Der Klimawandel und die Vereinten Nationen. Macht und Ohnmacht


Dossier / Travail, 2019

22 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

2 Klimawandel – Handlungsbedarf globalen Regierens

3 Dimensionen der Macht: Die Vereinten Nationen
3.1 Instrumente in der Klimapolitik
3.2 Autonomie
3.3 Effektivität

4. Globales Regieren durch Umweltregime

5. Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 – Temperaturänderung und CO2-Konzentration in der Atmosphäre, 1850-2010

1 Einleitung

Globale grenzüberschreitende Herausforderungen sind in den Medien allgegenwärtig. Neben Flüchtlingsströmen und weltweitem Terror, Verletzung von Menschenrechten bis hin zu Bereichen der Entwicklungs- und Umweltpolitik werden grenzüberschreitende Herausforderungen nahezu wöchentlich thematisiert. Eines der großen Problemfelder in der globalen Umweltpolitik, wenn nicht sogar das drängendste, ist in diesem Zusammenhang der Klimawandel (Breitmeier 2009: 151). Der Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur oder die verstärkt auftretenden Extremwetterverhältnisse sind nur zwei seiner bekanntesten Ausprägungen. Um Umweltschäden zu begrenzen bzw. präventiv entgegenzuwirken, ist der Klimaschutz eine vordringliche Aufgabe unserer Zeit. Aufgrund der Aktualität des Themas – die 24. UN-Klimakonferenz fand im Dezember 2018 in Polen statt – soll mithilfe der analytisch geprägten Perspektive des globalen Regierens in der vorliegenden Einsendearbeit die Macht oder Ohnmacht der Vereinten Nationen (UN bzw. UNO) am Beispiel des Klimawandels analysiert werden.

Denn in den wissenschaftlichen Debatten zur Weltpolitik ist ein Begriff allgegenwärtig – Global Governance, übersetzt als globales Regieren. Doch welche Bedeutungs- und Verwendungsunterschiede sind damit gegenüber Begriffen wie internationaler Politik oder internationalen Beziehungen verbunden? In der Fachliteratur finden sich verschiedene theoretische Erklärungsansätze. Man kann zwischen drei grundlegenden Verwendungen des Begriffs unterscheiden. Global Governance als analytische Perspektive, als politisches Programm sowie als wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Diskurs (Dingwerth/Pattberg 2006: 377).

Für die vorliegende Arbeit ist Global Governance als eine spezifische Perspektive auf die Weltpolitik unter Berücksichtigung des analytischen Ansatzes zu verstehen, d.h. als Konzept globalen Regierens, obwohl es weder eine Weltregierung noch ein Weltparlament gibt. Aus einer Perspektive unabhängig vom Staat werden Veränderungen in der Weltpolitik beschrieben, wobei der Begriff auch supranationale Akteure (z.B. EU) sowie nichtstaatliche Akteure wie bspw. Nichtregierungsorganisationen (NGO) umfasst und ihnen eine gleichwertige Rolle im Regelsystem zuschreibt (ebd.: 381f.). Denn nichtstaatliche oder zwischenstaatliche Organisationen wie die Vereinten Nationen haben in der Weltpolitik in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen (Brühl/Rosert 2014: 315; Frantz/Martens 2006).

Global Governance begreift die Weltpolitik als Mehrebenensystem, d.h. lokale und regionale Politikprozesse sind nicht von globalen trennbar. Diese pluralistische Perspektive basiert auf einer horizontalen Selbstkoordination. Sie beschäftigt sich mit normativen Fragen wie der Lösung globaler Herausforderungen mit einem supranationalen Ansatz, der die Bedürfnisse aller unterschiedlichen Akteursgruppen umfassen soll (Dingwerth/Pattberg 2006: 382f.) Im Gegensatz zum Begriff der „internationalen Beziehungen“ stehen dadurch nicht nur zwischenstaatliche Verhandlungen im Fokus.

