am häufigsten wurden bürgerliche Strafen ausgesprochen.51 Darunter fallen Freiheitsstrafen, wie Turm oder Zuchthaus, sowie Geldstrafen in Form des Unrechts mit einem Gulden52, des Weiberfrevels mit 1 Gulden 37 Kreuzer und 3 Heller, des kleinen Frevels mit 3 Gulden 15 Kreuzer und des großen Frevels mit 14 Gulden.53 Mit dem Eingeständnis der Schuld und der Ableistung der Strafe wurde diese Gott gegenüber gesühnt.54

Die Sittenzucht der Frühen Neuzeit war Teil der „guten Policey“ und fest eingebettet in das Herrschafts- und Gesellschaftssystem.55

3.2. Die württembergischen Kirchenkonvente

Die württembergischen Kirchenkonvente sind Teil der nachreformatorischen Kirchenzucht, die in allen Konfessionen anzutreffen ist.56 Die Kirchenzucht im engeren Sinn bestrafte Vergehen mit dem kleinen und dem großen Bann, um dem Sünder durch die Möglichkeit zur Buße sein Seelenheil zu erhalten und ihn wie auch seine Umgebung vor der Strafe Gottes zu schützen. Im weiteren Sinn fällt unter den Begriff der Kirchenzucht „... die allgemeine Disziplinierung der Gläubigen über das Vehikel der Religion... “.57

Zentrale Fragen der Kirchenorganisation und Kirchenzucht, der religiösen Unterweisung, des Eherechts, des Armenwesens, der Schule und anderer Bereiche wurden im Herzogtum Württemberg durch die Große Kirchenordnung von 1559 geregelt.58 Der Zustand des Gemeinwesens im Herzogtum Württemberg während und nach dem Dreißigjährigen Krieg, der Niedergang der „christlichen“ Moral im Land, insbesondere seit der Schlacht von Nördlingen, waren nach Kriegsende ständige Gravamina des Konsistoriums.59 Mit diesen Gravamina beschäftigte sich auch der Große Ausschuss aller Städte und Ämter,60 der vom 8.12.1641 bis zum 9.2.1642 tagte und dessen Ergebnis die Verordnung vom 29. 7.1642 ist.61

Alle zwei Wochen sollten sich in allen Amtsstädten des Landes Pfarrer, Amtmann (Vogt), Heiligenpfleger und zwei Ratsmitglieder treffen, um über Verfehlungen Gericht zu halten.62 Normübertretungen63 auf der Ebene der Untergerichte konnten somit im Gegensatz zu den Ruggerichten sehr viel schneller nachgegangen werden und die Zusammenarbeit zwischen weltlichen und geistlichen Stellen wurde weiter ausgebaut.64 Um möglichst über alle Verfehlungen unterrichtet zu sein, wurden Aufpasser bestellt, die ein Drittel der Strafgelder erhalten sollten.

Da jedoch keine Angaben über die genaue Zusammenarbeit gemacht worden waren und es zu Kompetenzstreitigkeiten über die Zuständigkeit der Gerichte gekommen war, folgte 1644 ein umfangreicheres Reskript.65

Den Vorsitz bei den anfangs wöchentlichen, später für die kleineren Gemeinden nur noch monatlich zu haltenden Sitzungen, die in dem Reskript zum ersten Mal als Kirchenkonvente bezeichnet werden, hatte der Pfarrer.66 Bei allen in den weltlichen Bereich des Amtmanns oder Schultheißen fallenden Normübertretungen waren diese für das Strafmaß zuständig und die verhängten Geldstrafen gingen in die Gemeindekasse und nicht in den Almosenkasten.67

Als weitere Richter waren der oder die Heiligenpfleger verpflichtet sowie zwei weitere Ratsmitglieder. Die Aufpasser wurden jetzt unabhängig von den von ihnen angezeigten Verstößen bezahlt.68 Das Protokoll hatte der Diakon zu verfertigen, ansonsten der Pfarrer selber oder der Schulmeister. Alle Konventsrichter hatten das Protokoll am Ende der Sitzung nach dem Verlesen zu unterzeichnen, das dann im Pfarrhaus aufbewahrt wurde.69 Vorgeschriebener Tagungsort der Kirchenkonventssitzungen, bei denen Anwesenheitspflicht für alle Richter bestand, war die Rathausstube. Zu Beginn der Sitzung sprach der Pfarrer ein Gebet, dann erschienen die einbestellten Personen oder diejenigen, die von sich aus etwas vorzubringen hatten.

Im Gegensatz zum Ruggericht fanden die Sitzungen unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Die zitierten Personen standen den Richtern alleine gegenüber und wurden jeweils einzeln verhört. Die Befragungen zielten immer darauf ab, den Schuldigen für ein Vergehen festzustellen. Zu den Normübertretungen und dem Leumund der beschuldigten Personen wurden wenn nötig auch Zeugen befragt. Erfolgte kein Schuldeingeständnis, wurden die verdächtigen Personen einander gegenübergestellt und mit ihren Aussagen konfrontiert.70

Als Straf- und Zuchtmittel standen dem Kirchenkonvent zur Verfügung: Versöhnung und Ermahnung zum Frieden71 sowie das Drohen mit der Strafe Gottes bei nicht erfolgtem Schuldeingeständnis oder Tatwiederholung; Geldstrafen bis zwei Pfund Heller, nach Schwere und Tatwiederholung gestaffelt; Freiheitsstrafen bis zu vier Tagen, die im Turm oder Zuchthaus abzusitzen waren und ebenfalls gestaffelt wurden;72 die Drohung, den Fall dem Dekan (Spezialen) bei seiner nächsten Visitation vorzulegen oder den Fall an das gemeinschaftliche Oberamt zu berichten und ihn auch wirklich dorthin weiterzuleiten.73 Im Fall der Weiterleitung an das Oberamt drohten weit höhere Sanktionen. Abgesehen davon entstanden Kosten beim Besuch der Amtsstadt. Generell waren schwerwiegende und nicht eindeutige Sachverhalte an das gemeinsame Oberamt zu berichten.

Nicht überall war es nach dem Reskript von 1644 zur Einrichtung von Kirchenkonventen gekommen und erst durch die Wiederholung in der Polizeiordnung vom 31.10.1660 wurden sie in allen Gemeinden installiert.74

Die Arbeit der Kirchenkonvente war nicht unumstritten und gab immer wieder Anlass zu Kritik. Problematisch war vor Allem die Rolle des Pfarres als Richter, die eigentlich zu seiner Aufgabe als Seelsorger im Widerspruch stand.75 Seine Stellung als Richter wurde eher im Fall von Ermahnungen auf dem Hintergrund der christlichen Friedenspflicht akzeptiert. „Die Frage, ob die durch Distanz gegenüber den Laien zu charakterisierende Position des Geistlichen in seiner Gemeinde dadurch zustande kommt, daß er als Vertreter der Obrigkeit angesehen wird, oder ob er durch die von ihm vertretenen Normen in diese Rolle gedrängt wird, ist letztlich eine Frage der Perspektive.“76 Bei ihrer Arbeit hatten sie die jeweiligen Gepflogenheiten und Normen zu respektieren sowie die Interessen der dörflichen Ehrbarkeit. Berücksichtigten sie diese nicht, war eine Arbeit auf Dauer in der Gemeinde nicht möglich.77

