Ziel der Arbeit ist es, die Möglichkeiten der Digitalen Fabrik bzw. des Digitalen Fabrikbetriebs für den Anlauf soziotechnischer Produktionssysteme zu identifizieren und damit einen schnellen und störungsfreien Übergang zur Serienproduktion sicherzustellen
Die Anforderungen an die Produktionsstätten der Zukunft werden immer komplexer. Verkürzte Produktlebenszyklen fordern eine hohe Wandelbarkeit und Anpassungsfähigkeit der Produktionssysteme. Zusätzlich müssen immer mehr Produktionsanläufe in immer kürzeren Zeitabschnitten geplant und umgesetzt werden. Die Produktionsplanung hat somit die Aufgabe, die Komplexität und Störanfälligkeit eines anlaufenden Produktionssystems vorherzusehen und bestmöglich in einem Produktionskonzept zu bewältigen. Dabei bedient sich Produktionsplanung vermehrt Methoden und Werkzeugen der Digitalen Fabrik, um den späteren Produktionsablauf auf digitaler Datenbasis virtuell abzubilden. Das Ziel der ganzheitlichen Planung soll mit Hilfe eines durchgängigen Datenmanagements zu optimalen Prozessen und Strukturen führen.
Zur Planung einer Produktion sind die Methoden der Digitalen Fabrik nützlich, jedoch unterscheiden sich die verwendeten digitalen Daten von denen des realen Produktionsprozesses. Die Integration von realen Produktionsprozessen und –daten auf Basis der Methoden, Modelle und Werkzeuge der Digitalen Fabrik wird in der Literatur als Digitaler Fabrikbetrieb definiert. Ziel ist es, die Datenverfügbarkeit und -qualität entlang des gesamten Produktentstehungsprozesses (PEP) auf einem konstant hohen Level zu halten, die Plandaten mit Realdaten anzureichern und so die Planungsergebnisse bzw. Entscheidungsfähigkeit durch Nutzung von Realdaten zu verbessern. Da die benötigten Realdaten jedoch erst im Zuge des Zusammenspiels des technischen mit dem sozialen Subsystem (soziotechnisches System) im Rahmen des Produktionsanlaufs generiert werden, besteht somit eine Datenlücke zwischen Digitaler Fabrik und Digitalem Fabrikbetrieb. Um die Möglichkeiten der Digitalen Fabrik und des Digitalen Fabrikbetriebs im Anlauf soziotechnischer Produktionssysteme abzubilden, ist es erforderlich Ansätze zu entwickeln, die dabei unterstützen, die Lücke zwischen Plandaten und realen Produktionsdaten zu schließen.
Inhaltsverzeichnis
Essay
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1 Einleitung
2 Theoretische Grundlagen
2.1 Grundlagen der Digitalen Fabrik
2.1.1 Definitionsansätze
2.1.2 Anwendungsgebiete
2.1.3 Ziele und Nutzenpotentiale
2.1.4 Methoden und Werkzeuge
2.2 Grundlagen des Digitalen Fabrikbetriebs
2.2.1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung
2.2.2 Anwendungsgebiete und Werkzeuge
2.2.3 Ziele
2.2.4 Datenmanagement
2.3 Grundlagen der Produktions(system)planung
2.3.1 Abgrenzung des Begriffs Produktionssystem
2.3.2 Produktions(system)planung
2.3.3 Digitale Produktionsplanung
2.4 Grundlagen des Anlaufmanagements
2.4.1 Begriffsbestimmung Produktionsanlauf und Anlaufmanagement
2.4.2 Aufgaben und Ziele der jeweiligen Phasen und des Anlaufmanagements
2.4.3 Die Einflussgrößen im Produktionsanlauf
2.4.4 Der Produktionsanlauf als soziotechnisches System
2.4.5 Herausforderungen / Problemfelder
3 Möglichkeiten zur Verbesserung des Anlaufs soziotechnischer Produktionssysteme
3.1 Simulation und Visualisierung als Methode für das Anlaufmanagement
3.1.1 Ablaufsimulation
3.1.2 Betriebsbegleitende Simulation
3.1.3 Virtuelle Inbetriebnahme
3.1.4 Trend zu Virtual- und Augmented Reality als soziotechnische Assistenzsysteme
3.2 Informations- und Kommunikationstechnologien
3.2.1 Datenerfassungssysteme für das Anlaufmanagement
3.2.2 Manufacturing Execution System
3.3 Veränderte Anlauforganisation durch die Digitale Fabrik und den Digitalen Fabrikbetrieb
3.3.1 Frontloading
3.3.2 Funktions- und unternehmensübergreifenden Integration
3.4 Digitale Fabrik
3.4.1 Cyber Physische Systeme
3.4.2 Motion-Capturing-Verfahren
3.4.3 Digitaler Schatten und -Zwilling
3.4.4 Condition Monditoring
3.4.5 Business Intelligence
3.4.6 Cloud-Computing
3.5 Zusammenfassung
4 Vorgehensmodell zur Absicherung des Anlaufmanagements der Zukunft
5 Fazit
Essay
Die Anforderungen an heutige Produktionsstätten steigen im Zeitalter der digitalen Vernetzung stets. Zukünftig wird die Schnelligkeit der Realisierung eines Auftrags der essentielle Erfolgsfaktor eines Unternehmens sein.
Demzufolge werden Unternehmen mit steigenden Kundenanforderungen, kürzer werdenden Produktlebenszyklen und mit einer stetig wachsende Variantenvielfalt konfrontiert. Diese Trends führen zu einer zunehmenden Anzahl an Serienanläufen in den Unternehmen.
Die immer kürzer werdenden Produktionszyklen und die damit einhergehenden sinkende Produktlebenszeit führen zu einem erhöhten Entwicklungs- und Planungsaufwand. Dieser muss in kürzester Zeit bewältigt werden. Das Resultat sind Forderungen nach schnellen, stabilen und steilen Produktionsanläufen sowie wandlungsfähigen Fertigungsstrukturen inklusive der Material- und Informationsflüsse.
Nur durch die Implementierung von geeigneten IT-Systemen ist es der Produktionsplanung möglich, die Herausforderungen der erhöhten Planungsqualität zu bewältigen. Durch Anwendung der Methoden der Digitalen Fabrik kann der Produktionsplanungsprozess harmonisiert und optimiert werden.
Werden für die Umsetzung der Planungsaufgaben Methoden, Modelle und Werkzeuge der Digitalen Fabrik eingesetzt, so wird dies als Digitaler Fabrikbetrieb bezeichnet. Das Ziel der ganzheitlichen Planung soll mit Hilfe eines durchgängigen Datenmanagements zu optimalen Prozessen und Strukturen im Anlaufmanagement führen. Die Plandaten aus der Digitalen Fabrik können mit Realdaten aus dem Fabrikbetrieb angereichert werden, um Informationsinterdependenzen zu minimieren.
Paralleles Arbeiten von der Konstruktion über die Planung bis zur Produktion kennzeichnet die heutige Industrie. Papier als Informationsträger wird vermehrt durch digitale Modelle und Information ersetzt. In der Praxis führt dies häufig zu einer Diskrepanz zwischen den digitalen Informationen und der Realität in den Fabriken. Nicht aktuelle Daten sowie zeitliche Verzögerungen führen zu Unsicherheiten. Diese können die Ursache für Fehler oder Korrekturen im Anlaufprozess sein. Eine Verbesserung kann erreicht werden, indem die digitalen Informationen eine höhere Aktualität und Realitätsnähe erreichen.
Ziel der Arbeit ist es, dahingehend die Möglichkeiten der Digitalen Fabrik und des Digitalen Fabrikbetriebs für den Anlauf soziotechnischer Produktionssysteme zu identifizieren und damit einen schnellen und störungsfreien Übergang von der Produktionsplanung zur Serienproduktion sicherzustellen.
Weiterführend soll erarbeitet werden wie die Plan- sowie Realdaten mithilfe von Methoden und Werkzeugen der Digitalen Fabrik nutzenbringend für den Anwender im Produktionsanlauf verwendet werden können.
Darüber hinaus sollte erarbeitet werden wie der thematisierte Prozess im Zeitalter der Industrie 4.0 zukunftsfähig gestaltet werden kann.
Dafür wurden in Kapitel zwei die theoretischen Grundlagen der Digitalen Fabrik, des Digitalen Fabrikbetriebs, Anlaufmanagement und der Produktionsplanung dargestellt.
Es wurde gezeigt, dass die Methoden und Werkzeuge der Digitalen Fabrik und des Digitalen Fabrikbetriebs, wie Visualisierung und Simulation, zur Optimierung des Anlaufmanagements geeignet sind. Darüber hinaus wurde die Relevanz aller Stakeholder im soziotechnischen System dargestellt. Der Einbezug von sowohl technischen als auch sozialen Komponenten im Gesamtprozess ist dabei notwendig, um Verbesserungsmaßnahmen realisieren zu können.
