Tschetschenien: Terror, Terrorismus und Separatismus


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

19 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Terrorismus

3. Tschetschenien
3.1 Der erste Tschetschenienkrieg
3.2 Der zweite Tschetschenienkrieg

4. Religiöser Faktor

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Seit den Anschlägen auf das World Trade Center im September 2001 und dem Antiterrorkrieg der USA und ihrer Verbündeten ist jedem die Gefahr des internationalen Terrorismus bekannt. Nichts beschäftigt Politiker, Militärs und Medien zur Zeit mehr.

Nach dem Ende des Ost-West- Konfliktes fiel das bipolare Bedrohungsdenken weg. Dies bedeutete jedoch kein Eintauchen in eine neue Phase des weltweiten Friedens. Anstatt dessen spaltet sich die Welt in multipolare Bedrohungsfelder auf. Zu diesen zählen regionale Unruhen, Minderheitenkonflikte, ungleiche Ressourcenverteilung, Nationalismus, Macht- und Eliteninteressen und Terrorismus. Die neuen Bedrohungen des Friedens werden nicht vorrangig durch zwischenstaatliche Kriege ausgetragen, sondern sind zunehmend innerstaatliche Konflikte.[1] In diesen Szenarien ist es besonders schwer, Schuldige und Unschuldige voneinander zu trennen.[2] Die Täter von heute können die Opfer von morgen werden.

Die kriegerischen Aktionen beschränken sich nicht mehr nur auf den Balkan oder den Nahen Osten. Seit den Anschlägen des 11. September konzentrieren sich die Augen der Öffentlichkeit auf die Verfolgung des Al-Quaida Netzwerkes. Relativ unbeachtet bleiben dabei andere Regionen. Zu diesen zählt Tschetschenien. Die Bestrebungen der Tschetschenen werden von den Russen als Terrorismus im Zuge einer neuerlichen islamischen Wiedergeburt deklariert. Der Krieg gegen den Terrorismus ist dadurch zum Deckmantel für einen Terrorkrieg gegen Tschetschenien geworden. Die Tschetschenen selbst greifen zunehmend zu terroristischen Aktionen, um auf ihre Lage aufmerksam zu machen.

Was beschreibt den Terrorismus in Tschetschenien oder inwiefern wird er nur als Begriff von Russland genutzt um das Unabhängigkeitsbestreben der Tschetschenen mit Gewalt zu unterdrücken? Welche Ereignisse ließen den Konflikt in den letzten Jahren eskalieren? Welchen Einfluss hat der Islam? Die Problematik gestaltet sich vielschichtig, alle Aspekte können in dieser Arbeit nicht aufgegriffen werden. Es soll der Versuch unternommen werden, anhand der beiden Tschetschenienkriege die heutige Lage zu skizzieren. Auf die jahrhundertlange Konfliktgeschichte kann an dieser Stelle nicht eingegangen werden. Im Anschluss daran soll der Einfluss des religiösen Faktors hinterfragt werden. Zunächst ist es notwendig, den Terrorismusbegriff zu beschreiben, um zu analysieren inwieweit es sich tatsächlich um Terrorismus handelt.

2. Terrorismus

Eine eindeutige und allgemein anerkannte Definition des Begriffes Terrorismus ist zur Zeit nicht möglich. Es können allerdings Definitionsansätze aufgezeigt werden. Zentrale Begriffe sind dazu Terror, Guerilla, Terrorismus und Staatsterrorismus. Terrorismus grenzt sich von den übrigen Begriffen ab. Terror bedeutet vornehmlich eine Form von Herrschaftsausübung eines Staates auf seine Bürger mit gewalttätigen Mitteln.[3] Er wird also von „oben“ ausgeübt. Historisch geht dies auf das Frankreich des 18. Jahrhunderts unter Robbesspiere zurück.[4]