Neben dem umfangreichen Katalog der Normübertretungen hatte der Kirchenkonvent sich noch mit anderen Aufgabenfeldern zu beschäftigen. Dazu gehörten das Schulwesen, mit Besetzung und Besoldung der Lehrkräfte sowie die Anschaffung von Unterrichtsmitteln und die Zahlung von Schulgeld für bedürftige Kinder; die Instandhaltung der zum Kirchengut gehörenden Gebäude wie die Kirche, das Pfarrhaus, die Scheuer für den Kirchenzehnt, die Wohnung für den Mesner und das Schulhaus; die Besetzung und Bezahlung der kirchlichen Ämter wie Heiligenpfleger, Mesner, Totengräber, Hebamme und Organist; dem umfangreichen Gebiet der Almosenvergabe aus dem Heiligen,78 wozu auch die Waisenunterstützungen und Kinderpflegschaften gehörten.79

Was die behandelten Normübertretungen betrifft, ist eine genaue Abgrenzung zu den Ruggerichten nicht möglich.80 Der Kirchenkonvent sollte eher präventiv wirken und durch seine Möglichkeit schneller zu handeln frühzeitig einschreiten. Durch die genaue Kenntnis der jeweiligen Lebensumstände der Angeklagten konnten die Richter individuell auf die finanzielle Situation und die Bedürfnisse der vorgeladenen und bittenden Personen eingehen. Ungerechte oder überzogene Urteile auszusprechen, konnte sich das Gremium kaum leisten, da es genau so wie die Angeklagten und Bedürftigen Teil der Sozialgemeinschaft war und ansonsten die Gemeinde gegen sich aufgebracht hätte.81

Mit wirtschaftlichen Fragen wie Abgaben, Zunftwesen, Weide- und Forstrecht, Verordnungen zu den verschiedenen Berufen beschäftigte sich der Kirchenkonvent nicht.82 Diese Dingen wurden vor dem Ruggericht verhandelt. Das Aufgabengebiet des Kirchenkonvents verschob sich im Laufe des 18. Jahrhunderts immer mehr in den Bereich der Sozialfürsorge und der Verwaltungsaufgaben, bis das Gremium und seine Aufgaben 1887 bzw. 1891 vom Kirchengemeinderat abgelöst wurde.83

4. Der Flecken Laichingen im 18. Jahrhundert

4.1. Geschichtliche Entwicklung

Dass die „entlegene Geschichte“84 von Laichingen zumindest für die Zeitgenossen des 18. Jahrhunderts nicht entfernt sein musste, zeigt der Bericht aus einem Reisejournal des Jahres 1790:

Von Laichingen muß ich noch anmerken, daß dieser Marktflek, der auch noch ins Oberamt Urach gehört, [...] und wegen seines reichen Heiligen oder Pii corporis, [...] allgemein bekannt ist. Sein Capital Fonds beträgt nach Moser in seinem patriotischen Archiv (II. Theil p.376.) 30,000. Gulden. Also betragen seine Einkünfte an Zinsen alleine 1500. Gulden, eine Summe, von der für die Armen des Ortes oder wenn es deren keine gibt, für Verbesserungen der Schulen und dergleichen guter Gebrauch gemacht werden könnte.85

Allgemein und überregional bekannt war Laichingen jedoch primär durch seine Leinenweberei, die gerade während des 18. Jahrhunderts in wirtschaftlicher Hinsicht ihr „goldenes Zeitalter“ hatte.86 Laichingen geht auf eine frühe alemannische Siedlung des 4. - 6. Jahrhunderts zurück, deren Mittelpunkt mehrere Hülen bildeten.87 Es war Mittelpunktsort für die zum Teil jüngeren Orte Machtolsheim, Suppingen, Feldstetten, Westerheim, Hohenstadt sowie einige abgegangene Siedlungen.88

Auf die zentrale Stellung des Ortes für die umliegenden Dörfer deutet auch die Kirche St. Alban mit der Kirchenburg aus dem 14. Jahrhundert hin sowie das große Areal der Maierhöfe, das sich direkt neben der Kirche befindet.89 Im 14. und 15. Jahrhundert gelangten die Grafen von Württemberg durch Heirat und Kauf in den Besitz von Rechten und Grundeigentum in Laichingen, die bisher die Grafen von Helfenstein besessen hatten.90 Um ihre Herrschaft sowohl gegen die Reichsstadt Ulm als auch gegen die Helfensteiner auszubauen, erwirkten die Württemberger 1373 von Kaiser Karl IV. das Stadtrecht für ihr Dorf Laichingen, das jedoch bis auf das Marktrecht nie umgesetzt wurde.91 Der Ort behielt jedoch seine herausgehobene Stellung als Flecken.92 Deutlich wird diese Sonderstellung anhand der Wirtschaftskraft: In der Schatzung von 1448 erreichte Laichingen hinter den Orten Urach, Metzingen, Pfullingen und Dettingen den fünften Rang. Dieser relative Wohlstand ist auf den Flachsanbau, die Weberei und den Leinwandhandel zurückzuführen sowie auf eine höhere Arbeitsleistung im Vergleich zum Unterland.93

Zusammen mit Feldstetten und Sontheim bildete Laichingen von 1556 bis 1808 ein eigenes Unteramt innerhalb des Oberamtes Urach.94 Schon 1536 war ein herzogliches Amtshaus erbaut worden, das 1598 von der Gemeinde erworben und als Rathaus und Speicher genützt wurde.95 Der Bau der Kirchenburg erfolgte 1555.

In wirtschaftlicher Hinsicht spielte die Reichsstadt Ulm für den Handel mit Flachs und Leinwand eine herausragende Rolle.96 Laichingen lag zwar nicht an der großen Handelsstraße zwischen Ulm und Urach, die über Feldstetten und Blaubeuren verlief, aber es gab eine kleine Straße für den Verkehr, die direkt von Laichingen über Berghülen ins Donautal führte.97

Dass der Flecken im Dreißigjährigen Krieg schwer zu leiden hatte, zeigen unter Anderem die Bevölkerungszahlen.98 Gegegenüber den ca. 1200 Einwohnern, die 1634 im Ort wohnten, gab es 1648 gerade noch ca. 270 Einwohner.99 Auch durch Zuwanderung wuchs die Bevölkerung bis 1730 auf 1400 Einwohner, jedoch bis zum Ende des Jahrhunderts nur noch auf ca. 1500 Einwohner.100 Obwohl die Leinenweberei im Verlauf des 18. Jahrhunderts um 209% anstieg101 und die Weber des Fleckens sich gegen die Monopolstellung der Uracher Leinwandhandlungskompanie durchsetzen konnten und diese 1792 aufgelöst wurde, forderte gerade das „goldene Zeitalter“ eine hohe Sterblichkeitsrate, die hauptsächlich die Neugeborenen bezahlten.102

