Ziel der Hausarbeit ist eine kritische Auseinandersetzung mit Milanovićs Aufsatz und die Anwendung seiner Theorien auf den 2018 begonnenen sino-amerikanischen Handelskonflikt. Zur Beantwortung der beiden Leitfragen - Lässt sich tatsächlich von einem Kampf zweier Varianten des Kapitalismus sprechen oder handelt es sich letztlich eher um einen Vorherrschaftskonflikt zweier Großmächte? Inwiefern wird die Entwicklung der beiden Modelle Einfluss auf die Zukunft des Kapitalismus haben? - wird inhaltlich zunächst der Aufsatz von Milanović eingeführt und seine Theorie zum Systemkonflikt erläutert.
Im zweiten Schritt wird die Theorie in die Thematik des sino-amerikanischen Handelskonflikts eingebunden. Dazu werden verschiedene wirtschaftswissenschaftlichen Theorien, wie die von Ali Wyne und Hanns Günther Hilpert angeführt, um so ein divergierendes Bild zu erschaffen, das sich kritisch mit Milanovićs Ansatz auseinandersetzt
Der dritte Teil der Hausarbeit widmet sich der Zukunft des Kapitalismus. Hier werden die Problemfelder, die Milanović für die Zukunft der kapitalistischen Modelle aufzeichnet, genauer untersucht und mit der Meinung des Autors kontrastiert.
Im Fazit folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse und die abschließende Beantwortung der Leitfragen.
Der kapitalistische Westen hat überdauert, während die kommunistische Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten zusammengebrochen sind. Der neue Konflikt entsteht in einem durch die Globalisierung international vernetzten System, vor allem Wirtschaftssystem, in dem die USA und China gleichermaßen eingebunden sind. Der serbisch-US-amerikanische Ökonom Branko Milanović betitelt diesen neuen Konflikt als „Clash of Capitalism“, als Kampf innerhalb des Kapitalismus zwischen den beiden unterschiedlichen Modellen demokratisch-liberal und politisch-autoritär.
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Hauptteil
2.1. Milanovic’s Theorie des „Clash of Capitalism“
2.2. Der sino-amerikanische Systemkonflikt
2.3. Die Zukunft des Kapitalismus
3. Schluss
4. Literaturverzeichnis
1. Einleitung
Protektionismus, Strafzölle, Warenembargos, Marktmanipulationen - der Handelskonflikt zwischen der Volksrepublik China und den USA währt seit über zwei Jahren und belastet zunehmend die Weltwirtschaft. Zitiert man den amerikanischen Präsidenten Donald Trump und seinen Tweet vom 02.03.2018: „When a country (USA) is losing many billions of dollars on trade with virtually every country it does business with, trade wars are good, and easy to win. Example, when we are down $100 billion with a certain country and they get cute, don't trade anymore - we win big. It's easy!“ (2018: o.S.), hätte man mit einer schnellen und für die USA positiven Beendigung des Konflikts rechnen können. Doch ist dieser Fall nicht eingetreten. Mittlerweile scheint die wirtschaftliche Schwächung Chinas nicht mehr der einzige Konfliktgrund zu sein. China bedroht zunehmend die Interessen Amerikas im asiatischen Raum und kritisiert die globale Vormachtstellung der USA, welche sich bereits in der Nachkriegsordnung etablierte. Zurecht denkt man im Hinblick auf das Machtkonkurrenznarrativ unweigerlich an den Kalten Krieg. Doch ist dieses Szenario lediglich eine Illusion. Der kapitalistische Westen hat überdauert, während die kommunistische Sowjetunion und ihre Satellitenstaaten zusammengebrochen sind. Der neue Konflikt entsteht in einem durch die Globalisierung, international vernetzten System, vor allem Wirtschaftssystem, in dem die USA und China gleichermaßen eingebunden sind (Rudolf 2019: 13f.). Der serbisch-US-amerikanische Ökonom Branko Milanovic betitelt diesen neuen Konflikt als „Clash of Capitalism“, als Kampf innerhalb des Kapitalismus zwischen den beiden unterschiedlichen Modellen demokratisch-liberal und politisch-autoritär (2020: S.12). Ziel der Hausarbeit ist eine kritische Auseinandersetzung mit Milanovic ‘s Aufsatz und die Anwendung seiner Theorien auf den 2018 begonnenen sino-amerikanischen Handelskonflikt. Am sinnvollsten lassen sich dazu folgende Leitfragen an Milanovic ‘s Aufsatz diskutieren: Lässt sich tatsächlich von einem Kampf zweier Varianten des Kapitalismus sprechen oder handelt es sich letztlich eher um einen Vorherrschaftskonflikt zweier Großmächte? Inwiefern wird die Entwicklung der beiden Modelle Einfluss auf die Zukunft des Kapitalismus haben?
Zur Beantwortung der beiden Leitfragen, werde ich inhaltlich zunächst in den Aufsatz von Milanovic einführen und seine Theorie zum Systemkonflikt erläutern. Im zweiten Schritt werde ich die Theorie in die Thematik des sino-amerikanischen Handelskonflikts einbinden und diese prüfen. Dazu werde ich verschiedene wirtschaftswissenschaftlichen Theorien, wie die von Ali Wyne und Hanns Günther Hilpert anführen, um so ein divergierendes Bild zu erschaffen, dass sich kritisch mit Milanovic's Ansatz auseinander setzt. Der dritte Teil der Hausarbeit widmet sich der Zukunft des Kapitalismus. Hier werde ich die Problemfelder, die Milanovic für die Zukunft der kapitalistischen Modelle aufzeichnet, genauer untersuchen und mit meiner eigenen Meinung kontrastieren. Im Fazit folgt eine Zusammenfassung der Ergebnisse und abschließende Beantwortung der Leitfragen.
2. Hauptteil
2.1 Milanovic’s Theorie des „Clash of Capitalism“
Viele Thesen, Überlegungen und Ideen finden sich in der Forschungsliteratur zum sino- amerikanischen Handelskonflikt, doch ist der Aufsatz Milanovic’s in einer Hinsicht besonders. Er wagt den Schritt, den Konflikt in ein neues Spektrum einzuordnen. Im Mittelpunkt steht nicht konkret der Handelskonflikt oder das Handeln der Beteiligten, sondern der Kapitalismus und seine Zukunft. Der Kapitalismus unterteilt sich in zwei miteinander konkurrierende Systeme. Der demokratische, liberale Kapitalismus ist vorherrschend in Nordamerika und Westeuropa, aber auch im asiatischen Raum, in Indien, Indonesien und Japan vertreten. Diesem Modell gegenüber steht der autoritäre Kapitalismus, adaptiert von China, Russland, Singapur und einigen Staaten Afrikas (Milanovic 2020: S.10f.). Die Globalisierung führte im Laufe des 20. Jahrhunderts dazu, dass sich die einzelnen Marktwirtschaften verbanden und ein Weltwirtschaftssystem entstand, von dem viele Staaten profitierten. Die USA hatte sich nach dem Ende des zweiten Weltkrieges als Führungsnation herauskristallisiert und galt fortan als Bewahrer der Demokratie und der liberal-kapitalistischen Ordnung. Eine Ordnung, die sich durch freie Märkte, private Produktionssektoren und Partizipationsmöglichkeiten, also vornehmlich liberalen Grundsätzen, auszeichnet. Lange Zeit galt dieses, durch die USA dominiertes System, als profitabelste und durchsetzungsfähigste Ordnung, die mit Hilfe internationaler Organisationen wie dem IWF und der Weltbank global agierte. Doch haben sich im Laufe der Jahre systemische Probleme ergeben und vertieft. Nach Milanovic ist eines davon die zunehmende Ungerechtigkeit der Verteilung und der Etablierung einer „durable upper class“ (2020: S.14). Der freie Markt hat zwar dazu beigetragen, das Markteinkommen zu steigern, letztlich aber auch für eine größere Vermögensungleichheit gesorgt (Milanovic 2020: S.14). Diese immer größer werdende Kluft zwischen Arm und Reich sieht Milanovic als Gefahr für ein harmonisiertes globales System und langfristig auch problematisch für die Wirtschaftsform des liberalen Kapitalismus an sich. Das zweite Problem ist, dass die durch den Westen vorangetriebene Globalisierung innerhalb weniger Jahrzehnte zur ökonomischen Angleichung zwischen Westen und Osten geführt hat (Milanovic 2020: S.13). Dieser Ausgleich hat dazu geführt, dass das liberal-demokratische System sich erneut behaupten muss. Der chinesische Kapitalismus unterscheidet sich gerade im Punkt des freien Marktes vom liberaldemokratischen Modell. Hier greift der autoritäre Staat, sprich die politischen Eliten, gezielt in die Wirtschaft ein, um ein optimales und ständiges Wirtschaftswachstum zu generieren (Milanovic 2020: S.17). Die Zahlen zeigen das dies in den vergangenen Jahrzehnten optimal funktioniert hat, doch zunehmend schwieriger wird. Gleiches sieht auch Milanovic, der ausführt, dass die Legitimation der autoritären Regierung Chinas eng an die Notwendigkeit zusätzlichen Wirtschaftswachstums geknüpft ist (2020: S.16ff.). Seit der Weltwirtschaftskrise 2007 / 2008 und der sich anschließenden Rezension steckt das liberale Wirtschaftsmodell in der Krise. Der politische Kapitalismus wiederum verspricht eine effektivere Verwaltung der Wirtschaft und höheres Wirtschaftswachstum. Aufgrund der Tatsache, dass China in den letzten fünfzig Jahren eines der erfolgreichsten Länder auf wirtschaftlichem Gebiet war, legitimiert die Verbreitung des politischen Kapitalismus (Milanovic 2020: S.18ff.). Aus diesem Grund hat China in den letzten Jahren politische Institutionen wie die Asian Infrastructure Investment Bank (AIIB) oder die Belt and Road Initiative (BRI) gegründet, um Staaten eine Alternative zu bieten, die sie nicht zur Einhaltung demokratischer Grundsätze zwingt und trotzdem Investitionen bereitstellt. Diese Institutionen, so Milanovic, werden China eine Reihe von Einflussmöglichkeiten gewähren, die weit über die geopolitischen Sphären Asiens hinausreichen (2020: S.18). Es kommt zu einem unweigerlichen „Clash of Systems“ (Milanovic 2020: S.18), mit dem ich mich im nächsten Kapitel eingehender beschäftigen möchte.
2.2 Der sino-amerikanische Systemkonflikt
Das chinesische Modell unterscheidet sich in seiner Strategie zur Beeinflussung anderer Staaten deutlich von dem liberal - demokratischen Modell. Organisationen wie der IWF und die Weltbank versuchen, so Milanovic, Veränderungen durch den Aufbau von Institutionen herbeizuführen und verlangen im Gegenzug für Investitionen die Einhaltung demokratischer Grundsätze, während China eher ökonomisch handelt (2020: S. 18f). Chinas Investitionen fließen größtenteils in die Infrastruktur von Partnerländern und bauen im Gegenzug auf wirtschaftliche Teilhabe. Laut Milanovic ist der Verbreitungsprozess des autoritären Modells durch die chinesische Regierung ein notwendiger Schritt, um so die Vorteile des politischen Kapitalismus zu betonen und den Glanz des westlichen Modells, vor allem die Vorzüge einer demokratischen Ordnung, in den Augen der chinesischen Bevölkerung zu unterdrücken (Milanovic 2020: S.19f.). Die USA sieht die Verbreitung des autoritären Modelles als Untergrabung der demokratischen Ordnung und somit als Angriff ihrer hegemonialen Stellung. Fragwürdig ist aber, ob mit der Verbreitung des chinesischen Wirtschaftssystems gleichzeitig die ideologische Verbreitung des autoritären Regierungssystems Chinas verknüpft ist. Diese Auffassung ist mit Vorsicht zu betrachten, da es schwer fällt zu sagen, welches der beiden Wirtschaftssysteme richtig oder falsch ist. Das liberale Modell beruht auf der Vormachtstellung Amerikas. Als vorherrschende Ordnung können es sich die westlichen Institutionen erlauben, ihre Investitionen mit bestimmten Forderungen, wie beispielsweise nach mehr demokratischen Grundsätzen in den betroffenen Ländern, zu verknüpfen. Wie Milanovic richtig erkennt, ermöglicht Chinas sehr positiv bilanziertes Wirtschaftswachstum, den Export des eignen Systems (2020: S.18f.). Der strukturelle Unterschied, dass Chinas Kapitalismus größtenteils durch die Regierung gesteuert wird, während sich die Regierung im liberalen Modell weitgehend neutral verhält, ist hier die Besonderheit, welcher auch maßgeblich für die Interessenten des chinesischen Modelles wichtig ist. Ein ohnehin demokratischer Staat würde die Voraussetzungen für Investitionen des IWF und der Weltbank erfüllen, bräuchte also nicht auf das chinesische Angebot eingehen. Damit verbunden ist gleichzeitig ein Zwang, dass alle nicht-demokratischen Ordnungen, die Entwicklungshilfe benötigen, sich demokratisieren müssen. Ein gewagtes Unterfangen für die USA, die ihrerseits den Chinesen vorwerfen, ein autoritäres System zu verbreiten. Ob diese ideologische Dimension des Konflikt Wirklichkeit ist, ist fragwürdig. Jessica Chen Weiss und Hanns Günther Hilpert sind sich einig, dass es sich hierbei nicht um einen ideologischen Konflikt handelt. Wie Milanovic bereits angedeutet hat (2020: S.18), ist der Zugewinn an wirtschaftlicher und politischer Bedeutung der Chinesen, als Wiederaufstieg aus einem Jahrhundert westlicher Unterdrückung durch Kolonialismus und Imperialismus zu verstehen (Hilpert und Wacker 2020: S.13). Die Chinesen haben aus dem Zerfall des sowjetischen Imperiums 1989 gelernt und ihre Rückschlüsse gezogen. In der Vergangenheit galt es also, unbedingt einen offenen Konflikt mit den USA, ökonomisch oder militärisch, zu vermeiden (Hilpert und Wacker 2020: S.13ff.). Das führte dazu, dass sich China von dem westlichen Ordnungssystem inspirieren ließ und internationaler Druck und wirtschaftliche Integration in der chinesischen Innen- und Außenpolitik Spuren hinterlassen haben (Weiß 2019). Ein Beispiel dafür wäre die Angleichung der AIIB an die internationale Praxis der multilateralen Entwicklungshilfe. Die repressive Wende Chinas und die anhaltende staatliche Dominanz über die Privatwirtschaft haben zwar den westlichen Optimismus hinsichtlich der Aussichten auf politische und wirtschaftliche Reformen im Reich der Mitte zunichte gemacht, aber der externe Einfluss existiert nach wie vor. Auf dem 19. Parteitag der Kommunistischen Partei Chinas (KPCh) erklärte der chinesische Staatspräsident Xi Jinping, dass China mit der BRI eine Alternative zum IWF und der Weltbank anbieten wolle, für Nationen, die ihre Entwicklung beschleunigen, aber gleichzeitig ihre Unabhängigkeit bewahren wollen. Eingrenzend fügte er hinzu, dass niemand gezwungen werde chinesische Praktiken zu übernehmen (Weiß 2019). Wie Peter Rudolf aussagt, beruht der wirtschaftliche Erfolg Chinas auf „[...] einem großen Binnenmarkt, Arbeitskräfte in Fülle, der Bereitschaft einer autoritären Regierung zu Experimenten und auf pragmatischer Improvisation.“ (Rudolf 2019: S.16). Die Handlungen und Vorgehensweisen Chinas ähneln, meiner Meinung nach nicht einen Kampf gegen die demokratische Ordnung. China daher als verhärteten, ideologischen Gegner zu betrachten ist strittig. Daher würde ich MilanoviC's Argument,zur Verbreitung des autoritären Kapitalismus an dieser Stelle relativieren.
Die Vorteile des politischen Kapitalismus liegen in der wirtschaftlichen Steuerung, die durch eine autoritäre Führung vorgenommen wird. Solange das Wirtschaftswachstum in dem Maße anhält, ist der Verzicht auf demokratische Rechte, (zumindest im Rückschluss) begründet. Die Betrachtung Chinas, als Diskursmacht, die Einfluss auf Werte und Normen nehmen könnte, die die internationale Ordnung untermauern, fällt schwer. Jedoch zeigen die Anstrengungen Chinas diese Lücke zu füllen und der militärische Konflikt im südchinesischen Meer, dass der Wunsch nach einem geopolitischen Raum, frei von westlichen Einflüssen und liberalen Ideen, besteht und China in Zukunft wahrscheinlich wesentlich dominanter auftreten wird (Rolland 2020).
Diese Entwicklung blieb auch in den USA nicht unbemerkt. Versuchte Obama die wirtschaftliche Eindämmung Chinas noch mit handelspolitischen Maßnahmen, wie etwa der Transpazifischen Partnerschaftsinitiative (TPP) und gemeinsamen mit anderen westlichen Staaten zu forcieren, so setzt die Trump-Administration mit ihrer „America-First“ - Mentalität auf wesentlich härtere Methoden. Ein Merkmal dieser ist der Bruch mit der außenpolitischen Tradition Nachkriegsamerikas, als Bewahrer einer demokratisch-liberalen Weltordnung und die primäre Verteidigung amerikanischer Interessen (Wyne 2020). Damit verknüpft sind zunächst der wirtschaftlich-technologische Konflikt mit China und gleichzeitig auch die Diskreditierung der Verbündeten sowohl im europäischen als auch asiatischen Raum. Endgültiges Ziel der Trump-Administration scheint wohl eine wirtschaftliche Entkoppelung Amerikas von China zu sein (Hilpert 2020: S.27ff.). Aktuell verhängte Sanktionen wie Zölle, Investitionskontrollen und Lieferembargos, dienen als wirkungsvolle handelspolitische Instrumente, um dieses Ziel zu erreichen. In China ist man davon überzeugt, dass die gegenwärtigen Anpassungen der USA nicht den persönlichen Willen Trumps darstellen, sondern es sich bei dieser Vorgehensweise um eine langfristige, strategisch geplante Entscheidung der gesamten amerikanischen Führung handelt, deren Ziel es ist, dass aufstrebende China einzudämmen und die amerikanische Vorherrschaft zu erhalten (Gang 2019). Maßgeblich verantwortlich für diesen außenpolitischen Wandel der USA ist vermutlich die Angst vor Machtverlust. Gründe dafür sind zunächst die gescheiterten Interventionen im Nahen Osten, die globale Finanzkrise 2008, die vor allem Amerikas Ruf als umsichtiger Verwalter der Weltwirtschaft beschädigte, aber auch die Aushöhlung des WashingtonKonsensus selbst, der mittlerweile selbst in den USA heftig umstritten ist. Diese Theorie gilt es allerdings zu revidieren. Zwar wird ein Machtwechsel durch die wirtschaftliche und technologische Vormachtstellung Chinas zunehmend wahrscheinlicher, doch scheinen die Chinesen nicht daran interessiert, die USA in ihrer Rolle als Weltpolizei und Führungsnation zu ersetzen. China hat „no interest in establishing a web of global alliances, sustaining a far- flung global military presence, sending troops thousands of miles from its borders, leading international institutions that would constrain its own behavior, or spreading ist system of gevernment abroad.“ (Mastro 2019: S.31). Zweitens befinden sich die USA zwar in einem relativen Niedergang, verfügen aber weithin über erhebliche militärische und ökonomische Stärke (Wyne 2020). Dem amerikanischen liberal-demokratischen System bietet sich hier die Möglichkeit zur Selbsterneuerung. Doch anstatt sich mit seinen Verbündeten abzustimmen, die Investitionen in wissenschaftliche und technologische Forschung zu erhöhen, für mehr Vertrauen in den IWF, die Weltbank und andere internationale Organisationen zu sorgen oder wieder mehr Vertrauen für eine demokratische Ordnung zu gewinnen, zieht sich die USA zunehmend aus ihrer Rolle als Führungsnation zurück. Diese Unsicherheit im Verhalten der USA hat unter den Verbündeten zu einem erheblichen Vertrauensverlust geführt. Anders als bei Milanovc dargestellt, hat dieser Verlust gleichzeitig auch zu Uneinigkeiten im liberaldemokratischen System geführt. Längst unterhalten liberal-demokratische Staaten intensive Handelsbeziehungen mit China und beobachtet das Verhalten der USA als zunehmend kritisch. Das Vorgehen der Trump-Administration im Sinne der „America-First“ - Policy hat auch dazu geführt, dass wirtschaftliche Sanktionen gegen Partnerländer wie etwa Deutschland, Frankreich und Großbritannien, verhängt wurden (Friedberg und Boustany 2020: S.35ff.). Im sicherheitspolitischen Bereich hat Trump zudem mehrfach damit gedroht, die USA aus der North Atlantic Treaty Organization (NATO) herauszuziehen (Wyne 2020). Zudem hat die USA damit gedroht, die nachrichtendienstliche Zusammenarbeit mit US-Verbündeten einschränken, die chinesische Technologien, insbesondere den Ausbau des Netzbetriebes durch den chinesischen Technikgiganten Huawei, unterstützen (Wyne 2020). Grund für die schlechte Stimmung sind zweifelsohne die wachsende Größe und die globalen Auswirkungen des chinesischen Kapitalismus, der mittlerweile allgegenwärtig in der Weltwirtschaft vertreten ist. Laut McNally spiegelt daher der Stimmungswandel im Westen, genauer in der USA, eine bis zu einem gewissen Grad realistische Einschätzung der potenziellen Zukunft Chinas wider. China hat erkannt, dass die langjährigen Versuche, den Staat in die Rolle des „responsible Stakeholders“ zu drücken, in erster Linie den hegemonialen Ansprüchen Amerikas zugutegekommen wären (Hilpert und Wacker 2020: S.14ff.). Die chinesische Führung hat nie erwartet, dass „[...] die USA der Volksrepublik in diesem System ein Mitsprache- und Mitgestaltungsrecht zubilligen werden, das dem wirtschaftlichen und politischen Gewicht des Landes angemessen wäre.“ (Hilpert und Wacker 2020: S.14). Doch bietet sich eben diese Möglichkeit nun doch. Der zunehmende Druck der USA könnte dazu führen, dass sich China noch schneller weiterentwickelt und zu einem noch stärkeren Konkurrenten, vor allem bei den Technologien, die zukünftig den Markt bestimmen werden, wird. Zwischen 1996 und 2016 machten die Vereinigten Staaten noch 31 Prozent der chinesischen Technologieimporte aus (Wyne 2020). Nun sehen die Chinesen ihre Möglichkeit in der Herstellung kritischer Technologien autonomer zu werden. Zudem bieten sich Ihnen, aufgrund des Rückzuges der USA aus den internationalen Organisationen, die Möglichkeit für China ihren Sitz zu festigen und gleichzeitig ihre internationale Institution und Organisationen voranzutreiben. Während sich Chinas Wirtschaft weiterentwickelt, wird der Westen, insbesondere Amerika, lernen müssen, mit dem Modell des politisch-autoritären Kapitalismus umzugehen. Als Beweis für einen Umsturz ist dies jedoch nicht aufzufassen. Gehen wir nochmal zurück zu einer Überlegung, die Milanovic am Anfang seines Aufsatzes gemacht hat. Dem Triumph eines Systems folgt oft ein interner Systemkonflikt (Milanovic 2020: S.10). Grundsätzlich ein guter Mechanismus, der dazu beiträgt, dass sich ein System stets weiterentwickelt und optimiert, auch wenn es dabei notwendig ist, das Gegenstück zu verdrängen. In der Theorie klingt das unproblematisch, doch in der Praxis ist es weitaus komplizierter, bedenkt man die betroffenen Dimensionen. Im Kalten Krieg, als voneinander abgeschottete Wirtschaftsblöcke um die technologische, ökonomische und militärische Vormachtstellung rangen, war absehbar, dass der Sieger relativ unbeschadet aus dem Konkurrenzkampf hervorgehen würde. Anders ist es im Handelsstreit. Die Verschmelzung nationaler Marktwirtschaften zu einer Weltwirtschaft hat dazu beigetragen, dass die Schwächung des Gegners unweigerlich zurückprallt und man selbst Schaden nehmen würde (Braml 2016: S.25ff.). Der US-amerikanische Ökonom Bergsten schätzt die wahrscheinlichste systemische Entwicklung im Handelskonflikt moderat ein. Obwohl eine Welt ohne effektive nationale Führung oder eine von China geführtes System durchaus denkbar wären, erscheint eine sino-amerikanische Zusammenarbeit und strukturelle Aufarbeitung am plausibelsten (2018: S.4f.). Auch Christopher McNally betont, dass es sich bei China keineswegs um eine revisionistische Macht handle, die versuchen würde, die gegenwärtige Ordnung zu stürzen (2019: S.1). Die chinesische Wirtschaft ist auf eine stabile Weltwirtschaft mit gleichen, universalen Normen ähnlich angewiesen wie die amerikanische.
Am Beispiel des Handelskonflikts wird deutlich, dass es sich zwar eingeschränkt um den Konflikt zweier kapitalistischer Modelle handelt, die einzelnen Mitglieder der beiden Parteien allerdings nicht einheitlich handeln, wie die Ausführungen zur Politik der Trump- Administration verdeutlichen. Die Hypothese, dass hinter dem Clash of Capitalism sich bislang nur ein Konflikt zweier Großmächte verbirgt, bestätigt sich hingegen. Fest steht, dass für die chinesische Führung, in diesem Konflikt, wesentlich mehr auf dem Spiel steht, wie Milanovic richtig erkennt. China muss nämlich „[...] um die Überlebensfähigkeit und Existenz des eigenen Systems und um die Macht der Partei, die nach eigenem Dafürhalten als Einzige in der Lage ist, Chaos, Separatismus und Niedergang abzuwenden.“ (Hilpert 2020. S.37) fürchten. Die USA hingegen nur um die Vormachtstellung im globalen System und den damit verbundenen Einfluss. Ob diese Szenarien tatsächlich eintreten werden, wird sich im Laufe der nächsten Jahrzehnte zeigen. Die Theorie, dass China die USA verdrängen möchte halte ich allerdings für abwegig.
2.3 Die Zukunft des Kapitalismus
Neben dem, im vorangegangenen Kapitel erläuterten, Systemkonflikt, widmet Milanovic sich im Schlussteil seines Aufsatzes der Zukunft beider kapitalistischer Modelle und den Herausforderungen und Problemen derselben.
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