Die rechtliche Stellung der Juden im hohen und im späten Mittelalter


Hausarbeit, 2006

18 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Aufbau

2. Grundlagen der rechtlich-sozialen Stellung der Juden

3. Rechtsbücher des Mittelalters

4. Die soziale Stellung der Juden
4.1 Die „Knechtschaft“ der Juden
4.2 Christliche Dienstleute und Ammen bei Juden
4.3 Kleidungsvorschriften

5. Missionierung

6. Verfahrensrecht: Klagen von Juden gegen Christen

7. Jüdischer Handel

8. Schlußbetrachtung

9. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die rechtliche Stellung der Juden war zu allen Zeiten eine problematische. Als ein Volk ohne eigenes Staatsgebiet und folglich ohne eigene Rechtsprechung waren sie dem Wohlwollen derjenigen auf Gedeih und Verderben ausgeliefert, in dessen jeweiligen Land sie lebten. Das ihnen deshalb nicht immer Gerechtigkeit wiederfuhr, ist – insbesondere wenn man bedenkt, daß die Juden im Mittelalter für fast alles Schlimme verantwortlich gemacht wurden – unstrittig. Dieses Volk besaß seine eigenen Sitten und Gebräuche, welche manchem „Gastvolk“ nicht nur fremd, sondern gar unheimlich vorkamen. So war ihnen nicht nur ein anderes Äußeres, sondern auch zuweilen eine fremde Sprache eigen. Die eigene Isolierung in sogenannten „Ghettos“ ließ die ohnehin lebhafte Phantasie der Mitbürger für manchen Juden zum Verhängnis werden.

Darüber hinaus lag auch noch ein weiteres Stigmata auf den Juden. Das Mittelalter gilt als eine Epoche tiefster Frömmigkeit. Niemals zuvor und auch nicht danach besaß die Kirche derartigen Einfluß. Und da nun einmal die Juden als die Gottesmörder, welche Jesus ans Kreuz geliefert hatten, galten, waren sie ihren Mitmenschen auch auf religiösem Gebiet höchst unheimlich. Allzu oft wurden die Nachkommen des Volkes Salomons die Opfer von Progromen, ausgelöst durch religiösen Fanatismus (so zum Beispiel am Vorabend des ersten Kreuzzuges). Auch die Beschränkung auf bestimmte Gewerbe, welche von Christen nicht ausgeübt werden durften, brachten die Juden in eine exklusive Stellung, welche die Fremdartigkeit noch weiter verstärkte. Hatten sie dann in diesen Berufen auch noch Erfolg, so waren sie den Einheimischen doppelt verdächtig.

1.1 Problemstellung

Ich möchte mich in dieser Hausarbeit mit dem rechtlichen Status der Juden zur Zeit des Hoch- und Spätmittelalters auseinandersetzen. Es soll dabei besonders auf die einzelnen Rechtsbücher jener Zeit wie Sachsen- oder Schwabenspiegel Bezug genommen werden. Aus Gründen des Umfanges wird dabei nur auf den deutschen Raum eingegangen werden können. Ich möchte dabei die Stellung der Juden in der Gesellschaft durch die Subsumption unter die Justiz ausarbeiten. Ich werde dabei auch auf alltägliche Dinge wie beispielsweise Kleidungsvorschriften zu sprechen kommen und ihren Status im sozialen Leben näher beleuchten, da dies für den Zusammenhang mit den erlassenen Gesetzen zwingend notwendig ist. Doch soll im Mittelpunkt die juristische Position der Juden stehen und dadurch ihr Platz in der mittelalterlichen Gemeinschaft näher beleuchtet werden.

1.2 Aufbau

Diese Arbeit wird sich zunächst mit grundlegenden Fragen zur rechtlich-sozialen Stellung der Juden im Hoch- und Spätmittelalter beschäftigen. Dabei wird bereits auf die wichtigsten Werke der mittelalterlichen Jurisprudenz eingegangen, welche anschließend noch näher vorgestellt werden sollen. Dabei soll nicht die Geschichte der Werke im Vordergrund stehen, sondern einzig ihr Inhalt in Bezug auf Judenrecht. Später wird auf die soziale Stellung der Juden näher eingegangen werden, wobei so unterschiedliche Lebensbereiche wie Kleidung, Beschäftigung christlicher Bediensteter die aus der Heilsgeschichte hergeleitete Knechtschaft der Juden näher beleuchtet werden sollen. Mit dem zusammen hängt das folgende Kapitel, welches sich mit dem Für und Wider der Missionierung des jüdischen Volkes befaßt. Es sollen dabei die divergierenden Ansichten über Zwangstaufen ebenso wie die Behandlung bereits getaufter, dann aber wieder sich vom Christentum abgewandter Juden behandelt werden. Das folgende sehr juristische Kapitel beschäftigt sich mit der doch immer wieder vorkommenden Tatsache von Klagen eines Juden gegen einen Christen. Den Abschluß bildet die für Juden im Hoch- und Spätmittelalter wichtigste Einkommensquelle: der Handel.