4.2. Die Laichinger Pfarrer im 18. Jahrhundert

Laichingen war eine so genannte Glückspfarrei, denn die Besoldung bestand hauptsächlich aus dem kleinen Zehnt, der in Naturalien bezahlt wurde. Je nachdem wie die Ernte ausfiel und die Preise standen, war also das Einkommen des Pfarrers Schwankungen unterlegen.103 Durch ihren reichen Heiligen und das neu erbaute Pfarrhaus gehörte die Pfarrstelle jedoch nicht zu den unattraktivsten im Herzogtum:104 Die hiesige schöne Kirche ist mit einer feinen Orgel, und silbernen heiligen Gefässen versehen. Das hiesige pium corpus ist eines der reichsten im Land.105

Die verschiedenen Lebensläufe der Pfarrer zeigen ihre zum Teil engen Verbindungen untereinander, die häufig verwandschaftlich geprägt waren und gerade beim Wechsel oder der Übernahme einer Pfarrstelle von Bedeutung waren. Daneben sind die unterschiedlichen Karrierestrategien und ökonomischen Bedürfnisse der einzelnen Pfarrer in Betracht zu ziehen.106 Johannes Wahl bezeichnet dabei die „Nachbarschaft als Kommunikationsraum“ der Pfarrer und ihrer Stellen und spricht von einem „Radius“, in dem sich die Gemeinden eines Pfarrers befanden.107

Die Gemeinden dagegen hatten oft auf der einen Seite niedrige Umzugskosten für einen Pfarrer aus der Nachbarschaft, den man auch schon kannte, abzuwägen gegen einen Familienverband, der unter Umständen das dörfliche Gleichgewicht störte. „Solches Selbstbewusstsein der Gemeinde gegenüber ihrem Pfarrer war in der Auseinandersetzung mit den widrigen Arbeits- und Lebensverhältnissen gewachsen, die das Überleben der Laichinger Bevölkerung im 17. und 18. Jahrhundert entscheidend bestimmten.“108

Im 18. Jahrhundert waren folgende Pfarrer in Laichingen als Seelsorger tätig:109

Christoph Jakob Waiblinger, Magister (16.3.1673-13.9.1732).

Er war zuerst Vikar in Laichingen von 1697 bis 1701, dann Pfarrer, bis er zugunsten seines Schwiegersohnes Christoph Konrad Wagner 1729 emeritierte. Verheiratet war er mit der Tochter seines Vorgängers Georg Friedrich Schweitzer, der zuvor Pfarrer in Suppingen (1669) und Pappelau (1675) gewesen war. Zwei seiner Söhne waren in der Mission der Herrnhuter Brüdergemeine tätig.110 Sein Sohn Philipp Jakob war in Laichingen von 1724 bis 1738 Amtmann. Nach dessen Tod übernahm sein Bruder Antonius Michael von 1739 bis 1764 das Amt.

Christoph Konrad Wagner, Magister (20.5.1698-1780)

Anfangs war er als Pfarr-Adjunkt in Laichingen von Oktober 1728 bis Oktober 1729 angestellt, dann als Pfarrer bis Mai 1739 und danach in Erpfingen.111

Matthias Friedrich Brecht, Magister (3.5.1693-6.4.1755)

Er war zuerst Pfarrer in Egolsheim, dann in Erpfingen, bevor er 1739 die Pfarrstelle in Laichingen erhielt. Sein Sohn Christian Friedrich versah als Vikar in Laichingen von 1751 bis 1756 seinen Dienst, danach in Berghülen bis 1800. Die Tochter Eberhardina Margaretha heiratete seinen Nachfolger Christoph Heinrich Lang.112 Er beginnt seinen Vorsitz des Kirchenkonvents mit folgenden Worten:

Der große Gott, der ein Gott der Ordnung ist, gebe so wohl zu diesem, alß allen folgenden Kirchen Conventen seine Gnade und Segen, daß solche zu seines großen Nahmens Ehre, des Reiches Christi Erweitterung, des Gottl: Willens Vollbringung. sonderl: auch zu der wehrten christl: Gemeinde zu Laichingen Cultivierung und Aufnahme, auch Besserung in Civilen so wohl alß christl: Dingen geraichen möge umb Christi Willen amen: [...] 113

Christoph Heinrich Lang, Magister (17.10.1720-4.6.1772)

Nach seiner Zeit als Diakon in Weilheim unter Teck kam er nach Laichingen, wo er vom 20.8.1755 bis 4.6.1772 seinen Dienst versah.114 Sein Vater Johann Christian war Klosterpräzeptor von Blaubeuren gewesen. Er stellt die Sitzungen des Kirchenkonvents unter die Worte: [...] alß auch alle fernere der Herr mit seiner Gnade wolle begleiten, daß sein Name möge geheiliget, sein Reiche gebauet, dem Reich der Finsterniß gesteuret, mit aller wahren Gott Seligkeit Bahn und Weg gemacht werden möchte.115

Christoph Friedrich Gerok, Magister (14.6.1748-21.1.1835)

Er war 1770 als Vikar in Laichingen, von 1781 bis 1795 wirkte er als Diakon in Weilheim unter Teck, danach als Pfarrer in Ofterdingen bis 1835.116

[...]


1 Kirchenkonventsprotokolle Laichingen 1738-1754 (24. und 29.12.1749).

2 Kirchenkonventsprotokolle Laichingen 1738-1754 (27.2.1750): Jakob Rösch, Beck wurde wegen derjenigen Sache, vid: Kirchenconv: prot. pag. 190. vorgefordert, und weil er bishero in seinem Haus kein spiel und ander dergleichen aergl: Dinge zugelassen ist ihm vom Conv: Richtern das Zuchthaus zugesprochen worden. „Gebessert“ hat er sich nicht, wie spätere Eintragungen in den Kirchenkonventsprotokollen zeigen.

3 Kurt IMHOF und Gaetano ROMANO: Die Diskontinuität der Moderne. Zur Theorie des sozialen Wandels (Theorie und Gesellschaft 36). Frankfurt am Main /New York 1996, S. 106; Achim LANDWEHR: Policey im Alltag. Die Implementation frühneuzeitlicher Policeyordnungen in Leonberg. Frankfurt am Main 2000, S. 59/60 verweist darauf, dass unter „Policey“ neben dem Zustand des Gemeinwesens auch die entsprechenden Normen gemeint sind.

4 Siehe ausführlich zu den Kirchenkonventen, ihrer Einführung und Kompetenzen Kapitel I.3.2.

5 Hans MEDICK: Biedermänner und Biederfrauen im alten Laichingen. Lebensweisen in einem schwäbischen Ort an der Schwelle zur Moderne. In: JG 1991, Heft 1, S. 46-61, hier S. 56.

6 Gerd SCHWERHOFF: Aktenkundig und gerichtsnotorisch. Einführung in die historische Kriminalitätsgeschichte. Tübingen 1999, S. 53 und 61.

7 Die Laichinger Kirchenkonventsprotokolle sind im Landeskirchlichen Archiv Stuttgart, Pfarr-archiv Laichingen, Nr. 73-83 von 1726 bis 1818 durchgängig überliefert.

