Globalisierung versus Fragmentierung - Die "Theorie der fragmentierenden Entwicklung" von Fred Scholz


Term Paper (Advanced seminar), 2003

53 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


GLIEDERUNG

I. Einleitung:
I. 1. Definition der Globalisierung:
I. 2. Was ist wirklich neu an der Globalisierung?
I. 3. Strukturmerkmale von Globalisierung:
I. 4. Konsequenzen der Globalisierung
I. 5. Die Ambivalenz des Globalisierungsprozesses

II. Definition Fragmentierung:
II. 1. Peripherie und Fragmentierung:
II. 2. Theorien in fragmentierter Welt
II. 3. Sunkels „Modell der nationalen Desintegration“
II.4. Die „Theorie der fragmentierenden Entwicklung“ von Fred Scholz

III. Die Global City als„ Neuer Typus von Zentralraum“
III. 1. Stadt- Räume und städtebauliche Charakteristika
III. 2. Veränderungen in der sozialen Struktur
III. 3. Global integrierte Stadtfragmente

IV. Die Verselbstständigung der Finanzmärkte
IV. 1. Informationsrevolution und Digital Divide
IV. 2. Die neue Geographie der Produktion
IV. 3. Die Fragmentierung des Nationalstaates
IV.4. Die neue Qualität sozialer Fragmentierung
IV.5. Die Informalisierung der Arbeit

V. Die Politik der Importsubstitution:
V. 1. Welthandel / Freihandel
V. 2. GATS
V. 3. TRIPS
V. 4. FDI und Portfolio

VI. Die Schuldenkrise
VI. 1. Die Strukturanpassungpolitik von IWF und Weltbank

VII. Südamerika zwischen Globalisierung und Fragmentierung:

VIII. Strukturelle Hemmnisse Afrikas
VIII. 1. Die sieben Faktoren von Rainer Tetzlaff
VIII. 3. Wirtschaftliche und wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen
VIII. 4. Natürliche Rahmenbedingungen
VIII. 5. Abhängigkeit von den Industrieländern

IX. SCHLUSSWORT UND AUSBLICK

X. BIBLIOGRAPHIE:

I. Einleitung:

Die Globalisierung ist keineswegs ein neues Phänomen des ausgehenden 20. Jahrhunderts, sondern vielmehr ein bereits 500 Jahre währender Prozess, welcher mit der Entdeckung der „Neuen Welt“ durch den Seefahrer Christoph Columbus im Jahre 1492 seinen Anfang nahm und fortan mit der Erschließung neuer, bisher unbekannter oder nicht- exploitierter Gebiete sowie einer zunehmenden Ausbreitung des Kapitals (und der kapitalistischen Marktwirtschaft) einherging: „Globalisierung, gedacht als unaufhörliche räumliche und soziale Expansion, stellt somit eine historische Konstante kapitalistischer Entwicklung dar. Sie ist aber auch eine seiner Voraussetzungen.“ (Parnreiter; Novy; Fischer 1999: 11)

Neu ist allerdings, dass dieser Globalisierungsprozess ab der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts eine sehr hohe, ihm eigene Dynamik entwickelte, in Folge derer neue Facetten (neue Entwicklungsstadien) dieses Prozesses auftauchten. Der im Rahmen dieser Hausarbeit interessante und relevante Zeitrahmen ist mit dem Ausbruch der Schuldenkrise zu datieren und dauert bis heute an. Spätestens seit 1982 lässt sich eine neue Qualität der Dynamik des Globalisierungsprozesses konstatieren, welche der deutsche Philosoph Jürgen Habermas treffender Weise als die „neue Unübersichtlichkeit“ bezeichnete.

