Rene König als Modesoziologe


Bachelorarbeit, 2007

54 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Vorgehensweisen
1.2 Definitionen
1.2.1 Der Begriff: Mode
1.2.2 Der Begriff: Modetheorie

2. Die modesoziologischen Ansätze von Rene König
2.1 Mode als soziales Phänomen
2.2 Mode als anthropologisches bzw. kulturelles Phänomen
2.3 Mode als historisches Phänomen

3. Modetheorie als Theorie des Wandels
3.1 Modeentstehung
3.2 Modeerscheinung
3.3 Modeauswirkung

4. Die Ausbreitungsstile der Mode nach König vor dem Hintergrund bekannter Modetheorien

5. Dimensionen des Wandels
5.1 Tiefendimension
5.2 Oberflächendimensionen
5.2.1 Optische Dimension
5.2.2 Akustische Dimension
5.2.3 Olfaktische Dimension

6. Schlussfolgerung

7. Literatur

1. Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit dem Soziologen Rene König (1906-1992), der hier hinsichtlich seines Beitrages zur Modesoziologie vorgestellt wird.

Möchte man den Soziologen Rene König den Leser näher bringen, so ist es wichtig auf die lange Wirkungszeit seiner Forschung, die von der Veröffentlichung seines ersten Zeitschriftenbeitrages im Jahr 1931 bis kurz vor seinem Ableben Anfang der 90er Jahre dauerte, aufmerksam zu machen. Die also fast 60 jährige wissenschaftliche Arbeit Königs bietet sowohl ein breites Feld von Interessengebieten, Wirkungsbereichen, Wirkungsorten aber auch Publikationen, die von Rene König bearbeitet, gestaltet und geprägt wurden.[1] Hinzukommt die interessante Tatsache, dass Rene König zwar seine Bedeutung als Wissenschafter im Fach Soziologie erlangt hat, dieses Fach aber nicht studierte. Während seiner akademischen Ausbildung existierte das Lehrfach der Soziologie gar nicht, dies konnte erst 1950 geändert werden. Die Lehrjahre des späteren Soziologen Rene König, führten ihn selbst durch das Studium der Philosophie, Kunstwissenschaft, Ästhetik und Völkerkunde.[2]

Die Ansätze Rene Königs waren auch bezüglich der Soziologie im Allgemeinen, somit auch in Bezug auf die hier relevante Modesoziologie interdisziplinär angelegt, was im Verlauf der hier angestrebten Darstellung sichtbar werden wird.

Sein Begriff und seine wissenschaftliche Arbeit im Bereich der Soziologie waren betrachtet man die Zeitepoche der 50er-80er Jahre nicht an den damals üblichen Schwerpunkten orientiert. König setzte sich bewusst nur am Rande mit der damals führenden Psychoanalyse auseinander. Sein hauptsächliches Interesse galt der Ethnologie und der Kunstwissenschaft, die er stets mit der Soziologie in Verbindung zu setzten verstand.[3]

Die Schaffensphasen Königs werden von Alemann grob in sechs Abschnitte unterteilt worden. So ist die erste Phase seiner Arbeit auf die Bereiche der Ästhetik und Kunstwissenschaft konzentriert. Zeitlich beginnt dieser Abschnitt mit dem Erscheinen seines ersten Buches zum Thema Ästhetik im Jahr 1931.[4]

Bis zur seiner Emigration aus Nazideutschland in die Schweiz im Jahr 1937 befasste sich König bereits mit der Soziologie bzw. arbeiteten seine Themen in die Soziologie ein. Dies gilt auch für den Essay zur „Machiavelli“, im dem König seine Ablehnende Haltung zur Nazi-Diktatur ausdrückte und begründete.[5]

Während der Exiljahre, die erst im Jahr 1953 mit dem Umzug nach Köln endeten, näherte sich König vollständig dem Fach Soziologie an. Er eignete sich verstärkt die französische Soziologie im Sinne Emile Durkheims (1858-1917): und Marcel Mauss (1872-1950) an. Durkheim beschäftigte sich mit der Frage was die moderne Industriegesellschaft prägt und was unterscheidet sie von anderen Gesellschaften? Mauss dagegen entwickelte die Ideen Durkheims in Anlehnung an die Ethnologie fort. Durch die Auseinendersetzung und Verinnerlichung der französischen Soziologie nach Durkheim und Mauss konnte König die Schnittpunkte und gegenseitige Abhängigkeiten der Soziologie, der Kunst und der Ethnologie übernehmen bzw. erweitern.[6]