8 Hans MEDICK: Weben und Überleben in Laichingen 1650-1900. Lokalgeschichte als All-gemeine Geschichte (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 126). Göttingen 1996, hier Grafik 4.1, S. 304.

9 Die Systematik der Normkategorien wurde zusammen mit Hans-Martin Widmann erstellt, der eine Arbeit zum Umgang des Kirchenkonvents mit Kindern und Jugendlichen vorlegen wird. Bisher fehlt eine verbindliche und sinnvolle Systematik in der Literatur. LANDWEHR: Policey, S. 335 verwendet als Systematik das Materienverzeichnis frühneuzeitlicher Policeyordnungen, das auf dem Index beruht, „... der für das Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit erstellt wurde.“; zu den Schwierigkeiten bei der Bildung von Kategorien siehe SCHWERHOFF: Aktenkundig, S. 59, sowie zum Fehlen einer Systematik Susanne SCHMALTZ: Der Holzger-linger Kirchenkonvent. Aufgaben und Kompetenzen im Wandel (1700-1846). Holzgerlingen 2002, S. 22. Problematisch ist hier jedoch die vorgenommene Trennung von religiösem und weltlichem Bereich, sowie die Einordnung der Normübertretungen als Straftaten, da es sich unserem heutigen Verständnis nach um Ordnungswidrigkeiten und/oder Vergehen handelt.

10 Die Termini „öffentlich“ und „häuslich“ werden verwendet, um die räumliche Dimension der Delikte hervorzuheben, ihr Geschehen vor den Augen der ganzen Gemeinde. Ebensowenig gab es eine Privatsphäre in unserem heutigen Sinn.

11 Der Terminus „Sexualität“ stammt aus einer späteren Zeit und wird hier der besseren Verständlichkeit halber verwendet.

12 Zur „dichten Beschreibung“ siehe SCHWERHOFF: Aktenkundig, S. 70. Ursprünglich stammt der Ausdruck von dem Ethnologen Clifford GEERTZ: Dichte Beschreibung. Bemerkungen zum Verstehen kultureller Systeme. Frankfurt am Main 1983.

13 Zu den Konzepten siehe die Literaturverweise bei Francisca LOETZ: Mit Gott handeln. Von den Züricher Gotteslästerern der Frühen Neuzeit zu einer Kulturgeschichte des Religiösen (Veröffentlichungen des Max-Planck-Instituts für Geschichte 177). Göttingen 2002, hier S. 50/51, Anm. 3, ebenda: „Die Diskussion des Eliasschen und Oestreichschen Disziplinier-ungsmodells haben bereits viel Druckerschwärze erfordet. In Zeiten knapper werdender Ressourcen verzichten die folgenden Ausführungen daher auf eine abermalige Wiederholung von bereits Gesagtem ...“; sowie Wolfgang REINHARD: Sozialdisziplinierung – Konfessional-isierung – Modernisierung. Ein historiographischer Diskurs. In: Die Frühe Neuzeit in der Geschichtswissenschaft. Hrsg. von Nada B. LEIMGRUBER. Paderborn 1997, S. 39-55, der „... ein neugefaßtes Konzept von historischem „Verhalten“ und „Verhaltenswandel“ [für] geeignet [hält], definiert als Inbegriff dessen, was Mikrohistorie beobachtet, unter dem Aspekt seiner möglichen makrohistorischen Prägung.“, ebenda, S. 55.

14 Diese Publikationen glänzen mit stark verklärendem Lokalkolorit, so auch Angelika BISCHOFF-LUITHLEN: Der Schwabe und die Obrigkeit. Ulm 1978, insbesondere S. 145.

15 Als Erster setzte sich wissenschaftlich mit den Protokollen auseinander: Friedrich Heinz SCHMIDT-EBHAUSEN: Kirchenkonventsprotokolle als volkskundliche Quelle. In: WJV, 1955, S. 49-65.

16 Martin BRECHT: Kirchenordnung und Kirchenzucht in Württemberg vom 16. bis zum 18. Jahrhundert (Quellen und Forschungen zur württembergischen Kirchengeschichte 1). Stuttgart 1967, bes. S. 66-81.

17 Helga SCHNABEL-SCHÜLE: Calvinistische Kirchenzucht in Württemberg? Zur Theorie und Praxis der württembergischen Kirchenkonvente. In: ZWLG 49, 1990, S. 169-223.

18 DIES.: Kirchenzucht als Verbrechensprävenion. In: Kirchenzucht und Sozialdisziplinierung im frühneuzeitlichen Europa (ZHF, Beiheft 16). Hrsg. von Heinz SCHILLING. Berlin 1994, S. 47-64.

19 Ebenda, S. 53-55.

20 Ebenda, S. 56-59.

21 DIES.: Überwachen und Strafen im Territorialstaat. Bedingungen und Auswirkungen des Sys-tems strafrechtlicher Sanktionen im frühneuzeitlichen Württemberg. Köln u.a. 1997, zum Kirchenkonvent S. 46-52.

22 Beate POPKIN: Der Kirchenkonvent in Württemberg. In: BWKG 96, 1996, S. 98-118, hier S. 107.

23 Ebenda, S. 111. Leider ohne Belege.

24 Martin HÄUSSERMANN: Der württembergische Kirchenkonvent am Beispiel der Amtsstadt Waiblingen. Seine Geschichte, Bedeutung und Einflußnahme auf die Gesellschaft. Dissertation Stuttgart 1995.

25 SCHMALTZ: Kirchenkonvent, S. 9-13 und 81-85. Problematisch ist m.E. die Eingrenzung der Religion auf den Bereich “Störung der religiösen Ordnung“, S. 21/22.

26 Ebenda, S. 81.

27 LANDWEHR: Policey, S. 8.

28 Ebenda, S. 18.

29 Ebenda, S. 29-38.

30 Ebenda, S. 22-25 bzw. S. 29.

31 Ebenda, S. 89.

32 Ebenda, S. 164. Dies belegt der Rückgang der vorgebrachten Klagen zwischen 1740 und 1749. Dagegen wächst der Punkt „Armenwesen“ stark an.

33 Ebenda, S. 326.

34 Eine Unterscheidung zwischen nachreformatorischer (kirchlicher) Sündenzucht und (staat-licher) Sittenzucht wie von Heinz SCHILLING: „Geschichte der Sünde“ oder „Geschichte des Verbrechens“? Überlegungen zur Gesellschaftsgeschichte der frühneuzeitlichen Kirchenzucht. In: Ausgewählte Abhandlungen zur europäischen Reformations- und Konfessionsgeschichte (HF 75). Hrsg. von DERS.: Frankfurt am Main 2002, S. 483-503, hier S. 483 (für Württemberg einschränkend S. 485) gefordert, ist für Württemberg nicht nötig, da es hier „... keine staatsfreie Sündenzucht“ gab, siehe SCHNABEL-SCHÜLE: Überwachen, S. 48. Auch Sabine HOLTZ: Vom Umgang mit der Obrigkeit. Zum Verhältnis von Kirche und Staat im Herzogtum Württemberg. In: ZWLG 55, 1996, S. 131-159, hier S. 138, ordnet dies ab der Mitte des 16. Jahrhunderts so ein. Zu dem in diesem Zusammenhang noch gehörenden Terminus Kirchenzucht siehe Helga SCHNABEL-SCHÜLE: Der große Unterschied und seine kleinen Folgen. Zum Problem der Kirchenzucht als Unterscheidungskriterium zwischen lutherischer und reformierter Konfession. In: Krisenbewußtsein und Krisenbewältigung in der Frühen Neuzeit. Hrsg. von Monika HAGENMAIER und Sabine HOLTZ. Frankfurt am Main u. a. 1992, S. 197-214, insbesondere S. 201/202.

