Die Außenpolitik Chinas mit Russland im Zeitalter der neuen Weltordnung

Unter besonderer Berücksichtigung der Russisch-Chinesischen strategischen Partnerschaft


Trabajo, 2007

41 Páginas, Calificación: 1,6


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1 Hinführung zum Thema und Intention
1.1 Weltordnungspolitische Ziele der russischen Außenpolitik
1.2 Chinas „Grand Strategy“ und US-amerikanische „Einkreisungspolitik“

2 Die chinesisch-russische strategische Partnerschaft
2.1 Zum Begriff der „Strategischen Partnerschaft“ in der Internationalen Politik
2.2 Schritte zur chinesisch-russischen strategischen Partnerschaft
2.2.1 Normalisierung der chinesisch-russischen Beziehungen Mitte der 1980er Jahre
2.2.2 Von der konstruktiven 1994 zur strategischen Partnerschaft 1996

3 Vertragselemente der chinesisch-russischen strategischen Partnerschaft von 1996
3.1 Übervertragliche Charakteristika
3.2 Inhalte des Abkommens der Strategischen Partnerschaft von 1996
3.3 Intensivierung der chinesisch-russischen Beziehung unter Putin: Die Renaissance des chinesisch- russischen Freundschaftsvertrag 2001

4 Chinesisch-russische Beziehungen - eine vielschichtige Zusammenarbeit
4.1 Zusammenarbeit im sicherheitspolitischen Bereich
4.1.1 Grenzverhandlungen und Abrüstungsgespräche
4.1.2 Shanghai-Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) und Terroristenbekämpfung:
4.1.3 SOZ und die Eindämmung von US-amerikanischen Einfluss
4.2 Zusammenarbeit im wirtschaftlicher Bereich
4.2.1 Außenhandel und Export: Chinas Great Strategy
4.2.2 Der Chinesische Energiehunger und chinesisch-russische Energieallianzen
4.2.3 Chinas Interessen an Russland: Nuklearer Sektor, Luft- und Weltraumforschung/ Flugwesen
4.3 Zusammenarbeit im militärischen Bereich

5 Abschlussdiskussion: Stabilisierende und destabilisierenden Faktoren der chinesisch-russischen Beziehungen

6 Literatur

1 Hinführung zum Thema und Intention

Die chinesisch-russischen, bilateralen Beziehungen verfügen über eine lange Tradition, die von geographischen, als auch von historischen Gegebenheiten stark beeinflusst wurde. Bereits 1716 legte Zar Peter der Gro ß e mit seiner Reise nach Peking die Basis politischen, ökonomischen, wissenschaftlichen und kulturellen Austausch der heutigen Volksrepublik China und der Russischen Föderation.1 Trotzdem ist es verwunderlich, dass sich so nah beieinander gelegene Länder kulturell so unterschiedlich entwickeln konnten. Das gegenseitige Ignorieren, dass vor allem nach dem großen Bruch in den frühen 1960er Jahren zwischen den beiden Nachbarstaaten ihren Höhepunkt erreichte, scheint ein für alle mal Vergangenheit. Die chinesisch-russische Beziehung ist heute von genauso vielen politischen und wirtschaftlichen Konsensfaktoren geprägt, wie sie vorher von Dissensen geprägt war. VOITENKO verkündet bei der Jahressitzung der NATO Parlamentsversammlung 2005:

… Russian-Chinese relations have never seen a friendlier period than today. The Russian-Chinese Treaty of Friendship, Good-Neighbourliness and Co-operation has laid the foundations fort he promotion of strategic partnership, good will and friendship between our people.2

Von einer „strategischen Partnerschaft“ ist die Rede, von einer „russisch-chinesischen Hochzeit“ oder einer „Erfolgsgeschichte der bilateralen Beziehungen ohne Beispiel“. Hinzu kommt die internationale Bedeutung dieses Phänomens. Handelt es sich mit Russland und China um Regionen, die einst die Weltmacht besaßen, so verfügen heute beide über überstaatliche Einflussmöglichkeiten durch ihr Ressourcenvorkommnisse (Erdgas, Bevölkerung), welche international immer mehr an Bedeutung gewinnen. Überdies sind beide Staaten auf dem besten Wege, hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Entwicklung gegenüber den „alten Industriestaaten“ aufzuholen; nicht ohne Folgen für die Umwelt. Was die Einbindung ins internationale politische Geschehen betrifft, so haben beide Länder mit ihrem ständigen Sitz im UN-Sicherheitsrat zusätzlich erhebliche Einflussnahme im Weltgeschehen. China hat zudem seit 2001 die volle Mitgliedschaft in der WTO inne, Russland hat noch Beobachterstatus, ist jedoch den G8 zugehörig.

Die Annäherung Chinas an Russland mit dem Zerfall der SU und dem Beginn einer neuen Weltordnung in den 1990er Jahren kann man grob in drei zeitlichen Perioden einteilen, die durch drei bedeutende Vertragsabschlüsse gekennzeichnet sind: Die Normalisierung der Beziehungen nach dem großen Bruch, die in die Etablierung einer konstruktiven Partnerschaft 1992 und 1996 in die Festlegung einer strategischen Partnerschaft 1996 mündet und 2001 durch den chinesischrussischen Freundschaftsvertrag von Putin erneut bestätigt und intensiviert wird.

Ziel dieser Arbeit ist die Darstellung der chinesisch-russischen Beziehungen seit dem Zusammensturz der Sowjet Union 1991. Zum besseren Verständnis wird zu Beginn der Arbeit in Kap. 1.1 auf die in der Literatur diskutierten weltordnungspolitischen Ziele Chinas und Russlands eingegangen. Im Kontext der chinesisch-russischen Beziehungen ist der Begriff der strategischen Partnerschaft von Bedeutung. Dieser wird in Kap. 2 allgemein und speziell im Zusammenhang dieser Arbeit erläutert. Ein wenig verwirrend ist nämlich die Tatsache, dass innerhalb der Literatur die chinesisch-russischen Beziehungen seit den 1990er an sich schon als strategische Partnerschaft beschrieben werden, die sich aus mehreren Abkommen und Verträgen zusammensetzen; darunter auch der Vertrag der strategischen Partnerschaft selbst .. Mit der Erläuterung der chinesisch- russischen Beziehungen im Hauptteil (s. Kap. 3 und Kap. 4) werden die jeweiligen außenpolitischen Ziele und Konzepte angesprochen, die die politischen Entscheidungen der beiden Staaten begründen. Wichtig dabei ist die Einbindung der Beziehung in die internationale Konstellation, wo besonders die USA eine entscheidende Rolle spielt. Abschließend wird in Kap.5 auf die Stabilität der chinesisch-russischen Beziehung eingegangen.

1.1 Weltordnungspolitische Ziele der russischen Außenpolitik

Russland hat nach GUMPEL auf der internationalen Ebene ein bestimmendes Ziel vor Augen, und das ist die Rückgewinnung seiner einstigen weltweiten Einflussnahme.3 Obwohl ein kleiner Teil des russischen politischen Lagers für eine europäische Orientierung plädiert, sprechen Analytiker von dem Ziel des Kremls, eine multipolare Weltordnung zu schaffen in dem Sinne, das Russland eine unabhängige Rolle innerhalb der Weltordnung erreichen solle. Russland will nach GÖTZ deswegen Handlungsfreiheit in allen Richtungen erreichen, und in globalen Vertragssystemen wie der UNO, den G8, der OECD und (demnächst) in der WTO mit den anderen Staaten auf gleicher Augenhöhe agieren.4

Unter der russischen politischen Klasse ist man „sich längst nicht darüber einig, ob Russlands Strategie einen Umweg gehen soll, um irgendwann in das westliche Lager einzumünden, oder ob Russland - wie die Eurasier meinen - auf ein besonderes Modell von Staat und Gesellschaft sowie Beziehungen zu anderen asiatischen Ländern zusteuern solle“.5 Die „Eurasienstrategie“ ist in den 1990er Jahren vom ehemaligen Sicherheitsberater Zbigniew Brzezinski formuliert worden und bedeutet für Russland nichts anderes, als die Kontrolle der ehemaligen SU über die bestehenden Satellitenstaaten wieder an sich zu reißen; dem Verbund mit China (und Indien) kommt dabei eine wichtige Rolle zu.6 Zusammenfassend kann also konstatiert werden, dass Russland seine alte Position innerhalb der internationalen Staatengemeinschaft wieder erlangen möchte. Mit einem derzeitigen Wirtschaftswachstum von sieben Prozent, dem Unmengen an Rohstoffvorkommen (Erdgas) und durch die Größe seines Landes ist Russland auf dem besten Weg dazu. Die Annäherung an den Westen (wirtschaftlich, militärisch), so die Meinung der Autorin, dient nur als „Mittel zum Zweck“.7