Der Aufbau der Einsendearbeit sieht folgende Punkte zur Beantwortung der Fragestellung vor. Eingangs wird die Thematik des Klimawandels dargelegt und der Handlungsbedarf im Sinne der Global Governance- Perspektive erläutert. Im Anschluss daran soll anhand des im Kurs kennengelernten Erklärungsansatzes der Dimensionen der Macht (Autonomie / Effektivität) der Einfluss der Vereinten Nationen verdeutlicht werden. Als „neuere Governance -Form“ wird abschließend das Instrument der Umweltregime kritisch diskutiert. Ein Fazit rundet die Ausführungen ab und liefert einen Antwortansatz zur Frage nach Macht oder Ohnmacht der Vereinten Nationen am Beispiel des Klimawandels.

2 Klimawandel – Handlungsbedarf globalen Regierens

„Eine einsame Eisscholle schwimmt inmitten des dunklen und kalten arktischen Meeres, auf dieser Scholle steht ein noch einsamerer Eisbär. Trotz seiner imposanten Erscheinung wirkt er schwach und hilflos, er wirkt verloren auf seinem schmelzenden, kalten Floß. Weit weg ist er vom Ufer, kann nicht mehr zurück, wenn nicht endlich jemand kommt, jemand eingreift – jemand, der ihm hilft.“ (Passoth 2010: 49)

Die Metapher des Eisbären, der einsam auf einer Eisscholle gefangen ist, soll als Sinnbild des Klimawandels gelten. Seit den 1990er Jahren wird über den Klimawandel, Zugang zu sauberem Trinkwasser, Artensterben als grenzüberschreitende und weltpolitische Herausforderungen intensiv und kontrovers diskutiert.

Das UN-Umweltprogramm (UNEP) veröffentlicht regelmäßig Berichte zum Zustand der Umweltqualität und Entwicklung einzelner Teilbereiche wie dem Klimawandel aus der Makroperspektive. Der Bericht GEO-5 führt so beispielsweise auf über 500 Seiten zentrale Daten zum Stand der Umweltverschmutzung und Analysen zum Zusammenhang von Umwelt und Entwicklung zusammen (UNEP 2012). Zur Umsetzung der Programme werden alle zwei Jahre sog. Programme Performance Reports veröffentlicht (UNEP 2018a). Anhand der folgenden Abbildung soll verdeutlicht werden, dass das Jahrzehnt 2000-2009 als wärmstes Jahrzehnt seit Beginn der Aufzeichnung gilt und in diesem Zeitraum die höchste CO₂ Konzentration in der Atmosphäre gemessen wurde. Die Änderung der Temperatur basiert auf vier verschiedenfarbig dargestellte Analysen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1 – Temperaturänderung und CO2 Konzentration in der Atmosphäre, 1850-2010

Quelle: UNEP 2012, 37.

Nach volkswirtschaftlichen Einschätzungen in der Literatur könnten die Folgen des Klimawandels das weltweite jährliche BIP bis 2100 jährlich ca. 1-2% schmälern, wenn ein Temperaturanstieg von über 2,5 ºC im Vergleich zum vorindustriellen Wert erreicht wird. Im Allgemeinen wäre mit erheblichen Folgen für den Menschen sowie für Flora und Fauna zu rechnen. Die Auswirkungen der Erderwärmung ist jedoch für die Arktis im Besonderen gefährlich, da ein stärkeres Abschmelzen der Eisbestände drohen könnte (UNEP 2012: 37). Auf der UN-Klimakonferenz in Paris 2015 wurde deshalb für alle Mitgliedsstaaten beschlossen, die Erderwärmung auf unter 2 ºC bzw. möglichst unter 1,5 ºC zu begrenzen. Der globale Trend nach dem UNEP Report zeigt zwar eine langsame Entwicklung auf, jedoch ist dies nicht ausreichend, um die Erderwärmung im Sinne des vereinbarten Limits zu beschränken (ebd.).

In der Gründungsphase der Vereinten Nationen wurden Umweltthemen wie der Klimawandel noch nicht in der Form wahrgenommen wie heute, so dass diese nachträglich erst in den 1960er Jahren initiativ zum UN-Themenportfolio hinzugefügt wurden (Brühl/Rosert 2014: 313). Zu den Aktivitäten der UNO im Bereich der Klima- und Umweltpolitik wird auf den nächsten Gliederungspunkt verwiesen.