35 HOLTZ: Vom Umgang, S.137. Siehe auch Dieter STIEVERMANN: Klosterreform und Terri-torialstaat in Süddeutschland im 15. Jahrhundert. In: RJKG 11, 1992, S. 149-160, hier S. 152; Dietmar WILLOWEIT: Deutsche Verfassungsgeschichte. Vom Frankenreich bis zur Wiedervereinigung Deutschlands. München 1997³, S. 122/123; Eike WOLGAST: Reformations-zeit und Gegenreformation (1500-1648). In: HBWG, Bd. 1,2: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Hrsg. von Meinrad SCHAAB und Hansmartin SCHWARZMAIER. Stuttgart 2000, S. 145-306, hier S. 200/201.

36 Bei Johann Heinrich ZEDLER: Grosses vollständiges Universal-Lexikon, 64 Bde. und 4 Supplementbände. Halle/Leipzig 1732-1754. ND Graz 1961-1964, hier Bd. 37 findet sich unter Sitten-Gesetz der Verweis auf Moral-Gesetz und Mosaisches Recht; HOLTZ: Vom Umgang, S. 131; DIES.: Theologie und Alltag in der Frühen Neuzeit. In: BWKG 92, 1992, S. 59-71, hier S. 61-65.

37 „Für die Frühe Neuzeit muß die enge Verbindung von Recht und Religion als das Fundament des Rechtssystems angesehen werden. Es bezog seine Grundnormen aus der Heiligen Schrift.“, SCHNABEL-SCHÜLE: Überwachen, S. 199; ebenso Sabine HOLTZ: Theologie und Alltag. Lehre und Leben in den Predigten der Tübinger Theologen 1550-1750 (Spätmittelalter und Reformation. Neue Reihe 3). Tübingen 1993, hier S. 79-90 und S. 236-243.

38 IMHOF/ROMANO: Diskontinuität, S. 83.

39 Siehe hierzu das im Vorwort zitierte Beispiel; siehe weiter HOLTZ: Theologie, S. 100-102; SCHNABEL-SCHÜLE: Überwachen, S. 110; sowie zu den Strafen LANDWEHR: Policey, S. 68; WILLOWEIT: Verfassungsgeschichte, S. 120-123.

40 Ebenda, S. 121; Jürgen SCHLUMBOHM: Gesetze, die nicht durchgesetzt werden – ein Strukturmerkmal des frühneuzeitlichen Staates? In: GG 23, 1997, S. 647-663, hier S. 659-661; zur Differenz zwischen Norm, Disziplinierungsabsicht und Umsetzung im Alltag siehe Martin DINGES: Normdurchsetzung als Praxis? Oder: Warum werden die Normen zur Sachkultur und zum Verhalten so häufig wiederholt und was bedeutet dies für den Prozess der “Sozialdisziplinierung“? In: Norm und Praxis im Alltag des Mittelalters und der Frühen Neuzeit (Forschungen des Instituts für Realienkunde des Mittelalters und der Frühen Neuzeit, Diskussionen und Materialien 2). Wien 1997, S. 39-53, hier S. 40.

41 DINGES: Normdurchsetzung, S. 44; LANDWEHR: Policey, S. 86.

42 LOETZ: Mit Gott handeln, S. 58: „Normdurchsetzung wurde also von der Bevölkerung geleis-tet und fand in vielfältigen formelleren wie auch informelleren Formen statt.“

43 Karl HÄRTER: Soziale Disziplinierung durch Strafe? In: ZHF 26, 1999, S. 365-379, hier S. 370.

44 SCHLUMBOHM: Gesetze, S. 658: „Daß sog. absolutistische Herrscher mit ihrer Macht weder ,vertikal‘ auf alle Untertanen direkt durchgreifen noch ,horizontal‘ ein einheitliches Staatsgebiet gleichmäßig durchdringen konnten, daß sie vielmehr auf die Kooperation mit intermediären, regionalen und lokalen Gewalten angewiesen waren, begrenzte naturgemäß auch die Durchsetzbarkeit der von solchen Monarchen erlassenen Gesetzen.“; André HOLENSTEIN: Die Umstände der Normen - die Normen der Umstände. Policeyordnungen im kommunikativen Handeln von Verwaltung und lokaler Gesellschaft im Ancien Régime. In: Policey und frühneuzeitliche Gesellschaft. Hrsg. von Karl HÄRTER. Frankfurt am Main 2000, S. 1-46.

45 Achim LANDWEHR: „Normdurchsetzung“ in der Frühen Neuzeit? Kritik eines Begriffs. In: ZGW 48, 2000, S. 146-162, hier S. 156. Landwehr plädiert dafür, nicht mehr von Normdurch-setzung auszugehen, sondern von „... Einsetzung und Implementation einer Norm in bestimmte politische, gesellschaftliche, kulturelle, wirtschaftliche und religiöse Verhältnisse ...“, S. 153.

46 HÄRTER: Soziale Disziplinierung, S. 366.

47 LANDWEHR: Normdurchsetzung, S. 156/157.

48 Im Fall der drohenden Todesstrafe oder des Landesverweises wurden Gnadengesuche an den Landesherrn gerichtet.

49 LOETZ: Mit Gott handeln, S. 187-194.

50 SCHNABEL-SCHÜLE: Überwachen, S. 46/47.

51 Zu den Strafarten und dem Starfvollzug siehe ebenda, S. 124-156.

52 1 Gulden (fl.) = 60 Kreuzer (Kr.); 1 Kreuzer = 4 Pfennig (Pf.); 1 Pfennig = 2 Heller (Hlr.); 1 Pfund Heller = 43 Kreuzer.

