Die Arbeit stellt den Versuch eines kritischen Rückblicks auf die neoavantgardistische gegenkulturelle Strömung Tropicália dar. In Ermangelung eines adäquateren Begriffs, wird Tropicália bis auf Weiteres vornehmlich als “Bewegung“ deklariert. Allerdings sei dem hinzugefügt, dass Caetano Veloso, einer der Urheber des tropikalistischen Projektes, selbige auch als „movimento cultural“, „comportamento vital“ oder auch als „moda“ bezeichnet hatte.
Schließlich ist es neben den vermittelnd wirkenden Autoren, Musiklabeln, Kritikern oder DJs auch den Veröffentlichungen von Veloso, Gilberto Gil, Tom Zé und Co. geschuldet, dass sich Tropicália später als Bewegung konstatierte und heute gemeinhin als “Genre“ nicht nur im Musikjargon zum festen Begriff geworden ist. Zeitlich verortet am Ende der 1960er Jahre, als ungefähr parallel und häufig in Korrelation zueinander, mehrere soziale Umbrüche stattfanden, die man später revolutionär nannte, entstand Tropicália in einem historischen Kontext, den eine neuartige soziale Protestkultur kennzeichnete.
Dermaßen glorifiziert und mystifiziert, müsste eine Analyse der gegenkulturellen Bewegungen und ihrer musikalischen Repräsentanten eigentlich kritischer ausfallen. Zwar soll es nicht Thema dieser Arbeit sein, die Ikonen der 1960/70er Jahre zu diskreditieren, doch sind die immer gleichen Titelstories etwa des Musikmagazins Rolling Stone durchaus als Fingerzeig zu verstehen, dass unser Zeitalter permanenter Reproduktion massenverträglichen und zugleich anspruchsvollen Musik-Bewegungen, die sich gleichzeitig durch eine gewissen Halbwertszeit auszeichnen, keinen exquisiten Raum mehr gewährt. Diese Überzeugung liegt der Arbeit genauso zugrunde, wie jene, dass derartigen Bewegungen im Zeitalter des entpersönlichten Massenkonsums – indem das Bewusstsein des Konsumenten selbst zur Ware wurde – ihre Kurzlebigkeit bereits angekündigt war.
Inhaltsverzeichnis
- Eine kritische Retrospektive - ein anderes Vorwort
- Einführung
- Musik und Identität
- Musik als Identitätsträger
- Nation und nationale Identität
- Kultur und kulturelle Identität
- Die Música Popular als Narrative nationaler Identität in Brasilien
- Nationalismus und Modernismus
- Samba in Vargas' Estado Novo
- Bossa Nova als Reflexion der brasilianischen Moderne
- Die Música Popular Brasileira und der Beginn komplexer Identitätskonstruktionen
- Identitätskonstruktionen bei Tropicália
- Jorge Ben: Zwischen MPB, Tropicália und afrobrasilianischer Identität
- Von Bahia in die Metropolen
- Der,,Som Universal\" als Geburtsstunde Tropicálias
- Tropicália oder der Weg zu einer “tropikalistischen Identität”
- Panis et Circencis als kollektiver Ausdruck \"tropikalistischer Identität\"
- Tropicália im Zeichen globaler Gegenkultur
- Tropicália und Krautrock – Vergleich zweier peripherer Gegenkulturen
- Ruckzuck - eine kurze Einführung in den Krautrock
- Von Karlheinz Stockhausen zu Rogério Duprat
- Identitätskonstruktionen im Vergleich
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Diese Arbeit befasst sich mit der Analyse der Neoavantgarde-Bewegung Tropicália in Brasilien. Sie untersucht die Rolle der Musik bei der Konstruktion von Identität und die Einflüsse transnationaler gegenkultureller Strömungen auf die Entwicklung einer "tropikalistischen Identität".
- Die Bedeutung von Musik als Träger von Identität
- Die Interaktion von Musik und nationaler Identität in Brasilien
- Die Rolle von Tropicália in der Herausbildung einer "tropikalistischen Identität"
- Die Beziehung von Tropicália zu globalen Gegenkulturen
- Ein Vergleich von Tropicália und Krautrock im Kontext von Identitätskonstruktionen
Zusammenfassung der Kapitel
- Das erste Kapitel stellt die Tropicália-Bewegung als ein neoavantgardistisches Phänomen vor, das sich aus mehreren sozialen Umbrüchen der späten 1960er Jahre entwickelte. Der Text beleuchtet die verschiedenen Bezeichnungen für Tropicália und ihre Bedeutung als Gegenkultur.
- Das zweite Kapitel erläutert die Rolle von Musik als Träger von Identität. Es werden die verschiedenen Aspekte von Musik im Kontext von Nation, nationaler Identität und Kultur behandelt.
- Das dritte Kapitel untersucht die Música Popular als Narrative nationaler Identität in Brasilien. Es werden der Einfluss von Nationalismus und Modernismus, die Entwicklung des Samba und der Bossa Nova, sowie der Beginn komplexer Identitätskonstruktionen in der brasilianischen Musik beleuchtet.
- Das vierte Kapitel analysiert die Identitätskonstruktionen innerhalb der Tropicália-Bewegung. Es werden die Einflüsse von Jorge Ben, der Weg von Bahia in die Metropolen und die Entstehung des "Som Universal" als Geburtsstunde Tropicálias beleuchtet.
- Das fünfte Kapitel setzt sich mit dem Weg zu einer "tropikalistischen Identität" auseinander. Es betrachtet die Bedeutung von "Panis et Circencis" als kollektiven Ausdruck dieser Identität und den Einfluss globaler Gegenkulturen auf Tropicália.
- Das sechste Kapitel vergleicht Tropicália mit der Krautrock-Bewegung im Kontext von Identitätskonstruktionen. Es werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten beider Bewegungen im Hinblick auf ihre musikalischen Ausdrucksformen und ihre Bedeutung als Gegenkultur analysiert.
Schlüsselwörter
Die wichtigsten Schlüsselwörter dieser Arbeit sind: Tropicália, Neoavantgarde, Musik, Identität, Brasilien, nationale Identität, kulturelle Identität, Música Popular Brasileira, Gegenkultur, Krautrock, "tropikalistische Identität", transnational, global.
- Citar trabajo
- Alexander vom Dorp (Autor), 2014, Identitätskonstruktionen innerhalb der Neoavantgarde-Bewegung "Tropicália". Reflexion transnationaler gegenkultureller Strömungen und Ausdruck einer souveränen tropikalistischen Identität, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/921253