Tränen, Flehen, Mitleid, aber auch Empörung und Befremden – deren öffentliche Inszenierung mag den Betrachter der mittelalterlichen Geschichte zunächst verwundern und scheinen aus heutiger Sicht nicht ganz einfach nachvollziehbar zu sein. In der Tat hat man zwar schon früh erkannt, welch gewichtige Rolle das öffentliche Exerzieren von Emotionen für das Mittelalter hatte, was aber nicht unbedingt vor falschen Schlussfolgerungen schützte. Noch bis in die 70er Jahre zeichnet Norbert Elias in seinem Werk „Prozess der Zivilisationen“ laut Althoff das Bild eines Affekte und Triebe auslebenden Menschen- in klarer Abgrenzung eines zu „Regulierung und Sublimierung seiner Affekte genötigten Menschen der Neuzeit“:
„Das alles sind Ausdrücke für die Seelenlage einer Gesellschaft, in der man den Trieben, den Empfindungen unvergleichbar viel leichter, rascher, spontaner und offener nachgab, in der die Affekte ungebundener, d. h. aber auch ungeregelter und stärker zwischen Extremen hin- und hergeworfen, spielten als später.“
Ebenso, vielleicht sogar noch blumiger formuliert, schreibt Johan Huizinga:
„In dieser Empfänglichkeit des Gemüts, diese Bereitschaft zu Tränen und zu geistiger Umkehr, diese Reizbarkeit muss man sich hineindenken, um ermessen zu können, welche Farbigkeit und Intensität das Leben besaß.“
Althoff hat in den letzten Jahren gezeigt, dass sowohl Elias’, als auch Huizingas „wesentliche Aussage[n] die mittelalterlichen Quellen nicht [treffen].“ Dazu hingegen weist er im Besonderen darauf hin, dass in einer Gesellschaft, die eines richtigen Gewaltmonopols entbehrte, durch consuetudines geregelte Verhaltensnormen stabilisierend und deeskalierend zu wirken vermochten und jene darüber hinaus sogar zweckrational eingesetzt wurden. Dementsprechend werden für die Schilderung des theoretischen Ablaufs ritueller Verhaltensweisen und im speziellen für die deditiones weitgehend Darstellungen von Althoff dienen.
Auch am Beispiel Mailand, Barbarossas vorläufigem Schlüsselpunkt seiner Italienpolitik- lässt, sich symbolische Kommunikation und deren bewusster Einsatz feststellen. Besonders interessant ist hierbei, dass es sich in diesem speziellen Fall um die Ausnahmeerscheinung von gleich zwei deditiones handelt, die in einem relativ kurzen Zeitraum hinter einander aus geführt wurden.
Inhaltsverzeichnis
- Einleitung
- I. Konventionen und Wandel der rituellen Konfliktbeilegung
- II. Konflikt zwischen Kaiser und Kommune bis zum Jahre 1158
- III. Gütliche Konfliktbeendigung im Jahre 1158
- IV. Erneuter Konflikt und das Strafgericht Barbarossas 1162
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die vorliegende Arbeit befasst sich mit den beiden Unterwerfungsritualen der Stadt Mailand gegenüber Kaiser Friedrich Barbarossa im Jahre 1158. Sie untersucht die Bedeutung dieser rituellen Konfliktbeilegungen im Kontext der Machtverhältnisse zwischen Kaiser und Kommune im Reichsitalien des 12. Jahrhunderts.
- Rituelle Konfliktbeilegung im Mittelalter
- Deditio als Form der Unterwerfung
- Symbolische Kommunikation und Herrschaftsanspruch
- Konfliktverlauf und Handlungszwänge
- Verhältnis zwischen Kaiser und Kommune
Zusammenfassung der Kapitel
- Die Einleitung erläutert die Bedeutung von Emotionen und symbolischer Kommunikation in der mittelalterlichen Gesellschaft und stellt den theoretischen Rahmen für die Analyse der deditiones dar.
- Kapitel I beleuchtet die allgemeinen Konventionen und den Wandel ritueller Konfliktbeilegungen im Mittelalter, insbesondere der deditio, und die Bedeutung symbolischer Kommunikation.
- Kapitel II beschreibt den Konflikt zwischen Kaiser Friedrich I. und der Stadt Mailand bis zum Jahr 1158, der schließlich zur ersten deditio führte.
- Kapitel III analysiert die erste deditio im Jahr 1158 und die Hintergründe für die gütliche Konfliktbeendigung.
Schlüsselwörter
Deditio, Unterwerfung, Rituelle Konfliktbeilegung, Symbolische Kommunikation, Herrschaft, Kaiser, Kommune, Mailand, Friedrich Barbarossa, Reichsitalien, 12. Jahrhundert.
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- Markus Ständner (Autor), 2006, Konfliktführung und symbolische Kommunikation: Friedrich I. Barbarossa und die Kommune Mailand, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92464