53 SCHNABEL-SCHÜLE: Überwachen, S.142.

54 Ebenda, S. 46.

55 HÄRTER: Disziplinierung, S. 373: „‘Policey’ affizierte insgesamt das System der Strafjustiz im frühmodernen Staat, und zwar sowohl hinsichtlich der Delikte, des Strafverfahrens und der Sanktionen als auch bezüglich der Entscheidungsfindung, der Strafpraxis und der Strafzwecke.“

56 Siehe zur württembergischen Kirchenzucht WOLGAST: Reformationszeit, S. 223-227; zur calvinistischen Kirchenzucht SCHILLING: „Geschichte der Sünde“; DERS. (Hrsg.): Kirchenzucht und Sozialdisziplinierung im frühneuzeitlichen Europa (ZHF, Beiheft 16). Berlin 1994; zur Sittenzucht in der Schweiz siehe Christian SIMON: Untertanenverhalten und obrigkeitliche Moralpolitik. Studien zum Verhältnis zwischen Stadt und Land im ausgehenden 18. Jahrhundert am Beispiel Basels. Basel 1981; Heinrich Richard SCHMIDT: Dorf und Religion. Reformierte Sittenzucht in Berner Landgemeinden in der Frühen Neuzeit. Stuttgart 1995; zur reformierten und lutherischen Kirchenzucht siehe Frank KONERSMANN: Kirchenregiment und Kirchenzucht im frühneuzeitlichen Kleinstaat. Studien zu den herrschaftlichen und gesellschaftlichen Grundlagen des Kirchenregiments der Herzöge von Pfalz-Zweibrücken 1410-1793. Speyer 1996; zur katholisch-geistlichen Kirchenzucht siehe Harriet RUDOLPH: Kirchenzucht im geistlichen Territorium. Das Fürstbistum Osnabrück vom Westfälischen Frieden bis zu seiner Auflösung (1648-1802). In: Kriminalitätsgeschichte. Beiträge zur Sozial- und Kulturgeschichte der Vormoderne (Konflikte und Kultur – Historische Perspektiven 1). Hrsg. von Andreas BLAUERT und Gerd SCHWERHOFF. Konstanz 2000, S. 627-645; zur katholisch-weltlichen Kirchenzucht siehe Andreas HOLZEM: Katholische Konfession und Kirchenzucht: Handlungsformen und Deliktfelder archidiakonaler Gerichtsbarkeit im 17. und 18. Jahrhundert. In: WF 45 ,1995, S. 295-332.

57 SCHNABEL-SCHÜLE: Kirchenzucht, S.178. Zum kleinen und großen Bann ebenda, S. 178/179. Dieses wurde in Württemberg so nicht praktiziert.

58 August Ludwig REYSCHER (Hrsg.): Vollständige, historische und kritisch bearbeitete Samm-lung der württembergischen Gesetze. 19 Bde. Stuttgart/Tübingen 1828-1851, hier Bd. 8, S. 106-284; Martin BRECHT und Hermann EHMER: Südwestdeutsche Reformations-geschichte. Zur Einführung der Reformation im Herzogtum Württemberg. Stuttgart 1984, S. 337-339; HOLTZ: Theologie, S. 20-23; ein vollständiges Repertorium der württembergischen Ordnungen und Reskripte findet sich bei Achim LANDWEHR und Thomas SIMON (Hrsg.): Baden und Württemberg. Repertorium der Policeyordnungen der Frühen Neuzeit. Bd. 4 (Studien zur europäischen Rechtsgeschichte 139). Frankfurt am Main 2001, hier S. 600, Nr. 166; SCHNABEL-SCHÜLE: Kirchenzucht, S. 179-181. So wurde auch die Zusammenarbeit von geistlichen und weltlichen Beamten festgelegt, wie im Fall der Abendmahlsverweigerung. Neben der Kirchenzucht ist im Übrigen eine „Politische Censur und Rügordnung“ enthalten, die die Aufgabenfelder und Strafkataloge der Gerichte umfasst; zu den Ruggerichten siehe LANDWEHR: Policey, S. 144-147.

59 Zur Situation nach dem Krieg siehe Dieter STIEVERMANN: Absolutismus und Aufklärung (1648-1806). In: HBWG, Bd.1,2: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Hrsg. von Meinrad SCHAAB und Hansmartin SCHWARZMAIER. Stuttgart 2000, S. 307-456, hier S. 334-336; James Allen VANN: Württemberg auf dem Weg zum modernen Staat: 1593-1793. Stuttgart 1986, S. 80-84.

60 SCHNABEL-SCHÜLE: Kirchenzucht, S. 191-193.

61 REYSCHER, Bd. 5, S. 421-427; LANDWEHR: Repertorium, S. 647, Nr. 603. Behandelt werden Gotteslästerung, Ehebruch, Unzucht und die allgemeine Anzeigepflicht von Normüber-tretungen der Untertanen. Umfassend dargestellt ebenso bei Johann Georg HARTMANN: Geseze des Herzogthums Wirtemberg aus älteren und neuern Verordnungen, Resolutionen und Dekreten zusammengetragen. II. Theil, 1: Kirchen Geseze des Herzogtums Wirtemberg. Stuttgart 1792, S. 259-280: Von der Kirchen=Censur.

62 Zu den äußeren Bedingungen und zum Ablauf der Sitzungen siehe Hermann EHMER u.a. (Hrsg.): Gott und Welt in Württemberg. Eine Kirchengeschichte. Stuttgart 2000, S. 98-100, 117-120 und 131; HÄUSSERMANN: Kirchenkonvent, S. 66-81; LANDWEHR: Policey, besonders ab S. 147; POPKIN: Kirchenkonvent, S. 98-118; Friedrich Christian Ludwig REYSCHER: Die Wirksamkeit und Behandlung der Kirchenkonvente und Gemeinde=Sitten=Gerichte, der Verwaltung der Stiftungen und des Armenwesens in Württemberg. Reutlingen 1826; SCHNABEL-SCHÜLE: Kirchenzucht, S. 169-223; DIES.: Überwachen, S. 46-52.

63 Ulinka RUBLACK: Magd, Metz’ oder Mörderin: Frauen vor frühneuzeitlichen Gerichten. Frankfurt am Main 1998, S. 41 spricht von einem „obrigkeitlich-pietistische[n] Normensystem“. Das Normensystem hatte aber in diesem Zusammenhang nichts mit dem Pietismus zu tun.

64 SCHNABEL-SCHÜLE: Überwachen, S. 48; DIES.: Kirchenzucht, S. 194.

65 Ebenda, S. 198; REYSCHER, Bd. 8, S. 316-323; LANDWEHR: Repertorium, S. 648, Nr. 619. Wobei es sich, wie HÄUSSERMANN: Kirchenkonvent, S. 70 betont, nicht um einen herzoglichen Erlass handelt, da die entsprechende Intitulatio und Schlussformel fehlt. Das Reskript wurde erst später vom Herzog bestätigt.

66 Folgende Darstellung nach HÄUSSERMANN: Kirchenkonvent, S. 66-72, S. 82-88; LAND-WEHR: Policey, S. 148-153; SCHNABEL-SCHÜLE: Kirchenzucht, S. 197-201.

67 Martin HASSELHORN: Der altwürttembergische Pfarrstand im 18. Jahrhundert (Veröffent-lichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B, Forschungen 6). Stuttgart 1958, gibt unzutreffend an, dass alle Einnahmen des Kirchen-konvents an den Fiskus gingen, siehe HARTMANN: Geseze, S. 266 und S. 272-274.

68 Da sich jedoch kaum Personen fanden, die bereit waren, sich der Gefahr auszusetzen, aus der Sozialgemeinschaft des Gemeindeverbandes ausgeschlossen zu werden, wurde dazu übergegangen, allen Gemeindegliedern ihre Anzeigepflicht durch Mandate und Predigten einzuschärfen; SCHNABEL-SCHÜLE: Überwachen, S. 174.