Grob gesagt, lassen sich vier neue Wesensmerkmale bestimmen, welche das heutige Entwicklungsstadium der Globalisierung charakterisieren, als da wären:

a) Die Neuordnung und eine zunehmende Deregulierung der Finanzwelt nach dem Ende des Bretton- Woods Systems im August 1971 und dem Treffen vom Rambouillet am 15. November 1975; was im Verlaufe der folgenden Jahrzehnte zu einer Abkopplung der monetären Sphäre führte.

b) Die „Informationsrevolution“ (Entwicklung moderner Informations- und Telekommu­nikations­technologien) führte einerseits zu Veränderungen für die Organisation von Produktion und Konsumtion und andererseits zur Entstehung völlig neuer Wünsche und Bedürfnisse.

c) Durch die Gratifikationen der „Informationsrevolution“ wurden die Kosten und der zeitliche Rahmen für den Transport von Gütern und Personen drastisch gesenkt, was zu einer neuen Geographie der Produktion führte, welche einerseits unbestrittener Weise mit einer zunehmenden Vernetzung, Verflechtung und Grenzauflösung (Inklusion); andererseits aber auch mit einer sich verschärfenden Polarisierung, Peripherisierung und Marginalisierung, vor allem der Länder des Südens (Exklusion) einhergeht.

d) Einer neuen politischen Weltordnung (nach dem Ende des Ost- West Konflikts 1989) sowie einer neuen globalen Machtverteilung, ausgelöst durch die Machtkonzentration transnational agierender Konzerne (TNK), den sogenannten „Global Players“.

e) Einer neuen Qualität sozialer Ungleichheit, begleitet vom Prozess der Fragmentierung, welcher sich von der Mikro- bis zur Meta- Ebene ausdehnt.

I. 1. Definition der Globalisierung:

Unter Globalisierung versteht man die Zunahme internationaler Wirtschaftsbeziehungen und –verflechtungen und das zusammenwachsen von Märkten für Güter und Dienstleistungen über die Grenzen der einzelnen Staaten hinaus. Hierbei spielen die internationalen Kapitalströme und die Diffusion neuer Technologien eine grosse Rolle.[…] Globalisierung bedeutet also Intensivierung des Wettbewerbs durch Vergrösserung der Märkte bis hin zum Entstehen globaler Märkte. (Krings; Skript zur Wirtschaftsgeographie- Vorlesung)

Laut Ulrich Beck (1997) ist Globalisierung ein Prozess, der zu unrevidierbar entstehender Globalität führt. Globalität bedeutet in diesem Sinne nicht weniger, als „dass von nun an nichts, was sich auf unserem Planeten abspielt, nur ein örtlich begrenzter Vorgang ist, sondern dass alle Erfindungen, Siege, Katastrophen die ganze Welt betreffen.“

Für die OECD (Organisation for Economic Cooperation and Development) ist Globalisierung ein „Prozess, durch den die Märkte und Produktion in verschiedenen Ländern immer mehr voneinander abhängig werden – dank der Dynamik des Handels mit Gütern und Dienstleistungen und durch die Bewegung von Kapital und Technologie“. (Plate 1999:3)

Scholz sieht in der Globalisierung ein wesentlich neues Phänomen, welches er wie folgt beschreibt:

Globalisierung lässt sich als Entstehung einer globalen Welt begreifen. Sie stellt das Ergebnis ungehinderter Bewegungen von Kapital, Waren, Ressourcen, Ideen, Sehnsüchten, Träumen und Hoffnungen dar. Sie überwindet soziale, ethnische, kulturelle und nationale Grenzen. Sie initiiert und steuert wechselseitig weit voneinander entfernt ablaufende soziale, ökonomische, kulturelle und politische Prozesse. Und sie äussert sich im Exzess bislang nicht gekannten Wettbewerbs, in der Entgrenzung von Finanzströmen, Märkten und Marktsystemen, von Privatisierung und Deregulierung. Sie schlägt sich nieder in weltweit verbreiteten Technologien, Produktions- und Informationssystemen, in supranationalen Politiken und sogar in der Ubiquität von Lebensweisen, Konsumverhalten und kulturellem Leben.