2. Grundlagen der rechtlich-sozialen Stellung der Juden

Die Art und Weise, wie man mit den Juden in der Gemeinschaft umgehen sollte, divergierten das gesamte Mittelalter hindurch. Die Kirche jedenfalls duldete die Juden schon aufgrund der Lehren, die man nach Paulus ziehen konnte (Rm. II,25f). So sollten sie sich in der Endzeit selbst bekehren und damit war ein Eingreifen gegen sie nicht nur unnötig, sondern auch gegen dem christlichen Heilsplan.1 Allerdings distanzierte man sich deutlich von ihnen, wenn man zum Beispiel auf Johannes Bezug nimmt: „der [...] den Juden mit ewiger Verdammnis drohte (Io. 8,21; 8,24) und sie in der Apokalypse typisierend als „Synagoge des Satans“ bezeichnete“.2 Diese Distanzierung entwickelte sich im Laufe der Jahrhunderte zu einem religiös bedingten Antijudaismus. Jedoch gab es auch andere Stimmen. So wandte sich etwa Papst Gregor der Große (590-604) gegen die Zwangsmissionierung der Juden und ließ sie ihre Religion frei ausüben, da ihre Bekehrung freiwillig erfolgen müsse.3 Dennoch kam es im Laufe des Mittelalters immer wieder zu Zwangstaufen. Zusammenfassend kann man also feststellen, daß die Juden von der Seite der christlichen Kirche bedingt geduldet wurden, da man davon ausging, daß sie – wie oben erwähnt –

sich in der Zeit des Jüngsten Gerichts selbst bekehren würden. Auch vertrat man die Meinung, daß sie dazu benötigt würden, um das Alte Testament zu überliefern (was sie allerdings in Bezug auf Jesus als Messias nicht verstünden).4 Sie hatten also einen festen Plat in der mittelalterlichen Weltordnung, trotz ihres abweichenden Glaubens.

Zu erwähnen sei hier noch die Judenschutzbulle der Päpste, erstmals von Calixt II. Erlassen. Danach wurden Juden folgende Sicherheiten und Freiheiten gewährt: „

– Juden dürfen nicht zur Zwangstaufe gezwungen werden, müssen aber andererseits ohne Schikanen zum christlichen Glauben übertreten können.

– Niemand darf sie ohne ein Urteil der weltlichen Gewalt verwunden, töten, ihres Vermögens oder Besitzes berauben oder altes, für sie gültiges, überliefertes Gewohnheitsrecht verändern.

– Bei religiösen Feiern dürfen sie nicht belästigt oder behindert werden.

– Niemand darf von ihnen unübliche Dienste verlangen.

– Es ist verboten, jüdische Friedhöfe zu verwüsten oder Leichen auszugraben, um Geld zu erpressen.

– Zuwiderhandelnde Christen drohen Ämterverlust und Exkommunikation.“4

Man erkennt also hier, daß es sogar den Päpsten um einen wirklichen Schutz der Juden im Lande ging. Allerdings ist nicht überliefert, ob die Strafformel jemals zur Anwendung kam. Dennoch blieb es stets bei der schon von Augustinus betonten Knechtschaft, welche sich aber eher als eine Hierarchie der beiden Religionen beschränkte und das eigentliche soziale Leben ausschloß.5 Allerdings sei hier noch auf den Liber Extra hingewiesen, welcher Christen den gesellschaftlichen Umgang mit Juden unter Androhung auf den Kirchenbann verbot. Viel wurde dieses Buch auch als die „indirekte Exkommunikation“ der Juden bezeichnet. Zu Recht, wenn man den Inhalt betrachtet. Seit dem späten 12. Jahrhundert ist jedoch der vermehrte Versuch Roms zu erkennen, auch in juristischen Dingen die Oberhoheit über die Juden zu gewinnen, so z.Bsp. durch die Einführug des „iudicium Iudaeorum“. So kam es dann auch zu ersten Talmud-Verbrennungen. Außerdem behielt man es sich vor, über Juden zu richten, die nach Roms Meinung gegen das Alte Testament verstoßen hatten. Ergo machte sich die christliche Kirche zum Richter über innerjüdische Angelegenheiten.6

Soviel zunächst zum kirchlichen Recht der Juden. Im weltlichen sah es etwas anders aus. So erließ beispielsweise Kaiser Friedrich II. einige Schutzprivilegien gegenüber den Juden, welche ihnen Sonderrechte einräumte und sie unter den Schutz seiner Kammer stellte. Begründet wurde dies damit, daß die Juden ein zu schwaches Volk seien und seine (des Kaisers) Kammerknechte.7 Der Terminus „Kammerknechte“ bezeichnet aber hier bereits, daß man den Juden nicht als souveränes Mitglied der Gesellschaft betrachtete, sondern als quasi-Besitz des Herrschers. Diese Einstellung wurde von Rudolf von Habsburg noch weiter ausgebaut. Deutlich kommt dies auch hierin zum Vorschein, daß den Juden das Recht auf Fortzug, also die Bewegungsfreiheit, abgesprochen wurde. Kaise Karl IV. übertraf seine Vorgänger dann völlig, als er sämtliche Gläubiger bei Juden als entschuldet bezeichnete und den Besitz der Juden vergab, da sie seiner Meinung nach sowieso ums Leben kämen.8