Umweltzerstörung wurde bis in die 1960er Jahre als nationales und regionales Problem wahrgenommen und als solches behandelt. Erst mit dem eintretenden gesellschaftlichen Wertewandel in den Industrieländern entwickelte sich ein stärkeres Umweltbewusstsein. Das Aufkommen transnational vernetzter Umweltgruppen wie Greenpeace und eine vermehrte Rezeption von Umweltproblemen in den Medien brachten grenzüberschreitende Umweltprobleme auf die internationalen Agenden der Weltpolitik und verstärkten den Druck auf die Regierungen (Breitmeier 2009: 155f.). Die durch den Wirtschaftsboom der Nachkriegsjahre nachhaltig verursachten negativen Folgen für die Umwelt erfordern eine verstärkte grenzüberschreitende Zusammenarbeit. (ebd.: 151), die jedoch zumindest bis 1992 nur ungenügende Auswirkungen zeigte. Die führte dazu, dass auf der UN-Konferenz zu Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro die Frage nach der Verbesserung der Handlungskapazitäten internationaler Umweltinstitutionen im Fokus stand, da die Effekte ihres Wirkens hinter den Erwartungen geblieben waren (ebd.).

In der Governance -Forschung wird daher diskutiert, welchen Beitrag globales Regieren zur Problemlösung in den Teilbereichen der Umweltpolitik leisten kann und damit verbunden, welche Rolle der UNO in diesem Gefüge zukommt. Diese Ausgangslage führt zu der Frage von Macht und Ohnmacht der UNO in Bezug auf den Klimawandel.

3 Dimensionen der Macht: Die Vereinten Nationen

Macht und Ohnmacht internationaler Organisationen sind stark kontext- und formalabhängig, weshalb zur Identifikation der Merkmale die Machtdimensionen Autonomie und Effektivität herangezogen werden. Diese werden im Gliederungspunkt 3.2 erläutert. Zunächst aber werden die vier Typen von Institutionen vorgestellt, die den Handlungsrahmen der globalen, pluralistischen Akteurswelt bilden und in ihr jeweils eine Steuerungsfunktion erfüllen sollen (Hasenclever/Mayer 2007: 14). Konventionen können als völkerrechtliche Abkommen des internationalen Systems verstanden werden. Sie enthalten und manifestieren grundlegende Prinzipien wie z.B. die Staatssouveränität oder die Reziprozität. Internationale Organisationen sind selbstständig agierende Akteure, die mit begrenzten Entscheidungsbefugnissen ausgestattet sein können. Hierzu zählen u.a. die zwischenstaatlichen Organisationen wie die UNO oder die Weltbank sowie nichtstaatliche transnationale Organisationen, zu welchen z.B. Amnesty International zählt. Regime sind politikfeldspezifische Institutionen ohne Akteursqualität, die durch den Einfluss des normativen Apparats das Verhalten der Staaten und internationalen Akteure lenken und ordnen sollen. Sie beruhen zum überwiegenden Teil auf multilateralen Verträgen wie bspw. das Regime zum Schutz der Ozonschicht. Netzwerke als letzte Institution sind als informelle Verhandlungssysteme zu verstehen (Hasenclever/Mayer 2007: 14f.). Ein Beispiel hierfür sind die Treffen der Staatschefs der G71.

Nach Klärung relevanter Begrifflichkeiten im Kontext der Einordnung der UNO als Akteur im internationalen Umfeld, werden im folgenden Punkt deren Instrumente in der Klimapolitik erläutert.