Dieser interdisziplinäre Ansatz zieht sich durchgehend in der folgenden soziologischen Forschung König fort. Seine Arbeiten, auch die Modesoziologie, ist geprägt worden, von einem mehrdimensionalen Ansatz, der zwar im Wesentlichen soziologische Fragestellungen berührt, aber die Erklärungen, Beläge und Beispiele mit Hilfe der Philosophie und der Völkerkunde liefert.

Erst nach der Auseinandersetzung mit der französischen Soziologie konzentrierte sich König nun vordergründig auf soziologische Forschungsthemen. In dieser Phase kreierte er auch den im Verlauft dieser Arbeit bedeutenden Begriff des „Totalphänomens“. Dieser Oberzeichnung werden in dieser Zeit von König die Themen der Familie, Gemeinde, Mode und Kunst zugeordnet, so dass die in dieser Arbeit relevante Mode unabdingbar mit dem Begriff des Totalphänomens nach König verbunden ist.[7]

König nahm bereits in der Schweiz eine Lehrtätigkeit an und führte diese nach 1953 an der Kölner Universität fort. In Köln wurde er zum Direktor des „Forschungsinstitutes für Soziologie“ und somit „hauptamtlicher“ Soziologe, trotz abweichender Studienfächer.[8]

Nach seiner Emeritierung 1974 setzte König seine wissenschaftliche Arbeit als Autor fort. In der Zeit bis zu seinem Tode 1992 entstanden die bedeutendsten Werke des Soziologen auf dem Gebiet der sgn. Grenzerweiterungen. Die Grenzerweiterungen bezeichnen Forschungsbereiche die sich aus ethologischen und sozialpsychologischen Aspekten, Beobachtungen und Ursprüngen herleiten oder begründen lassen.[9] Vor diesem Hintergrund entstanden auch die Werke Königs zur Mode. So wie das in dieser Arbeit zentrale Werk „ Menschheit auf dem Laufsteg – Die Mode im Zivilisationsprozess“.

Der Zeitpunkt also in dem König auch als Modesoziologe wirksam geworden ist, lässt sich einmal, was die Kreation des Totalphänomens betrifft, auf den Zeitabschnitt seiner eingehenden Beschäftigung mit der französischen Soziologie zurückführen. Die eigentlichen Publikationen zur Mode entstanden dann erst in den 80er Jahren, als der bereits emeritierte Wissenschaftler sein Augenmerk auf Totalphänomene richtete die von ethologischen und sozialpsychologischen Aspekten getragen werden.

1.1 Vorgehensweisen

Die Vorstellung Rene Königs als Modesoziologe soll in dieser Arbeit mit zur Hilfenahme der in der Soziologie bekannten und verbreitenden vergleichenden Methode erfolgen. Im Verlauft der Auseinandersetzung mit Rene König soll die Frage beantwortet werden, in wiefern und in welcher Form Rene König seinen Beitrag zur Modesoziologie geleistet hat.

Insbesondere am Anfang mit der Begriffsdefinition der von König gebrauchten Begriffe wird bereits der jeweilige Terminus in Zusammenhang mit den sonstigen verbreiteten Definitionen der Soziologie gebracht. Es kommt also zu einer Gegenüberstellung der Begriffsdefinition nach König und seinen Entsprechungen anderer bekannte Wissenschaftler. Dies soll einerseits einen darstellenden Charakter bezüglich der Modetheorie Rene Königs haben, als auch den Bezug herstellen zur der allgemeinen Modetheorie. Auf dem Wege der Gegenüberstellung von Begriffen, aber auch Ansätzen, die im zweiten Kapitel zentral sein werden, werden die Gedanken Königs intensiv diskutiert gerade im Vergleich und in Gegenüberstellung zu anderen Thesen und Ansätzen. Die vergleichende Methode hilft bekanntermaßen bei der Einordnung einer Aussage, diese in ein Gesamtkonstrukt, in diesem Fall der Materie, Modetheorie insgesamt, einzuordnen. Da rüber hin aus unterstützt und erweitert eine vergleichende Darstellung den Fokus des Lesers hinsichtlich der Wahrnehmung von Ähnlichkeiten, Unterschieden, Überschneidungen oder sogar Entlehnungen innerhalb eines Fachgebietes, aber in Autorenschaft verschiedener Wissenschaftler. Das dritte Kapitel, das sich mit der Modetheorie, als Theorie des Wandels beschäftigt wird ebenfalls durch den Gebrauch der vergleichenden Methode die Ansätze Königs verdeutlichen und sichtbar machen, sowie anderen Wissenschaftlern gegenüberstellen.

Das Wesensmerkmal der Theorie des Modewandels nach König ist die Definition von Ausbreitungsstilen, die die Mode begleitet haben und nach wie vor begleiten. Die von König definierten Ausbreitungsstile umfassen sowohl Erklärungen zum Entstehen und Wandlungsmechanismus der Mode. Wobei darauf bereits im dritten Kapitel dieser Arbeit eingegangen wird. Der Kontext der Ausbreitungsstile, der sich auf die Modeausbreitung konzentriert, wird im vierten Kapitel behandelt, wobei hier erneut eine Gegenüberstellung zu den anderen Modetheorien und ihren Modeausbreitungsthesen stattfindet. Ebenso Teil des vier Kapitels ist auch die Einordnung der Modeausbreitungstheorie nach König in das Spektrum, der restlichen bekannten Theorien. Diese Einordnung wird im Rahmen des vierten Kapitels kritisch diskutiert und je nach Bedarf auf der Basis eigener wissenschaftlicher Erkenntnis bestätigt oder beanstandet.

Das Mittel des Vergleichs soll lediglich der Einordnung, der Abgrenzung, der Gegenüberstellung und einer differenzierteren Begriffsdefinition dienen. Seine Eignung nimmt in Verlauf dieser Arbeit ab, da je tiefer die Modetheorie von König diskutiert und vorgestellt wird, desto deutlicher wird ihr einzigartiger Charakter, der schließlich im Begriff des „Totalphänomens“ mehrdimensional nicht mehr verglichen oder gegenübergestellt werden kann, da an dieser Stelle König sich durch besondere Exklusivität seiner Modetheorie auszeichnet und größtenteils aus seiner eigenen Begriffs und Gedankenwelt her erklärt, definiert, diskutiert und dargestellt werden kann. Gerade an diesen Stellen, wo die die Modetheorie Königs sich durch Einzigartigkeit auszeichnet, ist seine Wirkung auf die gesamte Materie der Modetheorie am größten gewesen.

Die vorliegende Arbeit wird mit einem zusammenfassenden Kapitel abschließen, dass die essenziellen Erkenntnisse nochmals herausstellen und Kritikpunkte sowie Anmerkungen herausarbeiten.

1.2 Definitionen

Eine wissenschaftliche Auseinandersetzung, wie die hier vorliegende Darstellung Rene Königs als Modesoziologen, braucht eine konkret definierte Begriffsstruktur auf deren Basis fortlaufende Darstellungen nicht Gefahrlaufen können den Bezugspunkt bzw. Diskussionsgegenstand zu verfehlen In dem Zusammenhang werden die Begriffe Mode und Modetheorie definiert, da diese das Kernelement der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Rene König sind.

1.2.1 Der Begriff: Mode

Die Modesoziologie unterscheidet sinnvollerweise die Mode nach einer engeren Definition, die sich gleichsetzten lässt mit jährlich neu erscheinen Kreationen bei Modenschauen und einen weiten Modebegriff der gleichbedeutend ist mit der Wahrnehmung der Mode in übergreifender Form unabhängig von Einzelerscheinungen, sondern weit gefasst als andauerndes Phänomen.[10]

Der enge Modebegriff konzentriert sich auf eine Mode, die auch als Modeausprägung sichtbar wird und lediglich den augenblicklichen Zeitgeschmack trifft. Als Beispiel für den engen Modebegriff in der Wissenschaft können z.B. Forschungen zur Pilzfriseur der Beatles sein. Der weite Modebegriff ist jener der auch für die hier vorliegende Untersuchung wichtig ist und von der Soziologie als Termini gebraucht wird. Die Bedeutung des weiten Modebegriffs geht von der Einzeluntersuchung ab und nimmt das Wesen der Mode, den Wandel, in sich auf. So sind der Wandel und seine Abfolge in der Mode die zentralen Elemente des von der Soziologie gebrauchten Begriffes der Mode.[11] Dieser wird nachfolgend stets in dieser Arbeit genutzt.

Im Definitionsprozess Königs ist der Begriff der Mode:

„…-ganz nach dem Worte den großen französischen Soziologen und Sozialpsychologen Marcel Mauss - ein soziales Totalphänomen…was eine Vielfalt von Perspektiven voraussetzt, die sich empirisch bewähren müssen, das heißt im Zivilisationsprozess der Menschheit, der der weiteste Rahmen für unserer Problem ist.“[12]

Im Vergleich zum den restlichen Definitionen erschneit der Modebegriff nach König außerordentlich allgemein.

König löst sich von der insbesondere von Schnierer geprägten Wahrnehmung der Mode in Aspekten. Unter Anbetracht des Zeitaspektes, ist es eine wichtige Eigenschaft der Mode sie zeitlich begrenzt zu sein. Sie ist im steten Wandel begriffen und wird von neuen Moden abgelöst.[13]

Auch Simmel fügt in seine Modedefinition den Zeitaspekt hinzu und betont:

„Mode hat den eigentlichen Reiz der Grenze, den Reiz gleichzeitigen Anfangs und Endes, den Reiz der Neuheit und Gleichzeitig die Vergänglichkeit…sie steht immer auf der Wasserscheide von Vergangenheit und Zukunft und gibt und so, solange sie auf der Höhe ist, ein so starkes Gegenwartsgefühl, wie wenige andere Erscheinungen. “[14]

Die Modetheorie nimmt in ihren Definitionsbegriff noch den sozialen und sachlichen Aspekt auf. Demnach ist Mode nur dann als solche zu bezeichnen, wenn sie nach Schnierer und Simmel exklusiv ist. Beide betonen, dass Mode stets eine Anzahl von Menschen kennzeichnet, deren vom Rest nachgeeifert wird.[15] In sachlicher Definition wird die Mode fälschlicherweise auf die Kleidung reduziert. Dem widersprechen die Modesoziologen, samt König, die die Mode auch im Benehmen und sonstigem Tun der Menschen verorten.[16] Ausgesprochen diskussionswert scheint an dieser Stelle die Modedefinition nach Wiswede:

„Mode ist ein fluktueller Wandel peripherer Verhaltensformen , der durch willkürliche Vorbildsetzung ohne wesentliche Beeinflussung sozialer Strukturen erfolgt und sich auf größere Bevölkerungsteile erstreckt (…) Die Objekte der Mode sind im Unterschiedlichen Masse „anfällig“ für Mode, so dass Güter desto mehr der Mode unterworfen sind, je eher sie sich verfeinern, also an der Peripherie verändern lassen. Kleider und Haartracht sind demnach modeanfällige Güter, Nägel und Bachsteine dagegen weitgehend modeindifferente Güter.“[17]

Wiswede entwirft eine Definition der Mode, die stark im sachlichem verankert ist, also anders als andere Modedefinitionen öffnet sie sich einer gegenständlichen Betrachtung der Mode. Wiswede verleiht der Mode einen willkürlichen und sozial wenig bedeutsamen Charakter. Dagegen stellt er sachlich richtig heraus, dass es Dinge gibt, die der Mode unterliegen und welche, die sich dafür nicht eignen. Was allerdings mit den Ansätzen Königs durchaus hinsichtlich der Wahl der modischen Ausdrucksmittel korrespondieren könnte. Wiswede spricht von modeanfälligen Gütern, als peripher veränderlichen Dingen, z.B. Kleidung oder Benehmen, jedoch sind das gleichzeitig Formen bzw. Dingen die sowohl nach den Dafürhalten des Trägers beliebig verändert und zur Kommunikation mit der Gesellschaft genutzt werden. So ist z.B. ein Irokesenschnitt eine Provokation, die vom Träger bewusst eingesetzt wird und gleichzeitig von der Gesellschaft eindeutig als solche verstanden wird. Diese Form der zwischenmenschlichen Kommunikation lässt sich allerdings nur dort vollziehen, wo der Sender bzw. Träger die Möglichkeit hat verständliche und Signale zu senden und diese ihm eindeutig zugeordnet werden können. Gegenstände, wie Nägel oder Mülltüten können mit weder vom Sender mit einer verständlichen Massage versehen werden, noch können diese Gegenstände bei den Adressaten, d.h. einem Gegenüber, als Ausdrucksform des Sender wieder erkannt werden. Anders als beim Irokesenschnitt ist die Benutzung einer farbigen Mülltüte modisch irrelevant.

Schnierer übte Kritik an dem Verständnis des Begriffes der Mode nach König. Demnach würde König in seiner Definition der Mode nicht ausreichend auf das zeitliche Element der Mode, den Wandel, eingehen. Schnierer sieht gerade in der

Kurzfristigkeit von Modeentwicklungen, ihren eigentlichen Charakter. König dagegen bezieht in seine Definition der Mode die Entwicklung d.h. auch einen Wandel völlig unanhängig von einer zeitlichen Dimension mit ein. Schnierer macht darauf aufmerksam, dass der in diesem Sinne verstandene Begriff der Mode leicht mit anderen Begriffen wie Tradition, Stil, Sitte etc. korrelieren kann.[18]

Dieser Einwand von Schnierer ist zweifelsfrei außerordentlich wichtig bei richtiger Einordnung der königschen Modedefinition. Dadurch, dass König eine zeitliche Dimension in seiner Definition außer Acht lässt und jegliche Formen von Neuerungen unabhängig von ihrer Kurz- oder Langfristigkeit in den menschlichen Äußerungsformen, als Mode anerkennt. Eine gewisse Unschärfe liegt König im Gegensatz zu den anderen Modesoziologen bestimmt inne. Dies wird auch deutlich in den modischen Aspekten die König theoretisch aufarbeitet. Zu solcher Mode zählt König z.B. die über Jahrhunderte entstehenden Manieren.[19]

Wie bereits aus der Definition von König herauszulesen war, ist der Begriff der Mode nach König erheblich weiter angelegt, als der seiner Kollegen. König geht bei seiner Definition zurück auf die Sozialpsychologie Mausses und verleiht der Mode einen eng an die menschliche Psyche gebundenen Charakter, der unabdingbar mit der menschlichen Zivilisation verbunden ist. Keines der Definitionsaspekte von Simmel oder Schnierer wird in diesem Zusammenhang negiert oder sogar angezweifelt.

Dabei trennt Simmel die wandelbare Mode von der auf Dauerhaftigkeit angelegten Ich-Wahrnehmung des Menschen.

„Es ist der Mode zwar wesentlich, dass sie alle Individuen über einen Kamm schert; allein doch immer so, dass sie nie den ganzen Manschen ergreift, sie bleibt ihm doch immer etwas Äußerliches, und zwar selbst auf Gebieten jenseits bloßer Kleidermoden; denn die Form der Veränderlichkeit, in der sie sich ihm bietet, ist doch unter allen Umständen ein Gegensatz gegen die Beständigkeit des Ichgefühles, ja dieses letztere muss gerade an diesem Gegensatz sich seiner relativen Dauer bewusst werden, nur an diesem Dauerndem kann die Veränderlichkeit jener Inhalte sich überhaupt als Veränderlichkeit zeigen und Ihren Reiz entfalten.“[20]

In der Forschung Königs werden diese Ebenen sogar später aufgenommen und erweisen sich als Stützen zur Darstellung von Ausdrucksformen der Mode. Nichtsdestotrotz umgeht König diese auf einzelne Aspekte reduzierte Form der Definition der Mode. Es muss betont werden, dass der königsche Begriff der Mode ein sehr weiter Begriff ist. Er stößt in die elementaren Bereiche des Menschlichen vor. Er schreibt sogar, dass “… das Reich der Mode allumfassend.“[21] ist. „Nichts kann sich ihrem Zugriff entziehen, das jemals in den Bereich menschlichen Handels eintritt.“[22]

Dabei bezieht sich König einmal auf den Ursprung der Mode, den er als psycho-sozialen „Auslöser“ kennzeichnet und auf die Entwicklung der Mode, die unter wirtschaftlichen und kulturellen Bedingungen als „Verstärker“ der Mode wirkt.[23]

In eben dieser Unterteilung nach Mode- Ursprüngen und -Verstärkern liegt eine Besonderheit des königschen Modebegriffes, der zwar ein einheitlicher Begriff jedoch gleichzeitig seine Verwurzelung in der Sozialpsychologie hat und sichtbar bzw. wahrnehmbar wird durch die Aspekte der Wirtschaft und Kultur.

1.2.2 Der Begriff: Modetheorie

Der für die Soziologie verbindliche Modebegriff greift auf die Wesensmerkmale der Mode als regelmäßig wandelbares Phänomen zurück. Innerhalb der Modetheorie werden genau diese Wesensmerkmale der Mode aufgenommen und in der für theoretische Auseinandersetzungen typischen abstrakten Form erforscht. Dazu gehört das Einordnen unter bereits feststehende Oberbegriffe, Kennzeichnung und Beobachtung von Entwicklungen bzw. Mustern, Vergleiche und Herleitungen.

Hinsichtlich des derzeitigen Standes der Modetheorie bemängelt Schnierer, dass es bis dato nicht zu einer eindeutigen Klassifizierung der gängigen Modetheorien gekommen ist hinsichtlich der Unterscheidung nach Modewandel und Modeausbreitung.[24]

„Bei der Betrachtung der gängigen Aufzählungen und Kurzcharakterisierungen der Modewandelstheorien fällt auf, dass da häufig Ansätze miterfasst sind, die mit Modewandel nichts zu tun haben, weil sie sich ausschließlich mit der Frage nach der Modeausbreitung beschäftigen.“[25]

Für die hier benötigte Definition der Modetheorie wird auch die Definition der Modetheorie von Röstel zurückgegriffen, die sich auf die Erforschung des Wesens, Entstehens und Wirkens von Mode konzentriert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1.: Modetheorie, In: Röstel, a.a.O., S. 22

Röstel unterscheidet also zuerst nach Modetheorien die als Theorie der Mode und modische Theorien bezeichnet werden. Modische Theorien werden in der vorliegenden Arbeit nicht benötigt, sondern der als Theorie der Mode definierte Teil des Obergriffes der Modetheorie. Darunter fallen, wie von Schnierer bereits kritisiert, zu selten auseinander definierte Begriffe des Modewandels und der Modeausbreitung. Im Begriff Modewandel stecken erneut zwei unzureichend voneinander abgrenzbare Begriffe der Dynamik des Wandels und der inhaltlichen Veränderung. Eine Abgrenzung eben dieser Begriffe ist beinahe unmöglich, daher wird sie in den gängigen wissenschaftlichen Werken kaum gemacht.[26] Die schwierige Handhabe einer Abgrenzung dieser Begriffe wird im Folgenden an einem Beispiel veranschaulicht:

Im unserem Beispiel heißt der Ursuchungsgegenstand: Wandel der Haarlänge bei Kindern. Bei der reinen Dynamik des Wandels wird gefragt warum bleibt eine Haarlänge bei Kindern ein Jahr lang modern und nicht zehn? Bei der inhaltlichen Veränderung des Wandels wird gefragt, warum einmal Kurzhaarfrisuren und ein anders Mal Langhaarfrisuren bevorzugt werden.

Möchten wir diesen Fragen nachgehen werden wir zwangläufig beide Fragen beantworten, egal für welche wir uns entscheiden. Beantworten wir die Dynamik der Veränderung werden wir inhaltlich argumentieren und Gründe wir Veränderungen angeben. Werden wir dagegen inhaltliche Angaben zum Wandel der Frisuren machen, werden wir gleichzeitig begründen, warum jene Haarlänge länger modisch war als die Andere.

Ähnliche Abgrenzungsprobleme gibt es auch bei den Begriffen des Modewandels und der Modeausbreitung. Bei der Modeausbreitung stellt sich die Frage nach der Person, die den Wandel einführt und erfasst, wer wird sie übernehmen? Auch herbei werden wir bei der Beantwortung dieser Frage nicht um den Gegenstand des eigentlichen Modewandels kommen. Zwangläufig wird der eigentliche Wandel erwähnt und zumindest kurz beschrieben werden müssen, um entsprechend seine Ausbreitung erklären zu können.

Auch König gehört zu jenen Modetheoretikern, auf die die Kritik Schnierers zutrifft. König verwebt die Begriffe des Modewandels und seiner Ausbreitung ebenso, wie der Dynamik des Wandels und deren inhaltlicher Begründung.

Des Weiteren soll gerade die zum Oberbegriff Theorie der Mode dazugehörige Definition für die anschließende wissenschaftliche Arbeit als die am zutreffensten formulierte Beschreibung der Modetheorie gelten. Das liegt begründet einerseits in ihrer soziologisch-methodischen Eignung, andererseits erlaubt gerade diese Definition der Modetheorie eine genaue Darstellung der Modetheorie von Rene König, dessen Modesoziologie gerade an den Ursprüngen der Mode ansetzt, ihr Wesen kennzeichnet und schließlich die sichtbaren Auswirkungen begründet und veranschaulicht.

[...]


[1] Vgl. Alemann von, Heine (1992): Lebensdaten/Leben und Werk. Stichworte zur Bibliographie Rene Königs. In: Rene König. Gesamtverzeichnis der Schriften. In der Spiegelung von Freunden Schülern, Kollegen. Opladen. S. 11

[2] Vgl. ebd., S. 19

[3] Vgl. ebd., S. 12

[4] Vgl. Alemann, a.a.O., S. 19f

[5] Vgl. ebd., S. 20

[6] Vgl. ebd., S. 20f

[7] Vgl. ebd., S. 21

[8] Vgl. Alemann, a.a.O., S. 21f

[9] Vgl. ebd., S. 22

[10] Vgl. Röstel Daniela (2007): Moden unter besonderer Berücksichtigung der Rolle der Neuheit – Am Beispiel der Bekleidung. Kassel. S. 22

[11] Vgl. Röstel, a.a.O., S. 22

[12] Zit. König, René (1989): Unter und über der Haut. Die Mode als soziales Totalphänomen. In: Böhm, Thomas / Lock, Birte / Streicher Thomas (Hrsg.). Die zweite Haut: über Moden. Reinbek bei Hamburg: Rowohlt. S. 113

[13] Vgl. Nothegger, Claudia (2004): Mode & Webdesign. Ein Vergleich am Beispiel der VOGUE, Diplomarbeit, durchgeführt an der FH Vorarlberg, Studiengang InterMedia. Dornbirn: Juni 2004. URL: http://www2.staff.fh-vorarlberg.ac.at/~kw/alumnidiploma/work_cn/theorie_screen.pdf (Download: 13. 10. 2007). S. 14

[14] Zit. Simmel, Georg (2000): Philosophie der Mode, Die Religion,

Kant und Goethe, Schopenhauer und Nietzsche. Gesamtausgabe Band 10. 2.Aufl . Frankfurt am Main: Suhrkamp. S. 17

[15] Vgl. Nothegger, a.a.O., S. 14f

[16] Vgl. ebd., S. 15

[17] Zit. Wiswede, Günter: Theorien der Mode aus soziologischer Sicht. In: Marketing-Soziologie. Specht/Wiswede (Hrsg.). Berlin 1976. S. 395

[18] Vgl. Röstel, a.a.O., S. 12f

[19] Vgl. König, René (1999): Menschheit auf dem Laufsteg. Die Mode als Zivilisationsprozess. Opladen . S. 137

[20] Zit. Simmel, Mode, a.a.O., S. 25

[21] Zit. König, Laufsteg, a.a.O., S. 43

[22] Zit. ebd., S. 43

[23] Vgl. ebd., S. 34

[24] Vgl. Schnierer, Thomas (1995): Modewandel und Gesellschaft. Die Dynamik von „in“ und „out“. Opladen: Leske + Budrich. S. 126f

[25] Zit. Schnierer, a.a.O., S. 127

[26] Vgl. Röstel, a.a.O., S. 22

Ende der Leseprobe aus 54 Seiten

Details

Titel
Rene König als Modesoziologe
Note
2
Autor
Jahr
2007
Seiten
54
Katalognummer
V92237
ISBN (eBook)
9783638060790
Dateigröße
824 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Rene, König, Modesoziologe
Arbeit zitieren
Aleksandra Fedorska (Autor:in), 2007, Rene König als Modesoziologe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92237

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