69 HARTMANN: Geseze, S. 279/280 zur äußeren Form der Protokolle. Die Bücher wurden aus dem Heiligen bezahlt.

70 HARTMANN: Geseze, S. 271/272.

71 SCHNABEL-SCHÜLE: Überwachen, S. 164: „Auch die unteren Instanzen konnten einen Kon-flikt durch die Ermahnung zum Frieden beilegen.“

72 HARTMANN: Geseze, S. 272/273.

73 Kirchenkonventsprotokolle Laichingen 1726-1733 (14.3.1731): Nachdeme Pfarrer ihnen ern-stlich in das Gewisen geredet, sie sollten ja die Ehre Gottes thun, und die Warheit bekennen, [...] . Das conclusum deß Kirchen-Convents war: daß die Sache sollte mit Umständ sollte an das löbl. Oberamt berichtet werden. Ihr Testimonium belangend, so haben sich beede allezeit wohl und unsträfflich auffgeführt. Das löbliche oder gemeinschaftliche Oberamt bestand aus dem Dekan (Spezialen) und dem Amtmann des Oberamts, siehe weiter SCHNABEL-SCHÜLE: Überwachen, S. 50-51; HARTMANN: Geseze, S. 259.

74 SCHNABEL-SCHÜLE: Kirchenzucht, S. 199/200.

75 Aus diesem Grund hatte er sich aus der Strafzumessung herauszuhalten. HARTMANN: Geseze, S. 274; HASSELHORN: Pfarrstand, S. 60 und HOLTZ: Theologie, S. 349-355.

76 Ebenda, S. 354.

77 Damit sind nicht alltägliche Konflikte mit den dörflichen Würdenträgern gemeint. Siehe zum Laichinger „Gesangbuchstreit“ MEDICK: Weben, S. 494-498; Hans-Christoph RUBLACK: „Der wohlgeplagte Priester“. Vom Selbstverständnis lutherischer Geistlichkeit im Zeitalter der Orthodoxie. In: ZHF 16, 1989, S. 1-30. „Es war der Geistliche, der sich mit den Erwartungen des Dorfes zu arrangieren hatte. Er sollte trösten nicht strafen.“, ebenda, S. 10; SCHNABEL-SCHÜLE: Kirchenzucht, S. 208; anders Eberhard FRITZ: Die Kirche im Dorf. Studien und Beobachtungen zur kirchlichen Situation in der ländlichen Gemeinde des Herzogtums Württemberg. In: BWKG 93, 1993, S. 155-178, der vor allem die Gegensätze betont und die durch seinen anderen Stand herausgehobene Stellung des Pfarres. Die untersuchten Kirchenkonventsprotokolle für Laichingen geben keinerlei Hinweis auf Konflikte mit den weltlichen Beamten oder der Ehrbarkeit.

78 Der Heilige bezeichnet das Vermögen (Stiftungen und Einnahmen aus dem Kirchengut) der örtlichen Gemeinde; zum Heiligen siehe weiter FRITZ: Kirche, S. 166.

79 HASSELHORN: Pfarrstand, S. 58-61, allgemein zum Kirchenkonvent mit zum Teil überholten Einschätzungen auf S. 61.

80 HARTMANN: Geseze, S. 274.

81 Siehe das Schaubild bei SCHMIDT: Dorf, S. 60 zu den verschiedenen Interessen, denen das Chorgericht ausgesetzt war.

82 LANDWEHR: Policey, S. 153.

83 Walter DEHLINGER: Württembergs Staatswesen in seiner geschichtlichen Entwicklung bis heute. Bd.1. Stuttgart 1951, hier S. 282.

84 MEDICK: Weben, S. 13 stellt in seiner Einleitung als Überschrift die Frage vorweg: „Ent-legene Geschichte? Lokalgeschichte als mikro-historisch begründete Allgemeine Geschichte.“

85 Friedrich August KÖHLER: Eine Alb-Reise im Jahre 1790 zu Fuß von Tübingen nach Ulm. Hrsg. und kommentiert von Eckart FRAHM, Wolfgang KASCHUBA und Carola LIPP. Tübingen 1978, S. 150. Für die hier in Anmerkung 107 gemachte Aussage, dass die Laichinger Heiligenpflege St. Alban auf eine Helfensteinische Stiftung zurück geht, fehlt leider der Beleg und in der Literatur zu Laichingen finden sich keine Nachweise hierzu.

86 MEDICK: Weben, insbesondere S. 212-228.

87 Der ALB-DONAU-KREIS (2 Bände). Kreisbeschreibungen des Landes Baden-Württemberg. Hrsg. von der Landesarchivdirektion Baden-Württemberg. Sigmaringen 1989 und 1992; zu Laichingen siehe Bd. 2, S. 411- 462, hier S. 439 und S. 442.

88 Ebenda, S. 451/451.

89 Ebenda, S. 412 und S. 442. Die Kirche wird zum ersten Mal in den Quellen im Zusammen-hang mit der Ausstattung des neu gegründeten Klosters Blaubeuren durch die Pfalzgrafen von Tübingen nach 1085 erwähnt. Von Laichingen aus wurden auch die Filialorte Suppingen, Sontheim und Feldstetten versorgt. Feldstetten gehörte bis 1453 zum Parochialverband, Suppingen bis 1481 und Sontheim bis 1534, dem Jahr, in dem auch in Laichingen die Reformation eingeführt wurde. Laichingen selber war schon 1421 dem Kloster Blaubeuren inkorporiert worden.

90 Ebenda, S. 444.

91 Ebenda, S. 447 erste mögliche Antworten zur Frage, warum das Stadtrecht nie umgesetzt wurde.

92 MEDICK: Weben, S. 15, Anmerkung 9; zum besonderen Siedlungstyp des Flecken siehe Meinrad SCHAAB: Siedlungen, Gesellschaft, Wirtschaft von der Stauferzeit bis zur Französischen Revolution. In: HBWG, Bd.1,2: Vom Spätmittelalter bis zum Ende des Alten Reiches. Hrsg. von Meinrad SCHAAB und Hansmartin SCHWARZMAIER. Stuttgart 2000, S. 457-585, hier S. 474.

93 ALB-DONAU-KREIS, Bd. 2, S. 450.

94 Ebenda, S. 444. 1808 kommt Laichingen zum Oberamt Münsingen, ab 1937 Landkreis Münsingen, und seit 1973 gehört der Ort zum neu gebildeten Alb-Donau-Kreis.

95 Ebenda, S. 447.

96 MEDICK: Weben, S. 89.

97 Die Straße von Ulm nach Straßburg (heutige B 28) war im 15. Jahrhundert zweigeteilt. Die obere, für Laichingen direkte Straße wurde 1557 für den Handel gesperrt. Erlaubt war nur die Straße über Suppingen und den württembergischen Grenzort Blaubeuren, was einen Umweg bedeutete und mit Kosten verbunden war, da der Hin- und Rückweg nicht mehr an einem Tag zu bewältigeb war und in Blaubeuren übernachtet werden musste; siehe Meinrad SCHAAB: Bevölkerung und Wirtschaft. In: Alb-Donau-Kreis. Bd. 1. Sigmaringen 1989 S. 150-162, hier S. 156.