3.1 Instrumente in der Klimapolitik

Als Handlungsgrundlage bzw. „Verfassung“ trat im Oktober 1945 die Charta der Vereinten Nationen in Kraft, mit den obersten Zielen der Friedenswahrung und internationaler Sicherheit zwischen den Staaten sowie dem Streben nach einer organisatorischen Verbesserung der staatlichen Beziehungen. Die Vereinten Nationen wurden als Nachfolgeinstitution des Völkerbundes eingerichtet und sollten im Gegensatz zum Vorgänger mit mehr Autorität ausgestattet sein (Wolf 2016: 13f.). Im Forschungsfeld der transnationalen Beziehungen wird die UNO dem Typus einer zwischenstaatlichen Organisation mit Entscheidungsbefugnissen zugeordnet (Hasenclever/Mayer 2007: 14). Die bekanntesten Organe der UNO sind der Sicherheitsrat und die Generalversammlung. Daneben existieren eine Reihe von Unterorganisationen wie bspw. das Kinderhilfswerk (UNICEF), die Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder die Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO).

Der Teilbereich Klimapolitik wird unter dem Oberbegriff Umweltpolitik subsumiert, für den die Charta der Vereinten Nationen keine definierten Ziele vorsieht. Die Staatengemeinschaft entschied sich für einen sektoralen Ansatz der Querschnittsaufgabe Umweltpolitik, so dass einzelne Abkommen jedes Umweltproblem separat regeln. Derzeit existieren rund 500 sog. multilaterale Umweltabkommen (siehe hierzu Punkt 4). Ein Großteil der Abkommen wurden durch die Vereinten Nationen ausgehandelt. Nach einem Ratifizierungsprozess durch die Mitgliedsstaaten sind die Abkommen in Kraft getreten (Brühl/Rosert 2014: 316). Der Generalversammlung kommt in diesem Kontext eine besondere Rolle zu, da sie die regelmäßig stattfindenden Umweltkonferenzen initiiert hat. Die jährlich stattfindenden UN-Klimakonferenzen der UNFCCC, welche auch offiziell als Conference of the parties (COP) bezeichnet werden, gelten als oberstes Gremium in der Klimapolitik, wachen über die Umsetzung der zuvor vereinbarten Ziele (Brühl/Rosert 2014: 345.).

Einen eigenen institutionellen Rahmen bekam die Thematik mit dem UN-Umweltprogramm UNEP. Eine wesentliche Aufgabe des Umweltprogramms besteht darin, Wissen über die Qualität der Umwelt zusammenzutragen im Austausch mit Regierungen und internationalen Organisationen. Es soll diese Daten evaluieren und zukünftige Entwicklungen vorhersagen. Zweitens hat UNEP die Aufgabe, Zielvorgaben und Standards für die Mitgliedsstaaten festzulegen sowie Politikempfehlungen auszusprechen (Brühl/Rosert 2014: 330). UNEP verfügt über keinen eigenen Haushalt, sondern erhält Mittel aus dem regulären UN-Haushalt sowie aus freiwilligen Beiträgen der Mitgliedstaaten. Das gesamte Budget von UNEP lag für den Doppelhaushalt 2016 bis 2017 bei 954 Millionen US Dollar (UNEP 2018a). Weitere Institutionen der UNO zur Umweltpolitik sind z.B. die Kommission für nachhaltige Entwicklung und die globale Umweltfazilität, welche aus Sicht des Autors im Vergleich zum UNEP, den multilateralen Abkommen (Regime) sowie den Klimagipfeln eine untergeordnete Rolle spielen.

Nach Kenntnis über die Verortung des Klimawandels als Teilbereich der Umweltpolitik im Instrumentarium und Institutionsgefüge der UN kann im nächsten Gliederungspunkt auf die Dimensionen der Macht Autonomie und Effektivität eingegangen werden.

3.2 Autonomie

Für den Begriff einer staatlichen oder Organisation-Autonomie gibt es keine einheitliche Definition, sodass diese nur schwer empirisch erfassbar ist. Zur Vereinfachung gilt als autonome Organisation im Rahmen der Einsendearbeit jene, deren Handeln nicht vollständig von den Mitgliedsstaaten kontrolliert werden kann (Hasenclever/Mayer 2007: 24). Zwischen den von den Organisationen festgelegten Regeln und Normen und dem Eigeninteresse der einzelnen Staaten muss daher eine Differenz bestehen. Die Autonomie einer Organisation lässt sich u.a. daran erkennen, wenn Staaten trotz ihrer divergierenden Eigeninteressen die von der Organisation festgelegten Regeln und Normen akzeptieren (ebd.). Das entspricht auch der Definition von Max Weber, in welcher Macht die Bedeutung zugeschrieben wird, jede Chance zu nutzen, den eigenen Willen gegen Widerstreben durchzusetzen (Weber/Winckelmann 1980: 28).

