Bundesinnenminister Dr. Wolfgang Schäuble sagte am 29. Januar 2008 beim 11. Europäischen Polizeikongress in Berlin folgendes: „Der Rahmen, in dem der Staat für die Sicherheit seiner Bürger Sorge trägt, ist ein anderer geworden.“ Der Zusammenhang zur Darstellung der Einflüsse des europäischen Rechts auf das deutsche Strafrecht und Strafverfahrensrecht ist damit schnell dargestellt: Strafrechtlich relevante Sachverhalte weisen heute in vielen Fällen keine rein nationalen Bezüge auf. Grundsätzlich kann man davon ausgehen, dass Kriminalität, vor allem professionell betriebene, grenzübergreifend auftritt. Man denke an organisiert operierende rumänische Banden im Bereich des Buntmetall- und Navigationsgerätediebstahls oder an die Einfuhr von Betäubungsmitteln wie „Crystal“ aus dem tschechischen Bereich. Doch gerade die durch das Strafrecht zu gewährleistende innere Sicherheit wird vor allem von den europäischen Mitgliedsstaaten als „heilige Kuh“ gesehen, was die logische Einsicht in die Tatsache, dass mit der europäischen Grenzöffnung die Unterschiede zwischen innerer und äußerer Sicherheit verschwimmen, erschwert. Immer mehr Sicherheitsaufgaben können nunmehr nicht allein auf nationaler Ebene gelöst werden und müssten gemäß dem Subsidiaritätsgrundsatz in europäische Verantwortung übergeben werden. Doch gerade das Strafrecht ist ein historisch gewachsener Teil eines jeden einzelnen Rechtsstaats, der stark auf Grundsätzen und Werten der jeweiligen Gesellschaft beruht und von deren Akzeptanz abhängig ist. Ein von vielen gefordertes einheitliches europäisches Strafrecht kann somit wohl erst existieren, wenn die Entstehung, und vor allem die Erweiterung Europas von den Unionsbürgern als historisch notwendig und als Teil einer internationalen Entwicklung gesehen wird. Ein Teil meiner Arbeit wird daher darin bestehen, die Entstehung und Entwicklung der EU darzustellen, um dann die umfangreichen und vielfältigen Einflüsse der EU auf unser nationales Strafrecht einordnen zu können und zu klären, warum es noch kein einheitliches europäisches Straf- bzw. Strafverfahrensrecht gibt, obwohl die Tendenzen zum „europäischen Strafrecht“ nicht zu übersehen sind.
Teilweise wird bereits in den entsprechenden Abschnitten zu den Organisationen und Institutionen auf die Relevanz in Bezug auf die „Europäisierung im Straf- und Strafverfahrensrecht hingewiesen.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- Teil 1: Entstehung und Entwicklung der Europäischen Union
- § 1 Europäische Gemeinschaft für Kohle und Stahl
- § 2 Gründung der Europäischen Gemeinschaft
- § 3 Einheitliche Europäische Akte
- I. Europäischer Binnenmarkt
- II. Europäische Politische Zusammenarbeit
- III. Europäischer Rat
- § 4 Vertrag von Maastricht über die Europäische Union
- I. Drei-Säulen-Modell
- II. Abkommen zur Sozialpolitik
- § 5 Abkommen von Schengen, Dublin und Prüm
- I. Schengener Durchführungsübereinkommen
- II. Abkommen von Dublin
- III. Prümer Vertrag
- § 6 Vertrag von Amsterdam
- § 7 Vertrag von Nizza
- I. Institutionelle Reformen
- II. Charta der Grundrechte der Europäischen Union
- III. Vom Verfassungsvertrag zum Reformvertrag
- 1) Vertrag über eine Europäische Verfassung
- 2) Vertrag von Lissabon
- Teil 2: Organisation und Struktur der Europäischen Union
- § 8 Organisatorische Aufbau der Gemeinschaft und der Union
- I. Europäisches Parlament
- 1) Zusammensetzung
- 2) Aufgaben und Befugnisse
- II. Rat der Europäischen Union
- III. Kommission der Europäischen Gemeinschaften
- IV. Europäischer Gerichtshof
- V. Europäischer Rechnungshof
- § 9 Struktur der Europäischen Union
- I. Säulenmodell
- II. Europäische Gemeinschaften
- III. Gemeinsame Außen- und Sicherheitspolitik
- IV. Polizeiliche und justitielle Zusammenarbeit in Strafsachen
- 1) Einleitung
- 2) Ziele der PJZS
- 3) Besondere Einrichtungen und Organe in der dritten Säule
- (a) TREVI
- (b) Europol
- aa) Entstehung
- bb) Organisation
- cc) Kompetenzen
- dd) Intelligence-Auswertung und Analyse
- (c) Eurojust - Einheit für justitielle Zusammenarbeit der EU
- aa) Organisation
- bb) Kompetenzen
- (d) OLAF
- (e) Europäisches justitielles Netzwerk
- Teil 3: Europarecht
- § 10 Begriff,,Europarecht“
- I. Europarecht im weiteren Sinne
- 1) Europarat
- 2) Europäischer Menschenrechtsschutz - EMRK
- II. Europarecht im engeren Sinne
- § 11 Gemeinschaftsrecht
- I. Primäres Gemeinschaftsrecht
- II. Sekundäres Gemeinschaftsrecht
- III. Rechtsakte der ersten Säule der EU
- 1) Verordnung
- 2) Richtlinie
- IV. Einzelermächtigung und Subsidiarität
- 1) Prinzip der begrenzten Einzelermächtigung
- 2) Subsidiaritätsprinzip
- § 12 Unionsrecht
- I. Rechtsakte im Bereich der zweiten und dritten Säule der EU
- II. Verfahren für das Zustandekommen der Rechtsakte
- III. Handlungsformen im Bereich der PJSZ
- 1) Gemeinsame Standpunkte
- 2) Rahmenbeschluss
- 3) Übereinkommen
- 4) Empfehlung und Entschließung
- Teil 4: Europäisches Strafrecht?
- § 13 Gemeinschaftsstrafrecht in der ersten Säule?
- I. Europäisches Strafrecht im weiteren Sinne
- II. Kompetenzlagen in der EG
- 1) Sanktionskompetenz
- 2) Kompetenz zur Rechtssetzung?
- 3) Anweisungskompetenz
- § 14 Unionsstrafrecht in der dritten Säule?
- I. Fehlende Rechtssetzungskompetenz
- II. Harmonisierungskompetenz der EU
- Schlussbemerkungen
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den Einflüssen des europäischen Gemeinschaftsrechts auf das Straf- und Strafverfahrensrecht. Sie analysiert die europäischen Strafrechtskompetenzen und die Rolle der EU-Organe in der sog. Dritten Säule.
- Entstehung und Entwicklung der Europäischen Union
- Organisation und Struktur der Europäischen Union
- Europarecht
- Europäisches Strafrecht
- EU-Organe in der Dritten Säule
Zusammenfassung der Kapitel
Die Arbeit beginnt mit einer umfassenden Darstellung der Entstehung und Entwicklung der Europäischen Union. Dabei werden die wichtigsten Etappen der Integration, von der Europäischen Gemeinschaft für Kohle und Stahl bis zum Vertrag von Lissabon, beleuchtet. Anschließend wird die Organisation und Struktur der EU detailliert untersucht, wobei die einzelnen Organe und ihre Aufgaben und Befugnisse im Fokus stehen. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf dem Europarecht, dessen Begrifflichkeit und Anwendung erläutert werden. Hier werden sowohl das primäre und sekundäre Gemeinschaftsrecht als auch die Rechtsakte der ersten und dritten Säule der EU beleuchtet. Schließlich wird der Frage nach dem Europäischen Strafrecht nachgegangen. Dabei wird zunächst der Begriff des Europäischen Strafrechts im weiteren Sinne definiert, anschließend die Kompetenzlage in der EG und schließlich die Frage nach dem Unionsstrafrecht in der dritten Säule behandelt.
Schlüsselwörter
Europäisches Gemeinschaftsrecht, Strafrecht, Strafverfahrensrecht, Europäische Union, EU-Organe, Dritte Säule, Integration, Organisation, Struktur, Europarecht, Gemeinschaftsrecht, Unionsrecht, Kompetenzlage, Harmonisierung, Strafrechtskompetenzen.
- Arbeit zitieren
- Susann Neuber (Autor:in), 2008, Einflüsse des europäischen Gemeinschaftsrechts auf das Straf- und Strafverfahrensrecht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92434