(Scholz 2002:121)

I. 2. Was ist wirklich neu an der Globalisierung?

- Die Komprimierung von Raum und Zeit mittels moderner Informations- und Kommunikationstechnologien;
- Das alltägliche Leben und Handeln über nationalstaatliche Grenzen hinweg, in dichten Netzwerken, mit hoher wechselseitiger Abhängigkeit und Verpflichtung;
- Die Zahl und Macht transnationaler Akteure; Institutionen und Verträge;
- Die zunehmende Ortslosigkeit von Kapital und Arbeit;
- Das Ausmass wirtschaftlicher Konzentration bei gleichzeitiger Weltmarktkonkurrenz;
- Das zunehmend globale ökologische Gefahrenpotential und das Entstehen eines weltumspannenden Gefahrenbewusstseins (Dittrich, Ch. 1998)

I. 3. Strukturmerkmale von Globalisierung:

- Weltweite Durchsetzung des kapitalistischen Gesellschaftsmodells;
- Expansion des Welthandels mit Gütern und Dienstleistungen bei immer stärkerer räumlicher Vernetzung und zeitlicher Verdichtung der Entwicklungen;
- Expansion des internationalen Finanzwesens und hohe Dynamik von Finanztransaktionen;
- Globale Kulturindustrien;
- Wachsende, aber ungleichmässig ablaufende Integration der globalen Güter-, Dienstleistungs-, und Kapitalmärkte;
- Entkopplung von monetärer und produktiver Wirtschaftssphäre;
- Bedeutungszunahme transnationaler Konzerne und Dienstleistungsunternehmen, die als global player immer unabhängiger von Nationalstaaten werden;
- Relative Bedeutungsabnahme der Nationalstaaten und Entwicklung hin zu „Wettbewerbsstaaten“;
- Abkopplung und Marginalisierung von Staaten, Regionen, Gesellschaften und Gruppen, die sich nicht in das globale Entwicklungsmuster integrieren (können);
- Entgrenzung von Problemlagen (Arbeitslosigkeit, Armut, Umweltzerstörung, Kriminalität). (Dittrich, Ch. 1998)

I. 4. Konsequenzen der Globalisierung

a) Die ökonomische Dimension:

- Diktat des Neo- Liberalismus; Einheit von Wirtschaftsliberalismus; Staats­bankismus und parlamentarischer Demokratie;
- Öffnung nationaler Ökonomien und Annulierung territorialer Grenzen;
- Annulierung der Raum- und Zeit- Dimension;
- Technologische Vereinheitlichung;
- Deregulierung der Wirtschafts- und Finanzwelt bei gleichzeitiger Regulierung und Flexibilisierung von Arbeits- und Beschäftigungsverhältnissen;
- Entkopplung von monetärer und produktiver (realer) Wirtschaftssphäre;
- Verbilligung der Energiekosten und Revolution im Transport und Kommunikationswesen;
- Erhöhung der Mobilität und Flexibilität von Kapital- und Kapitalinnovationen.

b) Die soziale Dimension:

- Soziale Fraktionierung (Individualisierung, Pluralisierung, 20:80 Gesellschaft, Marginalisierung);
- Entgrenzung von Gesellschaften und Lebenswelten (Weltkultur; Weltgesellschaft; Mc World);
- Abbau staatlicher Sicherungssysteme (Transformation vom Wohlfahrtsstaat zum Wettbewerbsstaat);
- Soziale Gegenbewegungen (z. B.: Autonomiebewegungen, Gruppierungen von Globalisierungsgegnern [ATTAC], Erstarken rechtspopulistischer, radikal- politischer und fundamentalistischer Tendenzen)

c) Die ökologische Dimension:

- Hohes Niveau an Naturverbrauch, Umwelt- degradation und –zerstörung;
- Globale Verwertung natürlicher (nicht- erneuerbarer) Ressourcen
- Globale Umweltprobleme (u. a. Klimawandel, Treibhauseffekt, Meeresspiegelanstieg, Ozonloch, Anstieg der Umweltkatastrophen)
- Gen- und biotechnologische Manipulation ohne Wissen um die Folgen.

I. 5. Die Ambivalenz des Globalisierungsprozesses

Oftmals wird unter Globalisierung ein weltumspannender, gleichzeitig ablaufender Prozess der Universalisierung und der Homogenisierung verstanden, in Folge dessen es zur Herausbildung eines Weltmarktes mit standardisierten Produktions- und Verteilungsverfahren sowie zu der Entstehung einer Weltgemeinschaft kommt. In diesem Sinne würde es sich bei der Globalisierung um einen uniformen und linearen Prozess handeln. Dem ist aber nicht so; es ist mittlerweile wissenschaftlich untersucht und empirisch belegt worden, dass es sich im Gegenteil bei der Globalisierung um einen höchst dynamischen Prozess handelt, der sich u. a. durch eine Ungleichzeitigkeit der Entwicklung bei gleichzeitiger Entwicklungsabhängigkeit auszeichnet und welcher zum Teil höchst widersprüchliche, heterogenisierende Prozesse auslöst. In der Folge kommt es zu einer Transformation und Umstrukturierung auf verschiedenen Ebenen (lokal, regional, national, kontinental und global) verschiedenster Bereiche (Ökonomie, Politik, Ökologie, Kultur, Soziales ).

Die neu entstandenen Verteilungsmuster und Abhängigkeitsverhältnisse gründen zum grossen Teil auf dem global expandierenden System der kapitalistischen Marktwirtschaft, welches sich heute, nach dem Wegfall des Ost- West Konflikts im Jahre 1989, als global dominantes Wirtschaftssystem durchsetzen konnte. In der Folge kam es zu einer weiteren Dynamisierung des Globalisierungsprozesses, welcher aber, getreu den Grundregeln der kapitalistischen Marktwirtschaft, „per se nicht auf Konsens, sondern auf Erfolg, Konkurrenz und Verdrängung ausgerichtet“ ist. „Er findet seinen Niederschlag in dem zeitlichen und räumlichen Nebeneinander integrierender und (bruchhaft) trennender, eben fragmentierender Prozesse. Als Ausdruck dafür stehen z. B. Phänomene wie die Entgrenzung der Staatenwelt, Retribalisierung oder Ethnoprotektionismus. Entwicklungspolitisch relevant sind in diesem Zusammenhang insbesondere die sich verschärfenden sozialen und regionalen Gegensätze, lokale Standortschwäche und exzessive Standortfluktuation. Dazu gehören ebenso temporäre wie permanente Arbeitslosigkeit, unentrinnbare Ausgrenzung (Exklusion), Marginalisierung, Verelendung, lokale und globale Massenarmut und Massenmigration, Flucht oder unsicherheits- oder aggressionsbedingte Verharrung.

Sie schlagen sich aber auch nieder in (extremem) individuellem oder lokalem bzw. regionalem Reichtum, in ökonomischer Partizipation, in bewusster Ausgrenzung (Inklusion) oder in Standortzugewinn und sozialem Aufstieg.“ (Menzel 1998; Scholz 2002)

Scholz betont die Gleichzeitigkeit sich entgegengesetzter Prozesse sowie ihre globale Präsenz, sowohl auf der Nord-, als auch auf der Südhalbkugel.

II. Definition Fragmentierung:

Fragmentierung ist das konkret fassbare oder virtuell begreifbare räumliche Ergebnis eines durch Globalisierung ausgelösten, weltweit realen sozio- ökonomischen Differenzierungsprozesses. Als ein die Lebensrealität der „Zweiten Moderne“ in ihrer räumlichen Dimension bestimmendes „neues“ Phänomen stellt sie zuerst einmal eine originäre Herausforderung für die geographische Forschung dar. Ihre Ergebnisse bilden die notwendige Grundlage zum einen für das gesellschaftliche Verständnis der differenzierten Fragmentierungsprozesse und zum anderen für die Planung und Steuerung der daraus resultierenden negativen wie positiven Effekte. (Scholz 2002:121)

Altvater und Mahnkopf betonen, dass „trotz Globalisierung und Weltmarktdynamik soziale und ökonomische Entwicklungsprozesse räumlich separiert und zeitlich asynchron, also ungleichmässig und ungleichzeitig ablaufen. Dies bedeutet freilich keineswegs, dass die Entwicklungsprozesse nicht interdependent sind, dass sie sich wechselseitig beeinflussen, ja blockieren können.“

„Also muss nun von der Gleichzeitigkeit von Ordnung (Kohärenz) und Unordnung (Inkohärenz) oder von globaler Vereinheitlichung und gleichzeitiger regionaler Fragmentierung bzw. Fraktionierung die Rede sein (Altvater; Mahnkopf 1999: 125f.; 145f.)

II. 1. Peripherie und Fragmentierung:

Basierend auf dem Wallerstein’schen „Zentrum-Peripherie-Modell“, ist die Entwicklung in der Peripherie immer eine vom Zentrum beeinflusste, eventuell sogar gesteuerte und abhängige. Der Begriff Peripherie bezeichnet dabei „eine räumliche und soziale Hierarchisierung, da die verschiedenen Räume und Gesellschaften niemals gleichzeitig und gleichförmig in das Weltsystem integriert wurden. Die ständig neue Produktion von in Raum und Zeit ungleicher Entwicklung ist ebenso Voraussetzung der globalen Akkumulation wie die soziale Fragmentierung von Gesellschaften.“ (Parnreiter; Novy; Fischer 1999: 12)

II. 2. Theorien in fragmentierter Welt

Altvater und Mahnkopf (1999) bemerken, dass bei der derzeitig vorherrschenden Globalisierungsdebatte bezüglich des kapitalistischen Marktsystems von zwei Thesen ausgegangen wird, die sich so nicht ohne Weiteres aus der Theorie in die Praxis übertragen lassen. Es handelt sich dabei einerseits darum, dass oftmals vergessen wird, dass sich eine grenzenlos entfesselte Marktwirtschaft unter den heute gegebenen Bedingungen und Auswirkungen, nicht mit den ökologischen Grenzen unseres Planeten in Einklang bringen lassen. „Die Möglichkeit der Modernisierung und Industrialisierung hängt also vom Niveau von Ressourcenverbrauch und –belastung bei begrenzter globaler Tragfähigkeit des Planeten Erde ab.“ (Altvater; Mahnkopf 1999:125) Andererseits wird dem Faktum nicht Rechnung getragen, dass eine Entwicklungsdynamik auch immer mit zyklischen und strukturellen Krisen einhergeht. „Im Verlauf von Krisen zerbricht immer wieder das einheitliche Modell: es zerfällt in Fragmente und Fraktionen.“ (ebd.) Fragmentierung und Homogenisierung stellen somit die beiden Seiten einer Medaille dar, welche durch die momentane globale Dynamik ausgelöst werden, welche Narr/ Schubert (1994) als „globale Ungleichheitsproduktion“ bezeichnen. Universalisierung und Partikularisierung „have become tied together as part of a globewide nexus.” (Robertson 1992: 102)

II. 3. Sunkels „Modell der nationalen Desintegration“

In seinem Modell der nationalen Desintegration geht Sunkel davon aus, dass jedes Land, ungeachtet seines Entwicklungsstandes, einen „gewissen Grad an Heterogenität hinsichtlich Entwicklung, Modernisierung, Fortschritt und Höhe des Einkommens“ besitzt. Folglich gibt es in allen Ländern verschiedene Sektoren, welche auf nationaler bzw. internationaler Ebene integriert oder eben nicht, beziehungsweise internationalisiert oder nicht sind.

II.4. Die „Theorie der fragmentierenden Entwicklung“ von Fred Scholz

„Im Zeitalter von Globalisierung, d. h. von Liberalisierung, Deregulierung, Privatisierung, entgrenzter Märkte und exzessivem Wettbewerb – eben dem Kredo der „Zweiten Moderne“-, […] muss […] von einer durch Wettbewerb bestimmten, höchst gegensätzlich verlaufenden „fragmentierenden Entwicklung“ ausgegangen werden . (Scholz, F. 2002b: 7)

Laut Scholz gründet die „Wirklichkeit der Zweiten Moderne“ auf dem Modell globaler Fragmentierung und erstreckt sich virtuell wie materiell auf allen sozialen, ökonomischen und räumlichen Ebenen. Schaltzentralen der Globalisierung sind die sogenannten Acting Global Cities, welche Scholz als „Inseln des Reichtums“ bezeichnet. Ihnen funktional hierarchisch untergeordnet sind die virtuell mit ihnen verbundenen Affected/ Exposed Global Cities.

- Legende zum Modell globaler Fragmentierung:

1) Global Players (transnational agierende Konzerne und Institutionen)
2) Hightech- Produktions- und Forschungs-Innovationszentren (Orte/Zonen innovativer Milieus und Netzwerke)
3) Fordistische Industriezonen für Güter höchster Qualität, die z. Z. noch produktionsüberlegen sind
4) Affected/ Exposed Global Cities („Hinterhöfe der Metropolen“)
Bsp.: regionale, wissensbasierte Cluster; Zonen des offshore- banking; Steuerparadiese
5) Freie Produktionszonen der Auslagerungsindustrie
6) Zonen der Billiglohn- und Massenkonsumgüterproduktion
7) Zonen agrarer Rohstoffextraktion und der Erzeugung qualitativ hochwertiger Nahrungsmittel
8) Zonen des global funktionalisierten informellen Sektors und der Kinderarbeit
9) Zonen des Freizeit- und Tourismusgewerbes

Von dieser Fragmentierung besonders betroffen sind die Affected/ Exposed Global Cities, da sie noch stärker als die Acting Global Cities der latenten Gefahr des Abstiegs in die marginalisierte Restwelt ausgesetzt sind. Allerdings betrifft die Fragmentierung, genauso wie die Globalisierung, sie nicht integral, sondern nur teilweise, es handelt sich dabei um die „global integrierten Stadtfragmente“. Denn genau wie auf der Markroebene, kann das Modell globaler Fragmentierung auch auf das Mikrosystem „Stadt“ angewandt werden. Ungleichzeitige und uneinheitliche Prozesse, sowie die immer engräumigere Produktion sozialer und ökonomischer Disparitäten, lassen sich auch bei der zunehmend fragmentierenden Entwicklung der Metropolen auf allen Kontinenten der Erde beobachten. Von diesen Affected/ Exposed Cities bruchhaft gesondert, eben fragmentiert, befindet sich die „ausgegrenzte Restwelt“, auch als New Periphery oder von Scholz als „Meer der Armut“ bezeichnet. Die New Periphery ist in sich durch Ethnoregionalismen, Fundamentalismen, Retribalisierung und Kryptonationalismen bruchhaft und widersprüchlich vielfältig fragmentiert. Sie charakterisiert sich durch alle Merkmale, die mit dem Begriff der „Dritten Welt“ konnotiert werden. Dazu kommen jedoch noch Ausgrenzung und Abkopplung. Diese abgekoppelte Restwelt, vom Münchner Soziologen Ulrich Beck (1997) als „Neuer Süden“ tituliert, ist laut Scholz dreifach überflüssig („population redundant“ [Ricardo]): Als Arbeitskraft wird sie nicht benötigt, als Konsument ist sie unerheblich und als Produzent uninteressant, da ihre Erzeugnisse nicht gebraucht werden. (Scholz 2002a: 122f.)

Die „Theorie der fragmentierenden Entwicklung“ von Scholz geht nicht wie Sunkels „Modell der nationalen Desintegration“ von den Nationalstaaten als Handlungsträgern aus, sondern beruht auf dem Primat der Wirtschaft.

Unter anderen Faktoren, welche später noch genauer erläutert werden sollen, führt Scholz folgende Belege für seine Theorie ins Feld:

- Seit 1997 verzeichneten 41 der armen Länder überhaupt kein Wachstum mehr. (Global Development Finance 2000)

- Die Entwicklungshilfe der OECD- Länder, auf 0, 7 % des BSP festgelegt, wird von den meisten Ländern nicht konsequent verfolgt, die tatsächlichen Raten haben sich in einem Bereich zwischen 0, 2 und

0, 3 % eingependelt.

- Die staatlichen Mittel für karitative Zwecke stagnieren oder sind rückläufig. Zwischen 1994 und 1999 wurden sie in Deutschland um 30, 8 % reduziert.

- 1, 5 mia. Menschen, die unterhalb der absoluten Armutsgrenze leben und 3, 5 mia. Menschen (= 58 % der Weltbevölkerung), denen 1999 statistisch gesehen 2 US$ pro Tag zur Verfügung standen. (WDI 1999)

III. Die Global City als„ Neuer Typus von Zentralraum“

Laut der amerikanischen Wirtschaftsgeographin Saskia Sassen (1991 u. 1995) bringt Globalisierung seit den letzten zwanzig bis dreißig Jahren eine neue „ Ballungslogik “ und eine neue Dynamik des Raumes im Spannungsfeld zwischen Streuung und Zentralisation hervor. Sassen führt dies auf den gesteigerten Bedarf der Weltwirtschaft an Kontroll- und Steuerungsfunktionen zurück, welcher die Einbindung von Global Cities in eine gemeinsame Struktur unumgänglich macht.

The global economy is not a planetary event, globalization is not an oil slick that just spreads. There is a specific geography; the global materializes in places.” (Sassen, S. 1991)

“Über natürliche Standortfaktoren hinaus gewinnt die produzierbare Faktorausstattung wie technologische Infrastruktur, Humankapital, niedrige Arbeitskosten und Steuern, wirtschaftsfreundliche Gesetze usw. an Bedeutung. Wettbewerbsfähigkeit wird konkret vor Ort hergestellt, unter Einbeziehung aller lokaler Ressourcen und in Unterwerfung der lokalen Gegebenheiten unter die Zwänge des Weltmarktes. […] Die eigentliche Kraft der Globalisierung besteht daher in der Glokalisierung.“ (Parnreiter/ Novy/ Fischer 1999: 22)

Sassen zufolge entsteht ein „ neuer Typus von Zentralraum “, der von den Leitungsfunktionen und Arbeitsweisen globaler Kontroll- und Managementorgane bestimmt wird. Folgt man ihrer These weiter, so besteht ein direkter Zusammenhang zwischen dem Wachstum der Weltwirtschaft und der Ansammlung zentraler Funktionen innerhalb der Global Cities.

[...]

Excerpt out of 53 pages

Details

Title
Globalisierung versus Fragmentierung - Die "Theorie der fragmentierenden Entwicklung" von Fred Scholz
College
University of Freiburg
Grade
1,3
Authors
Year
2003
Pages
53
Catalog Number
V91605
ISBN (eBook)
9783638051781
ISBN (Book)
9783640633555
File size
685 KB
Language
German
Keywords
Globalisierung, Fragmentierung, Theorie, Entwicklung, Fred, Scholz
Quote paper
Jamil Claude (Author)Patricia Hagendorn (Author), 2003, Globalisierung versus Fragmentierung - Die "Theorie der fragmentierenden Entwicklung" von Fred Scholz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91605

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