Bezogen auf die Klimapolitik der Vereinten Nationen könnte man sagen, dass fast alle Staaten der Welt Mitgliedsstaaten sind und sich den Zielen der Charta verpflichten. Daraus abgeleitet, erreichen die Vereinten Nationen das Merkmal der Universalität (Wolf 2016: 111). Hier stellt sich die Frage, ob universale Gültigkeit im selben Zug auch Autonomie bedeutet. Der Sicherheitsrat der UNO ist das einzige Organ, welches rechtsverbindliche Schlüsse für alle Mitgliedsstaaten schließen kann. Er besteht aus fünf ständigen Mitgliedern mit Vetorecht und zehn auf zwei Jahre von der Generalversammlung gewählten Mitgliedern (ebd.: 20). Das eine relativ geringe Anzahl an Mitgliedern verbindliche Entscheidungen für alle Mitgliedsstaaten trifft, weist auf eine autonome Organisation hin. Für den Bereich der Klimapolitik existiert jedoch kein Organ der UNO, weshalb die Beschlüsse, Resolutionen etc. in diesem Feld nicht grundsätzlich bindend für die Mitgliedsstaaten sind.

Zur genaueren Klärung der Frage, ob eine Organisation autonom ist, kann auf zwei Komponenten aus dem wissenschaftlichen Diskurs zurückgegriffen werden. In der Umweltpolitik existieren, wie bereits im vorherigen Gliederungspunkt beschrieben, über 500 sektorale Abkommen. Es ist nicht auszuschließen, dass Überlagerungen zwischen einigen auftreten, die die Effektivität der Abkommen beeinträchtigen (Young 1999: 170-172, zit. in Hasenclever/Mayer 2007: 25). In diesem Zusammenhang wird von institutionellen Effekten gesprochen. Zudem handelt es sich um bei Klima- und Umweltschutz um eine Querschnittsaufgabe, d.h. mehrere Institutionen der Vereinten Nationen führen Projekte zur Thematik durch (Brühl/Rosert 2014: 318). Kompetenzüberschneidungen zwischen verschiedenen Institutionen innerhalb der UNO bringen zusätzlichen Verwaltungsaufwand mit sich und führen zu einer Dysfunktionalität des Systems. Dies wird als Folge der weitgehenden Autonomie der Sonderorganisationen sowie der zunehmenden Eigenständigkeit von subsidiären UN-Einrichtungen gewertet (Gareis/Varwick 2006: 266-269). Neben diesen externen Effekten können zum anderen auch Pathologien innerhalb der Organisation auftreten. Pathologien treten meist in Organisationen auf, die mit Verwaltungsapparaten bzw. Bürokratien ausgestattet sind, die entgegen der Zielrichtung der Organisation agieren (Barnett/Finnemore 1999: 715). Im Allgemeinen sind Bürokratien in einer modernen Gesellschaft unabdingbar für eine effektive und effiziente Lösung von sozialen Problemen (ebd.). Nach Max Weber sind sie die rationalste Form der Herrschaftsausübung (Weber 1921 zit. in Bogumil/Jann 2009: 137). Doch entwickeln Bürokratien zunehmend eine eigene Organisationskultur. Die Arbeitsweise von Bürokratien basiert auf rationalisierten Abläufen und Prozessen (z. B. durch Regeln und Normen) sowie auf Spezialisierung einzelner Abteilungen. Dies erzeugt durch routinierte Abläufe eine hohe Effektivität bei der Bewältigung von Aufgaben. Spezialisierung, insbesondere der strukturierte Fachwissen- und Kompetenzerwerb, dient der Lösung komplexer Fragestellungen. Regelkonformität und Fachkompetenz sind ebenso Tugend wie Fluch von Bürokratien. Routinierte Beschäftigte reagieren auf externe Einflüsse stets in der Art und Weise, wie es die Regeln vorschreiben. Organisationsziele können hierbei in den Hintergrund rücken. Ebenso verhält es sich mit spezialisierten Abteilungen. Fachkompetenz kann zu Wahrnehmungsverzerrungen und Anpassungsverzögerungen führen. Es können sich weitere Subkulturen in einer Organisation bilden, die Entscheidungsprozesse blockieren oder verzögen und somit die „Macht“ der Organisationen beeinträchtigen können (Barnett/Finnemore 1999: 718f.).

Da solche Pathologien auch bei den Vereinten Nationen auftreten (Hasenclever/Mayer 2007: 25f.), ist dies ein Indiz für ihre Autonomie. Beide Merkmale der Autonomie werden von den Vereinten Nationen im Rahmen der Klima- bzw. Umweltpolitik erfüllt.

3.3 Effektivität

Neben der Autonomie ist Effektivität eine Dimension der Macht. Im vorherigen Punkt zeigte sich, dass die UNO in ihrer Umweltpolitik nicht einfach zu kontrollieren ist, da die Institutionen ein „Eigenleben“ entwickelten und die sektorale Regelungsdichte stark zugenommen hat, so dass Interferenzen entstanden sind. Im Folgenden soll die Effektivität der Vereinten Nationen in Bezug auf die Gestaltung der Klimapolitik analysiert werden. An dieser Stelle wird der Einfluss der UNO auf das Verhalten und die Entscheidungsprozesse der Mitgliedsstaaten beleuchtet.

In der Forschung werden Effektivität drei Kriterien zugeschrieben. Das erste Kriterium umfasst die Festlegung von Regeln, Normen und Verfahren sowie das Treffen von Entscheidungen. Das zweite zielt auf das Verhalten der Mitgliedstaaten in Bezug auf die Einhaltung und Umsetzung der Regeln und Normen ab. Die Zielerreichung bildet schließlich den Inhalt des dritten Kriteriums. Geknüpft ist die Effektivität einer internationalen Organisation darüber hinaus an zwei Bedingungen. Dazu zählen die Kooperationsbereitschaft und der Kooperationsbedarf. Konkret bedeutet dies, dass die Mitgliedsstaaten ein ausgeprägtes Problembewusstsein haben und das Problem als Gemeinschaftsaufgabe begreifen müssen, welches sie nicht mit Maßnahmen auf nationaler Ebene oder durch bilaterale Abkommen lösen können (Hasenclever/Mayer 2007: 29f.). Das der Klimawandel als grenzübergreifende Herausforderung begriffen wird und das politische Ziel des Klimaschutzes einen globalen Bedeutungszuwachs erhalten hat, ist spätestens mit der 1992 ausgehandelten Klimarahmenkonvention (United Nations Framework Convention on Climate Change, UNFCCC) erreicht worden. Die UNFCCC wurde bis heute von 196 Staaten und der Europäischen Union ratifiziert (UNFCCC 2019b).

Allerdings handelt es sich hierbei um eine Selbstverpflichtung der Industrieländer, Treibhausgasemissionen als eine der Ursachen für den anthropogenen beeinflussten Klimawandel zu senken. Entwicklungsländer werden von der Selbstverpflichtung ausgenommen. Sie erhalten im Gegenzug finanzielle Mittel, um Maßnahmen für den Klimaschutz einzuleiten. Dies deutet darauf hin, dass Industrieländer gegenüber Entwicklungsländern ungleichbehandelt werden. Zudem sind die Industrieländer die Hauptbeitragszahler der UNO (Wolf 2016: 29), sie demnach zusätzlich zur Reduktionsverpflichtung für die finanzielle Unterstützung der Entwicklungsländer aufkommen.

