Conjoint Measurement in der Automobilbranche

Eine empirische Analyse der Präferenzen beim Neuwagenkauf und der Werkstättenwahl


Diplomarbeit, 2005

117 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Abkürzungsverzeichnis

1. Grundlagen
1.1 Zielsetzung und Aufbau dieser Arbeit
1.2 Definition wichtiger Begriffe
1.3 Rechtliche Rahmenbedingungen und neue Konzepte
1.4 Analyse der Automobilbranche
1.4.1 Rivalität unter den bestehenden Unternehmen
1.4.2 Verhandlungsmacht der Abnehmer
1.4.3 Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste
1.4.4 Bedrohung durch neue Konkurrenten
1.4.5 Verhandlungsstärke der Lieferanten
1.5 Notwendigkeit von kundenorientierten Maßnahmen

2. Das Verfahren der Conjoint-Analyse
2.1 Ursprung der Conjoint-Analyse
2.2 Charakteristik und Untersuchungsziele
2.3 Ablauf der Conjoint-Analyse
2.3.1 Festlegung von Eigenschaften und Ausprägungen
2.3.2 Wahl eines Präferenzmodells
2.3.3 Methode der Datensammlung
2.3.4 Auswahl des Erhebungsdesigns
2.3.5 Präsentation der Stimuli
2.3.6 Bewertung der Stimuli / Präferenzmessungsskala
2.3.7 Schätzung der Nutzenwerte
2.3.8 Aggregation der Nutzenwerte
2.4 Überprüfung der Güte der Analyse
2.4.1 Validität
2.4.2 Reliabilität

3. Kundenpräferenzen beim Neuwagenkauf und der Werkstättenwahl
3.1 Planung der Conjoint-Analyse
3.1.1 Festlegung von Eigenschaften und Ausprägungen
3.1.2 Wahl eines Präferenzmodells
3.1.3 Methode der Datensammlung
3.1.4 Auswahl des Erhebungsdesigns
3.1.5 Präsentation der Stimuli
3.1.6 Bewertung der Stimuli / Präferenzmessungsskala
3.1.7 Schätzung der Nutzenwerte
3.2 Allgemeine Fragen und Gestaltung der Fragebögen
3.3 Durchführung der Befragung
3.4 Auswertung der Daten
3.4.1 Analyse des Fahrzeugbestandes der Probanden
3.4.2 Allgemeine Fragen zum Neuwagenkauf
3.4.3 Conjointanalytische Untersuchung des Neuwagenkaufs
3.4.4 Allgemeine Fragen zur Werkstättenwahl
3.4.5 Conjointanalytische Untersuchung der Werkstättenwahl
3.5 Interpretation ausgewählter Untersuchungsergebnisse
3.5.1 Ausdünnung der Händlernetze
3.5.2 Personal als wichtiges Kapital in Autohaus und Werkstatt
3.5.3 Den richtigen Rabatt gewähren
3.5.4 Premiumkunden versus Ottonormalverbraucher

4. Vergleich unterschiedlicher Schätzverfahren
4.1 Codierung der Variablen
4.2 Regressionsanalyse als Individualanalyse
4.3 Regressionsanalyse als gemeinsame Conjoint-Analyse
4.4 Ergebnisse der Schätzverfahren
4.5 Diskussion der Schätzverfahren

5. Schlussbetrachtung

Anhang

Literaturverzeichnis

Vorwort

Der Grundstein dieser Arbeit wurde im Studienschwerpunkt „Unternehmensent-wicklung und -beratung“ gelegt. Die dort vermittelte Methode „Conjoint Measu-rement“ begeisterte mich und erweckte in mir den Wunsch, dieses Verfahren im empirischen Feld zu testen und im Rahmen der Diplomarbeit anzuwenden.

Bedanken möchte ich mich im Zusammenhang mit dieser Arbeit natürlich bei Herrn Professor Doktor Schneider, der mich durch seine sehr gute Betreuung stark in der Realisierung unterstützt hat. Ebenso bei Michael Amann, dessen konstruktive Kritik in mancher Situation unabdingbar war und somit zum Ge-lingen dieser Arbeit beitrug. Nicht vergessen werden dürfen außerdem die vie-len Freiwilligen, die Zeit fanden, mir ihre persönlichen Präferenzen mitzuteilen.

Die Diplomarbeit kann wohl als das „Meisterstück“ eines angehenden Diplom-Betriebswirtes bezeichnet werden. Dementsprechend wurden in diese Arbeit auch unzählige Stunden der Recherche und des Schreibens investiert. Nicht zu vergessen die Anstrengungen die aufgebracht werden mussten, um mehr als einhundert Probanden zum ausfüllen eines Fragebogens zu bewegen. Die schwer erarbeiteten Ergebnisse sollen deshalb nicht unkontrolliert zur Schau gestellt werden und wurden aus diesem Grund in den öffentlich zugänglichen Ausfertigungen zensiert. Sollte Interesse an den Studienergebnissen bestehen, so bitte ich darum, sich mit mir in Verbindung zu setzen.

Dietmannsried, 23. März 2005

Jan Deward

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Die fünf Triebkräfte des Branchenwettbewerbs

Abb. 2: Monatliche Neuzulassungen von Januar 2001 bis August 2004

Abb. 3: Durchschnittliche Preise für verkaufte Neuwagen

Abb. 4: Darstellung der Ergebnisse der Branchenanalyse

Abb. 5: Dekompositionelle und kompositionelle Vorgehensweise

Abb. 6: Fragestellungen bzw. Untersuchungsziele der Conjoint-Analyse

Abb. 7: Ablaufplan der Conjoint-Analyse

Abb. 8: Vektormodell mit sinkendem Nutzen

Abb. 9: Idealpunktmodell

Abb. 10: Teilwertnutzenmodell

Abb. 11: Auslastung der Probanden

Abb. 12: Verbale Beschreibung in Stichworten auf Stimulikarten

Abb. 13: Visuelle Beschreibung am Beispiel eines Fleckenentfernungsmittels

Abb. 14: Aspekte der Validität

Abb. 15: Formeln zur Berechnung der Korrelationskoeffizienten

Abb. 16: Merkmale mit ihren Ausprägungen

Abb. 17: Skalierung der gewählten Merkmale

Abb. 18: Vorurteile gegenüber den Merkmalsausprägungen

Abb. 19: Eingabefeld des Stimuligenerators

Abb. 20: Ausgabefeld „Verwendung der Ausprägungen“

Abb. 21: Ausgabefeld „Positive / negative Beeinflussung der Ausprägungen“

Abb. 22: Anzahl der Verwendungen und Fehlverknüpfungen

Abb. 23: Stimuli zum Untersuchungsobjekt „Neuwagenkauf“

Abb. 24: Stimuli zum Untersuchungsobjekt „Werkstättenwahl“

Abb. 25: Beispiel zwei verwendeter Stimulikarten

Abb. 26: Beispiel für die Bewertung mit Hilfe von Stimulikarten

Abb. 27: Eingabefelder des Auswertungsprogramms

Abb. 28: Ausgabefeld „Häufigkeiten und empirische Rangfolge“

Abb. 29: Ausgabefeld „Teilnutzenwerte und errechnete Rangfolge“

Abb. 30: Allgemeine Fragen

Abb. 31: Personengruppen mit Befragungsgegenstand

Abb. 32: Anteile Internetbefragung und persönliche Befragung

Abb. 33: Aufbereitete Ergebnisse der Fragen 3 bis 6

Abb. 34: Markenfixierung beim Neuwagenkauf

Abb. 35: Häufigkeitsverteilung der Anzahl der Angebote

Abb. 36: Umcodierung der Gewichtungsskala

Abb. 37: Relevanz untersuchter Autohauseigenschaften

Abb. 38: Gruppierung der Autohauseigenschaften

Abb. 39: Relevanz nichtbeobachtbarer und beobachtbarer Eigenschaften

Abb. 40: Umcodierung der Likert-Skala

Abb. 41: Grad der Zustimmung zu verschiedenen Werbemaßnahmen

Abb. 42: Beantwortung der Frage 11, differenziert nach Geschlechtern

Abb. 43: Teilnutzenwerte beim Neuwagenkauf

Abb. 44: Bepunktung der Ränge beim Neuwagenkauf

Abb. 45: Teilnutzenfunktion „Entfernung zum Neuwagenhändler“

Abb. 46: Teilnutzenfunktion „Image des Autohauses“

Abb. 47: Teilnutzenfunktion „Lieferzeit“

Abb. 48: Teilnutzenfunktion „Rabatt“

Abb. 49: Teilnutzenfunktion „Zugaben“

Abb. 50: Teilnutzenfunktion „Neuwagengarantie“

Abb. 51: Teilnutzenfunktion „Werkstattgutschein“

Abb. 52: Zeitpunkt der Fahrzeugreparatur

Abb. 53: Beantwortung der Frage 15, differenziert nach Geschlechtern

Abb. 54: Teilnutzenwerte bei der Werkstättenwahl

Abb. 55: Bepunktung der Ränge bei der Werkstättenwahl

Abb. 56: Teilnutzenfunktion „Entfernung zur Werkstatt“

Abb. 57: Teilnutzenfunktion „Werkstatttyp“

Abb. 58: Teilnutzenfunktion „Betriebsgröße“

Abb. 59: Teilnutzenfunktion „Wartezeit“

Abb. 60: Teilnutzenfunktion „Leihwagen“

Abb. 61: Teilnutzenfunktion „Treuerabatt“

Abb. 62: Rabattrekombinationsmöglichkeiten beim Neuwagenkauf

Abb. 63: Rabattrekombinationsmöglichkeiten bei der Werkstättenwahl

Abb. 64: Teilnutzenwerte zweier Kundensegmente beim Neuwagenkauf

Abb. 65: Nutzenanteile zweier Kundensegmente beim Neuwagenkauf

Abb. 66: Teilnutzenwerte zweier Kundensegmente bei der Werkstättenwahl

Abb. 67: Nutzenanteile zweier Kundensegmente bei der Werkstättenwahl

Abb. 68: Umcodierung der Variablen

Abb. 69: Dateneingabefelder in SPSS mit empirischer Rangfolge

Abb. 70: Ergebnis einer Regressionsrechnung

Abb. 71: Exceltabelle zur Berechnung normierter/justierter Teilnutzenwerte

Abb. 72: Ranghäufigkeitsverteilung der Stimuli

Abb. 73: Teilnutzenwerte dreier Schätzverfahren

Abb. 74: Streudiagramme der Teilnutzenwertverhältnisse

Abb. 75: Grafische Darstellung der Teilnutzenwerte dreier Schätzverfahren

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Grundlagen

1.1 Zielsetzung und Aufbau dieser Arbeit

Selbst Branchenfremden, die sich nur selten mit dem Automobilsektor beschäf-tigen, werden die Veränderungen der letzten Jahre kaum entgangen sein. Zu-viel Aufmerksamkeit erregte eine Lebensmittelkette die plötzlich Autos zum Kauf anbot, oder ein Versandhaus, bei dem nun eine Bestellung des selbigen möglich war. Zugegeben, dabei handelte es sich um extreme Auswüchse des Neuwagenvertriebs und ihr Erfolg soll einmal dahin gestellt bleiben. Aber eine neue Ära bringt nun mal zu Beginn Experimente mit sich, die einige Jahre spä-ter – entsprechend der Kundenakzeptanz – als Unfug oder der große Durch-bruch bezeichnet werden können.

Einen wesentlichen Beitrag zu dieser Entwicklung und den Beginn dieser neuen Ära hat die Europäische Union geleistet, in dem sie neue rechtliche Rahmen-bedingungen schuf, um so den Kraftfahrzeugsektor zu liberalisieren. Verände-rungen im vorher stark geschützten Vertriebs- und Werkstattsystem sind da-durch jetzt nötig und möglich.

Weiterhin ist der Automobilmarkt in Deutschland nach Jahren des Wachstums an seiner Sättigungsgrenze angelangt. Zu guten Zeiten geschaffene Produk-tionsmöglichkeiten der Hersteller wurden nicht rechtzeitig angepasst und führen nun zu einer enormen Überkapazität. Die Folgen sind eine Flut an Sondermo-dellen sowie hohe Endkundenrabatte.

Wie immer trifft es das schwächste Glied in der Kette am härtesten. In diesem Fall sind das die Vertragshändler. Verließen sie sich früher auf die sie schüt-zenden Gesetze und profitierten vom ständigen Marktwachstum, so sind sie heute mehr als denn je gefordert ihr Schicksal in die eigenen Hände zu neh-men. Dabei werden aber nur wenige die Energie und den finanziellen Rückhalt haben, sich zu Beginn geschilderte Experimente leisten zu können. Vielmehr benötigen sie eine genaue Erforschung der Kundenwünsche, um die knapp be-messenen Ressourcen ökonomisch einzusetzen.

Diese Arbeit beschäftigt sich daher mit der Quantifizierung von Kundenwün-schen im Bereich des Neuwagenkaufs und der damit im Zusammenhang ste-henden Werkstättenwahl, da diese Bereiche das Kerngeschäft eines typischen Autohändlers darstellen. Auf die dazu angewandte Methode zur Kundennutzen-messung, Conjoint Measurement, wird der zweite Schwerpunkt dieser Arbeit gelegt. Sie wird hinsichtlich der Theorie und praktischen Umsetzung genauer beleuchtet.

Folgende Untergliederung in fünf Kapitel wurde vorgenommen:

Kapitel 1 beinhaltet, neben dieser kurzen Einführung, die detaillierte Darstel-lung der momentanen Situation im Automobilhandel. Ein Augenmerk ist dabei auf die rechtlichen Rahmenbedingungen gerichtet.

Kapitel 2 stellt Conjoint Measurement vor. Der theoretische Ablauf sowie die Überprüfung der Güte der Untersuchung werden hier dargelegt.

Kapitel 3 enthält die empirische Untersuchung. Die vorgenommene Analyse wird hier in Umsetzung und Ablauf beschrieben. Anschließend erfolgt die Prä-sentation von Untersuchungsergebnissen sowie von Handlungsempfehlungen.

Kapitel 4 befasst sich ausschließlich mit den in Teil 2 vorgestellten Schätzver-fahren. Dabei werden Auszüge der empirischen Daten drei unterschiedlichen Methoden zur Nutzenschätzung unterzogen.

Kapitel 5 stellt den Schluss der Arbeit dar und fasst die Erkenntnisse kurz zu-sammen.

1.2 Definition wichtiger Begriffe

In Abschnitt 1.4 wird die aktuelle Situation gezeigt, in der sich deutsche Ver-tragshändler momentan befinden. Dazu muss deutlich gemacht werden, dass es sich hierbei meistens um eigenständige, kleine und mittelständische Unter-nehmen (KMU) handelt, die mit dem Verkauf von Neuwagen und der Durch-führung von Werkstattleistungen betraut sind. Man spricht an dieser Stelle auch vom Retail- und Aftermarket-Bereich.

Für den Begriff Neuwagen bestehen unterschiedliche Definitionen. Das Um-satzsteuergesetz bezeichnet in §1b (3) Nr. 1 ein Landfahrzeug dann als neu, wenn es nicht mehr als 6.000 Kilometer zurückgelegt hat oder seine Inbetrieb-nahme zum Zeitpunkt des Erwerbs nicht mehr als 6 Monate zurückliegt. Der Bundesgerichtshof hat mit einem Urteil vom 15.10.2003 (Aktenzeichen: VIII ZR 227/02) eine andere Definition festgelegt. Demnach handelt es sich um einen Neuwagen, wenn das Modell des Fahrzeugs unverändert weitergebaut wird, das Fahrzeug keine durch längere Standzeit bedingte Mängel aufweist und die Lagerzeit zwölf Monate nicht überschreitet. Natürlich darf die Inbetriebnahme des Fahrzeuges noch nicht erfolgt sein. Ein neueres Urteil bezeichnet ein Fahrzeug selbst dann noch als fabrikneu, wenn durch eine Tages- oder Kurzzulassung, die Herstellergarantie und Inspektionsfristen nur um wenige Tage verkürzt wurden (Aktenzeichen: VIII ZR 109/04). Innerhalb dieser Arbeit sollen die vom BGH festgelegten Definitionen für einen Neuwagen gelten.

1.3 Rechtliche Rahmenbedingungen und neue Konzepte

In der Vergangenheit war es den Kraftfahrzeugherstellern möglich ihre Distri-butionssysteme zu schützen und hohe Eintrittsbarrieren zu schaffen. Nur einem ausgewählten Kreis an Autohändlern, den sogenannten Vertragshändlern, war es möglich, Neuwagen eines Herstellers zu vertreiben und Originalersatzteile zu beziehen. Für die rechtliche Zulässigkeit dieser Wettbewerbsbeschränkung sorgte die Gruppenfreistellungsverordnung 1475/95 (GVO). Seit 1. Oktober 2002 gilt nun die GVO 1400/2002. Die neuen rechtlichen Rahmenbedingungen sowie nun mögliche Automobilvertriebskonzepte werden folgend kurz erläutert.[1]

Hinsichtlich der Struktur des Vertriebssystems können die Hersteller zwischen zwei Varianten wählen, dem selektiven und exklusiven Vertrieb:

- Beim selektiven Vertriebssystem wählt der Hersteller die Händler nach qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten aus. Der Vertragshändler ist dazu verpflichtet seine Neufahrzeuge nur an Endverbraucher weiter zu verkaufen, im obliegt dabei aber keine regionale Beschränkung.
- Beim exklusiven Vertriebssystem wählt der Hersteller die Händler eben-so nach qualitativen und quantitativen Gesichtspunkten aus. Der Weiter-verkauf von Neufahrzeugen an Wiederverkäufer ist hier zulässig. Ein ak-tiver Verkauf des Händlers darf nur innerhalb eines zugewiesenen Ver-kaufsgebiets stattfinden.

Absatzmittler erhalten nach der GVO 1400/2002 einen Marktzugang. Ihnen ist es nun möglich, durch die Vorlage einer Vollmacht des Endverbrauchers, Fahr-zeuge zu vermitteln.

Der Mehrmarkenvertrieb innerhalb der Geschäftsräume eines Vertragshändlers ist denkbar. Vorher geltende Regelungen wie zum Beispiel Trennung der Ge-schäftsführung und Verkaufsräume bestehen nicht mehr.

Vertragshändlern steht es frei Reparaturen an den Fahrzeugen seiner Marke selbst auszuführen. Es existiert keine Verpflichtung neben dem Neuwagenver-kauf auch Kundendienstleistungen anzubieten.

Die freien Werkstätten haben insofern Marktzugang, als das die Hersteller ver-pflichtet sind ihnen uneingeschränkten Zugang zu technischen Informationen, Diagnose- und Wartungsgeräten zu gewähren. Ein Zugang zu Ersatzteilen ist zumindest über Vertragswerkstätten möglich.

Wie bereits schon erwähnt stellen diese Regelungen eine Auflockerung der vor-her bestehenden Wettbewerbsbeschränkungen dar. Allein durch die Verän-derung der rechtlichen Rahmenbedingungen sind in Zukunft neue Angebots-konzepte im Kfz-Gewerbe denkbar. Diese reichen vom bekannten Pkw-Fach-händler mit angeschlossener Werkstatt, bis hin zum Pkw-Discounter mit ge-ringer Beratung und geringem Service. Die Eintrittsbarrieren zur Teilnahme am Neuwagenmarkt und dem Aftersales-Service wurden also auf rechtlicher Seite gesenkt, was schlussendlich zu mehr Wettbewerb im Kraftfahrzeugsektor füh-ren soll.

1.4 Analyse der Automobilbranche

Um eine Branche abzubilden, können die von Porter dargelegten fünf Triebkräf-te des Branchenwettbewerbs bemüht werden. Diese determinieren den Stand des Wettbewerbs innerhalb einer Branche und ihre zusammengefasste Stärke bestimmt das Gewinnpotential dieser Branche.[2]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Die fünf Triebkräfte des Branchenwettbewerbs[3]

Definiert werden kann eine Branche als eine Anzahl von Unternehmen, die an-nähernd substituierbare Produkte oder Dienstleistungen herstellt oder anbietet.[4] Es wurde bereits schon darauf verwiesen, dass innerhalb dieser Arbeit die deut-schen Vertragshändler mit ihrem Retail- und Aftersales-Bereich als Branche be-trachtet werden sollen.

Ebenfalls vorweggenommen wurden schon die rechtlichen Rahmenbedingun-gen der Branche. Diese können wie ein Mantel gesehen werden, der die oben abgebildeten fünf Triebkräfte umschließt.

1.4.1 Rivalität unter den bestehenden Unternehmen

Das Marktwachstum kann als die zentrale Größe hinsichtlich der Rivalität unter den bestehenden Unternehmen gesehen werden. So fällt es am Markt teilneh-menden Firmen bei hohem Wachstum leichter Erfolg zu haben, als das bei Stagnation oder Degeneration der Fall ist. Bei letzterem stehen zum Beispiel die gleiche Anzahl von Unternehmen, einer immer kleiner werdenden Anzahl von Abnehmern gegenüber, was zu erhöhter Rivalität unter den bestehenden Unternehmen führt.

Genau das ist auch im Neuwagenvertrieb der Fall. Nach Angaben des Kraft-fahrtbundesamtes in Flensburg (KBA) wurden im Jahr 2001 3,34 Millionen, im Jahr 2002 3,25 Millionen und im Jahr 2003 3,24 Millionen PKW-Neufahrzeuge zugelassen. Das bedeutet einen Rückgang von annähernd 3% von 2001 auf 2003 und entspricht in etwa dem Absatzniveau von 1994 (3,20 Millionen).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Monatliche Neuzulassungen von Januar 2001 bis August 2004

Quelle: KBA

Für das Gesamtjahr 2004 wurden in 2003 sehr optimistische Prognosen hin-sichtlich der Neuzulassungen getätigt. Eine Studie von R. L. Polk Marketing Systems berechnete zum Beispiel einen Absatz von 3,43 Millionen Fahrzeu-gen.[5] Nach eigenen Berechnungen zum Zeitpunkt September 2004, sollte der Absatz in 2004 aber nur zwischen 3,10 bis 3,15 Millionen PKW liegen. Gestützt wurde diese Vermutung durch die Neuwagenprognose des deutschen Kraftfahr-zeuggewerbes. Diese prognostizierte „3,1 Millionen plus“.[6] Um so erstaunlicher sind deshalb die vom KBA gemeldeten Zahlen des Monats Dezember 2004. Mit über 281.000 Neuzulassungen, wurden circa 50.000 Fahrzeuge mehr zum Ver-kehr angemeldet, als jeweils in dem entsprechenden Monat der Jahre 2001 bis 2003. Da der Dezember erfahrungsgemäß zu den absatzschwächeren Monaten zählt, kommt daher die Vermutung auf, dass von Seiten der Automobilindustrie durch Tageszulassungen interveniert wurde. Die Betrachtung des Monatsan-teils erhärtet diesen Verdacht. Lag der Monatsanteil „Dezember“ an den Jahres-gesamtzulassungen von 2001 bis 2003 zwischen 6,8% und 7,2%, so betrug dieser in 2004 8,6% und verhält sich somit doch sehr untypisch. Inwiefern und in welcher Höhe diese Mutmaßung zutrifft, kann leider nicht festgestellt werden. Die vom KBA gemeldeten Neuzulassungszahlen sind deshalb mit Vorsicht zu genießen. Es ist anzunehmen, dass der tatsächliche Neuwagenabsatz unter dem Niveau des Vorjahres, bei circa 3,2 Millionen Fahrzeugen liegt. Die zu-künftige Entwicklung des Branchenwachstums kann somit nur unter großer Un-sicherheit bestimmt werden. Die Experten des Verbandes des deutschen Kraft-fahrzeuggewerbes sehen eine Trendwende im Neuwagenabsatz frühestens im Jahr 2005.[7]

Was den Bereich Wartung und Reparatur betrifft, so stieg die Anzahl der Werk-stattaufträge seit 2000 von 84,1 Millionen auf 91,9 Millionen im Jahr 2003.[8] Das entspricht einer Steigerung von 9,3%. Für das Jahr 2004 werden knapp 93 Mil-lionen Werkstattaufträge erwartet.[9] Wie sich aber diese Aufträge in Zukunft ent-wickeln ist ungewiss, da diese auch vom Wachstum des Neuwagenmarktes bzw. der Altersstruktur des gesamtdeutschen Fahrzeugbestandes abhängig sind. So wurde zum Beispiel ein unter zwei Jahre altes Auto in 2003 im Schnitt 0,68 mal gewartet und 0,37 mal repariert, während ein sechs Jahre altes Fahr-zeug durchschnittlich 1,17 mal zur Inspektion und 1,02 mal zur Instandsetzung musste.[10] Sollten zum Beispiel in den nächsten Jahren verstärkt Ersatzinvesti-tionen in jüngere Fahrzeuge getätigt werden, würden die durchschnittliche War-tungs- und Reparaturanfälligkeit sinken, was wiederum sinkende Werkstattauf-träge zur folge hätte.

Neben dem Marktwachstum, was sicherlich ein sehr wichtiger Einflussfaktor ist, müssen auch noch andere Determinanten betrachtet werden, die Aufschluss über die Rivalität zwischen den bestehenden Unternehmen geben.

Zahlreiche Wettbewerber und eine geringe Wertschöpfung sind dabei Größen, die auf eine hohe Rivalität schließen lassen.[11] Das zu viele Neuwagenhändler am Markt partizipieren, wurde bereits vor einigen Jahren von den Herstellern er-kannt, weshalb sie eine Ausdünnung der Händlernetze vorantrieben.[12] So ver-ringerte sich die Anzahl der Vertragshändler und -werkstätten von 24.686 in 2001, auf 22.347 in 2003.[13] Für das Jahr 2004 wird zusätzlich mit 1.200 Insol-venzen bzw. Betriebsaufgaben bei Autohäusern und Werkstätten gerechnet.[14] Das Problem der zu hohen Anzahl an Wettbewerbern und der damit verbun-denen Überkapazität, dürfte in den nächsten Jahren weiterhin bestand haben. Bis 2010 wird eine Halbierung der Anzahl der Autohaus-Unternehmen auf Basis 2002 prognostiziert.[15] Inwiefern das dann der Nachfrage-Angebot-Situation ent-spricht und zu einer besseren Auslastung des einzelnen Autohauses beiträgt, ist jetzt noch nicht absehbar.

Insgesamt zählt das Kfz-Gewerbe in Deutschland rund 42.000 Betriebe.[16] Das heißt, dass neben den Vertragshändlern und -werkstätten noch circa 20.000 freie Werkstätten in Deutschland existieren. Es kann also von zahlreichen Wett-bewerbern innerhalb der Reparaturbranche gesprochen werden. Deren Anzahl wird sich wohl in Zukunft verringern. Wie bereits schon erwähnt wird für 2004 mit 1.200 Insolvenzen, unter anderem auch bei Werkstätten, gerechnet.

Die Wertschöpfung ist eigentlich eine Begrifflichkeit die eher in Produktions-unternehmen Verwendung findet. Sie bezeichnet den Wert, den eine Unter-nehmung einem Rohstoff oder Produkt durch Veredelung zusätzlich zugefügt hat. In Handelsunternehmen kann die Veredelung einer Ware in der Bevor-ratung, im Warentransport, in der Präsentation der Ware oder sonstigen Dienst-leistungen zur Ware gesehen werden. Vereinfacht ausgedrückt entspricht die Wertschöpfung der Differenz zwischen Verkaufs- und Einkaufspreis. Bezogen auf den Neuwagenverkauf stiegen die durchschnittlichen tatsächlich gezahlten Verkaufspreise in den vergangenen Jahren deutlich an.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Durchschnittliche Preise für verkaufte Neuwagen[17]

Grund dafür sind aber nur zu geringen Teilen echte Preiserhöhungen der Her-steller, sondern vielmehr gestiegene Ansprüche der Käufer in punkto Sicherheit und Ausstattung sowie ein höherer Absatz von Dieselfahrzeugen.[18] Trotz dieser Preisentwicklung profitiert der Handel nicht allzu sehr davon. Überkapazität auf Autoherstellerseite führt zu hohen Preisnachlässen, wie eine Untersuchung von puls X – the navigation company aus dem Jahr 2003 beweist (vgl. Anhang ab Seite 97). Nach deren Studie werden dem Kunden im Mittel 9% Rabatt zuge-sprochen, mehr als ein Viertel der Händler geben sogar deutlich mehr als 10% Nachlass. Somit wird ein Neuwagen in Deutschland fast zum Händlereinkaufs-preis abgesetzt. Laut Rolf Leuchtenberg, Präsident des Zentralverbandes des Deutschen Kraftfahrzeuggewerbes, liegen die Margen bei einigen Marken unter einem Prozent.[19]

Betreffend der Wertschöpfung in Kfz-Werkstätten können nur bedingt Aussagen getroffen werden. Es ist anzunehmen, dass das Verhältnis von Umsatz zu Vor-leistung besser ausfällt als beim Neuwagenvertrieb, somit eine höhere Wert-schöpfung vorhanden ist. Die Zahlen zum durchschnittlichen Reparatur- bzw. Wartungsaufwand deuten sogar an, dass sich dieses Verhältnis innerhalb der letzten zwei Jahre deutlich verbessert hat. So stieg der finanzielle Aufwand für den Kunden pro Fahrzeug bei Wartungen um durchschnittlich 6,5%, bei Ver-schleißreparaturen um durchschnittlich 15,6% an.[20]

1.4.2 Verhandlungsmacht der Abnehmer

Drei Punkte sollen an dieser Stelle angesprochen werden, die die Verhand-lungsmacht der Kunden unter anderem determinieren. Zum einen ist das ein hoher Informationsstand der Abnehmer, der dessen Verhandlungsposition stärkt.[21]

Dieser ist in der Tat beim heutigen Autokäufer vorhanden. Die Hälfte der zu-künftigen Abnehmer nehmen sich zur Recherche mehrere Monate Zeit und ver-wenden dabei die unterschiedlichsten Informationsquellen, wie zum Beispiel den Fachhändler selbst, oder die Fachpresse.[22] Aber auch das Internet spielt eine entscheidende Rolle beim Neuwagenkauf. Im Jahr 2003 nutzten bereits 33% der Neuwagenkunden das Internet für ihre Kaufentscheidung.[23] Die für die Kunden wichtigsten Informationen, die sie auf einer Internetseite erwarten, sind detaillierte Preisinformationen, die vollständigen Produktinformationen sowie ein Kostenkalkulator.[24]

Als zweiter Punkt sind die geringen Produktunterschiede zu nennen. Diese be-stärken die Abnehmer immer wieder alternative Lieferanten finden zu können und ermöglichen es ihnen, die Händler gegeneinander auszuspielen.[25]

Beim Produkt Neufahrzeug sind kaum Produktunterschiede festzustellen. Das heißt, dass bei jedem Vertragshändler gleicher Marke, das gleiche physische Produkt, mit dem gleichen Grundnutzen erstanden werden kann. Unterschiede ergeben sich erst durch die individuelle Betreuung des Händlers und den von ihm gebotenen Zusatzleistungen. Aber auch zwischen den einzelnen Automar-ken sind die Produktunterschiede geringer geworden. So sind heutzutage fast alle Automobilhersteller in der Lage, qualitativ hochwertige Produkte herzustel-len.[26] Ebenso ist es annähernd allen Herstellern möglich, das nahezu gleiche Ausstattungsniveau anzubieten.

Zuletzt ist die Markenloyalität zu untersuchen. Hier stellt sich die Frage inwie-fern die Abnehmer bereit sind ihre bisherige Marke, oder auch ihren bisherigen Händler, zu verlassen. Ist diese Hemmschwelle beim Kunden gering, so kann er den Verkäufer glaubwürdig unter Druck setzten.

Die Loyalität der Kunden gegenüber der Marke und dem Händler verringerte sich beim Neuwagenkauf und im Servicebereich seit 1998 um durchschnittlich 20%.[27] Nur 55 Prozent der Neuwagenkäufer aus dem Jahr 2003, kauften sich wieder ein Fahrzeug der gleichen Marke.[28]

An dieser Stelle wurde verstärkt auf den Neuwagenkunden und seine Verhand-lungsmacht eingegangen. Der Werkstattkunde wurde kaum berücksichtigt. Es ist davon auszugehen, dass seine Verhandlungsmacht gegenüber den Werk-stätten geringer ausfällt. Zum einen erreicht er nur selten den gleichen Infor-mationsstand wie ein gelernter Kfz-Meister und kann deshalb nur schwer den Umfang und die Kosten einer Reparatur überschauen. Einzig die standardisier-ten Wartungsarbeiten, wie zum Beispiel Öl- und Reifenwechsel lassen dem Kunden einen einfachen Vergleich mit anderen Wettbewerbern zu. Zum an-deren fallen die Produktunterschiede bei Werkstätten höher aus, wie eine Un-tersuchung des ADAC beweist. Betrachtet man nur das Qualitätsniveau von Vertragswerkstätten und das von freien Werkstätten, so liegt letzteres deutlich niedriger.[29] Der Werkstattkunde kann also seinen Anbieter nur innerhalb einer dieser Gruppen leicht wechseln, ohne Abstriche bei Qualität oder Preis ma-chen zu müssen. Somit hat sich die Anzahl der für ihn relevanten Anbieter stark verringert.

Auf die Markenloyalität im Servicebereich wurde bereits schon kurz eingegan-gen. Dabei konnte festgestellt werden das sich diese stark vermindert hat. Im Servicebereich kann das aber darauf zurückgeführt werden, dass mit dem Kauf einer anderen Automarke, zwangsläufig auch ein Wechsel der Kfz-Werkstatt mit einhergeht.

1.4.3 Bedrohung durch Ersatzprodukte und -dienste

Ersatzprodukte können dadurch definiert werden, dass sie den gleichen Grund-nutzen und annähernd gleichen Zusatznutzen wie das eigentliche Produkt bie-ten. Was den Bereich Wartung und Reparatur betrifft, so sind hier direkt keine Substitute auszumachen. Lediglich die Verwendung von nicht Original-Ersatz-teilen ist zu erwähnen. Anders sieht es dagegen bei dem Produkt Neuwagen aus, welches von deutschen Vertragshändlern verkauft wird.

Als dessen Substitutionsprodukt können die EU-Neuwagen – auch Reimport genannt – gesehen werden. Dabei handelt es sich um Neufahrzeuge, die deut-sche Händler oder Privatpersonen aus einem anderen EU-Mitgliedsstaat nach Deutschland einführen. Der Vorteil besteht darin, dass, aufgrund geringerer Kaufkraft und höherer Steuersätze in anderen EU-Staaten, diese Autos dort bil-liger angeboten werden, als das auf dem deutschen Markt der Fall ist.[30] Bestä-tigt wird der Preisunterschied durch eine Studie der EU-Kommission, die Deutschland als den teuersten Markt der Eurozone bezeichnet.[31] Wie viele Fahrzeuge pro Jahr wieder nach Deutschland zurückkommen und hier als Neu-wagen verkauft werden, lässt sich aus der Differenz zwischen den von Ver-tragshändlern verkauften Neuwagen und den erstmals neuzugelassenen Kraft-fahrzeugen errechnen. Bezogen auf den Hersteller VW ergibt sich zum Beispiel ein Unterschied von 45.000 Autos und ein Anteil von 7,5% im Jahr 2003.[32] Für die Zukunft wird aber mit einer Preisharmonisierung gerechnet, wodurch sich der Druck auf den deutschen Vertragshändler verringern dürfte. VW betreibt diese Anpassung schon seit längerem und baut mit jedem neuen Modell die Preisunterschiede weiter ab.[33]

Ein Neuwagen könnte ferner durch einen jungen Gebrauchtwagen ersetzt wer-den. Der Kundennutzen eines sogenannten Jahreswagens besteht darin, dass dieser meistens nur eine geringe Laufleistung absolviert hat und einen enormen Preisunterschied zum Neufahrzeug bietet. Der durchschnittliche Wertverlust ei-nes Neuwagens liegt nämlich im ersten Jahr, je nach Marke, zwischen circa 11% und knapp 24%.[34] Es gibt einige Firmen die sich speziell auf den Absatz dieser Jahreswagen spezialisiert haben und zum Teil an den Endverbraucher, oder nur an gewerbliche Zwischenhändler verkaufen. Zu nennen wäre hier der Belegschaftsverein von Volkswagen, der die jungen Fahrzeuge der Volkswa-gen-Mitarbeiter vertreibt. Oder auch die Firma BCA Autoauktionen GmbH. Die-se bietet komplette Remarketinglösungen für Flottenbetreiber an und hat im Jahr 2003 mehr als 70.000 Fahrzeuge versteigert.[35]

1.4.4 Bedrohung durch neue Konkurrenten

Vorhergehend wurden bereits die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Kraftfahrzeugsektor erläutert. Dabei war festzustellen, dass nun ein erleichterter Zugang für neue Wettbewerber besteht. Die neue GVO 1400/2002 bietet des-halb die Möglichkeit für den Eintritt neuer Konkurrenten.

Das neue Konkurrenten beim Neuwagenvertrieb verstärkt in Form von Ver-tragshändlern auftreten werden, ist als unwahrscheinlich zu bezeichnen. Zum einen wählen die Hersteller ihre Händler immer noch nach qualitativen Ge-sichtspunkten aus und zum anderen sind sie bestrebt deren Anzahl quantitativ zu begrenzen (vgl. 1.3 und 1.4.1). Lediglich durch die regionale Ausdehnung des Marktbearbeitungsgebiets der einzelnen Vertragshändler, kann sich die An-zahl der Konkurrenten aus Sicht eines Autohauses erhöhen.

Bedingt durch die neuen Regelungen, haben nun Absatzmittler freien Zugang zum Endkunden. Deren große Möglichkeit besteht im Automobilabsatz mittels Internet.[36] Es ist aber auch denkbar das Lebensmittelketten als Absatzmittler fungieren und somit ihr Sortiment erweitern.

Besondere Beachtung sollten die ehemaligen Vertragshändler erfahren. Wie bereits unter Punkt 1.4.1 dargelegt, hat sich die Anzahl der vertraglich ge-bundenen Autohäuser in den vergangenen Jahren stark verringert. Dabei ist aber nicht davon auszugehen, dass nur Betriebsaufgaben oder Insolvenzen deren Anzahl minderte, sondern das durch Kündigung des Händlervertrages viele Händler in die „Unabhängigkeit“ entlassen wurden. Diese nun „freien“ Händler und Werkstätten haben durch die neuen rechtlichen Rahmenbedin-gungen immer noch Chancen als Konkurrenz aufzutreten, sei es als Absatzmitt-ler oder durch den Vertrieb von Substitutionsprodukten, wie z.B. Jahreswagen (vgl. 1.4.3).

Eine Gefahr hinsichtlich der Konkurrenz im Neuwagenvertrieb lauert beim Kraft-fahrzeughersteller selbst. So stieg die Anzahl der Werksniederlassungen von Anfang 2003 bis Ende 2003 um 12,4% an.[37] Die Hersteller betreiben also eine wertkettenseitige Vorwärtsintegration und übernehmen den Vertrieb ihrer Fahr-zeuge verstärkt allein.

Im Aftersales-Bereich droht zusätzlicher Wettbewerb durch neue konzernunab-hängige Werkstattfilialen, wie zum Beispiel die der Werkstattkette Auto-Teile-Unger. Diese betreibt zur Zeit circa 450 Filialen in Deutschland und wächst mo-mentan jährlich um bis zu 40 weitere Stützpunkte.[38]

Zum Teil bedingt durch die Kündigung von Werkstattverträgen, entstehen im-mer mehr Werkstattsystemwerkstätten. Dabei handelt es sich um rechtlich selb-ständige Werkstätten die sich einem Franchisesystem anschließen. Vorteile für die Werkstätten sind vor allem die Ersatzteilbelieferung sowie der Bezug von technischen Informationen und Wartungsgeräten durch den Franchisegeber. Insgesamt stieg die Anzahl von 2003 auf 2004 um 1.098 Werkstätten.[39]

1.4.5 Verhandlungsstärke der Lieferanten

Innerhalb dieser Branche stehen wenige Lieferanten einer Vielzahl von Wett-bewerbern gegenüber. Der einzelne Vertragsautohändler befindet sich also hin-sichtlich der Wahl seines Neuwagenlieferanten in einer Small-Numbers-Situa-tion. Ebenso ergeht es ihm im Aftersales-Bereich bei der Belieferung mit Origi-nal-Ersatzteilen, wo ihm pro Marke ein Anbieter zur Verfügung steht.

Die Überlegenheit der Lieferanten betreffend der Finanzstärke und des tech-nologischen Know-how, soll ohne genauere Betrachtung nur am Rande er-wähnt werden. Wie bereits unter 1.4.4 erläutert, geht von den Herstellern zu-sätzlich eine Gefahr aus, da sie vermehrt eigene Verkaufsstellen gründen und so in einen für sie nachgelagerten Teil der Wertschöpfungskette vordringen. Somit erhöht sich die Anzahl der Wettbewerber in der bestehenden Branche durch den Eintritt neuer Anbieter.

1.5 Notwendigkeit von kundenorientierten Maßnahmen

Wie eingangs erwähnt determinieren die fünf Triebkräfte nach Porter den Stand des Wettbewerbs innerhalb der Branche. Folgende Tabelle fasst die Ergebnisse nochmals eigeninterpretiert kurz zusammen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Darstellung der Ergebnisse der Branchenanalyse

Besonders im Retail-Bereich, sprich im Neuwagenvertrieb, herrscht in der be-trachteten Branche ein starker Konkurrenzkampf. Die geringen Margen und das zahlreiche Ausscheiden der Mitwettbewerber, ermöglichen es an dieser Stelle sogar von einem Verdrängungswettbewerb zu sprechen. Das Prekäre an dieser Situation ist weiterhin, dass selbst Experten (vgl. z.B. die Prognose von R. L. Polk Marketing Systems unter 1.4.1) hinsichtlich der zukünftigen Marktentwick-lung nur schwer Aussagen treffen können und eine allgemeine Prognoseun-sicherheit herrscht.

In einer solchen Lage ist deshalb eine genaue Erforschung der Kundenwün-sche notwendig. Sind diese bekannt, so wird ein planvolles Vorgehen hinsicht-lich der Konzeption neuer Angebote und der Geschäftpositionierung ermöglicht.

Die Methode Conjoint Measurement bietet sich gerade hier für die Ermittlung der Kundenpräferenzen an, da sie den Kundennutzen kardinal abbildet und so eine Rekombination von Angebotsbausteinen erlaubt. Unter Beachtung des Kostenaspekts werden somit ein Überholen und eine Differenzierung von Mit-wettbewerbern ermöglicht. Weitere Vorteile und Kritikpunkte, sowie die genaue Vorgehensweise, sind in dem nun folgendem Kapitel beschrieben.

2. Das Verfahren der Conjoint-Analyse

2.1 Ursprung der Conjoint-Analyse

Die Conjoint-Analyse, die auch Conjoint Measurement, Trade-Off-Analyse, Ver-bundmessung oder konjunkte Analyse genannt wird, hat ihren Ursprung in den 60er Jahren. Deren mathematische Grundzüge wurden 1964 von den For-schern R. Duncan Luce und John W. Tukey dargelegt und vor allem in der Psy-chologie beachtet. Eine Verbindung zum Marketing stellten Paul E. Green und Vithala R. Rao im Jahr 1971 her, woraufhin die Conjoint-Analyse in diesem Zweig der Wissenschaft einen starken Boom erfuhr.[40]

Heute ist die Conjoint-Analyse ein weitverbreitetes Instrument zur Präferenz-messung. Anerkennung erfährt sie nicht nur bei Theoretikern, sondern auch bei Unternehmen in der praktischen Anwendung. Vorteile sind die direkte Ableitung von operativen Maßnahmen und die Anwendungsmöglichkeit auf unterschied-lichste Produkte und Dienstleistungen.

2.2 Charakteristik und Untersuchungsziele

Die Conjoint-Analyse ermöglicht es den Kundennutzen verschiedener Produkt-merkmale und deren Ausprägungen zu ermitteln. Dieses geschieht auf Basis empirisch erfasster Gesamtnutzenwerte für Objekte (z.B. Produkte, Dienstleis-tungen), weshalb sie sich als dekompositionelles Verfahren charakterisieren lässt.[41] Das Gegenstück stellt das kompositionelle Verfahren dar, bei dem auf-grund empirisch gesammelter Nutzenwerte für Produktmerkmale und Ausprä-gungen, additiv auf den Gesamtnutzen des Produktes geschlossen wird.[42]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Dekompositionelle und kompositionelle Vorgehensweise[43]

Es werden also multiattributive Urteile von den Probanden gefordert, da sie Pro-duktgesamtheiten (Stimuli) beurteilen müssen. Der Vorteil einer dekompositio-nellen Vorgehensweise besteht darin, dass durch die Vorgabe von ganzen Pro-dukten, die Probanden sowohl positive als auch negative Merkmalsausprägun-gen gegeneinander abwägen müssen.[44] So kann eine Überbewertung unwichti-ger Eigenschaften in höherem Maße vermieden werden.[45] Mit Hilfe der Con-joint-Analyse lassen sich ebenso verschiedenste Fragestellungen beantworten.

- Welche Produktmerkmale beeinflussen die Präferenz der Konsumenten?
- Wie wichtig ist jedes Produktmerkmal für die Präferenzbildung der Konsumenten?
- Hinsichtlich welcher Produktmerkmale bzw. Merkmalsausprägungen können Kompromisse (trade-offs) beobachtet werden?
- Welche Kombination(en) von Merkmalsausprägungen wird (werden) besonders präferiert?
- Existieren heterogene Präferenzstrukturen, so dass Konsumenten mit homogenen Prä-ferenzstrukturen zu sinnvollen Marktsegmenten zusammengefasst werden können?
- Wie sind die realen Absatzchancen einer (hypothetischen) Merkmalskombination einzu-schätzen, bzw. welcher Marktanteil kann aufgrund der gewonnenen Daten prognostiziert werden?

Abb. 6: Fragestellungen bzw. Untersuchungsziele der Conjoint-Analyse[46]

Diese Vielzahl an möglichen Untersuchungszielen verdeutlichen, dass auch ein höherer Anspruch an den Forscher, bei der Planung und Vorbereitung der Un-tersuchung, gestellt wird.

2.3 Ablauf der Conjoint-Analyse

Die Ablaufschritte der Conjoint-Analyse heben eben erwähnte Anforderungen an den Forscher noch einmal deutlich hervor und zeigen die Komplexität der Conjoint-Analyse auf. In der Literatur wird eine Vielzahl von Ablaufplänen be-schrieben. Der hier dargelegte, entspricht dem von Perrey vorgeschlagenem Ablauf.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 7: Ablaufplan der Conjoint-Analyse[47]

Im folgenden werden diese Schritte nun im einzelnen behandelt. Der Autor hält sich dabei an oben vorgestellten Ablaufplan, da ihm dieser zweckmäßig und vollständig erscheint.

2.3.1 Festlegung von Eigenschaften und Ausprägungen

Die Generierung der Stimuli beginnt mit der Festlegung und Auswahl von Pro-duktmerkmalen[48], sowie deren Ausprägungen. Dabei handelt es sich um eine der wichtigsten Entscheidungen innerhalb der Conjoint-Analyse, da mit deren beschränkt möglicher Abbildung des realen Produktes, das Untersuchungsziel erreicht werden muss. Es soll also verstärkt darüber nachgedacht werden, mit welchen Merkmalen und Ausprägungen das Untersuchungsobjekt bestmög-lichst dargestellt werden kann.

An die Eigenschaften, die ein Produkt charakterisieren sollen, werden verschie-denste Anforderungen gestellt.[49]

Relevanz:

Besondere Bedeutung erfährt hierbei die Frage nach der Relevanz. Die Merk-male sollten nach der Vermutung ausgewählt werden, dass sie einen großen Anteil am Gesamtnutzen des zu untersuchenden Objekts haben und der Pro-band diese Merkmale als relevant erachtet. Nichtbeachtung dieses Anspruchs der Conjoint-Analyse kann zur Folge haben, dass die Befragten nicht in der Lage sind, realistische Urteile abzugeben.

Beeinflussbarkeit und Realisierbarkeit:

Weiterhin wird Beeinflussbarkeit und Realisierbarkeit gefordert. Der Anbieter soll in der Lage sein die dargestellten Eigenschaften und Ausprägungen zu be-einflussen und zu realisieren, um die Ergebnisse der Analyse direkt umsetzen zu können.

Nach Meinung des Autors stellt sich dabei die Frage ob der Anbieter bzw. Her-steller, zum Zeitpunkt der Erstellung der Conjoint-Analyse, den zur Erfüllung dieser Forderungen nötigen technischen Stand bereits verwirklicht haben muss, oder ob die Conjoint-Analyse auch zukunftsträchtige, momentan vom Anbieter bzw. Hersteller nicht beeinflussbare und realisierbare Merkmale und Ausprä-gungen enthalten darf. Deren Umsetzung kann dann erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgen. Ein weiterer Kritikpunkt an diesen zwei pauschalen Forder-ungen ist, dass die Frage nach den einzusetzenden Mitteln und Anstrengungen, um Merkmale und Ausprägungen zu beeinflussen und zu realisieren, nicht aus-reichend beantwortet wird. Es handelt sich also bei der Beeinflussbarkeit und Realisierbarkeit um zwei Begrifflichkeiten, die eine starke interne und statische Unternehmenssichtweise beinhalten und deshalb nach Meinung des Autors nicht als unabdingbar angesehen werden sollten.

Unabhängigkeit:

Die ausgewählten Eigenschaften sollen von einander unabhängig sein. Wäre das nicht der Fall, so würde das dem additiven Modell der Conjoint-Analyse wiedersprechen. „Unabhängigkeit der Eigenschaften bedeutet, dass der em-pirische Nutzen einer Eigenschaftsausprägung nicht durch die Ausprägungen anderer Eigenschaften beeinflusst wird“.[50]

kompensatorische Beziehung:

Ein Ziel der Conjoint-Analyse ist, Kompromisse zwischen Merkmalen und deren Ausprägungen zu finden, weshalb eine kompensatorische Beziehung der Ei-genschaften notwendig ist. Man spricht von einer kompensatorischen Bezie-hung, wenn die einzelnen Teilnutzenwerte der Merkmale gegenseitig substitu-ierbar sind.

Ausschlusskriterien / K.O.-Kriterien:

Um die kompensatorische Beziehung zu erhalten, dürfen innerhalb der Con-joint-Analyse keine Ausschlusskriterien, d.h. K.O.-Kriterien vorkommen. Diese liegen dann vor, wenn das Vorhandensein bzw. nicht Vorhandensein einer Aus-prägung immer zur Kaufentscheidung bzw. nie zu einer Kaufentscheidung führt.

Begrenztheit:

Da der Befragungsaufwand exponentiell mit der Anzahl der Ausprägungen an-steigt, müssen die Merkmale und deren Ausprägungen begrenzt werden. Es besteht ansonsten die Gefahr, dass der Proband mit Informationen überladen wird und sich bei seiner Entscheidung nur noch auf einzelne, für ihn wichtige Eigenschaften konzentriert. Wie hoch die Anzahl der Objektattribute dabei tat-sächlich sein sollte, ist nicht genau definiert. Bei bereits durchgeführten Ana-lysen wurden im Regelfall zwischen fünf und zehn Eigenschaften verwendet.[51] Für die Anzahl der Ausprägungen wird empfohlen, diese auf maximal fünf zu begrenzen.[52]

2.3.2 Wahl eines Präferenzmodells

In Abhängigkeit von der Skalierung der Eigenschaften werden drei unterschied-liche Modelle verwendet, um den Teilnutzen der Eigenschaftsausprägungen darzustellen. Es handelt sich dabei um das Vektormodell, Idealpunktmodell und Teilwertnutzenmodell.[53]

Vektormodell:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 8: Vektormodell mit sinkendem Nutzen

Beim Vektormodell wird vorausgesetzt, dass es sich bei dem Produktmerkmal um ein quantitatives Merkmal handelt.[54] Mit zunehmender Ausprägung fällt oder steigt der Nutzen. Eine nutzenmaximale Ausprägung existiert in diesem Fall nicht.[55]

Diese lineare Funktion lässt sich wie folgt darstellen:[56]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Idealpunktmodell:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 9: Idealpunktmodell

Beim Idealpunktmodell wird eine quadratische Funktion unterstellt. Mit zuneh-mender Ausprägung steigt der Nutzen, erreicht seinen Höchstpunkt bzw. Ideal-punkt und fällt danach wieder ab.[57] Die formale Darstellung lautet:[58]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Teilwertnutzenmodell:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 10: Teilwertnutzenmodell

Das Teilwertnutzenmodell lässt jeden Funktionstyp zu und schließt damit das Vektormodell und das Idealpunktmodell als spezielle Fälle ein.[59] Es ermittelt für jede Ausprägung einen Nutzenwert, der in keiner formalen Beziehung zu den Nutzenwerten der anderen Ausprägungen dieses Merkmals steht.[60] Dadurch ist es möglich nominalskalierte Merkmale zu verwenden.[61] Nicht vorhandene Aus-prägungen kardinalskalierter Merkmale könnten aber trotzdem mit Hilfe linearer Interpolation errechnet werden, weshalb sich dieses Modell als äußerst flexibel erweist. Formell kann es folgendermaßen dargestellt werden:[62]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2.3.3 Methode der Datensammlung

In diesem Schritt des Ablaufplans der Conjoint-Analyse wird nun zum erstenmal behandelt, wie der Proband mit dem Untersuchungsobjekt konfrontiert werden soll. Es besteht die Anforderung nach einer effizienten Methode, die auch die realistische Kaufentscheidung wiederspiegelt. Dafür stehen zwei Alternativen zur Verfügung: Die Zwei-Faktor-Methode sowie die Profilmethode.[63]

Zwei-Faktor-Methode:

Die Zwei-Faktor-Methode verwendet zwei Produktmerkmale, deren Ausprägun-gen in einer Matrix gegenübergestellt werden. Diese Matrizenbildung ist für alle Produktmerkmalskombinationen notwendig, wobei für M Merkmale, [M·(M–1)]/2 Matrizen gebildet werden müssen. Die Aufgabe des Probanden besteht dabei darin, alle möglichen Ausprägungspaare (Stimuli) der vorgelegten Matrizen zu bewerten.

Profilmethode:

Bei der Profilmethode werden dem Probanden Stimuli in Form einer Kombina-tion aller Produktmerkmale mit je einer Ausprägung vorgelegt. Die Stimuli sind dadurch inhaltlich umfangreicher als bei der Zwei-Faktor-Methode. Insgesamt sind bei Verwendung von drei Produktmerkmale mit jeweils drei Ausprägungen maximal (3 · 3 · 3 =) 27 Stimuli möglich, die vom Probanden beurteilt werden müssen.

Vor- und Nachteile der beiden Verfahren:

Die Zwei-Faktor-Methode stellt einen geringeren Anspruch an die Testperson, da nur immer zwei Produktmerkmalsausprägungen betrachtet und bewertet werden müssen. Sie ist also leichter zu bewältigen. Dagegen ist der Realitäts-bezug bei der Profilmethode größer. Sie stellt komplette Produkte in einem Sti-mulus dar und ermöglicht zusätzlich, nicht nur eine verbale, sondern auch eine visuelle Präsentation. Mit steigender Anzahl von Produktmerkmalen und Aus-prägungen, steigt auch die Anzahl der Stimuli, wobei die Steigerung bei der Profilmethode größer ausfällt, als bei der Zwei-Faktor-Methode.

Trotzdem findet die Profilmethode in der Praxis öfters Anwendung. Ihr Vorteil liegt in der Realitätsnähe und in der Möglichkeit, die Anzahl der Stimuli durch eine repräsentative Auswahl zu begrenzen (vgl. 2.3.4). Die Zwei-Faktor-Metho-de wurde an dieser Stelle der Vollständigkeit wegen vorgestellt. Ihre Anwen-dung soll keine weitere Vertiefung finden, weshalb auch in den folgenden Ab-laufschritten der Conjoint-Analyse, Details zur Anwendung der Profilmethode abgehandelt werden.

2.3.4 Auswahl des Erhebungsdesigns

Im vorangegangenen Abschnitt wurde die Möglichkeit der Begrenzung der Sti-muli angesprochen. Dies ist notwendig um eine Überforderung des Probanden zu vermeiden und den erhebungstechnischen Aufwand möglichst gering zu hal-ten.[64] Man unterscheidet also zwischen einem vollständigen Design, bei dem al-le theoretisch möglichen Stimuli verwendet werden, und einem reduzierten De-sign, bestehend aus einer Teilmenge.[65]

Vollständiges Design:

Beim vollständigen Design werden alle konstruierbaren Stimuli verwendet. Das bedeutet, dass sich alle Stimuli in mindestens einer Produktmerkmalsausprä-gung unterscheiden. Diese Variante wird aber nur dann angewandt, wenn die Anzahl der Merkmale und Ausprägungen sehr gering ist. Die Gründe hierfür wurden bereits erläutert (vgl. 2.3.3).

Reduziertes Design:

Das reduzierte Design, auch fraktioniertes faktorielles Design genannt, enthält nur einen Teil aller theoretisch möglichen Stimuli. Um diese zu generieren gibt es mehrere Möglichkeiten, mit unterschiedlichen Denkansätzen.

Die Verwendung einer Zufallsauwahl aus allen Stimuli stellt dabei die einfachste Möglichkeit dar, findet aber in der Forschungspraxis kaum Anwendung.[66] Um nämlich die Haupteffekte zwischen den Merkmalen und Ausprägungen hin-reichend schätzen zu können, ist die Bedingung der proportionalen Häufigkeit notwendig. Diese besagt, dass für zwei frei zu wählende Merkmale, die Ausprä-gungen des einen Merkmals gleichhäufig (über alle Stimuli), zusammen mit al-len Ausprägungen des anderen Merkmals, in einem Stimulus auftreten muss.[67] Um diesem Rechnung zu tragen und die Bildung reduzierter Designs zu erleich-tern, entwickelte Addelmann Basispläne, in denen bereits eine geeignete Kom-bination der Merkmalsausprägungen vorgegeben ist.[68]

Ein weiteres Verfahren[69] zur Generierung von Stimuli geht von einer anderen Grundüberlegung aus. Den Merkmalsausprägungen wird ein positiver oder ne-gativer Einfluss unterstellt. Betrachtet man die Wartezeit in einer Arztpraxis als Beispiel für ein Merkmal, so kann behauptet werden das eine Ausprägung von „5 Minuten“ als positiv und eine Wartezeit von „60 Minuten“ als negativ von den Probanden gesehen wird. Der jeweilige zu errechnende Teilnutzenwert dieser beiden Ausprägungen hängt nun aber vor allem davon ab, wie diese mit an-deren positiv oder negativ belegten Ausprägungen verknüpft wurden.[70] Wird die Wartezeit von 60 Minuten ausschließlich mit einer weiteren negativen Merk-malsausprägung, zum Beispiel mit der Ausprägung „Holzbänke“ beim Merkmal „Gestaltung des Wartezimmers“ in den Stimuli dargestellt, so schlägt sich das im Teilnutzenwert der beiden Ausprägungen nieder. Für beide wird ein niedri-gerer Nutzen, als der reale Nutzen, ermittelt werden.

Die Konstruktion eines reduzierten Designs kann also auch dadurch erfolgen, indem jede Merkmalsausprägung aller Merkmale, belastet mit einem positiven, negativen oder vielleicht auch neutralem Vorurteil, möglichst gleich oft verwen-det und möglichst gleich oft positiv, wie auch negativ mit anderen Ausprä-gungen verknüpft wird.

2.3.5 Präsentation der Stimuli

Die in den vorangegangenen Abschnitten definierten und verknüpften Merkmale und Ausprägungen, werden nun einer weiteren Überlegung unterworfen. Es handelt sich dabei um die Stimulipräsentation. Sie erfährt deshalb eine hohe Bedeutung, denn je realistischer die Darstellung erfolgt, umso höher ist die Vali-dität der Präferenzen und desto kürzer ist die Befragungszeit der Probanden.[71] Die mit zunehmender Anzahl von Merkmalen, Ausprägungen und Stimuli stei-gende Belastung des Probanden, kann ebenso durch eine realistische, kurze und prägnante Darstellung der Stimuli abgemildert werden. Der Autor vertritt den Standpunkt, dass deren Anzahl bei Erfüllung vorangestellter Ansprüche so-gar geringfügig erhöht werden könnte, somit eine detailliertere Beschreibung des Produkts ermöglicht wird.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 11: Auslastung der Probanden

Obige Abbildung zeigt in der Ausgangssituation eine für jeden Menschen indivi-duelle Auslastungskurve (linke Kurve). Die Auslastung des Probanden steigt ü-berproportional mit der Anzahl der Stimuli, Merkmale und Ausprägungen an und führt schließlich zur Überlastung. Das bedeutet, dass es der Testperson ge-danklich nicht mehr möglich ist, vorgelegte Beurteilungsaufgabe zu bearbeiten. Durch eine realistische, kurze und prägnante Abbildung der Stimuli, findet eine Verschiebung der ursprünglichen Auslastungskurve nach rechts statt. Hier tritt die Überlastung erst bei einer höheren Anzahl von Stimuli, Merkmalen und Aus-prägungen ein. Zwar kann die genaue Menge sowie das Substitutionsverhältnis der Stimuli, Merkmale und Ausprägungen nicht exakt festgelegt werden und der Rückgriff auf Erfahrungswerte wird nötig sein, aber dennoch verdeutlicht diese Grafik nochmals die Wichtigkeit von Überlegungen zur Stimulipräsentation. Es gilt auf jeden Fall eine Überlastung des Probanden zu vermeiden und dennoch das Produkt realistisch abzubilden.

Verbale Beschreibung der Stimuli:

Zu unterscheiden ist bei der verbalen Beschreibung zwischen der Fließtextform und der Beschreibung in Stichworten.[72] Bei der Fließtextform kann angenom-men werden, dass sie, speziell bei einer größeren Anzahl von Merkmalen und Ausprägungen, schneller zur Ermüdung des Probanden führt und auch nicht die gewünschte Übersichtlichkeit erfüllt. Die Beschreibung der Stimuli in Stichwor-ten erfolgt oft auf sogenannten Stimulikarten oder in Tabellenform.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 12: Verbale Beschreibung in Stichworten auf Stimulikarten[73]

Wie hier nachvollziehbar wird, erfolgt die Informationsaufnahme durch den Pro-

banden bei einer verbalen Beschreibung in Stichworten einfach und schnell, wobei Eindeutigkeit und Verständnis der Stichworte vorausgesetzt wird.

Visuelle Beschreibung der Stimuli:

Wie der Name schon sagt werden bei der visuellen Beschreibung die Stimuli, oder auch nur einzelne Merkmale und Ausprägungen, durch Bilder dargestellt. Vorteile sind die größere Realitätsnähe und eine geringere Anforderung an den Probanden.[74]

Weiterhin können komplexe Informationen leichter und schneller übermittelt werden.[75] Die Gefahr besteht aber darin, dass die Testpersonen den bildlich dargestellten Stimulus hinsichtlich unbeabsichtigter Eigenschaften bewerten.[76]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 13: Visuelle Beschreibung am Beispiel eines Fleckenentfernungsmittels[77]

Die visuelle Beschreibung stößt natürlich an ihre Grenzen, sobald sich das Pro-dukt nicht mehr abbilden lässt. Das ist meistens bei Dienstleistungen der Fall, wo dann auf eine verbale Beschreibung zurückgegriffen werden muss.

Physische Beschreibung der Stimuli:

Diese Art der Beschreibung setzt voraus, dass die Produkte real vorhanden sind. Ein Vorteil dabei ist, dass den Probanden auch innovative und neuartige Produkte präsentiert werden können, deren Nutzen die Testperson anhand ei-ner verbalen oder bildhaften Darstellung nur schwer, oder gar nicht erkannt hät-te. Des weiteren gelten hier ähnliche Vor- und Nachteile, analog der visuellen Beschreibung.

[...]


[1] vgl. zu den rechtlichen Rahmenbedingungen und neuen Vertriebskonzepten Zielke, Preißner, Wierich (2002), S.132-135.

[2] vgl. Porter (1999), S.33.

[3] Abbildung übernommen aus Porter (1999), S.34.

[4] vgl. Porter (1999), S.35.

[5] vgl. Plate D. (2003), S.6.

[6] vgl. Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (2004a).

[7] vgl. Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (2004a).

[8] vgl. kfz betrieb (2004). S.48.

[9] vgl. Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (2004a).

[10] vgl. kfz betrieb (2004). S.25 und 29.

[11] vgl. Porter (1999), S.50-52.

[12] vgl. Mercer Management Consulting (2003).

[13] vgl. Meunzel, Ganzer (2004), S.8.

[14] vgl. Automobilwoche (2004).

[15] vgl. Mercer Management Consulting (2003).

[16] vgl. Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (2004a).

[17] Abbildung übernommen aus kfz betrieb (2004), S.11.

[18] vgl. kfz betrieb (2004), S.11-12.

[19] vgl. Süddeutsche Zeitung (2004a).

[20] vgl. kfz betrieb (2004), S.50.

[21] vgl. Porter (1999), S.60.

[22] vgl. Cap Gemini Ernst & Young (2003), S.10.

[23] vgl. kfz betrieb (2004), S.3.

[24] vgl. Cap Gemini Ernst & Young (2003), S.20.

[25] vgl. Porter (1999), S.59.

[26] vgl. Dahlhoff, Dudenhöffer (1997), S.70.

[27] vgl. Mercer Management Consulting (2003).

[28] vgl. kfz betrieb (2004), S.41.

[29] vgl. Kroher (2004), S.18.

[30] vgl. Carewicz (2004).

[31] vgl. Süddeutsche Zeitung (2004b).

[32] vgl. von Saß (2004).

[33] vgl. Carewicz (2004).

[34] vgl. RTL Newmedia (2004).

[35] vgl. BCA Autoauktionen GmbH (2004).

[36] vgl. Zielke, Preißner, Wierich (2002), S.133.

[37] vgl. Meunzel, Ganzer (2004), S.7.

[38] vgl. Buchenau (2004).

[39] vgl. Zentralverband des deutschen Kraftfahrzeuggewerbes (2004b).

[40] vgl. zum Ursprung und heutigen Anwendung der Conjoint-Analyse Gustafsson, Herrmann, Huber (2001), S.5 / Klein (2002), S.7 / Schubert (1991), S.132-135.

[41] vgl. Backhaus, Erichson, Plinke, Weiber (1994), S.499.

[42] vgl. Skiera, Gensler (2002a), S.200.

[43] Abbildung übernommen aus Skiera, Gensler (2002a), S.200.

[44] vgl. Nieschlag, Dichtl, Hörschgen (1994), S.829.

[45] vgl. Tscheulin (1992), S.18.

[46] Abbildung übernommen aus Schubert (1991), S.160.

[47] Abbildung leicht abgeändert übernommen aus Perrey (1996), S.106.

[48] Die Bezeichnungen Merkmale, Produktmerkmale, Eigenschaften und Objektattribute werden synonym verwendet.

[49] vgl. zur Frage nach den Anforderungen unter anderem Backhaus, Erichson, Plinke, Weiber (1994), S.503-504 / Klein (2002), S.12-14 / Schubert (1991), S.177-178 / Skiera, Gensler (2002a), S.201.

[50] Backhaus, Erichson, Plinke, Weiber (1994), S.503.

[51] vgl. Tabelle 2 und 3 in Sattler, Hensel-Börner (2001), S.128-129.

[52] vgl. Theuerkauf (1989), S.1180.

[53] vgl. Tscheulin (1992), S.9-12.

[54] vgl. Klein (2002), S.15.

[55] vgl. Skiera, Gensler (2002a), S.203.

[56] vgl. Tscheulin (1992), S10.

[57] vgl. Skiera, Gensler (2002a), S.203.

[58] vgl. Tscheulin (1992), S10.

[59] vgl. Schubert (1991), S.120.

[60] vgl. Klein (2002), S.16.

[61] vgl. Aust (1996), S.24.

[62] vgl. Tscheulin (1992), S11.

[63] vgl. Backhaus, Erichson, Plinke, Weiber (1994), S.505-507 / Green, Tull (1982), S.448-450 / Gustafsson, Herrmann, Huber (2001), S.13-16 / Klein (2002), S.18-20 / Weiber, Rosendahl (1997), S. 108.

[64] vgl. Bauer, Hermann, Mengen (1995), S.340.

[65] vgl. Backhaus, Erichson, Plinke, Weiber (1994), S.508.

[66] vgl. Klein (2002), S.21.

[67] vgl. Aust (1996), S.56.

[68] vgl. Backhaus, Erichson, Plinke, Weiber (1994), S.524-525.

[69] vgl. zu diesem Verfahren Vorlesungsunterlagen „Geschäftsentwicklungs- und Beratungs-programme“ aus dem SS 2003 von Prof. Dr. Dietram Schneider.

[70] vgl. Schneider (2000), S.213.

[71] vgl. Aust (1996), S.62.

[72] vgl. Aust (1996), S.62-63 / Gustafsson, Herrmann, Huber (2001), S.18.

[73] Abbildung übernommen aus Tscheulin (1992), S.25.

[74] vgl. Tscheulin (1992), S32.

[75] vgl. Green, Tull (1982), S.458.

[76] vgl. Aust (1996), S.63 / Tscheulin (1992), S.32.

[77] Abbildung übernommen aus Kotler, Bliemel (2001), S.536.

Ende der Leseprobe aus 117 Seiten

Details

Titel
Conjoint Measurement in der Automobilbranche
Untertitel
Eine empirische Analyse der Präferenzen beim Neuwagenkauf und der Werkstättenwahl
Hochschule
Hochschule für angewandte Wissenschaften Kempten
Note
1,0
Autor
Jahr
2005
Seiten
117
Katalognummer
V92406
ISBN (eBook)
9783638050784
ISBN (Buch)
9783656059868
Dateigröße
1360 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Conjoint, Measurement, Automobilbranche
Arbeit zitieren
Jan Deward (Autor:in), 2005, Conjoint Measurement in der Automobilbranche , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92406

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