Familie im Wandel der Zeit. Von der biblischen Tradition zur westlichen Moderne

Eine exegetische und ethische Untersuchung mit religionspädagogischen Aspekten


Proyecto/Trabajo fin de carrera, 2020

101 Páginas, Calificación: 1,0


Extracto


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Vom Beginn der Sesshaftigkeit bis hin zur Antike
2.1. Von der Altsteinzeit bis zum Nomadentum
2.2. Familiäre Strukturen im Nomadentum und in der Antike
2.2.1. Das „Haus“
2.2.2. Sklaverei
2.3. Familiäres Leben in der Antike
2.3.1. Hochzeit und Ehe
2.3.2. Rollenbilder
2.3.3. Sexualität

3. Familienstrukturen in der biblischen Tradition
3.1. Vom Kind zum Erwachsenen
3.1.1. Der Begriff „Kind“
3.1.2. Kindheit und Jugend
3.1.3. Erwachsenenalter
3.2. Familiäres Leben
3.2.1. Hochzeit, Ehe und Scheidung
3.2.2. Eheliche Pflicht
3.2.2.1. Gesetzlichkeiten im Alten Testament
3.2.2.2. Zeugung, Schwangerschaft und Geburt
3.2.3. Geschlechtlichkeit
3.2.3.1. Sexualität
3.2.3.2. Erotik
3.2.3.3. Prostitution
3.3. Eheformen
3.3.1. Eheformen bei Nomaden
3.3.2. Eheformen bei Sesshaften
3.3.3. Eheformen am königlichen Hof

4. Familie im weiteren Verlauf der (westlichen) Geschichte
4.1. Der Verlauf vom Mittelalter bis zur Neuzeit
4.1.1. Mittelalter: 6.-15. Jahrhundert
4.1.2. Frühe Neuzeit: 16. und 17. Jahrhundert
4.1.3. Späte Neuzeit: 18. und 19. Jahrhundert
4.2. Der Verlauf von der Moderne bis zur Gegenwart
4.2.1. Die Moderne: Ende 19. Jahrhundert und Anfang 20. Jahrhundert
4.2.2. Nachkriegszeit und Postmoderne: Mitte und Ende des 20. Jahrhundert
4.3. Verfassungsrechtliche Entwicklungen zu Ehe und Familie

5. Westliche Moderne
5.1. Familienreport 2017
5.1.1. Familienleben in Deutschland
5.1.2. Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Mütter und Väter
5.2. Familienpolitik im Wandel
5.2.1. Familie: Stabilität und Wandel
5.2.2. Familienmodelle und Rollenbilder im Wandel
5.2.3. Familie und Zeit im Wandel

6. Die kirchliche Sicht in der Moderne
6.1. Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) zu Ehe und Familie
6.1.1. Ehe und Familie – Internationales Jahr der Familie 1994
6.1.1.1. Die Lage und die Grundgedanken der Ehe
6.1.1.2. Die Lage und die Grundgedanken der Familie
6.1.2. Die EKD-Orientierungshilfe zu Ehe und Familie
6.1.2.1. Zwischen Autonomie und Angewiesenheit – Familienleben heute
6.1.2.2. Familie und Ehe im Wandel
6.1.2.3. Leitbilder, theologische Orientierung und Empfehlungen für Ehe und Familie
6.1.3. Das evangelische Verständnis von Ehe, Familie und Scheidung
6.1.3.1. Ehe- und Familienverständnis
6.1.3.2. Scheidung
6.1.4. Homosexualität
6.2. Papst Franziskus zu Ehe und Familie – Amoris laetitia
6.2.1. Das traditionelle Ehebild
6.2.1.1. Vielfältige Zusammensetzungen und unterschiedliche Zeithorizonte
6.2.1.2. Fortpflanzung
6.2.2. Vom Vertrag zum Vertragen
6.2.2.1. Der Ehevertrag – Ein Perspektivenwechsel
6.2.2.2. Romantisierung, Personalisierung und Institutionalisierung der Ehe
6.2.3. Die Entwicklung der modernen Gesellschaft
6.2.3.1. Gender
6.2.3.2. Homosexualität
6.2.3.3. Familialismus

7. Religionspädagogische Überlegungen
7.1. Bezüge zum Bildungsplan
7.1.1. Leitperspektiven und Leitgedanken
7.1.2. Kompetenzerwerb
7.1.2.1. Prozessbezogene Kompetenzen
7.1.2.2. Inhaltsbezogene Kompetenzen
7.2. Relevanz für den Unterricht

8. Fazit

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

„‚Die‘ Familie sei es in der Vergangenheit, sei es in der Zukunft gab und gibt es nicht. Gerade empirische Forschungen der letzten Jahre haben aufgezeigt, [...] wie unterschiedlich und vielfältig, differenziert und widersprüchlich die familiäre Wirklichkeit vergangener Zeiten war.“1

Wie es Christian Mazenik in seinem Buch „Katholisches Kirchenverständnis auf dem Weg“ von 2016 beschreibt, unterliegt das Konzept Familie einem beständigen, dynamischen Wandel. Die Linien der vergangenen Jahrhunderte sollen in der folgenden Arbeit mit dieser Leitfrage abgebildet werden: In wieweit hat sich das Familienbild und die Familie an sich mit all ihren Mitgliedern im Laufe der Zeit verändert?