Denn umgekehrt ist die Gleichberechtigung von beteiligten Regierungen und zivilgesellschaftlichen Akteuren (Inklusivität) in einer Organisation ein Faktor, der die Effektivität von internationalen Organisationen steigern kann (Hasenclever/Mayer 2007: 31). Die Vereinten Nationen sind durch die Ungleichbehandlung nach Länderkategorisierung in ihrer Effektivität beeinträchtigt, da die Kopplung von Pflichten und Leistungen an einem spezifischen Länderstatus das Kriterium der Gleichberechtigung nicht erfüllen kann. Zudem sei an dieser Stelle angemerkt, dass die Vereinten Nationen nur über den Sicherheitsrat rechtsverbindliche Entscheidungen für alle Mitgliedstaaten treffen können. Selbst die Generalversammlung mit ihrer allumfassenden Zuständigkeit kann nur Empfehlungen abgeben (Wolf 2016: 19f.). Es stellt sich daher die Frage, ob die Vereinten Nationen aufgrund fehlender Ermächtigung, Mitgliedsstaaten zu einem bestimmten Handeln zu verpflichten, effektiv handeln können. Grundsätzlich gilt die Konvention der Souveränität des Staates. Beschlüsse der Mitglieder der Klimarahmenkonvention (UNFCCC) werden durch den Prozess der Ratifizierung jedoch als völkerrechtlich verbindliche Erklärung der Länder anerkannt und erhalten dadurch einen rechtlichen Regelungscharakter. Mit dem Kyoto-Protokoll 1997 wurden erstmals festgelegt, dass Treibhausgasemissionen um 5 % gegenüber 1990 im Zeitraum 2008-2012 reduziert werden sollten. Nachdem die USA 2001 aus dem Protokoll ausgestiegen sind, konnte erst mit dem Beitritt und der Ratifizierung Russlands 2004 die beiden Bedingungen zum Inkrafttreten, 55 Länder mit weltweit 55% CO2-Emissionen, erfüllt werden (KIT et al. 2015: 5). Die USA sind nach China (26,8 %) das Land mit dem höchsten Anteil an CO2-Emissionen in 2017 (13,1%) weltweit (UNEP 2018b: 9). Da China zu diesem Zeitpunkt nicht als Industrieland2 galt, war es automatisch von den Verpflichtungen ausgenommen (KIT et al. 2015: 6). Wenn die beiden Staaten mit der höchsten Emissionsquote von der Bindungskraft der Beschlüsse nicht erfasst werden, können auch z.B. die 28 EU-Staaten mit einem Anteil von insgesamt nur 9 % der weltweiten Emissionen an Kohlenstoffdioxid nur in geringem Maße zur Effektivität der Vereinten Nationen im Klimaschutz beitragen. Ein ähnliches Bild zeigte sich in der 2012 beschlossenen Verlängerung, der zweiten Phase der Kyoto-Protokolls bis 2020. Es erreicht nur die verbindlichen Zusagen von jenen Emittenten, die gerade einmal 15 % der Emissionen verantworten (ebd.).

Mit dem Übereinkommen von Paris 2015 wurde erstmals in der globalen Klimapolitik ein internationaler Vertrag geschlossen, in dem Industrie- und Schwellenländer gemeinsam erklären, ihre Treibhausgasemissionen einzudämmen. Ziel ist es, die Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau möglichst auf maximal zwei Grad Celsius, mit dem Versuch sogar auf 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Grundlage des Abkommens sind freiwillige Klimaschutzpläne, welche gut 190 Staaten zur Konferenz eingereicht haben. Mitte 2017 gaben die USA ihren Ausstieg aus dem Pariser Abkommen zu 2020 bekannt (ZEIT ONLINE 2017a). Da Ende 2017 mit Syrien und Nicaragua die letzten Länder dem Pariser Abkommen zugestimmt haben, wären die USA der einzige Staat weltweit, welcher das Pariser Abkommen nicht weiter unterstützt (ZEIT ONLINE 2017b). Bis heute haben 184 Staaten der 197 an der Pariser Weltklimakonferenz beteiligten Regierungen das Abkommen ratifiziert (UNFCCC 2019a). Da sich nahezu alle Staaten der Erde dem Abkommen mit individuellen Klimaschutzplänen verpflichten und ihr Verhalten entsprechend ändern wollen, können die ersten beiden Kriterien der Effektivität als erfüllt gelten. Hinsichtlich der Zielerreichung als letztem Kriterium können Zweifel geäußert werden. Denn die Klimaschutzpläne basieren auf freiwilliger Basis. So ist unklar, ob die geplanten Maßnahmen ausreichen, um die Emissionen auf den festgelegten Grenzwert zu beschränken. Mit Ausscheiden der USA als einem der größten Emittenten, ist grundsätzlich nicht absehbar, ob das Gesamtziel des Pariser Abkommens auch mit den Klimaschutzplänen der einzelnen Staaten erreicht werden kann. Die Frage der Effektivität der UNO im Bereich der Klimapolitik wird aber an diesem Gesamtziel gemessen. Ist die Zielerreichung unklar, ist es der Effektivitätsgrad ebenso. Dabei erfordert der Klimaschutz die Beteiligung von allen Staaten der Erde. Eine der Kernbotschaften des 5. Sachstandsberichts des unabhängigen Weltklimarates IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change) sagt zum Handlungsbedarf folgendes:

„Der Einfluss des Menschen auf das Klimasystem ist klar und die jüngsten anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen sind die höchsten in der Geschichte.“

(IPCC 2016: 40).

Im Umkehrschluss bedeutet dies:

„Ohne zusätzliche Minderungsbemühungen, die über heute bestehende hinausgehen, und trotz Anpassung wird die Erwärmung zum Ende des 21. Jahrhunderts zu einem hohen bis sehr hohes (sic!) Risiko schwerwiegender, weitverbreiteter und irreversibler globaler Folgen führen […].“ (IPCC 2016: 18).

Auf der letzten UN-Klimakonferenz in Kattowitz im Dezember 2018 sollte daher die Umsetzung des Paris Abkommens eingeleitet werden. Das 144 seitige Regelwerk geht einigen Wissenschaftlern und Umweltorganisationen wie Greenpeace jedoch nicht weit genug. Insbesondere das Abrücken von einer Begrenzung der Erderwärmung um 1,5 °C oder die Einstufung der Zusagen der Industrieländer als „kaum messbar“ oder „fraglich“ werten das Kompromissergebnis aus Polen ab (Pötter 2018).

Die Konsensbildung auf unterem Niveau hat Auswirkungen auf die Zielerreichung. Zudem wurde die Entscheidung auf konkrete verbindliche Maßnahmen um ein weiteres Jahr vertagt. Die UN-Klimakonferenzen in Gänze in Frage zu stellen, wäre an dieser Stelle aber ein Fehler. Es ist weithin das einzige Format, dass alle Mitgliedsstaaten (über 190) der UNFCCC sowie weiterer nichtstaatliche Akteure der Umweltpolitik an einem Tisch zu versammeln vermag. In Anbetracht der Akteurs- und Interessenpluralität kann dies durchaus als Erfolg gewertet werden.

[...]


1 Informelles Forum der Staats- und Regierungschefs der führenden Industrienationen. Zu Ihnen gehören, die USA, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Japan, Italien und Kanada.

2 Es wurde in beiden Phasen des Kyoto-Protokolls eine Unterteilung in Entwicklungs-, Schwellen- und Industrieländer vorgenommen. Der zugeschriebene Status legte die Bindungswirkung der Beschlüsse fest.

Fin de l'extrait de 22 pages

Résumé des informations

Titre
Der Klimawandel und die Vereinten Nationen. Macht und Ohnmacht
Université
Berlin School of Economics and Law  (Berlin Professional School)
Note
1,0
Auteur
Année
2019
Pages
22
N° de catalogue
V915623
ISBN (ebook)
9783346222350
ISBN (Livre)
9783346222367
Langue
allemand
Mots clés
Klimawandel, global governance, Vereinte Nationen
Citation du texte
Ronny Bätz (Auteur), 2019, Der Klimawandel und die Vereinten Nationen. Macht und Ohnmacht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/915623

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