Bindung begegnet uns im Alltag überall. Im weiteren Sinne ist Bindung die beständige und enge Beziehung zweier Menschen zueinander, das Verlangen des Menschen, eine feste und von intensiven Gefühlen und Sicherheit geprägte Beziehung zu anderen aufzubauen. Die Bin-dungstheorie jedoch versteht unter dem Begriff der Bindung zunächst die sich im Laufe des ersten Lebensjahres entwickelnde Beziehung des Kindes zu seiner Mutter bzw. Bezugsperson. Bindung ist ein emotionales Band zwischen dem Kind und der Mutter, welches über Raum und Zeit hinweg bestehen bleibt. Das heißt, sobald eine emotionale Beziehung aufgebaut ist, kann diese über einen langen Zeitraum aufrecht erhalten werden, auch wenn die Bezugsper-son nicht immer unmittelbar erreichbar ist und auch bei kleinen Kindern existiert die Bindung weiter, wenn die Mutter den Raum, in dem das Kind sich befindet, verlässt. Diese Bindung soll den Säugling dazu veranlassen, bei erlebter Angst, Bedrohung und Gefahr, Schutz, Trost und Beruhigung bei der Mutter zu suchen und einzufordern. Das Verhalten der Mutter spielt dabei eine wichtige Rolle. Wie verhält sie sich, wenn ihr Kind weint oder schreit? Wird sie ihren Aufgaben als fürsorgliche Mutter gerecht und bewältigt sie den Stress, den die Zeit der ersten Monate nach der Geburt mit sich bringt oder reagiert sie auf viele Signale des Kindes genervt und unangemessen?
Im Laufe der Interaktionen zwischen Mutter und Kind entwickeln sich Bindungsmuster bei dem Kind, die Mary Ainsworth und andere Forscher durch die Laboruntersuchung die „Frem-de Situation“ und zahlreiche andere Studien beobachtet und definiert haben.
Nun stellt sich die Frage, welchen Zusammenhang die empirische Bindungsforschung zwi-schen mütterlicher Feinfühligkeit und dem kindlichen Bindungsmuster belegt hat. Das Haupt-augenmerk soll dabei auf dem Zusammenhang zwischen mütterlicher Unfeinfühligkeit und kindlichem desorganisierten Bindungsverhalten gelegt werden.
Um diese Frage adäquat bearbeiten und beantworten zu können, werde ich zunächst einen kurzen Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Bindungstheorie geben. Danach betrachte ich das Konzept der Feinfühligkeit, indem ich zunächst die Definition und Merkma-le nach Mary Ainsworth, die Ermittlung von Feinfühligkeit und die daraus gewonnenen Gra-de von Feinfühligkeit erläutere. Anschließend werde ich auf die Entdeckung der organisierten Bindungsmuster unter besonderer Beachtung der Untersuchung die „Fremden Situation“ von Ainsworth und Wittig, welche eine wichtige Rolle im weiteren Verlauf der Arbeit einnimmt, eingehen. Anknüpfend daran wird die desorganisierte bzw. desorientierte Verhaltensweise mit Berücksichtigung der „Clown-Situation“ von Main und Weston betrachtet, um abschließend den Zusammenhang zwischen Feinfühligkeit und Desorganisation unter anderem mit Hilfe des Adult Attachment Interviews zu ermitteln.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Die Geschichte der Bindungstheorie
- Mütterliche Feinfühligkeit
- Definition und Merkmale von Feinfühligkeit
- Ermittlung von Feinfühligkeit
- Feinfühligkeitsgrade
- Entdeckung der organisierten Bindungsmuster
- Die „Fremde Situation“
- Ursprung und Ziel der Untersuchung
- Versuchsdurchführung
- Ergebnisse der Untersuchung
- Die ersten drei Bindungsmuster
- Das sichere Bindungsmuster
- Das unsicher-vermeidende Bindungsmuster
- Das unsicher-ambivalente Bindungsmuster
- Die „Fremde Situation“
- Die desorganisierte bzw. desorientierte Bindungsqualität
- Der Zusammenhang zwischen unfeinfühligem Verhalten der Bindungsperson und Desorganisation des Kindes
- Frühe Annahmen von Bowlby, Ainsworth und Mitarbeitern
- Das Adult Attachment Interview
- Unfeinfühlige Verhaltensweisen von Eltern und dessen Folgen
- Schlussbemerkung
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Hausarbeit befasst sich mit dem Zusammenhang zwischen mütterlicher Feinfühligkeit und dem kindlichen Bindungsmuster. Der Fokus liegt dabei auf der Beziehung zwischen unfeinfühligem Verhalten der Mutter und desorganisierter Bindungsqualität beim Kind. Die Arbeit soll die empirischen Befunde der Bindungsforschung zum Thema beleuchten und deren Relevanz für die pädagogische Praxis herausstellen.
- Entwicklung der Bindungstheorie und deren zentrale Konzepte
- Definition und Bedeutung von mütterlicher Feinfühligkeit
- Beobachtung und Analyse von verschiedenen Bindungsmustern
- Die Rolle von unfeinfühligem Verhalten bei der Entstehung desorganisierter Bindung
- Der Einfluss von Bindungserfahrungen auf die spätere Entwicklung
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer Einleitung, die den Begriff der Bindung und deren Bedeutung für die kindliche Entwicklung erläutert. Anschließend wird ein Überblick über die Entstehung und Entwicklung der Bindungstheorie gegeben. Im Folgenden wird das Konzept der mütterlichen Feinfühligkeit näher beleuchtet, wobei Definition, Merkmale, Ermittlung und Grade der Feinfühligkeit im Detail dargestellt werden. Der nächste Abschnitt widmet sich der Entdeckung der organisierten Bindungsmuster und erläutert das berühmte Laborexperiment „Fremde Situation“ von Ainsworth. Die Arbeit betrachtet daraufhin die desorganisierte Bindungsqualität und ihren Zusammenhang mit unfeinfühligem Verhalten der Mutter. Schließlich wird das Adult Attachment Interview vorgestellt und dessen Relevanz für die Erforschung von Bindungserfahrungen hervorgehoben.
Schlüsselwörter
Bindungstheorie, mütterliche Feinfühligkeit, Bindungsmuster, desorganisierte Bindung, „Fremde Situation“, Adult Attachment Interview, empirische Befunde.
- Arbeit zitieren
- Anja Neugebauer (Autor:in), 2008, Der Zusammenhang zwischen mütterlicher Feinfühligkeit und kindlichem Bindungsmuster, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/91818