Aufbauend auf den theoretischen Grundlagen konnten in Kapitel drei die Methoden und Werkzeuge der Digitalen Fabrik und des Digitalen Fabrikbetriebs analysiert werden. Dabei wurde vor allem der Nutzen für das Anlaufmanagement thematisiert. Anhand einer Studie wurde ersichtlich, dass alleine durch die Einführung der Digitalen Fabrik eine Verkürzung des Produktionsanlaufs um mehr als 30 Prozent ermöglicht werden kann.
Anhand von Visualisierung und Simulation lassen sich Arbeitsschritte, die früher nur an physischen Objekten durchgeführt werden konnten, bereits in Form einer virtuellen Inbetriebnahme ausführen oder darstellen. Dadurch ist bereits früh eine hohe Produkt- und Prozessqualität zu erreichen.
Simulation und Visualisierung tragen dazu bei, Unsicherheiten in der Anlaufphase zu minimieren und Probleme und Fehler frühzeitig zu erkennen.
Für ein effizientes Anlaufmanagement müssen sowohl Plan- als auch Realdaten der Digitalen Fabrik und des Digitalen Fabrikbetriebs allen am Prozess Beteiligten zur Verfügung gestellt werden. Dafür werden Information- und Kommunikationstechnologien wie BDE, MDE und MES verwendet. Diese sind mit dem unternehmensinternen ERP-System vernetzt und liefern Daten in Echtzeit.
Als weitere Methoden der Digitalen Fabrik wurde das Frontloading analysiert. Es wurde ersichtlich, dass die Veränderungen des PEP durch die Verlegung einzelner Prozessschritte in frühere Planungsphasen zu fundierten Abschätzungen bezüglich Fertigungskosten und -zeiten sowie zu einem besseren Vergleich zwischen optionalen Fertigungsprozessen.
Um bereits in frühen Planungsphasen des Anlaufmanagements fundierte Entscheidungen treffen zu können, werden qualifizierte Plan- und Realdaten benötigt. Derzeit werden für die Digitale Fabrik überwiegend historische Daten aus der Entwicklung und Planung verwendet. Durch die Einführung von I4.0 besteht die Möglichkeit der Echtzeitdatenerfassung von Betriebs- und Maschinendaten durch Konnektivität.
Weitere Werkzeuge der Digitalen Fabrik 4.0 sind der Digitaler Schatten und der Digitale Zwilling. Diese ermöglichen ein computergestütztes permanentes Abbild der Realität. Durch den Digitalen Zwilling ist es möglich, Anlagen schon vor dem Stillstand zu reparieren oder auszutauschen, um langfristig einen störungsfreieren Produktionsanlauf zu ermöglichen.
Anhand der Analysen der vorliegenden Arbeit wurde deutlich, dass die Implementierung der Methoden und Werkzeuge der Digitalen Fabrik und des Digitalen Fabrikbetriebs sowie weiterführend der Digitalen Fabrik 4.0 eine Verbesserung des Anlaufs soziotechnischer Produktionssysteme bewirkt.
In Kapitel vier wurde dahingehend ein Vorgehensmodell zur Identifikation und zielgerichteten Nutzung der Möglichkeiten der Digitalen Fabrik und des Digitalen Fabrikbetrieb im Anlaufmanagement der Zukunft erarbeitet.
Das erarbeitete Modell zeigt eine Handlungsabfolge der vorgestellten Methoden und Werkzeuge für einen Anwender im Anlaufmangement. Es bietet Aussicht auf neuartige Methoden zur Verbesserung des Produktentstehungsprozesses in Form von virtuellen Sprachassistenten.
Abkürzungsverzeichnis
AR Augmented Reality
BD Big Data
BDE Betriebsdatenerfassung
BI Business Intelligence
BM Betriebsmittel
CAD-ME Computer-Aided Design of Manufacturing Equipment
CAM Computer-Aided Manufacturing
CAO Computer-Aided Office
CAP Computer Aided Planning
CAPP Computer-Aided Process Planning
CAQ Computer-Aided Quality Assurance
CFD Computational Fluid Dynamics
CPPS Cyberphysisches Produktionssystem
CPS Cyber-Physische-Systeme
DF4.0 Digitale Fabrik 4.0
DF Digitale Fabrik
DFB Digitaler Fabrikbetrieb
DLZ Durchlaufzeit
DS Digitaler Schatten
DZ Digitaler Zwilling
ERP Enterprise Ressource Planning
FDM Fabrikdatenmanagement
FEM Finite-Elemente-Methode
FLM Fabriklebenszyklusmanagement
GPS Ganzheitliches Produktionssystem
I4.0 Industrie 4.0
IaaS Infrastructure-as-a-Service
IoT Internet der Dinge / Internet of Things
KMU Kleine und mittlere Unternehmen
KVP kontinuierlicher Verbesserungsprozess
MDE Maschinendatenerfassung
MES Manufacturing Execution System
NC Numerical Control
PaaS Plattform-as-a-Service
PDM Produktdatenmanagement
PEP Produktentstehungsprozess
PLM Produktlebenszyklusmanagement
PPS Produktionsplanung und -steuerung
SaaS Software-as-a-Service
SOP Start of Production
SPS Speicherprogrammbierbare Steuerung
TTM Time to Market
VDI Verein Deutscher Ingenieure
VIBN Virtuelle Inbetriebnahme
VR Virtual Reality
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 2-1: Fokus der DF nach [VDI 4499]
Abbildung 2-2: Anwendungsgebiete der DF [nach VDI 4499]
Abbildung 2-3: Ziele der Digitalen Fabrik [nach Land 13]
Abbildung 2-4: Auswirkung auf Time to Market durch DF [nach VDI 4499]
Abbildung 2-5: Werkzeuge der Produktentwicklung nach Dombrowski
Abbildung 2-6: Werkzeuge und Methoden der DF [nach Land 13]
Abbildung 2-7: Anwendung des digitalen Fabrikbetriebs nach VDI
Abbildung 2-8: Kostenbeeinflussung und Kostenentstehung [nach Saur 10]
Abbildung 2-9: Aufwandsreduzierung und -vorverlagerung nach [VDI 4499-2]
Abbildung 2-10: Produktionssystem nach [Kell 18]
Abbildung 2-11: Gesellschaftliche Bedeutung von Produktionssystem [nach Domb 15]
Abbildung 2-12: Transformationsmodell [nach Sche 14]
Abbildung 2-13: Einflussgrößen auf Methoden und -verfahren [nach Sche 14]
Abbildung 2-14: Zeitliche Einordnung des Anlaufmanagements [nach Kuhn 02] S. 8, [Lanz 04]
Abbildung 2-15: Zielgrößen im Anlauf [nach Kuhn 02]
Abbildung 2-16: Das primäre Arbeitssystem [nach Sydo 85]
Abbildung 3-1: Einschätzung der heutigen und zukünftigen Relevanz verschiedener Werkzeuge der DF [nach Domb 18]
Abbildung 3-2: Ebenbild der Fabriksimulation [nach Brac 18]
Abbildung 3-3: Komponenten einer betriebsbegleitenden Simulation [nach VDI 4499-2]
Abbildung 3-4:VIBN von Anlagen [nach Brac 18]
Abbildung 3-5:AR-Technik in der Wartung- und Instandhaltung [nach Scha 19]
Abbildung 3-6: Hierarchische Einordnung des MES Systems von Industriebetrieben [nach Ober 19]
Abbildung 3-7: Frontloading [nach Brac 18]
Abbildung 3-8: BI Ordnungsrahmen [nach Kemp 10]
Abbildung 3-9: Unterscheidung zwischen einzelnen Cloud-Lösungen
Abbildung 4-1: Vorgehensmodell zur Absicherung des Produktionsanlaufes
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Aufgaben der Phasen [nach Lanz 04]
Tabelle 2: Einflussfaktoren [nach Ahre 10]
Tabelle 3: Wesentliche Merkmale von soziotechnischen Systemen [nach Sche 14]
Tabelle 4: Anspruchsgruppen des Produktionsanlaufs [nach Renn 12]
Tabelle 5: Übersicht der Technologien und deren Nutzen
1 Einleitung
Die Anforderungen an heutige Produktionsstätten steigen im Zeitalter der digitalen Vernetzung stets. Zukünftig wird die Schnelligkeit der Realisierung eines Auftrags der essentielle Erfolgsfaktor eines Unternehmens sein. [Gier 17] S. 19
Demzufolge werden Unternehmen mit steigenden Kundenanforderungen, kürzer werdenden Produktlebenszyklen und mit einer stetig wachsende Variantenvielfalt konfrontiert. Diese Trends führen zu einer zunehmenden Anzahl an Serienanläufen in den Unternehmen. [Bisc 07] S. 1
Die immer kürzer werdenden Produktionszyklen und die damit einhergehenden sinkende Produktlebenszeit führen zu einem erhöhten Entwicklungs- und Planungsaufwand. Dieser muss in kürzester Zeit bewältigt werden. Das Resultat sind Forderungen nach schnellen, stabilen und steilen Produktionsanläufen sowie wandlungsfähigen Fertigungsstrukturen inklusive der Material- und Informationsflüsse.
Nur durch die Implementierung von geeigneten IT-Systemen ist es der Produktionsplanung möglich, die Herausforderungen der erhöhten Planungsqualität zu bewältigen. Durch Anwendung der Methoden der Digitalen Fabrik kann der Produktionsplanungsprozess harmonisiert und optimiert werden. [Domb 17] S. 169/170, [Land 13] S. 107
Werden für die Umsetzung der Planungsaufgaben Methoden, Modelle und Werkzeuge der Digitalen Fabrik eingesetzt, so wird dies als Digitaler Fabrikbetrieb bezeichnet. Das Ziel der ganzheitlichen Planung soll mit Hilfe eines durchgängigen Datenmanagements zu optimalen Prozessen und Strukturen im Anlaufmanagement führen. Die Plandaten aus der Digitalen Fabrik können mit Realdaten aus dem Fabrikbetrieb angereichert werden, um Informationsinterdependenzen zu minimieren. [VDI 4499-2]
Paralleles Arbeiten von der Konstruktion über die Planung bis zur Produktion kennzeichnet die heutige Industrie. Papier als Informationsträger wird vermehrt durch digitale Modelle und Information ersetzt. In der Praxis führt dies häufig zu einer Diskrepanz zwischen den digitalen Informationen und der Realität in den Fabriken. Veraltete Daten sowie zeitliche Verzögerungen führen zu Unsicherheiten. Diese können die Ursache für Fehler oder Korrekturen im Anlaufprozess sein. Eine Verbesserung kann erreicht werden, indem die digitalen Informationen eine höhere Aktualität und Realitätsnähe erreichen. [West 13] S. 317
Ziel der Arbeit ist es, dahingehend die Möglichkeiten der Digitalen Fabrik und des Digitalen Fabrikbetriebs für den Anlauf soziotechnischer Produktionssysteme zu identifizieren und damit einen schnellen und störungsfreien Übergang von der Produktionsplanung zur Serienproduktion sicherzustellen.
Weiterführend soll erarbeitet werden, wie die Plan- sowie Realdaten mithilfe von Methoden und Werkzeugen der Digitalen Fabrik nutzenbringend für den Anwender im Produktionsanlauf verwendet werden können.
Dafür wird wie folgt vorgegangen:
Nach dem einleitenden ersten Kapitel werden im zweiten Kapitel die theoretischen Grundlagen dieser Arbeit beschrieben. Dies umfasst die Digitale Fabrik, den Digitalen Fabrikbetrieb, die Darstellung eines Produktionssystems und die Erläuterung der Produktionssystemplanung. Des Weiteren wird das Anlaufmanagements erläutert und ein Produktionssystem wird als soziotechnisches System charakterisiert.
Im dritten Kapitel sollen Möglichkeiten der Digitalen Fabrik, des Digitalen Fabrikbetriebs und der Digitalen Fabrik 4.0 vor dem Hintergrund der Verbesserung des Produktionsanlaufs untersucht werden.
Das vierte Kapitel beinhaltet ein Vorgehensmodell zur Identifikation und zielgerichteten Nutzung der Möglichkeiten der Digitalen Fabrik, des Digitalen Fabrikbetriebs und der Digitale Fabrik 4.0 im Anlaufmanagement der Zukunft.
In Kapitel fünf werden die Inhalte und Ergebnisse der Arbeit resümiert und ein Ausblick auf die mögliche Fortführung des Forschungsthemas wird gegeben.
2 Theoretische Grundlagen
In diesem Kapitel werden die wesentlichen theoretischen Grundlagen der vorliegenden Masterarbeit erläutert. Dabei werden zunächst die Grundlagen der Digitalen Fabrik und des digitalen Fabrikbetriebs betrachtet. Weiterführend wird der Begriff der Produktions(system]planung thematisiert. Daran anknüpfend wird das Anlaufmanagement insbesondere vor dem Hintergrund des Anlaufs soziotechnischer Produktionssysteme dargestellt.
2.1 Grundlagen der Digitalen Fabrik
Komplexer werdende Planungsaufgaben stellen produzierende Unternehmen vor neue Herausforderungen. Diese ergeben sich aus häufigeren Anpassungen von Fabriken und ihren Produktionssystemen, stetig zunehmende Anforderungen hinsichtlich der Datensicherheit, -konsistenz, -verfügbarkeit und steigende Datenmengen sowie der Wiederverwendung von Wissen.
Seit über einem Jahrzehnt hat sich für die durchgängige digitale Gestaltung von Produkten mit den dazu notwendigen Prozessen und Einrichtungen bis hin zur kompletten Fabrik der Begriff Digitale Fabrik etabliert. Es bedarf eines intelligenten, konsistenten und durchgängigen Datenmanagements sowie integrierter unterstützender Methoden und Werkzeugen. Die Digitale Fabrik (DF) bietet ein geeignetes Planungs- und Betriebskonzept, um den benannten Herausforderungen zu begegnen. [Land 13] S. 107
2.1.1 Definitionsansätze
Das Planungs- und Betriebskonzept der DF ist in vielen Industriezweigen und Forschungseinrichtungen zu einem wichtigen Thema geworden. Daraus folgend existieren unterschiedliche Definitionsansätze, die sich auf die vollständige digitale Abbildung und kontinuierliche Anpassung der Fabrik, deren Produktionsanlagen und -prozesse fokussieren. Dabei soll das Verhalten der DF so realitätsnah wie möglich dargestellt werden, um zukünftige Zustände verlässlich simulieren zu können. Der Begriff ist somit nicht eindeutig determiniert, weshalb im Folgenden eine Auswahl existierender Definitionen exemplarisch vorgestellt werden soll. [Land 13] S. 108
Zunächst werden einige Ansätze aus der Literatur sowie die im Jahre 2008 branchenübergreifend verabschiedete Definition aus der Richtlinie VDI 4499 vorgestellt. Die Auflistung der Definitionen erfolgt chronologisch in der Reihenfolge ihrer Publikation.
Bley und Franke (2001) sehen als Rahmen der DF die Verknüpfung von Simulationstechnologien in der Produktionsplanung über die verschiedenen Unternehmensebenen an, welche durch gemeinsame Datennutzung Synergieeffekte zwischen den einzelnen Anwendungsbereichen entstehen lässt.
Dombrowski et al. (2001) definieren die DF als rechnerunterstütze Abbildung aller Merkmale und Prozesse der Fabrik und als virtuell zu betreibendem Modell unter Nutzung realer Daten. Das Konzept umfasst neben den Kerngeschäftsprozessen auch alle Querschnittsfunktionen und insbesondere die baulichen (z.B. Gebäudeflächen der Fertigung), technischen (IT-Systeme und -Infrastruktur) und organisatorischen Ressourcen (z.B. Aufbau- und Ablauforganisation).
Bracht (2002a) hingegen sieht das Hauptanwendungsgebiet der DF auf der simulativen und visuellen Abbildung der Produktion zukünftiger Produkte. Eine ganzheitliche Betrachtung des Produktentstehungsprozesses (PEP) soll potentielle Fehler schon während der Planung erkennen. Die DF stellt dementsprechend das Bindeglied zwischen Produktentwicklung, Produktionsplanung und der realen Produktion dar.
Für Westkämper et al. (2003) stellt die DF das Abbild der realen Fabrik in einem digitalen Modell dar, welches die Strukturen und Fertigungsprozesse visualisiert, simuliert und somit erlebbar macht. Die Visualisierung und Simulation leisten Softwarewerkzeuge, wobei ein Datenmodell das Bindeglied zwischen den verschiedenen Werkzeugen darstellt.
Wenzel et al. (2003) beschreiben die DF als Gesamtheit aller Methoden und Werkzeuge zur durchgängigen Unterstützung von Fabrikplanung und -betrieb auf Grundlage vernetzter digitaler Modelle unter Einbeziehung der zugehörigen Arbeitsabläufe und Prozesse. Laut Wenzel werden unter der DF zum einen die Vernetzung der Modelle und Werkzeuge und zum anderen die Abbildung statischer und dynamischer Eigenschaften aller relevanten Elemente verstanden. [Brac 18] S. 9/10
„Hauptaufgabe ist die Integration von Methoden und Werkzeugen, nicht die Ausgestaltung von Teilthemen (z. B. Simulation). Dabei sind auch die bereits im Unternehmen installierten Softwarewerkzeuge zu berücksichtigen.“ [Wenz 06] Durch diese Definition werden die Aufgaben und Vorgänge innerhalb des betrachteten PEP sowie die Nutzung von Modellen während der Planung und nachgelagertem Anlagenbetriebs explizit mit einbezogen.