Wir leben in einer schnelllebigen Gesellschaft, in der Diversität und Individualität nicht nur im einzelnen Menschen, sondern auch in sozialen Strukturen gelebt und hervorgehoben wird. Ob dieser Zustand ein Phänomen der Neuzeit ist oder ob die sozialen Strukturen und die Geschlechterrollen bereist in früherer Zeit so betrachtet und geregelt wurden, wird in dieser Arbeit genauer hinterfragt. Sowohl historische als auch rechtliche Veränderungen werden dabei thematisiert. Außerdem wird neben der gesellschaftlichen Sicht zum Thema Ehe und Familie auch die Sicht der Kirchen aufgeführt.

Zu Beginn der Arbeit wird es einen Überblick über die familiären Zusammenstellungen und die Strukturen der Familie vom Ende der Altsteinzeit bis zur Antike geben. Hierbei wird zwischen verschiedenen Epochen unterschieden. Mit Beginn der Sesshaftigkeit und des Nomadentums werden die biblischen Nachbarkulturen Rom und Griechenland sowie das Judentum im Verlauf der Geschichte betrachtet. Der Hauptfokus wird dabei auf die Familienzusammenstellungen und das alltägliche Leben in der Antike gelegt. Ebenso die damaligen Rollenbilder wie auch Hochzeit, Ehe und Sexualität werden dabei thematisiert. Unter anderem werden hierfür Klaus Scherberichs Buch und die Veröffentlichung von Jens Schröter und Jürgen Zangenberg als grundlegende Literatur verwendet.

„Liebe, Hochzeit und Familienleben in der Bibel sind Menschen des 21. Jahrhunderts, die in Zentraleuropa leben, sicherlich in vielen Dingen fremd. Trotzdem ist es wichtig, diese Welt zu verstehen, denn sie erschließt auch ein Stück weit das Denken [...] in biblischer Zeit“2

Aus diesem Grund, den Wolfgang Zwickel in seinem Werk „Frauenalltag im biblischen Israel“ von 2005 nennt, werden in Kapitel 3 dieser Arbeit die Familienstrukturen in der biblischen Tradition aufgegliedert. Ob „diese Welt“, wie Zwickel sie in seinem oben genannten Zitat nennt, sich tatsächlich von der modernen Welt in vielen Merkmalen unterscheidet, wird hierbei herausgearbeitet. Sowohl die verschiedenen Altersstufen eines Menschen als auch das familiäre Leben wird dabei betrachtet. Themen wie Hochzeit, Ehe und Scheidung sowie eheliche Pflichten werden dabei aufgezeigt. Außerdem werden Sexualität, Erotik und Prostitution thematisiert, denn diese Zusammenhänge waren damals wie auch heute zentrale und viel besprochene Aspekte. Am Ende dieses Kapitels werden zudem verschiedene Eheformen aufgeführt, die zur biblischen Zeit gelebt wurden. Neben der Monogamie war die Polygamie eine weitverbreitete Form. Dabei werden sowohl die Ehestrukturen der Nomaden, der sesshaften Bevölkerung und des Königs betrachtet. In diesem Unterkapitel wird vor allem Bezug auf Literatur von Klaus Scherberich und Wolfgang Zwickel genommen.

Im darauffolgenden Kapitel wird die Veränderung von Familie im weiteren Verlauf der westlichen Geschichte ausgeführt. Epochen wie das Mittelalter, die Neuzeit sowie die Moderne werden hierbei beschrieben. Für den Zeitraum zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert wird vor allem die Veröffentlichung von Christian Mazenik verwendet, während für die Epochen zwischen dem Ende des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart unter anderem die Publikation von Andreas Rödder und Wolfgang Elz hinzugezogen wird. Themen sind dabei Familienstrukturen und Rollenbilder in den jeweiligen Zeitaltern. Wie sich die Gesetzte zu Ehe und Familie verändert haben, wird vor allem durch Auszüge aus dem Schreiben des Rates der Evangelischen Kirche von Deutschland dargestellt.

Das Kapitel „Westliche Moderne“ wird einen Einblick in aktuelle Studien und Statistiken geben, welche das Thema Ehe und Familie betreffen. Diese Studien stammen zum größten Teil aus dem Familienreport 2017 des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Diese sollen exemplarisch die Veränderungen und Trends der westlichen Moderne in Bezug auf Ehe und Familie aufzeigen. