Anthony Downs

Zur Ökonomie des Wählens


Hausarbeit (Hauptseminar), 2007

22 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

I. Einleitung

II. Rational-Choice-Theorie

III. Die ökonomische Theorie der Demokratie

IV. Die Grenzen der Rational-Choice-Theorie

V. Das Paradox des Nichtwählens

VI. Lösungsansätze des Wahlparadoxons
VI.I. Anthony Downs
VI.II. William Riker und Peter Ordeshook
VI.III. Thomas R. Palfrey und Howard Rosenthal
VI.IV. Alexander Schuessler, Geoffrey Brennan und Loren Lomasky

VII. Resümee

VIII. Literaturverzeichnis

I. Einleitung

Die Empörung war groß, als Richard von Weizäcker in seiner Eigenschaft als deutscher Bundespräsident 1992 den Parteien und Politkern vorwarf, (…) machtversessen auf den Wahlsieg und machtvergessen bei der Wahrnehmung der inhaltlichen und konzeptionellen politischen Führungsaufgabe“ zu sein.[1] Und spätestens seit der CDU-Spendenaffäre dürfte deutlich sein, dass das auch stimmt. Liest man Anthony Downs „An Economic Theory of Democracy” wird schnell deutlich, dass es sich hier nicht um eine anachronistische These aus den Anfängen moderner Politikwissenschaft handelt, sondern diese Schrift einen funda-mentalen staatsrechtlichen Grundsatz falsifiziert: „Die durch das Amt definierte und disziplinierte Staatsgewalt richtet sich ausschließlich aus auf das Wohl des staatlich verfaßten Volkes (...) . Sie ist resistent gegen den Eigennutz der Amtsinhaber wie gegen Gruppen-interessen (...).“[2] Eine Aussage, die ins Zentrum der Überlegungen des amerikanische Wirtschafts- und Politikwissenschaftler Downs geht, der mit seinem Modell rationales Verhalten in der Politik - freilich von einem ökonomischen Standpunkt aus - zu erklären versucht.

Um jedoch Downs Argumentation folgen zu können und seine Schlüsse zu verstehen, ist es nötig, sich zunächst mit den Annahmen zu befassen, die seinen Modellen zu Grunde liegen. So gilt seine 1957 publizierte Schrift “An Economic Theory of Democracy” als eine der grundlegenden Beiträge in der Rational-Choice-Forschung.[3] In seinem Buch untersucht er, wie sich Wähler und Parteien verhalten, wenn man sie als Anbieter und Nachfrager betrachtet.[4] Downs selbst schreibt in der Einleitung zu seinem Text, er wolle „Verhaltensregeln für eine demokratische Regierung“ aufstellen, da bis zu dem Zeitpunkt der Niederschrift seiner Arbeit noch niemand derartige Regeln verfasst habe, sich jedoch schon viele mit dem Verhalten von Konsumenten und Produzenten beschäftigt hätten.[5] Hier sieht Downs ein Defizit, welches er beheben möchte, jedoch ohne vorzugeben alle Probleme lösen zu können.

Bereits zu Beginn der „Ökonomischen Theorie der Demokratie“ legt Downs das Ziel seiner Untersuchung eindeutig fest: „Die vorliegende Arbeit ist ein Versuch, derartige [Anm.: generalisierte und doch realistische] Verhaltensregeln für eine demokratische Regierung aufzustellen und die durch sie implizierten Schlussfolgerungen zu entwickeln.“[6] Hierzu übertrug er das von Hotelling 1929 in "Stability in Competition" entwickelte Modell einer räumlichen Ökonomie auf die Politik und zwar mit der Zielformulierung, dadurch jegliche politische Theorie vorhersehbar werden zu lassen. Schon im Ansatz also sollen die in der demokratischen Politik ablaufenden Prozesse den Naturwissenschaften respektive Wirtschaftswissenschaften analog in ein abstraktes Konstrukt eingeordnet werden. Die Zielsetzung ist also die des Wirtschaftswissenschaftlers, der die Demokratie als zentrales politisches Willenskonglomerat in die bestehende Wirtschaftstheorie integriert und dement-sprechend der Ökonomie gemäße Verhaltensregeln auf demokratische Regierungen übertragt, die jenen gleichen, „(…) die traditionsgemäß für rationale (…) Produzenten aufgestellt werden.“[7] Demokratische Politik wird also als das Produkt eines Marktprozesses verstanden: „Für die Rollenverteilung in einem solchen Marktmodell ergibt sich: Der Wähler ist eine Art Konsument von Politik. (…) Wer sich auf einem Markt etwas kaufen will, muß dafür bezahlen. Der Preis, den der Wähler zu entrichten hat, ist seine Stimme. Er tauscht seine Stimme gegen bestimmte glaubhafte Lieferungsversprechen eines politischen Unternehmers.[8] Der Duktus der Aussagen zielt klar auf die nutzenmaximierende Rationalität der Akteure, denn nur rational handelnde Menschen können ökonomisch handeln und - so jedenfalls postuliert Downs - politisch handeln.[9]

Diese Arbeit verfolgt mehre Erörterungsziele, die jedoch im letzeren - dem sogenannten Paradox des Nichtwählens - kulminieren sollen. Zum einen soll der schon unterbreitete knappe Abriss der Downschen Theorie tiefergehend erläutert und diskutiert werden. Zu diesem Zweck sollen die Grundzüge des Rational-Choice-Ansatzes darlegt werden, um einen Überblick über das Downs zugrunde liegende Forschungsprogramm zu geben. Im Anschluss daran sollen die wesentlichen Teile der „Ökonomischen Theorie der Demokratie“ herausgearbeitet werden, um damit gleichzeitig die Grundlage zu schaffen, die Schwäche derselben aufzuzeigen. Hieran sollen sich dann ausgewählte Lösungsansätze für das sogenannte Wahlparadoxon aus der auf Downs´ Theorie bezugnehmenden Forschungs-literatur anschließen.

II. Rational-Choice-Theorie

Der Grundgedanke des Rational-Choice-Ansatzes (künftig mit RC abgekürzt) geht auf den schon genannten Harold Hotelling zurück, der 1929 erstmals eine Parallele zwischen dem Wettbewerb in der Marktwirtschaft um Konsumenten und dem Wettbewerb der Parteien um Wählerstimmen zog.[10] Dieser Gedanke wurde von Joseph Schumpeter in seinem Werk “Capitalism, Socialism and Democracy“ von 1942 aufgegriffen.[11] Danach folgten Arrows, Downs[12] und Olson als wichtigste Entwickler des RC-Ansatzes. Darüber hinaus wurde die RC-Theorie in zahlreichen Publikationen bis heute stetig weiterentwickelt, wobei vor allem Probleme von bereits bestehenden Ansätzen gelöst werden sollen. Eindeutig ist auch, dass es nicht die Rational-Choice-Theorie schlechthin gibt, sondern viele verschiedene Theorien, die alle bestimmte Gemeinsamkeiten und Grundannahmen beinhalten, die sie zu RC-Theorien machen.[13]

Wichtigster gemeinsamer Nenner ist die grundsätzliche Annahme des homo oeconomicus.[14] Dieser Akteur handelt, dem Namen der Theorie entsprechend, rational[15] und zwar in dem Sinne, dass er Entscheidungen immer unter dem Aspekt der eigenen Nützlichkeit und niemals unter dem Aspekt eines allgemeinen Altruismus oder der reinen Solidarität trifft. Hierzu lassen sich mehre Annahmen formulieren:

(1) Zielgerichtetes Handeln: Die Annahme, dass die Akteure Ziele verfolgen, ist unter den Vertretern des RC-Ansatzes allgemein anerkannt.[16] Sie haben Bedürfnisse, die es zu erfüllen gilt. Das Handeln der Akteure orientiert sich einzig an dem Willen seine Ziele zu erreichen, was jedoch nicht bedeutet, dass seine Ziele auch unbedingt egoistischer Natur sein müssen.[17] Ebenso müssen die Ziele, die ein Akteur verfolgt, nicht unbedingt objektiv rational sein.[18] Wichtig ist immer nur der individuelle Nutzen, den eine Person aus einem bestimmten Sachverhalt zieht oder zu ziehen glaubt.[19]
(2) Nutzenmaximierung: Der rational handelnde Akteur entscheidet sich immer im Sinne seiner eigenen Nutzenmaximierung. Diese entspricht der Gewinnmaximierung in der Wirtschaftswissenschaft, übertragen auf den Nutzen des Akteurs. Das Prinzip der Nutzen-maximierung ist grundlegend für die RC-Theorie und bedeutet kurz, dass die Akteure so handeln, dass sie „(…) ihre Ziele in höchstmöglichem Maße realisieren.“[20] Green/Shapiro drücken das wie folgt aus: „To say that a person maximizes utility is to say that when confronted with an array of options, she picks the one she believes best serves her objectives.”[21] Sollte also ein Akteur vor eine Entscheidungssituation mit mehreren Optionen gestellt werden, wählt er diejenige der zur Verfügung stehenden Optionen, die seine Ziele am ehesten verwirklicht und damit den maximalen Nutzen für ihn einbringt.[22]
(3) Präferenzen: Um eine differenzierte Entscheidung zwischen mehreren Optionen treffen und somit den Nutzen maximieren zu können, ist es nötig eine sogenannte Präferenzordnung aufzustellen.[23] Der Akteur ordnet dabei seine Optionen so, „(...) dass jede im Hinblick auf jede andere entweder vorgezogen wird oder indifferent oder weniger wünschenswert ist.“[24] Weiterhin muss diese Präferenzordnung transitiv sein, ebenso wie die Optionen generell miteinander vergleichbar sein müssen, um in ein und dieselbe Präferenzordnung aufgenommen zu werden. Darüber hinaus sind die Präferenzen der Akteure über die Zeit stabil.[25] Somit ist die Entscheidung, die höchste Option in der Präferenzordnung zu wählen, die einzig rationale.

[...]


[1] Zitiert nach: von Arnim, H. H.: Fetter Bauch regiert nicht gern. Die politische Klasse - selbstbezogen und abgehoben. München 1997. S. 17.

[2] Vgl. dazu: Isensee, J. zitiert nach: Arnim: S. 59.

[3] Deutlich wird das Gewicht der Arbeit von Downs auch in Anbetracht der Tatsache, dass nach ihrer Veröffent-lichung 1957 die Zahl der Publikationen im Zusammenhang mit der Rational-Choice-Theorie, beispielsweise in der American Political Science Review, stetig anstieg. Vgl. dazu Green, D./Shapiro, I.: Pathologies of Rational Choice Theory. New Haven/London 1994. S.2 u. 3 und S. 7.

[4] Vgl. Behnke, J.: Die politische Theorie des Rational Choice: Anthony Downs. In: Politische Theorien der Gegenwart II. Hrsg. von Andre´ Brodocz und Gary S. Schaal. Opladen 2001. S. 434.

[5] Siehe. Downs, A.: Ökonomische Theorie der Demokratie. Tübingen 1968. S.3.

[6] Siehe Downs: S. 3.

[7] Siehe ebda.

[8] Siehe Wiesendahl, E.: Moderne Demokratietheorie. F/M 1981. S. 76.

[9] Es geht Downs bei diesem Rationalitätsbegriff jedoch nicht um den Erfolg des Handelns, sondern lediglich um die Handlungsprozesse, so dass rationales Verhalten nicht weiter auf alle Ebenen der Persönlichkeit des Einzel-nen bezogen wird, sondern sich nur auf bestimmte Aspekte und Zwecke des Handelns bezieht.

[10] Vgl. Green/Shapiro: S. 1.

[11] Hier werden Parteien mit um die Marktherrschaft kämpfenden Firmen verglichen.

[12] Vgl. Beyme, v., K.: Die politischen Theorien der Gegenwart. Wiesbaden 2000. S.136.

[13] Zu nennen sind hierbei Pioniere wie: „Mancur Olson (1968), Gary S. Becker (1982), John C. Harsanyi (1976), James S. Coleman (1991), Raymond Boudon (1977) und Robert Axelrod (1987)“ Siehe Diekmann, A. /

Voss, T.: Die Theorie rationalen Handelns. Stand und Perspektiven. In: dies. (Hrsg.). Rational-Choice-Theorie in den Sozialwissenschaften. Anwendungen und Probleme. München 2004. S. 13-29. S.13.

[14] Vgl. Behnke: S. 434.

[15] Rationalität ist bei Rational Choice nicht normativ zu verstehen, hat also keinen ethischen Aspekt, sondern meint, dass das Individuum diejenige Handlungsalternative auswählt, die nach Kalkulation von Kosten und Nutzen am besten der Präferenzordnung entspricht.

[16] Vgl. Mensch, K.: Die segmentierte Gültigkeit von Rational-Choice-Erklärungen. Opladen 1999. S.76 ff..

[17] Vgl. Kunz, V.: Rational Choice. F/M 2004. S. 11.

[18] Vgl. Downs, A.: Die ökonomische Theorie der Demokratie. Tübingen 1968. S.4 ff..

[19] So kann es für einen Akteur von großem persönlichem Nutzen und somit rational sein, wenn seine Regierung mehr Steuern erheben würde, um Essen an hungernde Menschen zu verteilen, obwohl er dadurch erhöhte Kosten hätte. Dies ist einfach dadurch zu begründen, dass Wohltätigkeit für manche Menschen einen sehr großen Wert haben kann, deren Nutzen die finanziellen Kosten überwiegt. Vgl. Downs: S. 36.

[20] Siehe Kunz: S. 36.

[21] Siehe Green/Shapiro: S. 14.

[22]Damit die Maximierung seines Nutzens garantiert ist, muss es sich jedoch um eine Situation der Sicherheit handeln, was bedeutet, dass die gewählte Option in jedem Fall eintritt und der Akteur muss vollständig über die Umstände, die seine Entscheidung betreffen informiert sein. Nur unter diesen Umständen kann der Akteur die Resultate seiner Handlungsmöglichkeiten vollständig überblicken.“ Siehe dazu: Mensch: S. 84. Ist dies nicht der Fall und geht es um eine Entscheidung unter Risiko mit unvollständiger Information, so kann der Akteur nur Wahrscheinlichkeiten für die Resultate seiner Handlungsmöglichkeiten angeben. Doch auch in diesem Fall vergleicht der Akteur den Nutzen der erwarteten Resultate und sucht den erwarteten Nutzen zu Maximieren. Vgl. dazu Green/Shapiro: S. 15ff..

[23] Vgl. ebd.: S. 80.

[24] Siehe Downs: S. 6.

[25] Downs meint, dass ein Akteur, der mehrmals unter denselben Bedingungen vor den gleichen Alternativen steht, immer dieselbe Entscheidung trifft. Als fundamental ist in Bezug auf die Präferenzordnungen anzusehen, dass der Akteur immer die am höchsten stehende Option in seiner Präferenzordnung wählt, da diese ihm den höchsten erwarteten Nutzen einbringt.Vgl. Green/Shapiro: S. 16.

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Details

Titel
Anthony Downs
Untertitel
Zur Ökonomie des Wählens
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Seminar für Wissenschaftliche Politik)
Veranstaltung
Demokratietheorien
Note
2
Autor
Jahr
2007
Seiten
22
Katalognummer
V92299
ISBN (eBook)
9783638061070
ISBN (Buch)
9783638956666
Dateigröße
514 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Anthony, Downs, Demokratietheorien
Arbeit zitieren
David Liebelt (Autor:in), 2007, Anthony Downs, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92299

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