Marczinski (2006) versteht unter dem Begriff der DF die rechnergestützten Engineering-Werkzeuge im Rahmen des Entstehungsprozesses. Die Definition geht mit den Befragungsergebnissen unter Original Equipment Manufacturers (OEM), Ausrüstern und Zulieferern konform. Ein Großteil der befragten Unternehmen verstand unter der DF vor allem Softwarewerkzeuge bei starker Betonung auf den Integrationsaspekt. [Brac 18] S. 11
Um die unterschiedlichen Interpretationen der DF Einhalt zu konsolidieren und dem vielversprechenden Ansatz einen Durchbruch zu verschaffen, wurde im Jahre 2002 der Verein Deutscher Ingenieure (VDI)- Fachausschuss „Digitale Fabrik“ gegründet. [Brac 18] S. 11 Der Begriff DF wird in der Richtlinie VDI 4499 wie folgt definiert:
„Die digitale Fabrik ist ein Oberbegriff für ein umfassendes Netzwerk von digitalen Modellen, Methoden und Werkzeugen – u.a. der Simulation und der dreidimensionalen Visualisierung – die durch ein durchgängiges Datenmanagement integriert werden. Ihr Ziel ist die ganzheitliche Planung, Evaluierung und laufende Verbesserung aller wesentlichen Strukturen, Prozesse, und Ressourcen der realen Fabrik in Verbindung mit dem Produkt.“ [VDI 4499] S. 3 Die Definition führt die unterschiedlichen Ansätze zu einer branchenübergreifenden allgemeingültigen Definition zusammen.
Zusätzlich erweitert der VDI die Richtlinie „Digitale Fabrik“ um weitere Blätter, die sich mit dem Digitalen Fabrikbetrieb (DFB) (VDI 4499-2), dem Datenmanagement (4499-3) und mit der ergonomischen Abbildung des Menschen in der digitalen Fabrik (VDI 4499-4) beschäftigt. [Land 13] S. 109
Die nachfolgende Abbildung 2-1 visualisiert den Fokus der DF gemäß der Richtlinie. Das Hauptaugenmerk des Konzepts liegt auf einer mit allen Unternehmensprozessen frühzeitig abgestimmten Produktionsplanung und Gestaltung der Fabrik.
In diesem Zusammenhang bedeutet Produktionsplanung die Planung der Prozesse und der Produktionssysteme. Fertigungsverfahren, Produktionsabläufe und Produkte müssen somit in einer frühen Entwicklungsphase abgesichert und die Entwicklungen mit digitalen Modellen und Werkzeugen vorangetrieben werden. Ziel ist es, durch den Einsatz virtueller Instrumente die reale Produktion laufend zu überprüfen und diese zu optimieren. [VDI 4499] S. 4
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-1: Fokus der DF nach [VDI 4499] S. 4
Anhand des oben dargestellten DF-Konzepts ist es möglich, die Belange der Entwicklung und Konstruktion als auch die Forderungen aus dem operativen Betrieb stärker als in der Vergangenheit in den Gesamtprozess integrieren zu können. Hier soll vor allem der Einsatz von mobilen Geräten als auch Augmented Reality (AR) speziell für den Bereich der Umplanungen neue Perspektiven ermöglichen. [Brac 18] S. 12
Die Fülle an Definitionen und Ansätzen impliziert jedoch, dass die Entwicklung des Begriffs der DF nicht als abgeschlossen betrachtet werden kann, da wissenschaftliche Erkenntnisse und stetiger technologischer Fortschritt eine kontinuierliche Erweiterung und Anpassung bedingen. [Brac 18] S. 11
Im nachfolgenden Abschnitt soll auf die Anwendungsgebiete der DF eingegangen werden.
2.1.2 Anwendungsgebiete
Die wesentlichen Anwendungsgebiete der DF im Ablauf der Lebenszyklusphasen des Produktionssystems sind in Abbildung 2-2 abgebildet. Gemäß Richtlinie VDI 4499 Blatt 1 (2008) können die wesentlichen Anwendungsgebiete in die Bereiche Produktentwicklung, Produktionsplanung, Produktionsanlauf, Produktionsbetrieb sowie Auftragsabwicklung unterteilt werden. Die Einsatzgebiete sollen im Folgenden kurz diskutiert werden.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-2: Anwendungsgebiete der DF [nach VDI 4499] S. 5
Produktentwicklung (Anforderungen des Marktes, Entwurf, Stücklisten):
Die Produktentwicklung ist die Grundlage der Produktionsplanung. Hier entstehen wichtige Eingangsdaten wie bspw. dreidimensionale Modelle von Produkten, Strukturen in Form von Stücklisten sowie die dazugehörigen Funktionen. In Kombination mit dem Produktionsprogramm, welches aus Arbeitsplänen, Mengen und Terminen besteht, liefern diese die notwendigen Eingangsinformationen zur weiteren Bearbeitung mit Werkzeugen der DF. [VDI 4499] S. 5
Produktionsplanung (Projektmanagement, Prototyp-Digital Mock-Up, externe und interne Logistik, Montage- und Fertigungsprozessplanung, Planung der Fertigungsanlagen):
Das Hauptanwendungsgebiet der DF ist die Produktionsplanung. Sie beinhaltet zum einen die Planung von Produktionsprozessen, Produktionssystemen und industriellen Produktionsstätten und zum anderen die Überwachung der Realisierung bis letztendlich zum Anlauf der Produktion. Dies umfasst die Planung einer einzelnen Maschine mit ihren Nebeneinrichtungen bis hin zur Umplanung von Teilbereichen der Produktion bis zur Erstellung eines neuen Werks. In dieser Phase wird die DF dazu eingesetzt, die Funktionsweise der Produktion virtuell zu erproben und zu optimieren, um auf dieser Basis eine Investitionsentscheidung treffen zu können. [VDI 4499] S. 5
Produktionsanlauf (Montage und Inbetriebnahme der Fertigungsanlagen, Anlaufmanagement):
Der Produktionsanlauf beinhaltet die Realisierung und Inbetriebnahme. Ein zeitreduzierter Anlauf hängt im Wesentlichen von der Planung, Beschaffung und Koordination von relevanten Ressourcen ab. Im Vorfeld des Produktionsanlaufs können Simulationen mit digitalen Modellen des Produkts oder Produktion durchgeführt werden, um technologische und logistische Prozesse zu prüfen (Visualisierung des Anlaufs). Dies gewährt einen reibungslosen Anlauf und sichert somit die geplante Absicherung der geplanten Ausbringungsmenge. [VDI 4499] S. 5
Produktionsbetrieb (Serienproduktion):
Der Produktionsbetrieb ist der betriebliche Leistungserstellungsprozess, in dem technische und kaufmännische Prozesse im Unternehmen ablaufen. Der Prozess beginnt bei der Anfrage durch einen Kunden und bei der Lieferung des Produkts. Die DF unterstützt in diesem Kontext zum Beispiel die kontinuierliche Verbesserung der laufenden Produktion, automatisierte Erstellung von speicherprogrammbierbaren Steuerungs- (SPS), numerischen Steuerungs- (NC) und Roboter- Programmen sowie das Auftragsmanagement. Erwartungsgemäß sollen zukünftig die Werkzeuge der DF noch stärker in dem Produktionsbetrieb eingesetzt werden. [VDI 4499] S. 5
Auftragsabwicklung (Vertrieb und externe Logistik, Verkauf und Auftragserfassung, Service und Instandhaltung):
Das Auftragsmanagement steuert und überwacht die Produktion durch Fertigungsaufträge. Es greift auf auftragsneutrale Fertigungsunterlagen, welche aus Stammdaten, Stücklisten und Zeichnungen sowie Arbeitsvorgängen und -schritten bestehen, zurück. Diese bilden die Grunddaten des Auftragsmanagements. Aus den auftragsneutralen Fertigungsunterlagen werden durch die Vorgabe von Mengen und Terminen aus der Produktionsplanung und -steuerung (PPS) konkrete Fertigungsaufträge. In diesem Kontext können die Modelle der DF zur Planung, Steuerung und Überwachung der geplanten Fertigungsaufträge verwendet werden. [VDI 4499] S. 5/6
Die daraus resultierenden Ziele und Nutzenpotentiale der DF sollen nachfolgend erörtert werden.
2.1.3 Ziele und Nutzenpotentiale
Gemäß Dombrowski (2001) garantiert die DF eine ganzheitliche Planung und Modellbildung und eine zentrale Datenbasis, wodurch zum einen das schnelle Auffinden und Speichern aller Planungsdaten und zu anderen die Implementierung von Methoden und Standards in allen Bereichen der Planung gewährleistet wird. [Domb 01] S. 45
Hierdurch trägt die DF maßgeblich zu einem nachhaltigen Unternehmenserfolg bei. Der Terminus Erfolg kann dabei in die Erreichung von betriebswirtschaftlichen, organisatorischen und technischen Zielen unterteilt werden, welche im Folgenden kurz erläutert werden sollen. Die Ziele und Nutzenpotentiale lauten:
Wirtschaftlichkeit (Prozessbeherrschung, Kosten- und Zeitverbesserung insbesondere bei der Produktentwicklung und der Produktionsplanung bis zum Anlauf)
Qualität (Prozessharmonisierung und -optimierung der Produktionsplanung, um dadurch die allgemeine Planungsqualität zu verbessern)
Kommunikation (Integration aller an Planung und Betrieb einer Produktion beteiligten Anwendergruppen)
Standardisierung (Planungsprozesse selbst zu standardisieren und die Wiederverwendbarkeit von Planungsergebnissen zu erhöhen)
Wissenserwerb und -erhalt (DF schafft Voraussetzungen dafür, dass vorhandenes Wissen wiederverwendet werden kann) [VDI 4499] S. 13/14
Das Hauptziel der DF ist die Unterstützung eines nachhaltigen Unternehmenserfolgs. Die nachstehende Abbildung 2-3 zeigt, dass Fabriken sich in einem Zielkonflikt zwischen den Dimensionen Qualität, Kosten und Zeit befinden und diese in Wechselwirkung zueinanderstehen und somit nicht separat voneinander betrachtet werden können.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-3: Ziele der Digitalen Fabrik [nach Land 13] S. 112
Digitale Werkzeuge können zum Beispiel zu einer Optimierung des Materiaflusses eingeführt werden. Der Einsatz resultiert in einer Verringerung der Materialbestände sowie einer Vermeidung von Engpässen und führt somit zu einer Reduktion der Gesamtkosten.
Das Ziel der kontinuierlichen Planung und Optimierung tritt in den Vordergrund, da in Fabriken zunehmend Anpassungs- als Neuplanungen ausschlaggebend sind. Ein digitales Modell des aktuellen Zustands einer realen Fabrik nutzt historische Daten bspw. aus dem Fabrikbetrieb zur ständigen Optimierung und Neugestaltung von Produktionsanlagen. Sofern die Neuplanung gesamter Fabriken vermieden bzw. durch eine intelligente Weiterverwendung bestehender Anlagen ersetzt werden kann, entstehen monetäre Einsparungspotentiale.
Die digitale Absicherung von Planungs- und Entwicklungsergebnissen ist ein weiteres bedeutsames Ziel der DF. Mittels Simulation können nicht nur bei der Produktentwicklung, sondern auch in der Prozess- und Fabrikplanung potentielle Fehler vermieden bzw. bereits vor der Inbetriebnahme behoben werden. Die virtuelle Inbetriebnahme steht als Synonym für das digitale Vorwegnehmen der realen Inbetriebnahme vorhandener Produktionsanlagen. Abweichungen können somit präventiv erkannt und Optimierungen rechtzeitig implementiert werden. Hierdurch wird die Qualität gesteigert und die Zeit bis zur Inbetriebnahme reduziert. Je nach Komplexität des betrachteten Systems bedeutet dies eine erhebliche Kostenreduktion.
In der Regel führt die Verkürzung von Zeiten ebenfalls zu einer Kostenreduktion. Die DF setzt sich deshalb als Ziel, Planungs- oder Entwicklungszeiten deutlich zu reduzieren, was durch Vermeidung redundanter Tätigkeiten sowie Fehler aufgrund inkonsistenter Daten erreicht werden kann. Durch den Einsatz von Methoden und digitalen Werkzeugen der DF soll eine partizipative Arbeitsweise und eine einhergehende Parallelisierung von Planungsaktivitäten ermöglicht werden. Des Weiteren soll die Zeit bis Start of Production (SOP) reduziert werden, wie in der nachfolgenden Abbildung 2-4 dargestellt ist: [Land 13] S. 111/113.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-4: Auswirkung auf Time to Market durch DF [nach VDI 4499] S. 10
Die DF verfolgt die Verbesserung der interdisziplinären Zusammenarbeit und Kommunikation zwischen den beteiligten Stakeholdern durch die Bereitstellung einer aktuellen, durchgängigen und redundanzfreien Daten- und Wissensbasis. Außerdem wird eine Speicherung und Wiederverwendung von Produkt- und Produktionsplanungswissen ermöglicht. Die Kommunikation als zentraler Teil der DF unterstützt dabei alle drei Bereiche des Zieldreiecks (siehe Abbildung 2-3). Unterschieden wird zwischen interner Kommunikation aller Planungsbereiche einer Fabrik und externer Kommunikation zwischen der Fabrik und ihren externen Stakeholdern. [Land 13] S. 113
In dem nachfolgenden Abschnitt werden die Methoden und Werkzeuge der DF erläutert.
2.1.4 Methoden und Werkzeuge
In dieser Arbeit wird die folgende Definition einer Methode zu Grunde gelegt. Eine Methode bezeichnet eine „..systematische zielgerichtete Vorgehensweise, sowie ein durchdachtes Verfahren, welches für eine Vielzahl von Problemen zu einer sinnvollen Lösung führt.“ [VDI 3633]
Um die Planungsaufgabe der DF effizient und zielgerichtet durchführen zu können, müssen allerdings verschiedene Methoden in Form von Werkzeugen implementiert werden. [Land 13] S. 114
In der Literatur gibt es verschiedene Ansätze zur Methodenklassifikation. Beispielhaft unterscheidet sich die Methodenklassifikation von Bracht und die von Landherr lediglich in der Begriffsbestimmung. Inhaltlich stimmen diese Klassen überein. In der vorliegenden Arbeit werden die Methoden aus [Land 13] S. 114/116 verwendet. Ausführliche Erläuterung aller Methodenklassen sind beispielsweise in [Brac 18] S. 83/156 verwiesen.
Modellierung:
Als Modellierung wird das Erstellen einer vereinfachten Abbildung eines geplanten oder existierenden Systems bezeichnet. Dabei werden wesentliche Parameter und Wechselwirkungen eines Systems in dem Modellierungsprozess berücksichtigt. Für den Prozess der Modellierung werden Modellierungssprachen verwendet, die benötigte Objekte, Attribute, Syntax sowie die Semantik zur Verfügung stellen. Durch das Hinterlegen von Informationen und Daten in dem Modell wird eine maschinelle Interpretierbarkeit ermöglicht. Beispiele für Modelle in der DF sind Fabrikstrukturen, Fertigungsprozesse oder Kinematik- und Logistikmodelle. [Land 13] S. 114
Simulation:
Die Simulation stellt eine Problemlösungsmethode dar, in der komplexe und dynamische Sachzusammenhänge analysiert werden. Nach VDI-Richtlinie 3633 ist die Simulation eine Nachbildung eines Systems mit seinen dynamischen Prozessen in einem experimentierbaren Modell. Durch Kombination und Variation der Eingangsgrößen können durch Simulationen zukünftige Zustände und Verhaltensweisen des Systems errechnet und dargestellt werden. Die Interpretationen dieser Informationen sind auf die Wirklichkeit übertragbar. Somit dient die Simulation zur Verbesserung und Absicherung in der Planungsphase, wodurch sowohl monetäre als auch zeitaufwendige Fehler bei der Inbetriebnahme vermeiden werden können. [VDI 3633] S. 3/6
Gegenwärtige Ansätze verfolgen eine mehrskalige Simulation der Fabrik, deren Strukturen und derer Prozesse. „Mehrskaligkeit“ definiert dabei sowohl die räumliche und zeitliche Skalierung innerhalb einzelner technischer Prozesse, als auch die unterschiedliche Skalierung aller in der gesamten Fabrik laufenden Prozesse einschließlich der Simulationstechniken und Modellbildungen (diskret, numerisch). Die mehrskalige Simulation ist eine zentrale Voraussetzung, um Fabriken realitätsgetreu nachbilden zu können. Sie stellt ein effektives Werkzeug zur Optimierung und Steuerung von Fabrikabläufen und Fertigungsprozessen dar. [West 09] S. 114
Optimierung:
Unter dem Begriff „Optimierung“ wird eine steigende Angleichung des Realsystems mit dem optimalen digitalen System verstanden. Es sind mehrere Simulationsabläufe zur Optimierung eines solchen Systems notwendig, bei denen spezifische Parameter angepasst werden müssen. Solange kein Optimum gefunden werden kann, muss ein Parameter bestimmt werden, mit dem eine Verbesserung der Zielergebnisse erreicht werden kann. Optimierungspotentialanalysen beinhalten die resultierenden Erkenntnisse und können direkt auf reale Systeme angewendet werden. Es wird eine kontinuierliche und präventive Optimierung forciert. Voraussetzung dafür ist ein Modell des aktuellen Systemzustands. Dadurch kann eine bestehende und gleichzeitig laufende Produktion an sich verändernde Randbedingungen angepasst und somit optimiert werden. [Land 13] S. 115
Visualisierung:
„Die Visualisierung umfasst die Erzeugung der grafischen Veranschaulichung von Daten und Sachverhalten durch Transformation der Daten in symbolische und geometrische Information; sie muss nicht zwangsläufig computerbasiert sein.“ [VDI 3633] S. 3
Visualisierung ist demnach der Oberbegriff aller Formen visueller Veranschaulichung hinsichtlich statischer und dynamischer zwei- oder dreidimensionaler Modelle und Animationen. Sie unterscheiden sich im Wesentlichen in der grafischen Aufbereitung und der Zeitrepräsentation sowie der Darstellung und Interaktion. Hierzu werden die vorhandenen Daten und Zusammenhänge in geometrische und symbolische Informationen umgewandelt. Beispielsweise werden in der DF 2D- und 3D- Darstellungen von Prozess- oder Logistiksimulationen visualisiert. [VDI 4499] S. 3/4, [Land 13] S. 115/116
Dokumentation:
Dokumentation beinhaltet eine systematische Erfassung, Aufbereitung, Wiedergabe und Speicherung von Daten und Informationen. Anwendern der DF wird es ermöglicht auf vorhandenes Wissen und Knowhow zurückzugreifen und geeignete Best-Practices anzuwenden (siehe hierzu Kapitel 2.1.3). Die Dokumentation erlaubt die Nachverfolgung von Änderungen und Versionierung von Daten und Informationen. Eine durchgängige Dokumentation ist eine der Grundvoraussetzungen für simultanes Engineering von Prozessen, Abläufen und Modellen der Fabrik entlang des gesamten Lebenszyklus. [Land 13] S. 116
Kommunikation:
Im Zusammenhang mit der DF werden in Bezug auf die Kommunikation zwei wesentliche Aspekte betrachtet. Die eine betrifft die Kommunikation zwischen digitalen Werkzeugen entlang des Fabriklebenszyklus. In diesem sind anwendungsspezifische Schnittstellen notwendig, die Systeme mit möglichen verschiedenen Dateiformaten koppeln. Aktuell wird an systemunabhängigen Plattformen, mit der Zielstellung, gearbeitet, eine Kommunikation zwischen unterschiedlichen digitalen Werkzeugen auf Datenebene zu ermöglichen.
Die andere Form der Kommunikation befasst sich mit einer intra- und interkorporativen Verständigung. Bei Ersterer liegt der Fokus auf den digitalen Werkzeugen, die eine kollaborative Arbeitsweise zwischen verschiedenen Fachbereichen einer Fabrik unterstützen. Die interkorporative Kommunikation stellt konsistente Informationen für alle Interessengruppen eines Projekts bereit. Besonders bei dieser Form steht die Datensicherheit im Fokus. Da es sich bei projektspezifischen Informationen durchaus um sensible Daten handelt, muss trotz internet- und cloudbasierten Ansätzen gewährleistet werden können, dass die Daten ausschließlich den dafür bestimmten Adressaten erreichen. [Land 13] S. 116
Der nachfolgende Abschnitt gibt Aufschluss über die relevanten Werkzeugklassen der DF.
Werkzeuge:
In Bezug auf IT-Werkzeuge gilt für die vorliegende Arbeit die nachfolgende Definition des VDI: „Ein IT-gestütztes Werkzeug (Softwareprogramm) stellt die softwaretechnische Implementierung einer Methode oder einer Kombination von mehreren Methoden dar, um diese rechnergestützt einsetzen zu können.“ [VDI 3633]
In der Literatur werden Methoden und Werkzeuge der DF unterschiedlich interpretiert. Dombrowski und Tiedemann (2005) strukturieren die Werkzeuge der Produktentwicklung und Produktionsplanung nach ihrem Einsatz im Produktionsentstehungsprozess (PEP) und nach ihrem softwaretechnischen Integrationsgrads in einem Unternehmen (siehe Abbildung 2-5).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-5: Werkzeuge der Produktentwicklung nach Dombrowski
Allerdings bleiben von den benannten Autoren die Produktion und die dafür nötigen IT-Werkzeuge unbeachtet. Eine umfassendere Sicht findet sich in der nachstehenden Abbildung 2-6 von Westkämper aus dem Jahr 2013.
Um die in Kapitel 2.1.3 genannten Ziele der DF erreichen zu können, ist eine durchgängige Verbindung von Methoden und Werkzeugen erforderlich. Anhand des Produkt- und Fabriklebenszyklus (PLM und FLM) sollen nachfolgend die einzelnen Werkzeugkategorien der DF erörtert werden. Die Werkzeuge des DFB werden in Kapitel 2.2.2 näher erläutert.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-6: Werkzeuge und Methoden der DF [nach Land 13] S. 117
Digitale Fabrik
Grundsätzlich beginnt ein Planungsprozess mit der Entwicklung des Produktes im Produktionsumfeld, sog. Betriebsmittel (BM). Werkzeuge, die das Entwerfen und Konstruieren ermöglichen, werden Computer-Aided Design of Manufacturing Equipment (CAD-ME) genannt. Ziel dieser Werkzeuge ist das Senken von Konstruktions- und Fertigungsaufwänden sowie die Verbesserung von Produkten. Computer-Aided Engineering of Manufacturing Equipment (CAE-ME) stellt die Ergänzung des CAD bzw. die Verknüpfung von digitalen Konstruktions- und Entwicklungswerkzeugen mit Datenverarbeitungssystemen dar. [Pahl 07] S. 99
Darauf aufbauend wird die Planung von Prozessen mittels Computer-Aided Process Planning (CAPP) unterstützt. Arbeitspläne werden durch Computer Aided Planning (CAP) Software digital geplant. Die Steuerung von autonomen Transportsystemen, Robotern, Werkzeugmaschinen etc. wird durch Computer-Aided Manufacturing (CAM) Tools abgebildet. [Vajn 09] S. 17
Numerische Berechnungen aus dem Gebiet der Spannungs- und Verformungsprobleme werden durch die Finite-Elemente-Methode (FEM) umgesetzt. In technischen Prozessen, in denen digitale strömungsmechanische Betrachtungen und Simulationen nötig oder sinnvoll sind, werden Fluid Dynamics (CFD) Tools verwendet.
Bevor physische Produktionsanlagen in Betrieb genommen werden, kann eine virtuelle Inbetriebnahme (VIBN) durchgeführt werden. Dabei werden Anläufe realitätsnah abgebildet, um potentielle Fehler präventiv erkennen und vermeiden zu können.
Die zuvor erläuterten Arbeitsschritte können durch Computer-Aided Quality Assurance (CAQ) hinsichtlich der Produkt- und Produktionsqualität geplant, durchgeführt und kontrolliert werden. [Land 13] S. 118
Gemeinsam genutzte Werkzeuge
Abbildung 2-6 zeigt außerdem, dass die DF gemeinsame und phasenübergreifende Werkzeuge mit interdisziplinärer Funktion und ohne konkrete PEP Zuordnung nutzt, die während des gesamten Fabrik- bzw. Produktlebenszyklus eingesetzt werden. Zwischen Vertrieb und Produktion dient die Produktionsplanung und -steuerung (PPS) als Schnittstelle. Die Steuerung und Koordination abzuwickelnder Fertigungsaufträge wird innerhalb der Enterprise Ressource Planning (ERP) Systeme bearbeitet. Hierzu zählen die Planung und Überwachung der Unternehmensressourcen wie z. B. Material, Maschinen, Kapital und Personal. Um diesen Zweck erfüllen zu können, arbeiten ERP-Systeme verzahnt mit den benannten Werkzeugen aus allen PEP-Phasen unter Verwendung selbiger Datenbestände. [West 09] S. 210
Ein durchgängiges Datenmanagement stellt eine der Grundvoraussetzungen für eine nutzbringende DF dar. Mit Fokus auf die Fabrik wird das zentrale Datenmanagement als Fabrikdatenmanagement (FDM) bezeichnet. Für produktspezifische Daten werden sog. Produktdatenmanagement (PDM) Tools verwendet. Zur Betrachtung des kompletten Lebenszyklus eines Produkts bzw. einer Fabrik unter intensiver Informations- und Wissensintegration wird das Datenmanagement als Produktlebenszyklusmanagement (PLM) bzw. Fabriklebenszyklusmanagement (FLM) bezeichnet. Die Unterstützung von Bürotätigkeiten durch Werkzeuge der DF wird durch Computer-Aided Office (CAO) Tools abgebildet. [Land 13] S. 118
In der Praxis existieren viele weitere Methoden und Werkzeuge, die Planungsaktivitäten unterstützen. Bspw. Planungstische zur interdisziplinaren und partizipativen Planung finden vermehrt Anwendung. [Brac 18] S. 31
Nachdem in diesem Kapitel die Grundlagen der DF dagestellt worden sind, sollen darauf aufbauend die Charakteristika des Digitalen Fabrikbetriebs erläutert werden.
2.2 Grundlagen des Digitalen Fabrikbetriebs
Wie aus den vorherigen Kapiteln hervorgeht, reicht die DF bis in den realen Betrieb hinein. Sie umfasst Modelle, Methoden und Werkzeuge zur Planung, Inbetriebnahme und Betrieb einer Fabrik. Allerdings ist in der VDI Richtlinie 4499-1 hauptsächlich beschrieben, wie die DF Aufgaben der Fabrikplanung unterstützt. Aus diesem Grund hat der VDI sich zusätzlich die Aufgabe gemacht, die Lebensphasen des Fabrikbetriebs, die zugehörigen Methoden und Werkzeuge sowie den Nutzen ihrer Anwendung zu beschreiben. Die Richtlinie VDI 4499 Blatt 2 erläutert die Anwendung, Vorteile und Möglichkeiten eines abgegrenzten Ausschnitts der Digitalen Fabrik, und zwar den hier definierten „Digitalen Fabrikbetrieb“. Der DFB adressiert die in Abbildung 2-2 kenntlich abgegrenzten Teilbereiche der DF.
2.2.1 Begriffsbestimmung und Abgrenzung
Der Aufgabenbereich des Fabrikbetriebs umfasst alle Aufgaben, die zur Durchführung der Herstellung eines Produktes notwendig sind. Dazu gehören sowohl die Produktionsplanung und -steuerung (PPS), als auch die ausführenden Bereiche der Fertigung, der Montage, des Lagers, des Transports, des Qualitäts- und Betriebsmittelmanagements. Werden für die Umsetzung dieser Aufgaben Methoden, Modelle und Werkzeuge der digitalen Fabrik eingesetzt, so wird dies als DFB bezeichnet. [Land 13] S. 179
Ein Fabrikbetrieb, der digital abgebildet, verifiziert und verbessert wird, muss die Anforderung erfüllen, den realen Betrieb einer Fabrik so realistisch wie möglich abzubilden, vor allem bezüglich des Zeitverhaltens. Damit werden an den DFB Echtzeitanforderungen gestellt, wie sie im realen Betrieb auftreten. [Saue 10] S. 563
Nach VDI 4499 Blatt 2 (2011) unterstützt der DFB also die „ Nutzung von Methoden, Modellen und Werkzeugen der Digitalen Fabrik, die bei der Inbetriebnahme einzelner Anlagen, dem Anlauf mehrerer Anlagen und der Durchführung realer Produktionsprozesse eingesetzt werden. Ziele sind die Absicherung und Verkürzung des Anlaufs sowie die betriebsbegleitende und kontinuierliche Verbesserung der Serienproduktion Dazu wird das dynamische Verhalten einzelner Produktionsanlagen und komplexer Produktionssysteme und -prozesse einschließlich der Informations- und Steruerungstechnik realitätsnah abgebildet. Virtuelle und reale Komponenten können dabei miteinander gekoppelt sein. Auf Basis eines durchgängigen Datenmanagements nutzt der Digitale Fabrikbetrieb die Ergebnisse der Produktionsplanung in der Digitalen Fabrik und stellt seinerseits Daten für operative IT-Systeme bereit. Bei der Nutzung in der Serienproduktion werden die Modelle laufend der Realität angepasst." [VDI 4499-2] S. 5-6
Das in der Definition als geforderte durchgängige Datenmanagement ist in der Praxis allerdings bisher nur in wenigen Ansätzen anzutreffen, da die Planung und der operative Betrieb und damit auch die sie unterstützenden IT-Systeme nur langsam zusammenwachsen. Aus diesem Grund arbeiten weitere Arbeitsgruppen des VDI daran, dieses durchgängige Datenmanagement zu beschreiben oder konkrete Implementierungsansätze zu definieren. [VDI 4499-3] [VDI 5600-2]
2.2.2 Anwendungsgebiete und Werkzeuge
Die Anwendungsgebiete des DFB lassen sich teilweise aus der Abbildung 2-6 ableiten. Grundsätzlich findet der DFB in den verschiedenen Lebenszyklusphasen eines Produktionssystems Anwendung. Als Beispiel sind der digitale Betrieb von Werkzeugmaschinen, automatisierten Produktionsanlagen und die Auftragssteuerung zu nennen. Wichtige Komponenten des DFB sind beispielsweise die VIBN oder die betriebsbegleitende (Realzeit-)Simulation. [VDI 4499-2] S. 3/4 [Saue 10] S. 561
Am Übergang aus der Planung in die Inbetriebnahme und die Serienproduktion wirken virtuelle und/oder reale Maschinen und deren dynamisches Verhalten mit virtuellen und/oder realen Anlagensteuerungen als Abbild der Logik der Anlagen zusammen. Mit der Verbindung zu überlagerten Fertigungsmanagementsystemen erlaubt der DFB Aussagen über das Gesamtverhalten von Maschinen und Anlagen vor deren realem Anlauf. [VDI 4499-2] S. 4
Im Folgenden werden die wesentlichen Anwendungsgebiete des DFB entlang der Montage- und Fertigungsprozessplanung bis zur laufenden Serienproduktion erläutert. Und Möglichkeiten für ein durchgängiges Datenmanagement werden dargestellt. (siehe Abbildung 2-7).
Auf Basis eines durchgängigen Datenmanagements nutzt der DFB die Ergebnisse der Produktionsplanung in der DF und stellt seinerseits Daten für operative IT-Systeme bereit. [VDI 4499-2] S. 4
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-7: Anwendung des digitalen Fabrikbetriebs nach VDI
Montage- und Fertigungsprozessplanung
Die Montage- und Fertigungsprozessplanung untergliedert sich in die Auswahl geeigneter Verfahren und Technologien, die Reihenfolgeplanung, die Planung der Vorrichtungen und der BM sowie schließlich die Auswahl der geeigneten Werkzeuge. Nachdem eine grobe Kapazitätsrechnung durchgeführt wurde, müssen herzustellende Produkte und eingesetzte Produktionsmittel abgeglichen werden. [VDI 4499-2] S. 11
Planung der Fertigungsanlagen (Planungsschritte und VIBN)
Die Planung der Fertigungsanlagen umfasst einige Planungsschritte. Dazu gehören zunächst, die Ausgestaltung der einzelnen Bearbeitungsstationen, das Festlegen des Mengengerüsts der BM und die Kalkulation der Taktzeiten. Verkettungen, Zu- und Abführungen sowie der Fertigungsablauf werden geplant. Auf Basis dieser Ergebnisse wird das Arbeitszeitmodell definiert und entsprechende Mitarbeiter werden den Arbeitsplätzen in Fertigung und Montage zugeordnet. Nach Abschluss der Planung für die adäquate Sicherheitstechnik, wird die Variantensteuerung definiert. [VDI 4499-2] S. 11
Die virtuelle Inbetriebnahme stellt hierbei den ersten Schritt zum Digitalen Fabrikbetrieb dar. [Saue 10] S. 561
Sie sichert beispielhaft die Planungsergebnisse zu Taktzeiten oder Verfügbarkeit einer Anlage ab und ermöglicht Ingenieuren Fehler vorab zu beseitigen und die Anlage bezüglich Raumausnutzung, Roboterpfaden, Taktzeiten und Steuerungsbefehlen zu optimieren. Wie bereits in Kapitel 2.1.4 erwähnt wird sie durchgeführt bevor physische Produktionsanlagen in Betrieb genommen werden. Um eine VIBN durchführen zu können, sind alle für den Anwender relevanten Daten notwendig. Dazu zählt ein Anlagenmodell, welches die Gewerke Mechanik, Elektrik und Informationstechnik umfasst. Im Gegensatz zu einer Simulation wird bei der VIBN ein Modell verwendet, das sowohl virtuelle als auch reale Anteile enthält. [VDI 4499-2] S. 11/12
Reale Montage und Inbetriebnahme der Fertigungsanlagen
Die Basis zur Fertigung und Montage von Anlagenkomponenten bilden Geometrien und Abläufe der Anlage, die in der VIBN validiert wurden, sowie das zugehörige 3D-Anlagenmodell. Die einzelnen Anlagenkomponenten werden zur Gesamtanlage montiert.
Durch die zuvor erfolgte VIBN sind zur realen Inbetriebnahme nur noch deutlich reduzierte Test- und Anpassungsaufwände erforderlich. Das Ergebnis der realen Inbetriebnahme ist die korrekte Funktion der Anlage entsprechend ihrer Spezifikation.
Daten, die z. B. zur Anlagenüberwachung erforderlich sind, können in einem neutralen Austauschformat aus verschiedenen Planungs- und Entwicklungssystemen ausgelesen und der Projektierung der überlagerten Systeme weitestgehend systemunabhängig zur Verfügung gestellt werden. Schon während der Inbetriebnahme kann die überlagerte Informationstechnik kann zur Diagnose von Anlagen genutzt werden. Eine Prozessdatenauswertung in überlagerten Systemen ermöglicht die Bereitstellung von (aggregierten) Kennzahlen für ablauffähige Modelle der DF bzw. für verschiedene Simulationen, beispielsweise für eine Materialfluss-Simulation. Virtuelle Modelle können evaluiert und verbessert werden. Ziel ist es, den vollen Leistungsumfang der überlagerten Informationstechnik bereits zum Produktionsanlauf zur Verfügung zu haben. [VDI 4499-2] S. 12
Anlaufmanagement
Der DFB unterstützt das Anlaufmanagement, indem beispielhaft Schulungen am virtuellen Modell für Mitarbeiter, wie Instandhalter und Anlagenbediener, durchgeführt werden können. Auswertungen aus der überlagerten IT ermöglichen die Überwachung des Anlaufs mit den Kennzahlen der späteren Serienproduktion (Anlagenverfügbarkeit, Taktzeit, Stückzahl).
Werden Daten aus dem Anlauf in das virtuelle Modell eingespielt, können Prognoserechnungen zu Kennzahlen, beispielsweise zu derzeit maximal erreichbaren Stückzahlen einer Anlage, simuliert werden. Geplante Anlaufkurven können verifiziert werden. Der Anlagenbetreiber kann im virtuellen Modell definierte Änderungen an der Anlage vorab testen und ausplanen, um sie bei positiver Rückmeldung in die reale Anlage einzubringen. In dieser Lebenszyklusphase müssen Anlagenmodell und reale Anlage immer auf dem gleichen Stand sein. [VDI 4499-2] S. 14/15
Serienproduktion
In der Serienproduktion werden aus bereits vorangegangenen Phasen existierende Modelle modifiziert, gegebenenfalls ergänzt und für die betriebsbegleitende Simulation zur Verbesserung des laufenden Betriebs genutzt. Das Ziel der betriebsbegleitenden Simulation ist, während der Betriebsphase die operative Planung des Fabrikbetriebs an permanent wechselnde Randbedingungen anzupassen und zu verbessern.
Mit dem Einsatz des DFB in der Serienproduktion können kontinuierliche Prognosen erstellt und Verbesserungen erreicht werden. Während der betriebsbegleitenden Simulation stehen die Eckdaten für Personal-, Betriebs- und Arbeitsmittel fest, wodurch die Inbetriebnahme erfolgreich abgeschlossen ist. [VDI 4499-2] S. 15
Rückführung der Daten
Für die Auftragsfortschrittskontrolle ist eine Rückmeldung an das ERP-System aus dem realen Betrieb notwendig. Genauer gesagt, müssen die Daten aus der Serienproduktion müssen in die Planung zurückgeführt werden. Gegenwärtig werden vor allem prozessabhängige Daten zu Maschinen wie Belegungszeiten oder Störungen, zu Fertigungsaufträgen, zum Lagerbestand und zum Personal in die bereits genannten Datenmanagementsysteme der DF integriert. Dabei handelt es sich um Informationen und Daten aus der Betriebs- und Maschinendatenerfassung (BDE/MDE) oder aus dem Manufacturing Execution System (MES). [Brac 18] S. 91
Ein geeigneter Rückführungsprozess besteht aus einer Datenerfassung und der Datenverarbeitung. Dabei müssen einige Voraussetzungen und Herausforderungen berücksichtigt werden (Siehe hierzu VDI 4499-2 S.18) Die Rückführung ist von der Planungsaufgabe, dem damit verbunden Planungshorizont und der Modelldetaillierung abhängig. Daraus ergeben sich unterschiedliche Anforderungen hinsichtlich Art, Aktualität und Aggregation der rückzuführenden Daten. In der VDI Richtlinie werden diese Anforderungen in Abschnitt 6 näher erläutert. Festzuhalten ist, dass die rückzuführenden Daten sowohl aus Fertigungsmanagementsystemen bezogen werden als auch manuell erfasst werden. [VDI 4499-2] S. 17
Eine weitere IT-Werkzeugklasse im Fabrikbetrieb lässt sich unter dem Begriff CAFM-Software (Computer Aided Facility Management) zusammenfassen. Diese dient der computerbasierten Planung, Verwaltung, Analyse und Verbesserung aller kostenrelevanten Betriebs- und Bewirtschaftungsvorgänge rund um die baulichen und technischen Anlagen. Sie umfasst neben der Verwaltung der reinen Bestandsdaten in der Regel auch die Verwaltung der Prozessdaten zur koordinierten Durchführung und zur Auftragsverfolgung. [Brac 18] S. 195
Nachfolgend soll der Einsatz des DFB anhand beispielhafter Anwendungsgebiete erläutert werden. Zu diesen Anwendungsgebieten gehören, wie vorab erwähnt, Werkzeugmaschinen, automatisierte Produktionsanlagen sowie die Auftragssteuerung.
Beispiele für Anwendungsbeispiele
Die rechnergestützte Fertigungs- und Prozessplanung umfasst innerhalb des DFB alle rechnerunterstützten Tätigkeiten, die erforderlich sind, um für ein Bauteil, Bearbeitungs- und Messprogramme zur Steuerung einer NC-Werkzeugmaschine zu erstellen und in Betrieb zu nehmen. Die Bauteile durchlaufen dabei die Funktionsbereiche Konstruktion, Arbeitsvorbereitung und Fertigung.
Zunächst wird die Werkstückgestalt im CAD festgelegt und die zur Bearbeitung notwendigen Werkzeugwege und technologischen Prozessparameterwerden im CAM-System (Computer Aided Manufacturing) definiert. Nach Anpassung dieser Bearbeitungsbeschreibung an die jeweilige Maschine durch den Postprozessor, erfolgt die Prüfung und Optimierung des entstandenen NC-Programms mithilfe der NC-Simulation. Schließlich wird das NC-Programm auf die reale Maschine übertragen und in Betrieb genommen. [Denk 09a] S. 303
In der Richtlinie werden als wesentliche Funktionen des Digitalen Fabrikbetriebs das Zusammenspiel der unterschiedlichen Softwaresysteme, deren Rückgriff auf eine durchgängige Datenbasis zur Modellbildung, z.B. von NC-Steuerung, Werkzeugmaschine, Werkstücken und Werkzeugen, die Rückführung von Realdaten aus der Fertigung sowie die dar- auf basierende Aktualisierung der Modelle betrachtet.
NC-Werkzeugmaschinen können Teil einer automatisierten Produktionsanlage sein, z.B. wenn mehrere Werkzeugmaschinen durch ein automatisiertes Materialflusssystem verkettet sind. Bei automatisierten Produktionsanlagen spielen das Datenmanagement und die Modellierung der einzelnen Anlagenkomponenten eine zentrale Rolle. Im Sinne eines DFB ist es erforderlich, dass bereichsübergreifend gearbeitet und modelliert wird. Komponenten werden daher in mechatronischen Objekten als Teil einer umfassenden mechatronischen Bibliothek beschrieben, die alle relevanten Teilaspekte umfasst. In der mechatronischen Bibliothek sind alle relevanten Daten für den späteren Betrieb zusammengeführt und in Beziehung zueinander gesetzt. [Saue 10] S. 565
In der Richtlinie werden geeignete Werkzeuge des DFB zugeordnet und deren spezifischen Anforderungen an das durchgängige Datenmanagement benannt. Hierbei wird auch die Notwendigkeit entsprechend der Formate und Schnittstellen betont. Gleichzeitig werden auch daraus resultierende Probleme und Aufgaben wie beispielsweise ein adäquates Änderungsmanagement angesprochen. [VDI 4499-2]
Die daraus resultierenden Ziele des DFB sollen anschließend erörtert werden.
2.2.3 Ziele
In der Praxis wird der durchgängigen methodischen Unterstützung von Fabrikplanung und anschließender Inbetriebnahme, Anlauf und laufendem Betrieb von Produktionsanlagen besondere Aufmerksamkeit geschenkt, da in diesen Phasen noch Verbesserungspotentiale ausgeschöpft werden können. Als Beispiel sind hier eine durchgängige Engineering-Kette ohne eine manuelle Datenübertragungen zu nennen. Dieser durchgängige Engineering-Prozess von der Fabrikplanung bis in den realen Betrieb ist das erste Hauptziel des DFB.
Das zweite Hauptziel besteht darin, das aus der Entwicklung von Produkten bekannte Dilemma zwischen Kostenfestlegung und Kostenbeeinflussung (Abbildung 2-8) anzugehen. Dies soll erreicht werden, indem in den frühen Phasen, in denen die Herstellkosten des Produkts und laufenden Kosten der Produktion beeinflusst und festgelegt werden, die Sicherheit erhöht wird, damit die Planungsergebnisse möglichst das resultierende Produkt widerspiegeln. [Saue 10] S. 560
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildung 2-8: Kostenbeeinflussung und Kostenentstehung [nach Saur 10] S. 560
Wie bereits erwähnt sind nach VDI 4499-2 (2011) die Absicherung und Verkürzung des Anlaufs sowie die betriebsbegleitende und kontinuierliche Verbesserung der Serienproduktion das Ziel des DFB.
Abbildung 2-10 veranschaulicht wie beispielsweise durch die Kopplung virtueller und realer Komponenten eine Vorverlagerung der Inbetriebnahme in die virtuelle Welt Zeit eingespart werden kann. Gleichzeitig können durch frühzeitige Tests und Optimierungen Aufwände reduziert werden, da früher eine höhere Qualität erreicht wird. Einsparungen von Planungs- und Entwicklungsaufwänden bei Änderungen können erzielt werden. [VDI 4499] S. 6
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- Anonym,, 2019, Die digitale Fabrik und der digitale Fabrikbetrieb. Möglichkeiten für das Anlaufmanagement der Zukunft, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/925262
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