Ein uneingeschränktes Verfügungsrecht über das Eigentum der Juden gewährt übrigens auch Thomas von Aquin den Herrschern zu und begründet es mit der ewigen Schuld der Juden.9

Etwas anders verhielt es sich in der Beziehung des Juden zu der Stadt, in der er lebte. Juden waren zumeist Kaufleute und als solche wohnten sie bevorzugt in Städten. Dies machte städtische Gesetzgebung notwendig, welche das Rechte der Juden besonders beachtete. So gewährte man ihnen (wegen ihrer Rolle als Kaufleute) i.d.R. Privilegien in Bezug auf Handelsrechte, Steuerzahlungen oder Verfahrensrecht.10 Sie hatten also gewisse Rechte in der Stadt, in der sie lebten, waren aber nie Vollbürger, d.h. sie durften an bestimmten politischen Entscheidungen der Stadt nicht teilhaben. Doch ebensowenig galten sie als Knechte, sie hatten also eine Zwischenstellung inne. Der Grund lag einfach darin, daß man die Juden als exzellente Kaufleute brauchte, um die Stadt wirtschaftlich gedeihen zu lassen (Zeitalter der Städtegründungen) und für eine funktionierende Kreditwirtschaft. Darüber hinaus war es der ewige Wille der Stadtväter, sich gegen Fürsten und Könige rechtlich zu emanzipieren.

Die wichtigste Zäsur war aber die große Pestwelle und die damit einhergehende Judenverfolgung (1348-50), nach der sich die rechtliche Stellung der Juden generell verschlechtert hatte.11 Dies schlägt sich vor allem in den Rechtsbüchern der Städte nieder, aber auch durch verstärkte Willkür der Fürsten und Kaiser.

Im Folgenden soll jetzt auf einige der wichtigsten Rechtsbücher näher eingegangen werden.

3. Rechtsbücher des Mittelalters

Im Folgenden sollen einige der für das Judenrecht wichtigsten Rechtsbücher vorgestellt werden. Dabei soll nicht auf die Geschichte des Buches eingegangen werden, sondern nur auf das für Juden darin enthaltene Gesetz.

Den Anfang macht das wohl bekannteste Werk seiner Zeit, der Sachsenspiegel. Dieser erklärt deutlich, daß Juden unter dem Landfriedensschutz stehen, schützen sie also direkt von des Kaisers Hand aus. Die einzige Einschränkung besteht aber darin, daß ihnen verboten wird, Waffen zu tragen, wenn sie dieses Recht wahrnehmen wollen, was einer Diskriminierung gleichkommt. Es besagt weiterhin, daß ein Jude nicht vor Gericht als Gewährsmann für einen Christen auszusagen braucht, weil er damit die Anwendung christlichen Rechts und somit den Verlust seiner Privilegien akzeptiert. Interessanter aber als dies ist der Umstand, daß ein Jude, der einen Christen ermordet, zwar wie ein Christ bestraft wird, umgekehrt jedoch ein Christ, welcher einen Juden das Leben nimmt, wie ein Königsfriedensbrecher, also schwerer. In der Summe stellt der Sachsenspiegel die Juden als besonders geschützte Bevölkerungsgruppe dar und befaßt sich mit Prozeßrecht und Sonderrechten der Juden im Handel, auf die hier aus Platzgründen nicht näher eingegangen werden

[...]


1 Vgl. Christine Magin: Wie es umb der iuden recht steht, Göttingen 1999, S. 17.

2 Ebd., S. 18.

3 Vgl. Michael Gervers/James M. Powell: Tolerance and Intolerance, New York 2001, S. 142.

4 Vgl. 1, S. 20.

5 Vgl. Hans-Jochen Gamm: Das Judentum. Eine Einführung, Frankfurt 1981, S. 67-69.

6 Vgl. Pnina Navè: Kirche und Synagoge, in: Franz J. Bautz (Hrsg.): Geschichte der Juden, München 1992, S. 47-51.

7 Vgl. 1, S. 20.

8 Vgl. ebd., S. 28.

9 Vgl. 3, S. 126.

10 Vgl. Harry Kühnel: Alltag im Spätmittelalter, Köln 1996, S. 96-107.

11 Vgl. ebd., S. 121-132.

Ende der Leseprobe aus 18 Seiten

Details

Titel
Die rechtliche Stellung der Juden im hohen und im späten Mittelalter
Hochschule
Technische Universität Chemnitz
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
18
Katalognummer
V91558
ISBN (eBook)
9783638049726
ISBN (Buch)
9783638944618
Dateigröße
469 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stellung, Juden, Mittelalter, rechtlich
Arbeit zitieren
Daniel Müller (Autor:in), 2006, Die rechtliche Stellung der Juden im hohen und im späten Mittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91558

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