Guerilla ist eine Form militärischer Kriegsführung, die zumeist darauf zielt, einen überlegenen Gegner mit begrenzten Aktionen abzuschrecken, einzuschüchtern oder zur Aufgabe zu zwingen. Sie zählt auf die Unterstützung in der Bevölkerung und tritt beispielsweise bevorzugt bei Unabhängigkeitskämpfen auf. Dennoch können die Übergänge von Guerilla zum Terrorismus fließend sein und sich der Terrorismus auch der Guerillastrategie bedienen. Vereinfacht formuliert kämpft der Guerillero um territoriale Belange, der Terrorist um ideologischen Einfluss.[5]

Terrorismus besitzt eine politische Zielsetzung. Eine bestehende Staatsform soll durch planmäßig vorbereitete Gewaltakte in Schrecken versetzt werden. Es ist der Umsturzversuch von „unten“. Terroristen können ihre Ziele nicht anders umsetzen. Sie sind jedoch bestrebt, mit ihren Aktionen Sympathisanten zu gewinnen.[6] Terrorismus richtet sich dabei nicht allein gegen die direkten politischen Gegner. Dieser Gegner kann neben der Regierung auch eine ethnische Gruppe, eine Klasse, eine politische Gegenbewegung oder eine Religion sein. Auch Unschuldige können zum Opfer terroristischer Aktivitäten werden. Genau dieser Faktor beschreibt deutlich die Unberechenbarkeit und Unvorhersagbarkeit dieser Aktionen. Damit stellt der Terrorismus zugleich eine Art Kommunikationsform dar. Ohne das die Anschläge mit Hilfe der Medien die übrige Bevölkerung erreichen, sie ängstigen und letztlich die Entscheidungsträger zum Umdenken zwingen, bleibt Terrorismus in seiner Bedeutung beschränkt. Gemäß der unterschiedlichen Zielsetzung von Terroristen, lassen sich auch die verschiedenen Formen von Terrorismus festlegen. Dazu zählt zum Beispiel separatistischer, islamischer, oder Rechts- bzw. Linksterrorismus. Die Umsetzung erfolgt über Morde, Bombenanschläge, Flugzeugentführungen, Entführungen, Selbstmordanschläge oder sonstige Attentate. Eine besonders schwerwiegende Form stellt der Staatsterrorismus dar. Einige Regierungen unterstützen dazu regionale Terroristengruppen, um andere Staaten zu destabilisieren.[7] Über diese Vorgänge lässt sich in vielen Fällen nur mutmaßen. Für die Terroristen sichert das beständigen Zufluss an Geldern, Anhängern und Material. Außerdem werden ihnen dadurch zumeist Rückzugsgebiete bereitgestellt.

3. Tschetschenien

Der Kaukasus ist ein Gemenge unterschiedlichster Nationalitäten. Innerhalb dieser und zwischen ihnen existieren eine Vielzahl ungelöster Probleme. Häufig handelt es sich dabei um territoriale Konflikte.[8] Wie zum Beispiel der Konflikt in Abchasien mit Georgien oder das Bestreben Südossetiens an Nordossetien Anschluss zu gewinnen. Eines eint die Völker aber - die historische Erfahrung mit Russland.[9] Ständig waren Autonomiebestrebungen und Separatismus gegenwärtig. Die Nationalitätenprobleme Russlands wurden über Jahrhunderte – zuletzt durch Stalin – vehement unterdrückt. Die territoriale Integrität musste erhalten bleiben. Ansonsten existierte die Befürchtung, dass die Bestrebungen zum Vorbild für andere Gebiete werden könnten und den russischen Staatsverband aufzulösen bedrohen. Separation wird nach wie vor alleinig als Gefahr aufgefasst, den Staat zu zerstören und nicht als Chance für eine neue wirtschaftliche und politische Stabilität genutzt.[10] Für die Russen sind die Tschetschenen ein Volk von Terroristen und nicht vertrauenswürdig.[11] Es herrscht ein tiefer Hass. Die Tschetschenen fordern das Selbstbestimmungsrecht der Völker.[12] Sie treffen heutzutage auf taube Ohren, denn die Europäischen Staaten deklarieren die Tschetschenienfrage zur inneren Angelegenheit Russlands. Zwar wird die „unterschiedslose Anwendung von Gewalt gegen die tschetschenische Bevölkerung“[13] verurteilt und eine friedliche Lösung gefordert, weitere Maßnahmen werden jedoch nicht getroffen.

Nach dem Zerfall der Sowjetunion formierten sich im Kaukasus, wie auch innerhalb des gesamten Staatenverbandes, tiefgreifende ökonomische Probleme.[14] Die Abnahmemärkte fehlten plötzlich, die Marktwirtschaft überforderte die Staaten. Ressourcen konnten nicht mehr entsprechend genutzt werden. Eine extrem hohe Arbeitslosigkeit, Korruption und Kriminalität waren die Folgen. Der Verfall der staatlichen Ordnung war durch den Verfall der Wirtschaft bedingt. Die Ressourcen an Erdöl- und Erdgas im Kaukasus sind nicht unerheblich. Die bisher wichtigste Pipeline existiert von Baku nach Dagestan über Grosny nach Noworossijsk.[15] Obwohl die anfänglich vermuteten Mengen von 200 Milliarden Fass Öl auf 25-30 Mill. Fass revidiert werden mussten, bleibt trotzdem eine wichtige regionale Bedeutung erhalten.[16] Der Bau von Pipelines zur Anbindung an die Ölförderung im Nahen Osten ist einer der wichtigsten Faktoren. So verfolgte beispielsweise der amerikanische Konzern Unocal bis 1998 Pläne eine Gasleitung bis Zentralpakistan zu verlegen. Solche Bemühungen setzen allerdings stabile politische Systeme in den betreffenden Ländern voraus. Der Bau der Linie Baku-Ceyhan würde im Interesse der USA liegen.[17] Russland wird dabei unterstellt, die Destabilisierung Georgiens mit Hilfe des Gebietes Abchasien voranzutreiben, um dies zu verhindern.[18]

3.1 Der erste Tschetschenienkrieg

Seit 1989/90 brachen neue Unabhängigkeitsbestrebungen auf. Auch in der Tschetscheno-Inguschischen ASSR formierten sich diese Bewegungen. In der Folge wurde vom 23.-25.11.1990 ein Tschetschenischer Volkskongress (später Allnationaler Kongress OKTN) einberufen. Die Führung des OKTN oblag alsbald alleinig Dschochar Dudajew. Er war im Sommer 1990 der ranghöchste sowjetische Offizier und General der Raketentruppen in Estland, als es die Unabhängigkeit ausrief. Durch den raschen Elitenwechsel und die Militarisierung der Bevölkerung Tschetscheniens beschleunigte sich ein Radikalismus gegen Russland.[19] Das Ziel war die Unabhängigkeit des Landes. Es sollte eine mit Russland gleichgestellte Republik entstehen. Auf der zweiten Tagung des OKTN im Juni 1991 verlangte Tschetschenien, wie z.B. auch die Tartaren oder Jakutier, die Anerkennung des Selbstbestimmungsrechts und die Wiedergutmachung der Verbrechen gegen das tschetschenische Volk. 1991 spaltete sich Inguschetien von Tschetschenien ab und wurde ein eigener Staat.[20]

[...]


[1] Vgl. Münkler, Herfried: Die neuen Kriege. Reinbek 2002, S.207.

[2] Vgl. ebenda S. 223.

[3] Vgl. Waldmann, Peter: Terrorismus: Provokation der Macht. Bonn 1998, S. 15.

[4] Vgl. Hoffman, Bruce: Terrorismus - der unerklärte Krieg. Neue Gefahren politischer Gewalt. 4. Auflage, Frankfurt am Main 2002, S. 15f.

[5] Vgl. Waldmann, Peter: Terrorismus: Provokation der Macht. Bonn 1998, S. 17f.

[6] Vgl. ebenda S. 10.

[7] Vgl. Waldmann, Peter: Terrorismus: Provokation der Macht. Bonn 1998, S. 18f.

[8] Vgl. Halbach, Uwe: Islam in Russland. Muslime in der Rußländischen Föderation. In: Orient Heft 38 (1997), S. 261-264.

[9] Vgl. Lobova, Ludmilla: Ethnopolitische Konflikte im Nordkaukasus in historischer Dimension: Nationalitätenproblem oder geopolitische Herausforderung für Russland? In: Orient Heft 1 (2002), S. 60.

[10] Vgl. Luchterhandt, Otto: Integration oder Separation. Bricht das „große Reich Russland“ auseinander? In: Internationale Politik Heft 1 (1997), S. 17f.

[11] Vgl. Goytisolo, Juan: Landschaften eines Krieges: Tschetschenien. Frankfurt am Main 1996, S. 97.

[12] Vgl. Luchterhandt, Otto: Integration oder Separation. Bricht das „große Reich Russland“ auseinander? In: Internationale Politik Heft 1 (1997), S. 20.

[13] Gesamtbericht 1999 - Kapitel VI: Die Rolle der Union in der Welt Abschnitt 9: Beziehungen zu den Neuen Unabhängigen Staaten der ehemaligen Sowjetunion und zur Mongolei (14/23). http://europa.eu.int/abc/doc/off/rg/de/1999/pt0799.htm.

[14] Vgl. Heinemann-Grüder, Andreas: Ist Separatismus unvermeidlich? Ein Rückblick auf Ethnizität und Föderalismus im Tschetschenien-Konflikt. In: Osteuropa Heft 2 (1999), S. 164.

[15] Vgl. Gödeke, Herwig: Transkaukasien nach dem Zusammenbruch der UdSSR. Geopolitische und sicherheitspolitische Aspekte. In: Osteuropa Heft 12 (1997), S. 1233.

[16] Vgl. Götz, Roland: Energiegroßmacht Russland? Erdöl und Erdgas – Ursachen neuer Krisenherde. In: Internationale Politik Heft 10 (1998), S. 35f.

[17] Vgl. Peter, Rolf; Wagner, Claudia: Rußland und der „Kampf gegen den Terrorismus” Schulterschluß mit dem Westen gegen „freie Hand” im Kaukasus? In: Osteuropa Heft 11/12 (2001), S. 1260.

[18] Vgl. Malek, Martin: Geopolitische Veränderungen auf dem „eurasischen Schachbrett“: Russland, Zentralasien und die USA nach dem 11. September 2001. In: Aus Politik und Zeitgeschichte Heft B8 (2002), S. 21f.

[19] Vgl. Heinemann-Grüder, Andreas: Ist Separatismus unvermeidlich? Ein Rückblick auf Ethnizität und Föderalismus im Tschetschenien-Konflikt. In: Osteuropa Heft 2 (1999), S. 164f.

[20] Vgl. Vgl. Grobe-Hagel, Karl: Tschetschenien. Russlands langer Krieg. Köln 2001, S. 97-100.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Tschetschenien: Terror, Terrorismus und Separatismus
Hochschule
Technische Universität Chemnitz  (Philosophische Fakultät, Politikwissenschaft – Internationale Politik)
Veranstaltung
Gegenwärtiger Terrorismus in Europa
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
19
Katalognummer
V91773
ISBN (eBook)
9783638058797
ISBN (Buch)
9783638948869
Dateigröße
454 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Tschetschenien, Terror, Terrorismus, Separatismus, Gegenwärtiger, Terrorismus, Europa
Arbeit zitieren
Magister Artium Jens Weis (Autor:in), 2003, Tschetschenien: Terror, Terrorismus und Separatismus, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91773

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