98 Zu den zerstörten Gebäuden Gottlieb OELHAFEN: Beiträge zur Geschichte von Laichingen. Heft 3. Laichingen 1964, hier S. 77-83 (ohne jegliche Angaben über die Herkunft der Informati-onen. Leider meint auch die Neuauflage von 2003 auf Angaben verzichten zu können). Erst nach und nach konnten die infolge des Krieges beschädigten oder zerstörten Gebäude neu gebaut oder renoviert werden. Am stark in Mitleidenschaft gezogenen Schulgebäude wurden 1653 Reparaturen vorgenommen, doch schon 1683 wurde ein kompletter Neubau errichtet. 1707/08 erhielt die Kirche eine neue Empore und 1712 erfolgte der Neubau des Pfarrhauses sowie 1720 der Pfarrscheuer.

99 ALB-DONAU-KREIS, Bd. 2, S. 450

100 Siehe hierzu die Grafik 4.1.: Die Bevölkerung Laichingens 1605-1900 bei MEDICK: Weben, S. 304.

101 Ebenda, S. 110. Dazu verhalf auch der illegale Verkauf ins Ausland zu weit höheren Preisen. Möglich war dies durch die Grenzlage des Ortes. „Denn hier konnten die Weber von der relativen Ferne der städtisch-oberamtlichen ,Policey' profitieren, ebenso vom Schutz, den dörfliche Solidarbeziehungen und ,Vetterles-Wirtschaft' boten, insbesondere aber auch von der Nähe der Landesgrenzen ...“, ebenda, S. 86. Medick weist hier auch auf die Tatsache hin, dass den Beamten durchaus bewusst war, dass zu großer obrigkeitlicher Druck dem Schmuggel nur Vorschub leisten würde und sowieso nicht zu unterbinden wäre.

102 Die hohe Säuglingssterblichkeit geht auf die extreme Arbeitsbelastung der Frauen in der Landwirtschaft zurück und nicht, wie SCHAAB: Siedlung, S. 498 anführt, auf ihre Tätigkeit in der Leinenweberei. Auffällig ist, dass die dörfliche Ehrbarkeit durch ihre Abneigung gegen das Stillen die höchste Quote hatte; siehe MEDICK: Weben, S. 355-377, bes. S. 368/369.

103 Johannes WAHL: Lebensplanung und Alltagserfahrung. Württembergische Pfarrfamilien im 17. Jahrhundert (VIEG 181). Mainz 2000, hier S. 151.

104 Das Einkommen der Laichinger Pfarrer betrug 1738 ca. 275 Gulden 1 Kreuzer, das der Feldstetter Pfarrer 253 Gulden 28 Kreuzer; siehe Eberhard FRITZ: Dieweil sie so arme Leuth. Fünf Albdörfer zwischen Religion und Politik 1530-1750 (Quellen und Forschungen zur württembergischen Kirchengeschichte 9). Stuttgart 1989, hier S. 114.

105 Christian BINDER: Wirtembergs Kirchen- und Lehraemter. Bd. 2,1. Tübingen 1799, zu Laichingen S. 763. Ohne Jahresangabe wird als Seelenzahl 1620 angegeben.

106 Johannes WAHL: Kulturelle Distanz und alltägliches Handeln. Ökonomie und Predigt im Spannungsfeld von Pfarrfamilie und Laien. In: Ländliche Frömmigkeit. Konfessionskulturen und Lebenswelten 1500-1850. Hrsg. von Norbert HAAG, Sabine HOLTZ und Wolfgang ZIMMERMANN in Verbindung mit Dieter R. BAUER. Stuttgart 2002, S. 43-58, hier S. 48/49.

107 DERS.: Lebensplanung, S. 67-75, hier S. 69. Der Radius beträgt ca. 20 Kilometer und trifft bei den meisten Laichinger Stelleninhabern und ihren Gemeinden zu.

108 MEDICK: Selbstvermarktung, S. 66.

109 Die folgenden Angaben stammen wenn nicht anders vermerkt aus: Hans MEDICK und Norbert WINNIGE (Hrsg.): Familienrekonstruktion Laichingen, Gesamtdokumentation, 2 Bände und 4 Register-Bände. Göttingen 1994.

110 Handschriftliche Notiz bei Christian SIGEL: Das evangelische Württemberg. Seine Kirch-enstellen und Geistlichen von der Reformation an bis auf die Gegenwart, 35 Bde., o.O., o. J., hier Bd. 17, S. 562. Ein weiterer Sohn, Philipp Heinrich, war Zuckerbäcker und Zoller und Schwiegervater des Wundarztes Narcissus Keller. Die Tochter Maria Dorothea war mit dem Lehrer Johannes Bayha, einem Wirtssohn von Plieningen verheiratet. Wiederum ein Bruder von Christoph Jakob Waiblinger, Johannes Matthäus, war Provisor und Stricker in Laichingen; siehe MEDICK: Familienrekonstruktion, Dok. 1642, 1643, 1644, 1645, 1646, 1647; sowie DERS.: Weben, S. 91 und 131 zu Philipp Heinrich Waiblinger; S. 414 zu Johannes Bayha, ein „... sinnenfreudiger «herrnhuterisch» geprägter Pietist... ; S. 415 zu Narcissus Keller und S. 452/453, Anm. 15 allgemein zu Waiblinger als einer pietistisch geprägten Familie.

111 Ebenda, Dok. 1633.

112 Ebenda, Dok. 112.

113 Kirchenkonventsprotokolle Laichingen 1738-1754 (20.6.1739).

114 Seine Mutter Maria Regina Gerok stammte aus Waiblingen; siehe MEDICK: Familienrekonstruktion, Dok. 688, sowie zu der barocken Lebensweise Langs DERS.: Weben, Überleben und Widerstand im alten Laichingen. In: Schwäbische Heimat 37, 1986, S. 40-52, hier S. 51/52, wo auch Narcissus Keller, „... der wohl größte Trinker in den Laichinger Wirtshäusern ...“, als barocke und erotische Gestalt bezeichnet wird.

115 Kirchenkonventsprotokolle Laichingen1754-1764 (29.8.1755).

116 SIGEL, Bd. 12, S. 275.

Ende der Leseprobe aus 111 Seiten

Details

Titel
Der Laichinger Kirchenkonvent
Untertitel
Zwischen Sozialdisziplinierung, Armenfürsorge und dörflichen Normen
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Institut für Geschichtliche Landeskunge)
Note
1,2
Autor
Jahr
2003
Seiten
111
Katalognummer
V914316
ISBN (eBook)
9783346211941
ISBN (Buch)
9783346211958
Sprache
Deutsch
Schlagworte
armenfürsorge, kirchenkonvent, laichinger, normen, sozialdisziplinierung, zwischen, gutes Hausen, Fühe Neuzeit, Policey, Ehe, Schwangerschaften, Hebammen, Schule, Pfarrer, Ordnung im Dorf, Kirche, Almosen, Strafe
Arbeit zitieren
Stefanie Palm (Autor:in), 2003, Der Laichinger Kirchenkonvent, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/914316

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der Laichinger Kirchenkonvent



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden