Squeeze-Out und die Kompensation der Minderheitsaktionäre. Eine ökonomische Analyse


Term Paper, 2019

31 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

1 Einleitung

2 Begriffliche und theoretische Grundlagen
2.1 Squeeze-Out
2.2 Umstände des Ausschlussverfahrens
2.3 Anwendungsformen

3 Ökonomische Analyse
3.1 Vorteilhafte Konsequenzen eines Squeeze-Outs
3.2 Gegeneffekte, Probleme und Bedenken
3.3 Angemessenheit der Kompensation für Minderheitsaktionäre
3.4 Anschließende wirtschaftliche Entwicklung der Unternehmen

4 Fazit

Literaturverzeichnis

Kurzfassung

Das Squeeze-Out-Verfahren bestimmt den Ausschluss der Beteiligung von Minderheitsaktionären an einem Unternehmen. Besonders der aktienrechtliche Ausschluss wird vermehrt in Deutschland angewandt. Diese Arbeit erörtert neben möglichen Vorteilen für den Mehrheitsaktionär ebenfalls nachteilige Konsequenzen des Minderheitsaktionärs. Für den Mehrheitseigner sind Kosteneinsparungen und die Entledigung von „Störenfrieden“ relevant, während die Minderheitseigner monetaristische Auswirkungen sowie den Verlust der Teilhabe befürchten müssen. Vor diesem Hintergrund wird der Fokus auf die Untersuchung der ökonomischen Parameter gelegt. Ziel ist es zu belegen inwiefern die Minderheitsaktionäre angemessen entschädigt werden. Hierzu werden stichprobenartig Kennzahlen von drei deutschen Unternehmen untersucht: CinemaxX AG / GmbH, REpower Systems AG / SE und Triumph-Adler AG / GmbH. Die Beobachtung der Aktienkurse stellt positive Auswirkungen des Verdrängungsverfahrens dar. In acht der neun beobachteten Zeiträume wird ein positiver Einfluss bezüglich des vorherigen Aktienkurses und der Abfindungszahlung festgestellt. In Relation zur Entwicklung des Vergleichsindex bestätigt sich somit die vorteilhafte Auswirkung von Squeeze-Outs. Die Aussicht auf hohe Abfindungszahlungen hat einen Berufszweig von professionellen Mehrfachklägern entstehen lassen. Auch deshalb wird eine Großzahl der Abfindungsangebote angefochten, sodass die Angemessenheit juristisch geregelt werden muss. Meist wird den verdrängten Teilhabern eine Aufbesserung zugesprochen. Die Analyse der weiteren Unternehmensentwicklung zeigt, dass nachträgliche Entschädigungszahlungen in den betrachteten Fallbeispielen zurecht eingefordert wurden.

Abkürzungsverzeichnis

AG Aktiengesellschaft

AktG Aktiengesetz

EBIT earnings before interest and taxes (operatives Ergebnis vor Zinsen und Steuern)

e.V. eingetragener Verein

GmbH Gesellschaft mit begrenzter Haftung

HV Hauptversammlung

KGaA Kommanditgesellschaft auf Aktien

OLG Oberlandesgericht

SE Societas Europaea (Europäische Aktiengesellschaft)

SDAX Small-Cap-DAX (deutscher Aktienindex)

WpÜG Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetz

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Ablauf des aktienrechtlichen Squeeze-Outs

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Gegenüberstellung der Squeeze-Out-Formen

Tabelle 2: Übersicht der Mehrfachkläger nach Personenart

Tabelle 3: Performance-Übersicht CinemaxX AG

Tabelle 4: Performance-Übersicht REpower Systems AG

Tabelle 5: Performance-Übersicht Triumph-Adler AG

Tabelle 6: Unternehmenskennzahlen CinemaxX AG / GmbH

Tabelle 7: Unternehmenskennzahlen REpower Systems AG / SE

Tabelle 8: Unternehmenskennzahlen Triumph-Adler AG / GmbH

1 Einleitung

Im Januar 2002 ist in Deutschland das „Gesetz zur Regelung von öffentlichen Angeboten zum Erwerb von Wertpapieren und von Unternehmensübernahmen“ (WpÜG) in Kraft getreten. Dem sogenannten aktienrechtlichen Verdrängungsverfahren folgten 2006 das übernahmerechtliche sowie 2011 das umwandlungsrechtliche Ausschlussverfahren. Diese ermöglichen dem Mehrheitsaktionär einer Kapitalgesellschaft in einem vorgegebenen Ablauf, eine geringe Anzahl von verbliebenen Aktionären aus dem Unternehmen zu drängen. Als Entschädigung ist eine Abfindung zu zahlen.1 Die vorhandene Gesetzeslage hat zu einer Vereinfachung des Ausschlusses von Minderheitsaktionären geführt, was in der Fachsprache als Squeeze-Out bezeichnet wird. Die Begrüßung solcher Regelungen belegt die intensive Nutzung in der Praxis nach Inkrafttreten des aktienrechtlichen Ausschlussverfahrens in den Jahren 2002 mit 106 und 2003 mit 53 Prozessen. Anschließend hat sich die jährliche Anzahl der Verfahren bis 2011 zwischen 15 und 27 eingependelt.2

Die hohe Anzahl von 83 Prozent an Anfechtungen der gezahlten Barabfindung (268 von 324 Squeeze-Outs) lässt einen Nachteil zu Lasten der Minderheitsaktionäre vermuten.3 Um dem entgegen zu wirken, hat der Gesetzgeber im deutschen Rechtsraum Institutionen geschaffen. Diese sollen die Rechtssicherheit der Minderheitsaktionäre durch Anfechtungsmöglichkeiten von Hauptversammlungsbeschlüssen oder durch Überprüfung der gezahlten Abfindung sicherstellen. Die flexible Auslegung der rechtlichen Regelungen durch Aktionäre, die lediglich wirtschaftliches Interesse an einer möglichen Klage besitzen, ist als negative Folge zu bewerten.4

Die Abhandlung untergliedert sich neben der Einleitung in die notwendigen theoretischen Grundlagen, welche in der Definition des Squeeze-Outs (Kapitel 2.1), des Aufzeigens der Umstände beim Ausschlussverfahren (Kapitel 2.2) sowie der verschiedenen Anwendungsarten (Kapitel 2.3) untergliedert sind. Anschließend werden mithilfe der ökomischen Analyse die Auswirkungen für Minderheitsaktionäre herausgestellt. Hierfür werden die vorteilhaften Konsequenzen eines Squeeze-Outs (Kapitel 3.1) sowie dessen Nachteile (Kapitel 3.2) durchleuchtet. Nachfolgend wird die bezweifelte Angemessenheit der Abfindung für Minderheitsaktionäre durch eine Gegenüberstellung des Abfindungsangebots zum Unternehmenswert geprüft (Kapitel 3.3). Die Entwicklung der untersuchten Unternehmen, soll Aufschluss über die vermuteten vorteilhaften Konsequenzen der Mehrheitsaktionäre geben (Kapitel 3.4). Das Fazit schließt die Untersuchung mit einer Schlussbetrachtung ab (Kapitel 4).

2 Begriffliche und theoretische Grundlagen

Für eine vollständige Betrachtung des Themengebiets ist es notwendig die wichtigsten fachlichen Begriffe zu definieren und abzugrenzen. Um die Auswirkungen der Verfahren nachvollziehen zu können, bedarf es die Umstände des Ausschlussverfahrens zu untersuchen sowie die verschiedenen Ausschlussverfahren gegenüberzustellen. Aufgrund der verschiedenen internationalen Besonderheiten wird wegen der anvisierten Klarheit und Feinheit der Arbeit im Folgenden die deutschen Gesetzesregelungen untersucht.

2.1 Squeeze-Out

Die englische Wortkombination aus „squeeze“ und „out“ bedeutet in die deutsche Sprache übersetzt „ausquetschen“, „ausdrücken“ oder „auspressen“. Als Übersetzung im deutschen Finanz-Sprachgebrauch hat sich „Ausschluss“ etabliert. Gemeint ist der Prozess zum Ausschluss von Minderheitsaktionären.5 Durch Beschluss des Mehrheitsaktionärs kann dieser Anteile der Minderheitsaktionäre gegen deren Willen erwerben.6 Als Entschädigung ist eine angemessene Abfindung zu zahlen, welche durch eine, vom Mehrheitsaktionär bestellten, Wirtschaftsprüfungsgesellschaft festgelegt wird. Zudem ist die Sicherstellung der Abfindung zu gewährleisten.7 Beweggrund der Bundesregierung für die Integration der gesetzlichen Regelung ist die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit von deutschen Unternehmen, da Minderheitsaktionäre einen erheblichen Kostenaufwand erzeugen. Ökonomisch macht es häufig kaum Sinn, weiterhin Minderheiten in Kapitalgesellschaften zu dulden. Ein Börsenrückzug der Unternehmen ist anschließend oftmals die Folge. Weiterhin wird eine Anpassung an internationale Standards ermöglicht. Ebenfalls soll der Schutz der Unternehmen vor Anteilseignern, die aktiv versuchen, die Unternehmensführung zu behindern und ihnen finanzielle Zugeständnisse abzuverlangen, durch die Gesetzeslage verhindert werden.8

2.2 Umstände des Ausschlussverfahrens

Ein Squeeze-Out kann nur durchgeführt werden, sofern ein Unternehmen von einem Großaktionär kontrolliert wird. Die Mindestbeteiligung für einen Ausschluss von Minderheiten liegt je nach Ausschlussverfahren zwischen 90 und 95 Prozent des Grundkapitals. Unterschieden wird hierbei, welche Anteile sich im direkten oder indirekten Eigentum befinden. So werden beispielsweise von beherrschten Tochterunternehmen gehaltene Aktien differenziert zugerechnet.9 Das Bevorstehen eines rentablen Abschnitts im Unternehmenszyklus und der damit verbundenen Beteiligung von Minderheitsaktionären ist ebenfalls Grund für eine Verdrängung. Ein weiterer Umstand ist der zunehmende Kostendruck, besonders ausgeprägt in Branchen mit hoher Wettbewerbsdichte. Studien der Professoren Croci, Ehrhardt und Nowak (2013) zeigen, dass positive Aktienkursentwicklungen die Wahrscheinlichkeit für einen Squeeze-Out erhöhen. Die Entwicklung der operativen Performance ist hierbei gegenläufig.10 Wiederum sind deutsche Mehrheitsaktionäre im Vergleich zu ausländischen Mehrheitsaktionären eher bereit, die Kosten für die Börsennotierung des Unternehmens und den Umgang mit einigen wenigen Teilhabern zu übernehmen. Die Größe ist positiv mit der Wahrscheinlichkeit eines Squeeze-Outs verbunden, was bedeutet, dass größere Unternehmen häufiger ein Ausschlussverfahren anstreben. Diese Feststellung steht im Einklang mit der Tatsache, dass die mit einem Ausschluss verbundenen Fixkosten bei größeren Gesellschaften leichter zu tragen sind.11

2.3 Anwendungsformen

Die deutsche Rechtsordnung legitimiert derzeit drei verschiedene Verfahren Minderheitsaktionäre aus dem Unternehmen zu drängen.

Das Ausschlussverfahren mit der größten praktischen Bedeutung ist der im §§ 327 a ff. AktG geregelte aktienrechtliche Squeeze-Out.12 Voraussetzung für die Anwendung ist die Mehrheitsbeteiligung eines Aktionärs in Höhe von mindestens 95 Prozent (direkt oder indirekt) am Grundkapital der AG oder der KGaA.13 Einer sachlichen Begründung bedarf es, trotz des nachhaltigen Eingriffs in die Mitgliedschaftsrechte, nicht.14 Abbildung 1 beschreibt den Ablauf des aktienrechtlichen Squeeze-Outs, welcher von der Hauptversammlung bestätigt werden muss, durch eine Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eine angemessene Barabfindung festgesetzt werden muss und abschließend mit Eintragung im Handelsregister vollzogen wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Ablauf des aktienrechtlichen Squeeze-Outs15

Zusätzlich ist durch ein Kreditinstitut die Sicherstellung der Zahlungsfähigkeit mittels Garantieerklärung in Höhe der angebotenen Barabfindung zu gewährleisten. Ausgeschlossen ist beispielsweise eine Übertragung von anderen Gesellschaftsanteilen. Jeder Teilhaber kann mittels Anfechtungsklage die Wahrung der Rechtmäßigkeit von Hauptversammlungsbeschlüsse überprüfen lassen, um eine Übervorteilung von Minderheitsaktionären auszuschließen.16 Alternativ kann gerichtlich bis spätestens drei Monate nach Bekanntmachung der Eintragung die Angemessenheit der Abfindung mit dem sogenannten Spruchverfahren kontrolliert werden.17

Der übernahmerechtliche Squeeze-Out unterscheidet sich vom aktienrechtlichen Squeeze-Out nach § 39a bis 39c WpÜG.18 Ein bedeutsamer Unterschied der am 14.Juli 2006 in Kraft getretenen Norm ist die Zulassung des Landgerichts Frankfurt am Main als einzigen Gerichtsstand, an welchem Bieter den Antrag auf Ausschluss der übrigen Aktionäre stellen können. Voraussetzung ist, dass dem Mehrheitsaktionär nach Ende des Übernahme- oder Pflichtangebots mindestens 95 Prozent (direkt oder indirekt) des stimmberechtigten Grundkapitals der Zielgesellschaft gehören. Somit unterscheidet die Gesetzgebung zwischen Vorzugsaktien und Stammaktien. Zwar ist bei Vorzugsaktien eine höhere Dividendenzahlung als bei Stammaktien verbrieft, jedoch entfallen dafür die Stimmrechte. Außerdem muss das Ausschlussverfahren innerhalb von drei Monaten nach Ablauf der Annahmefrist gestellt werden. Der Verzicht auf Zustimmung eines, unter Anfechtungsrisiko stehenden Hauptversammlungsbeschluss, verkürzt das Verfahren erheblich.19 Eine angemessene Abfindung wird vermutet, sobald der Bieter 90 Prozent des vom Angebot betroffenen Grundkapitals erworben hat.20 Da ein Spruchverfahren nicht vorgesehen ist, kann der Minderheitsaktionär lediglich mithilfe einer sofortigen Beschwerde beim Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt am Main Rechtshilfe geltend machen.21 Der übernahmerechtliche Squeeze-Out spielt dennoch derzeit eine untergeordnete Rolle. Die Erfahrung aus der Vergangenheit zeigt, dass meist weder die für die Angemessenheitsvermutung erforderlich Annahmeschwelle in Höhe von 90 Prozent noch die benötigte Kapitalquote von 95 Prozent erreicht werden.22

Der umwandlungsrechtliche Squeeze-Out ist seit 15.07.2011 das dritte Verfahren in Deutschland, welches zum Ausschluss von Minderheitsaktionären legitimiert. Diese Art von Minderheitenausschluss unterscheidet sich vom aktienrechtlichen Squeeze-Out insbesondere darin, dass es lediglich bei Fusionen innerhalb einer Organschaft, also Verschmelzungen von Tochtergesellschaften, deren Grundkapital mindestens zu 90 Prozent einer übernehmenden Muttergesellschaft gehören, verwendet werden kann.23 Die Herabsetzung der notwendigen Beteiligungsquote von 95 Prozent auf 90 Prozent ist ein weiterer essentieller Unterschied. Für diese Erleichterung sind zwei zusätzliche Anforderungen zu erfüllen. Erstens müssen die übertragende sowie übernehmende Gesellschaft in der Rechtsform einer AG, KGaA oder einer inländischen SE tätig sein. Zweitens hat die Beteiligung in Höhe von 90 Prozent, anders als beim aktienrechtlichen Ausschluss, unmittelbar und direkt im Besitz des Hauptaktionärs zu sein. Drittens muss der Squeeze-Out im sachlichen und zeitlichen Zusammenhang mit der Verschmelzung stehen.24 Die zeitliche Vorgabe erfordert, den Verschmelzungsvertrag auf der Hauptversammlung der übertragenen Gesellschaft innerhalb von drei Monaten abzuschließen. Mit der Eintragung der Verschmelzung im Handelsregister wird der Squeeze-Out wirksam.25

Eine zusammenfassende Gegenüberstellung der drei Ausschlussverfahren von Minderheiten ist in Tabelle 1 dargestellt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Gegenüberstellung der Squeeze-Out-Formen26

3 Ökonomische Analyse

Nachdem die verschiedenen Squeeze-Out-Verfahren abgegrenzt sind, wird im folgenden Abschnitt der aktienrechtliche Ausschluss, aufgrund seiner hohen praktischen Bedeutung, fokussiert.27 Mit vorliegender ökonomischen Analyse sollen die Anreize und wirtschaftlichen Folgen für die beteiligten Parteien identifiziert werden. Ungeachtet davon können die aktienrechtlichen Vorschriften ebenfalls aus bewertungstechnischer Sicht im Kontext einer Übernahme oder Verschmelzung relevant sein.28

3.1 Vorteilhafte Konsequenzen eines Squeeze-Outs

Einer der Hauptanreize für Unternehmen ist das Streben nach einer höheren Wirtschaftlichkeit, an welcher die kontrollierenden Aktionäre nach dem Ausschluss von Minderheiten komplett partizipieren. So kann der Unternehmenserfolg zusätzlich durch die Senkung der direkten und indirekten Kosten gesteigert werden. Besonders der direkte Kostenblock für die Einberufung und die Durchführung der Hauptversammlungen, die Berichtspflichten des Vorstands und die Prüfungserfordernisse verteuern die Leitung des Unternehmens unverhältnismäßig.29 In einer Untersuchung von Gampenrieder (2004) wurden von kontrollierenden Großaktionären direkte Kosten wie Beschlussfassungskosten mit 91,9 Prozent und Publizitätskosten mit 72,3 Prozent als ausschlaggebenden Grund für einen Squeeze-Out angegeben.30 Nach erfolgreichem Ausschlussverfahren können diese durch einen anschließenden Börsenrückzug reduziert werden. Zusätzlich entfallen Aufwendungen für die Beachtung von minderheitsschützenden Normen oder Schädigungspotenziale der Minderheitsaktionäre.31 Indirekte Minderheitskosten entstehen, wenn der Hauptaktionär strategische, wirtschaftliche oder geschäftspolitische Änderungen der Eigentümer- oder Kapitalstruktur vornehmen möchte und diese nur mit Verzögerung oder Aufwand umsetzbar sind, da eine Einberufung und Zustimmung der Hauptversammlung notwendig ist.32

Neben dem Unternehmen entstehen auch dem Aktionär durch einen Ausschluss seiner Beteiligung an einer Gesellschaft positive Effekte. Ein Hauptnutzen der Minderheitsaktionäre besteht in der Entwicklung des Börsenkurses nach Ankündigung des Squeeze-Out-Vorhabens. Die kurzfristigen Kurssteigerungen entsprechen den Erwartungen der Anleger. Neben einer hohen Abfindung vermuten sie das Anstehen einer rentablen Phase, von welcher Minderheitsaktionäre gezielt ausgeschlossen werden sollen.33 Die gesetzlich geregelte Verzinsung des Barabfindungsanspruchs ist beim aktienrechtlichen Ausschlussverfahren in Zeiten des Niedrigzinsumfelds eine weitere attraktive Ertragschance. Dieser ist nach Eintragung der Maßnahme im Handelsregister mit jährlich fünf Prozent über dem jeweiligen Basiszins zu entrichten.34

3.2 Gegeneffekte, Probleme und Bedenken

Neben den beschriebenen positiven Effekten entstehen mit dem Ausschluss von Minderheitsaktionären ebenso nachteiligen Konsequenzen. Der positive Effekt aktiver Aktionäre auf die Corporate Governance börsennotierter Unternehmen steht im Gegensatz zum missbräuchlichen Handeln.35 Ein Beispiel sind Berufskläger, welche durch legale Spielräume der deutschen Rechtsordnung lediglich im finanziellen Eigeninteresse agieren.36 Die Existenz von aktiven Aktionären veranschaulicht Tabelle 2 anhand einer Stichprobe des Squeeze-Out-Verfahrens der Heidelberg Cement AG im Jahr 2008. Bei den 55 Antragstellern handelte es sich bei 21 um Mehrfachkläger, davon eine Mehrzahl von sogenannten Berufsklägern. Wird von erwerbstätigen Klägern ab einer Mindestanzahl von drei bisherigen Klagen ausgegangen, resultiert ein Berufsklägeranteil von 30,91 Prozent.37

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenAbbildung in dieser Leseprobe nicht enthaltenTabelle 2: Übersicht der Mehrfachkläger nach Personenart38

Die verschiedenen Rechtsbehilfen der Minderheitsaktionäre gemäß Tabelle 2 haben weitreichende Konsequenzen. Da rechtliche Gegenschritte die Eintragung ins Handelsregister und somit die rechtliche Wirkung des Squeeze-Outs verzögern, besitzen die Minderheitsaktionäre ein Druckmittel gegenüber dem Hauptaktionär. So verbrieft bereits der Besitz einer Aktie das Recht zur Erhebung einer Anfechtungsklage eines HV-Beschlusses oder zur Einforderung einer höheren Abfindung. Im Rahmen des gerichtlichen Prozesses kommt es oftmals zu einem Vergleich, in welchem die beklagte Gesellschaft nicht nur die eigenen Gerichtskosten bezahlt, sondern ebenfalls die jedes einzelnen Klägers. Möglich ist zudem der Rückkauf der Aktien zu einem erhöhten, nicht börsenüblichen Preis, um die Rechtsunsicherheit schnellstmöglich zu beenden.39

Aus Sicht des Minderheitsaktionärs endet durch das Ausschlussverfahren zwanghaft die Beteiligung an der Gesellschaft und somit die Partizipation an künftigen Wertsteigerungen des Unternehmens. Wie bereits angeführt, kann das Bevorstehen einer profitablen Phase Grund für eine Squeeze-Out-Entscheidung sein. Die als Aktionär verbrieften Rechte der Einflussnahme, Teilhabe oder Auskunft entfallen anschließend.40 Darüber hinaus können aus Ausschlussverfahren negative steuerliche Auswirkungen für den Anleger resultieren. Für vor dem 01.01.2009 erworbene Aktientitel gilt nach Ablauf der einjährigen Spekulationsfrist eine Steuerfreiheit. Die Abfindung im Ausschlussverfahren kommt einem Veräußerungsgeschäft gleich. Zwar wird die Abfindung den alten Steuergegebenheiten zugordnet, jedoch verliert der Minderheitsaktionär die steuerbegünstigte Anlage und kann diese nur zu aktuellen steuerlichen Parametern reinvestieren.41

3.3 Angemessenheit der Kompensation für Minderheitsaktionäre

Dem Minderheitsaktionär ist eine entsprechende Kompensation als Entschädigung für den Verlust der Beteiligung zu zahlen. Die Problematik besteht in der Definition der Angemessenheit. Wichtig ist die Ermittlung des tatsächlichen Unternehmenswertes inklusive der zu erwartenden Mehrerfolge der Zukunft. Bei der Unternehmensbewertung von börsennotierten Aktiengesellschaften ist somit die Verwendung des Börsenkurses naheliegend.42 Kritikpunkt ist, dass bei wenigen Prozent Streubesitz nicht immer eine korrekte Kursbildung nach Angebot und Nachfrage gewährleistet ist. Außerdem kritisiert der Bundesgerichtshof, dass politische Ereignisse, Gerüchte und psychologische Empfindungen den Aktienkurs beeinflussen und somit den Wert verfälschen können.43 Demnach ist im aktienrechtlichen Squeeze-Out der Unternehmenswert durch die Analyse einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft zu eruieren. Im Rahmen der Ermittlung der obligatorischen Barabfindung ist der Hauptaktionär bei der Auswahl des Bewertungsgutachters und der Bewertungsmethode grundsätzlich frei. Gewöhnlich wird die Ertragswertmethode des Instituts der Wirtschaftsprüfer in Deutschland e.V. verwendet.44 Diese entspricht methodisch dem Konzept der direkten Ermittlung des Eigenkapitalwerts. Durch Diskontierung der um die Fremdkapitalkosten gekürzten Zahlungsüberschüsse mit den Eigenkapitalkosten des Unternehmens wird der Marktwert des Eigenkapitals festgelegt.45

Die Abfindungshöhe, als Differenz zwischen dem Aktienkurs am Tag der Hauptversammlung zur Abfindungsprämie, skaliert um den Aktienkurs, weist bei deutschen Unternehmen von 2002 bis 2011 einen negativen Wert von 5,77 Prozent auf. Die Kennzahl verdeutlicht, dass der Börsenkurs die Erwartung eines höheren Endabrechnungspreises beinhaltet. Diese Umstände erklären unter anderem die hohe Prozentzahl von Minderheitsaktionären, die ein Rechtsverfahren zur Anfechtung der angebotenen Barabfindung einleiten. Durchschnittlich wird nach Ende der Rechtsstreitigkeiten die Barabfindung um etwa 26,3 Prozent angehoben.46

Die Marktreaktion auf die Squeeze-Out-Ankündigung zeigt positive Auswirkungen. So steigt bei deutschen Unternehmen der Aktienkurs in einem fünfttägigen Zeitfenster um die Ankündigung durchschnittlich um 7,7 Prozent.47 Die Entwicklung des Aktienkurses und somit die Performanceentwicklung der Unternehmen soll anhand einer Stichprobe von drei deutschen Unternehmen verdeutlicht werden. Bei der Auswahl der Gesellschaften CinemaxX AG, REpower Systems AG und Triumph-Adler AG wurde auf verschiedene Squeeze-Out-Jahre, ungleiche Branchenzugehörigkeiten und unterschiedliche Unternehmensgrößen geachtet. Die Aktienkurse am Tag des Delistings (Einstellung der Börsennotierung), Tag vor Bekanntmachung des Squeeze-Outs und drei Jahre vor Delisting wurden mit den endgültigen Abfindungszahlungen in den Tabellen 3 bis 5 verglichen.

[...]


1 Vgl. Stein (2014), S. 9; §§ 327a–327f AktG.

2 Vgl. Croci/Ehrhardt/Nowak (2013), S. 12.

3 Vgl. Croci/Erhardt/Nowak (2013), S. 2.

4 Vgl. Schiereck/Thamm (2012), S. 212.

5 Vgl. Neumeier (2015), S. 1.

6 Vgl. Ritz-Angerer (2004), S. 285.

7 Vgl. Karami (2014), S. 31.

8 Vgl. Santelmann/Hoppe (2010), S. 27.

9 Vgl. Karami (2014), S. 21-31.

10 Vgl. Croci/Ehrhardt/Nowak (2013), S. 3.

11 Vgl. Croci/Ehrhardt/Nowak (2013), S. 19.

12 Vgl. Karami (2014), S. 30.

13 Vgl. Stein (2014), S. 11.

14 Vgl. Hoffmann (2011), S. 417-419; Schmidt (2003), S. 544; § 327a AktG.

15 Eigene Darstellung in Anlehnung an Neumeier (2015), S. 17.

16 Vgl. Baums/Drinhausen/Keinath (2011), S. 2329–235.

17 Vgl. Gampenrieder (2004), S. 39; Maul (2003), S. 582.

18 Vgl. Karami (2014), S. 26.

19 Vgl. Hofmann (2011), S. 429-435; Ott (2008), S.386; Santelmann/Hoppe (2010), S. 129.

20 Vgl. § 39a, Abs. 3 WpÜG.

21 Vgl. Rühland (2006), S. 404 407.

22 Vgl. Austmann (2011), S. 684-685; Müller-Michaels (2011), §§ 327a-327f Rdnr. 11 AktG.

23 Vgl. Austmann (2011), S. 685-691; Freytag/Müller-Etienne (2011), S. 1732-1734; Karami (2014), S. 29.

24 Vgl. Karami (2014), S.29-30, § 62 Abs. 1 WpÜG.

25 Vgl. Karami (2014), S. 30.

26 Eigene Darstellung in Anlehnung an Karami (2014), S.31.

27 Vgl. Neumeier (2015), S. 45.

28 Vgl. Karami (2014), S. 30-31.

29 Vgl. Schiereck/Thamm (2012), S. 214; § 327a AktG.

30 Vgl. Gampenrieder (2004), S. 118-120; Neumaier (2014), S. 45-46; Rathausky (2008), S. 45, 86-88.

31 Vgl. Baums (1999), S. 18; Ritz-Angerer (2004), S. 285-286.

32 Vgl. Neumaier (2014), S. 46-47; Rathausky (2008), S. 74-77.

33 Vgl. Ritz-Angerer (2004), S. 286; Kossmann (1999), S. 1200.

34 Vgl. § 327b Abs. 2 AktG; § 247 Abs. 1 BGB.

35 Vgl. Schiereck/Thamm (2012), S. 211.

36 Vgl. Schiereck/Thamm (2012), S. 211.

37 Vgl. Baum/Gajek/Keinath (2007), S. 1629-1650.

38 Eigene Darstellung in Anlehnung an Schiereck/Thamm (2012), S. 215.

39 Vgl. Schiereck/Thamm (2012), S. 212-216.

40 Vgl. Lutter/Drygala (1997), S. 210; Ritz-Angerer (2004), S. 286-287.

41 Vgl. Mertz (2018), S. 182; Neumeier (2015), S. 108-109; §§ 20 Abs. 8 - 32d EStG.

42 Vgl. Ritz-Angerer (2014), S. 291.

43 Vgl. BGH (Hrsg.) (1978), S. 40-53; Ritz-Angerer (2014), S. 292.

44 Vgl. Karami (2014), S. 23.

45 Vgl. Ballwieser (2011), S. 132; Kuhner/Maltry (2006), S. 57; Neumaier (2015), S. 99; Schmidt (1995), S. 1088.

46 Vgl. Croci/Ehrhardt/Nowak (2014), S. 22-25.

47 Vgl. Croci/Ehrhardt/Nowak (2013), S. 20-21.

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Details

Title
Squeeze-Out und die Kompensation der Minderheitsaktionäre. Eine ökonomische Analyse
College
University of Applied Sciences - Bonn
Grade
1,0
Author
Year
2019
Pages
31
Catalog Number
V923353
ISBN (eBook)
9783346250810
ISBN (Book)
9783346250827
Language
German
Keywords
squeeze-out, kompensation, minderheitsaktionäre, eine, analyse
Quote paper
Elias Ebitsch (Author), 2019, Squeeze-Out und die Kompensation der Minderheitsaktionäre. Eine ökonomische Analyse, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/923353

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