1.2 Chinas „Grand Strategy“ und US-amerikanische „Einkreisungspolitik“ FRIEDBERG formuliert folgende Kernprinzipien der chinesischen Außenpolitik:

- Konfliktvermeidung
- Aufbau einer umfassenden nationalen Macht
- Fortschritt in kleinen Schritten
- Stabilitätserhaltung
- Verteidigung der Souveränität
- Gleichwertigkeit
- Erlangen einer Vormachtstellung

Die Frage danach, ob China nach regionaler oder gar globaler Macht strebt, stellen sich die

Theoretiker der Internationalen Politik. Der chinesische Staatspräsident Hu Jintao beteuert das „Prinzip der Friedlichen Koexistenz“ und die friedlichen Absichten Chinas. Unter den Realisten, allen voran Samuel Huntington, vertritt man hingegen die These, dass die verkündete Strategie nur eine Verschleierung des seit je her bestehenden Prinzip des Machtbestrebens Chinas sei. Ein Anzeichen dafür sei Chinas Rüstungspolitik, die in den letzten Jahren erhebliche internationale Aufmerksamkeit aufgrund Chinas gigantischen Anstieg von Militär- bzw. Verteidigungsausgaben erfahren hat (s. Kap. 4.3).8 Die Liberalisten und vor allem China selbst weisen die Anklage militärischer, machtpolitischer Bestrebungen zurück. Dabei weisen sie auf die Notwendigkeit Chinas hin, nach zu rüsten um die historisch bedingte militärische Rückständigkeit im Vergleich zu anderen Staaten zu überwinden.9 China sei immer noch ein „militärischem Zwerg“.10 Mit der (international unüblichen) Ausweisung der Rüstungsausgaben nicht Anteilig am B.I.P., sondern pro Kopf wird die chinesische Rüstungsfreudigkeit allerdings gekonnt verschleiert. Auf der anderen Seite sind hochgerüstete Staaten schon lange kein Zeichen mehr für deren internationale Bedeutung. Je mehr Ressourcen vom militärischen Sektor aufgezehrt werden, desto weniger bleibt für Wachstumssektoren über. Die „China-Liberalisten“ könnten demnach argumentieren, das wirtschaftlich aufstrebende China sei nur gezwungen worden, Geldressourcen in den wenig gewinnbringenden Militärsektor zu stecken. Abb. 1 zeigt die Stationierung US- amerikanischer Truppen weltweit, darunter im zentralasiatischen Raum. Dort hat sie besonders seit dem 11. September 2001 stark zugenommen. Chinas erlebtes „Einkreisungstrauma“ ist also nachvollziehbar. Die USA durch Chinas Aufrüstungsbestreben gleichzeitig die Volksrepublik als „rüstungseifrig“ anklagen und seinem internationalen Image schaden, was wiederum die Auslandsinvestitionen beeinträchtigt. Gleichwohl betont Art. 7 des chinesisch-russischen Freundschaftsvertrags, dass die militärischen Anstrengungen keineswegs gegen Dritte gerichtet sind (s. Kap. 4.3). Chinas militärische Investitionen, so auch das Prinzip der Friedlichen Koexistenz, sind demnach rein defensiver Natur.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten11

Die Realisten konstatieren zudem ein wirtschaftliches offensives Machtbestreben Chinas. In der neuen Weltordnung, wie sie seit dem Fall des bipolaren Systems existiert, bestehen schon längst andere Mittel, Länder gefügig zu machen, als die Drohung mit rohen Gewaltanschlägen. Auch China weiß das. Eine Einnahme Taiwans mit militärischer Gewalt wäre für China nicht unmöglich. Die USA würden sich wahrscheinlich vor einer militärischen Intervention in China hüten, da zu viele wirtschaftliche Faktoren als auch die Beziehung zu Russland auf dem Spiel stehen würden. Hinzu kommt, dass die USA bereits genügend durch ihre Nahost-Kriege geschwächt ist. Taiwan in ihr Großreich mit „wirtschaftlicher List“ wieder einzugliedern, ist für China nur noch eine Frage der Zeit. Zudem ist die „Gier“ Chinas nach technischem Wissen und Wirtschaftswachstum, um all das Versäumte nachzuholen unübersehbar und ein weiterer Beweis dafür, dass China als Reich der Mitte weltweit „wieder da hin möchte, wo es bereits als altes Kaiserreich stand“.12 Für die USA hat China trotz wirtschaftlicher und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Terrorismusbekämpfung mit den USA noch lange nicht „..sein `Hauptziel` aufgegeben (…), zur asiatischen Großmacht zu werden und die Vorherrschaft der USA in der Region herauszufordern“.13

2 Die chinesisch-russische strategische Partnerschaft

2.1 Zum Begriff der „Strategischen Partnerschaft“ in der Internationalen Politik

Zunächst ist eine linguistische Herangehensweise notwendig, um die Bedeutung einer Strategischen Partnerschaft innerhalb der Politik zu erläutern: Der Begriff Strategie ist aus dem Griechisch- Lateinischen entlehnt und bedeutet nach WERMKE einen „genauen Plan (…) ein militärisches, politisches, psychologisches o. ä. Ziel zu erreichen, u. in dem man diejenigen Faktoren, die in die eigene Aktion hineinspielen könnten, von vornherein einzukalkulieren versucht“.14 SCHUBERT & KLEIN definieren Strategie als die „Entwicklung und Durchführung einer Gesamtkonzeption, die auf ein langfristig angestrebtes (Gesamt-)Ziel gerichtet ist“.15 Ursprünglich, so SCHUBERT & KLEIN weiter, verwendete man den Begriff innerhalb der Politik ausschließlich im militärischen Zusammenhang. In der klassischen internationalen Politik wird oftmals Clausewitz zur Definition herangezogen, der eine strategische Handlung als eine beschreibt, in welcher die Anwendung von Gewalt zur Durchsetzung politischer Ziele innerhalb eines aktiven, bewaffneten Konflikts dient16 (z.B. „Strategic Arms Reduction Talks“ zwischen den USA und der ehem. UdSSR). Erst später, mit dem Einzug einer „Wohlfahrtsära“, erlangte der Begriff eine umfassendere Bedeutung in anderen Politikbereichen und erhielt Anwendung in Bereichen der Diplomatie, Wirtschaft, Industrie, Propaganda, etc.. Zudem waren es nicht zuletzt auch die bitteren Erfahrung während der beiden Weltkriege, die uns lernen ließen, dass strategisches Handeln zur Gewinnung von Frieden notwendig ist.17 Innerhalb der Literatur im Bereich der Internationalen Politik wird also der Begriff der s trategischen Partnerschaft nicht immer eindeutig abgegrenzt. ANDERSON erwähnt den Begriff „Strategische Allianz“ zunächst im rein militärischen Zusammenhang und übersetzt diese mit „Zusammenarbeit im sicherheitspolitischen Bereich“18 ; später verwendet sie den Begriff strategisch im weit gefassten Sinne welcher Ökonomie oder kulturellen Austausch, etc. mit einschließt. Der Begriff Partner stammt aus dem lateinisch-französischen Kulturraum und wird allgemein umschrieben als jemand, „der mit anderen etwas gemeinsam [zu einem bestimmten Zweck] unternimmt [und] sich mit anderen zusammentut (…)“ oder kurz als „Teilhaber“ bezeichnet.19

Was bedeutet nun eine Strategische Partnerschaft innerhalb der internationalen Beziehungen? Strategische Partnerschaften bestehen nicht nur auf bilateraler Ebene, sondern auch zwischen Staatengebilde. So hat z.B. China 2003 mit den ASEAN-Staaten eine strategische Partnerschaft unterzeichnet. Probleme bei der Abschließung des Vertrages ergeben sich in der unterschiedlichen Auffassung des Wortes „Partnerschaft“. GÖTZ spricht in seiner Arbeit das Problem interkultureller Missverständnisse an. Russland verstehe unter einer Strategischen Partnerschaft eine reine Interessenallianz, die eine Kooperationsallianz nur auf bestimmte Interessenfelder zur Folge hat.20 Dies zeige sich allein schon darin, dass Russlands Länderliste, mit denen der Kreml Strategische Partnerschaften eingegangen ist, eine lange ist; darunter übrigens auch Deutschland. Auch China sieht in einem Vertrag zu einer strategischen Partnerschaft eine rein pragmatische Übereinkunft, die sich auf zwei außenpolitische Prinzipien Chinas stützt: Im Gegensatz zu Militärbündnisse oder ähnlichen bi- oder multilateralen Allianzen verbieten strategische Partnerschaften aus der Sicht Chinas Zusammenschlüsse gegenüber Drittstaaten sowie Intervention in innerstaatliche Angelegenheiten.21 Bei anderen Staaten bzw. Staatenzusammenschlüsse, wie es z.B. bei der EU der Fall ist, impliziert der Begriff „Partnerschaft“ hingegen eine gemeinsame Wertebasis, welche die Russen wiederum mit dem Begriff der „Freundschaft“ bezeichnet.22

Möge diese Unterscheidung ein Motiv unter mehreren dafür sein, warum die Russische Förderation neben dem Vertragswerk der strategischen Partnerschaft mit China von 1996 einen zusätzlichen Freundschaftsvertrag („Good- neighborly treaty of friendship and cooperation“) 2001 abschloss,23 um somit die Besonderheit der chinesisch-russischen Beziehungen gegenüber allen anderen bilateralen Abkommen hervorzuheben, oder nicht. Beide Verträge gaben jedenfalls den Anstoß für eine Renaissance der chinesisch-russischen Beziehungen seit dem großen Bruch in den 1950er Jahre der besonderen Art. Bezeichnend für das bilaterale Verhältnis ist dessen bis heute andauernde kontinuierliche Intensivierung von Zusammenarbeit und Kooperationen auf mehreren Ebenen; ROZMAN spricht sogar von einer „All- around- partnership“24. Aber nicht nur quantitativ, sondern auch qualitativ beschreibt die bilaterale Entwicklung hin zu einer chinesisch-russischen Strategischen Partnerschaft eine Relation, die sich jenseits einer bloßen Normalisierung befindet.25

In vielen Fällen wird innerhalb der Literatur generell die chinesisch-russische Beziehung als Strategische Partnerschaft umschrieben, die auch nachfolgende Verträge mit einschließt. Die Westliche Welt betrachtet die chinesisch-russische strategische Partnerschaft mit Ambivalenz, und meint damit grundsätzlich die Periode der chinesisch-russischen Annäherung bis heute. Im April 2001 wurde z.B. in den USA eine Studie aufgegeben, die die Strategische Partnerschaft zwischen Russland und China auf ihre Bedrohung hin für die USA untersuchen sollten. Die Studie behandelt also nicht nur ausschließlich die Vertragselemente der beschlossenen Partnerschaft von 1996 welche explizit mit Strategischer Partnerschaft betitelt werden, sondern auch spätere Abkommen, die die Beziehungen intensivierten wie etwa der bereits erwähnte Freundschaftsvertrag oder die Shanghai Cooperation Organisation (SCO) , eine weitere Institution die auf der Strategischen Partnerschaft heraus geboren wurde.26 Der Grund für eine solche fehlende Abgrenzung liegt darin, dass sich die späteren Abkommen nicht sehr von dem Vertrag von 1996 unterscheiden. Vielmehr stellen sie eine Bestätigung, Unterstreichung und Intensivierung der bereits getroffenen Vereinbarungen dar, die die Kontinuität der Vereinbarungen trotz eines (russischen) Regierungswechsels garantieren sollen.27

Zur Darstellung der Entwicklung der chinesisch-russischen Beziehung wird in dieser Arbeit auf die abgeschlossenen Verträge bzw. dessen Umsetzung zurückgegriffen. Der Fokus wird dabei auf den Vertrag der strategischen Partnerschaft und dem Freundschaftsvertrag gelegt, welcher in der Literatur, wie gezeigt wurde, quasi als eine Fortsetzung der strategischen Partnerschaft angesehen wird.

2.2 Schritte zur chinesisch-russischen strategischen Partnerschaft

2.2.1 Normalisierung der chinesisch-russischen Beziehungen Mitte der 1980er Jahre

Den ersten Schritt zur Wiederannäherung Russlands an China nach dem sino-sowjetischen Bruch in den frühen 1960er Jahre vollzog Leonid Breschnew, der in einer Rede 1982 China zur Aufnahme eines „breiten Beziehungsspektrums“ und Grenzverhandlungen mit der SU aufforderte.28 Getrieben wurde seine Aufforderung an China von der zunehmenden schlechten wirtschaftlichen Lage innerhalb der SU. Sie führte Kriege, die nicht zu gewinnen waren.29 Zusätzlich zwang vor allem Reagens (1981 - 1989) Politik der Stärke die SU zur Aufrüstung. Die UdSSR leidete unter einem starken Einkreisungstrauma als es erkannte, dass sich China in den 1970er Jahren immer mehr an die USA annäherte, um einen antisowjetischen Kurs zu fahren. Die Grenzkonflikte mit China beschrieben damals die chinesisch-sowjetischen Beziehungen, im „Ussuri -Grenzkonflikt“ von 1969 wurde eine Eskalation nur knapp verhindert. Die marode wirtschaftliche Lage der damaligen SU forderte eine Beilegung der chinesisch-russischen Konflikte.

Gorbatschow legte mit seiner kompromissbereiten Haltung Mitte der 1980er Jahre als erster Grundsteine für den Abbau Chinas Misstrauen gegenüber der SU: Er verkündete 1986 den Rückzug sowjetischer Truppen aus der sino-sowjetischen Grenzregion, Afghanistan und afrikanischen Gebieten und veranlasste Vietnam, die Offensive gegen Kambodscha endlich einzustellen. Zudem schlug er eine Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Asien vor, an der sich alle betroffenen Staaten der Region beteiligen sollten.30 Gorbatschows Perestroika und Neuorientierung in der Außenpolitik stimmte China zwar kooperationsbereiter,31 allerdings erkannte China auch, das Gorbatschows Ziel primär westlich orientiert war; nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen: Sein Bemühen um eine Imageverbesserung war vor allem von den Vorstellungen geleitet, Russland intensiver in die vom Westen geleitete Weltökonomie einzubinden.32

China stand der „Normalisierungspolitik“ Gorbatschow zunächst misstrauisch gegenüber; erklärte der stellvertretende Premierminister Le Xiannian doch noch 1976 die Sowjetunion „zum gefährlichsten potenziellen Herd eines künftigen Weltkrieges“.33 Dementsprechend schwierig waren die Anfänge der sino-sowjetischen Beziehungen Mitte der 1980er Jahre. Bis 1983 gab es nur einen einzigen sino-sowjetischen Grenzübergang, striktes Kontrollieren bilateraler Kontakte sowie fehlende Post- oder Telefonkonnektion beschrieben bis dato den Normalzustand.34 Von einer Partnerschaft im Sinne einer Zusammenarbeit in verschiedenen Politikbereichen war also noch lange nicht die Rede. China zeigte sich jedoch sowohl aus wirtschaftlichen als auch aus sicherheitspolitischen Aspekten kooperativ, zumal der chinesisch-sowjetische Grenzkonflikt wirtschaftlich kaum mehr haltbar war und die Konzentration auf den inneren wirtschaftlichen Wiederaufbau hemmte.

Nicht unwichtig sind in diesem Zusammenhang die in dieser Zeit formulierten Prinzipien der chinesischen Außenpolitik, die letztendlich eine Öffnung bewirkten. OPITZ spricht von einer „Neuen Wende der chinesischen Außenpolitik“, die 4. Phase der chinesischen Außenpolitik, welche geprägt war von „…Prinzipien der Unabhängigkeit, Selbstständigkeit und gleichzeitige Freundschaft zu anderen Völkern“.35 Letzteres drückt sich aus in der von Deng Xiaoping Ende der 1980er Jahre verkündeten „Friedlichen Koexistenz“, mit welcher stillschweigend die Aufgabe von in Maos Zeiten formulierten „Theorie der Zwischenzonen“ bzw. der daraus abgeleiteten „Drei-Welten-Theorie“ einherging. Das Prinzip der Friedlichen Koexistenz wurde bereits 1954 vertraglich auf der Konferenz von Bandung zusammen mit Indien ausformuliert.36 Neu an Dengs Formulierung war die gleichberechtigte Anerkennung aller Staaten; die „imperialistische Mächte“ wurden nicht ausgeschlossen.37 Ansonsten basierten die außenpolitischen Prinzipien der friedlichen Koexistenz auf den Vertragselementen von Bandung: Sie setzten territorialen Integrität und Souveränität, Aggressionsverzicht, Einmischungsverzicht, Gleichheit und gegenseitigen Nutzen“ im bilateralen Umgang voraus.38

Ein aus der 4. Phase der chinesischen Außenpolitik weiterer abgeleiteter Grund für Chinas Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen mit der SU war die Rückbesinnung auf Selbstständigkeitsbestrebung. Die zuvor einseitige Annäherung an den USA in den 1970er Jahre entpuppte sich unter den US-Präsidenten Gerald Ford (1974 - 1977) als anfängliche Enttäuschung:

[...]


1 Vgl. VOITENKO, V. 2004: 174 EXC 05 E - Russian-Chinese Trade and economic Cooperation: Current Situation, problems and prospects. Report of Annual Session NATO Parliamentary Assambly 174 ESC 05 E. Online im Internet. URL: www.nato-pa.int.

2 Vgl. VOITENKO, V. 2004: a.a.O.

3 Vgl. GUMPEL, W. 2006: Kampf der USA und Russland um Einflusssphären? In: Genossenschaft Zeitfragen (Hrsg.): Zeitfragen. Wochenzeitung für freie Meinungsbildung, Ethik und Verantwortung für die Bekräftigung und Einhaltung des Völkerrechts, der Menschenrechte und des humanitären Völkerrechts, Nr. 38 vom 18.09.2006. Online im Internet. URL: www.zei-tragen.ch.

4 Vgl. GÖTZE a.a.o., S. 22

5 Ebd., S. 19.

6 Vgl. KNEISSL, K. 2006: Die Politik der Pipelines. In: Bundesministerium für Landesverteidigung (Hrsg.): Östereichische Militärische Zeitung, 03/2006. Online im Internet. URL: www.bmlv.gov.at.

7 Vgl. FRIEDBERG, A. 2006: “Going.Out”:.China’s.Pursuit.of.Natural.Resources and.Implications.for.the.PRC’s.Grand.Strategy. In: The National Bureau of Asian Research. Inorming and Strengthening Policy in the Asian Region (Hrsg.): NBR-Analysis. Vollume 17, Nr. 3. Seattle, Washington D.C., S. 11.

8 Vgl. DEPARTMEN OF DEFENXE: Annual Report to Congress, Military ower in the People´s Republik of China, 2003 - 2025. Online im Internet. URL: www.globalsecurity.org.

9 Vgl. HIRN, W. 2006: Herausforderung China. Wie der chinesische Aufstieg unser Leben verändert. In: Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.): Schriftenreihe, Bd. 549, Bonn, S. 192.

10 Ebd., S. 192.

11 " DUFOUR. J. 2007: The Worldwide Network of US Military Bases. The Global Deployment of US Military Personnel. In: Global Research - Center for Research and Globalization. Online im Internet. URL: www $lobalresearch.cajndexphp?context-va^id-5564.

12 Vgl. HIRN, W. 2006: a.a.O., S. 194.

13 Vgl. MÖLLER, J. 2005: a.a.O., S. 182.

14 Vgl. WERMKE, M. et. al (Hrsg.) 2001: Duden. Das Fremdwörterbuch. S. 952, 7. Aufl., Mannheim.

15 SCHUBERT, K. & KLEIN, M. 2006: Politiklexikon. Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) (Hrsg.): Schriftenreihe, Bd. 497. S. 294, Bonn.

16 Vgl. FRIEDBERG, A. 2006: a. a.O., S. 8.

17 Vgl. SCHUBERT, K. & KLEIN, M. 2006: a. a.O., S. 294..

18 ANDERSON, J. 1997: S. 21.

19 Vgl. WERMKE, M. et. al 2001: a. a.O.; S. 734.

20 Vgl. GÖTZ, R. 2006: Deutschland und Russland - „strategische Partner“? In: Bundeszentrale für Politische Bildung BpB (Hrsg.): Russland. Aus Politik und Zeitgeschichte 11/2006, S. 22. Bonn.

21 Vgl. MÖLLER, K. 2005: Die Außenpolitik Chinas 1949 - 2004. Eine Einführung. Wilfried von Bredow (Hrsg.): Studienbücher Außenpolitik und Internationale Beziehungen. Wiesbaden, S. 39.

22 Vgl. GÖTZ, R. 2006: a. a. O., S. 22.

23 Vgl. ???: China, Russia Sign Good-Neighborly Treaty of Friendship,Cooperation. Online im Internet. Stand: 14. August 2007. S.

24 ROZMAN, G. 2005: Sino- Russian Relations: Will the Strategic Partnership Endure? In: Demokratizatsya - The journal of Post-Soviet Demokratization. Voll. 14/ 2006. Online im Internet. URL: www.demokratizasya.org , S. 402. , S. 406.

25 Vgl. GARNETT, S. 2001: Challenges of the Sino-Russian Strategic Partnership, S. 41. In: The Center of Strategic and International Studies and the Massachusetts Institutes of Technology: (Hrsg.): The Washington Quarterly. Autumn 2001. S. 41 - 54, Washington.

26 Vgl. WILSON, J. 2004: Strategic Partners. Russian-Chinese Relation in the Post-Soviet Era. New York, 2004. S. 3.

27 Vgl. WACKER, G. 2002: Chinesisch-Russische Beziehungen unter Putin. Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) (Hrsg.):

28 MÖLLER, K. 2005: Die Außenpolitik Chinas 1949 bis 2004. Eine Einführung. Wilfried von Bredow (Hrsg.): Studienbücher, Außenpolitik und Internationale Beziehungen. S. 106, Wiesbaden.

29 Ebd., S. 106.

30 Vgl. MÖLLER, K. 2005: a.a.O., S. 107.

31 Vgl. ANDERSON, J. 1997: The Limits of the Sino-Russian Strategic Partnership. In: Adelphi Paper, Nr. 315, Oxford- University. S. 14.

32 Vgl. OPITZ, P. 1991: Gezeitenwechsel in China. Die Modernisierung der chinesischen Außenpolitik. In: Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung: Neue Weltmacht China, Schriftenreihe. Folge 12, Hannover. S. 36.

33 MÖLLER, K. 2005: a.a.O., S. 91.

34 Vgl. ANDERSON, J. 1997: a.a.O., S. 26.

35 Rede von Deng Xiaoping, zit. n. OPITZ, P. 1991: a.a.O., S. 23.

36 Vgl. MÖLLER, K. 2005: a.a.O., S. 51

37 Ebd., S. 34, 54.

38 Vgl. MÖLLER, K. 2005: a.a.O., S. 51.

Final del extracto de 41 páginas

Detalles

Título
Die Außenpolitik Chinas mit Russland im Zeitalter der neuen Weltordnung
Subtítulo
Unter besonderer Berücksichtigung der Russisch-Chinesischen strategischen Partnerschaft
Universidad
Munich University of Policy
Curso
Grundprobleme der chinesischen Außen- und Sicherheitspolitik zu Beginn des 21. Jahrhunderts
Calificación
1,6
Autor
Año
2007
Páginas
41
No. de catálogo
V91713
ISBN (Ebook)
9783638050753
ISBN (Libro)
9783638944250
Tamaño de fichero
6708 KB
Idioma
Alemán
Notas
Kommentar des Dozenten: "Eine meiner besten Arbeiten, trifft genau den Punkt"
Palabras clave
Außenpolitik, Chinas, Russland, Zeitalter, Weltordnung, Grundprobleme, Außen-, Sicherheitspolitik, Beginn, Jahrhunderts
Citar trabajo
Ramona Seel (Autor), 2007, Die Außenpolitik Chinas mit Russland im Zeitalter der neuen Weltordnung, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91713

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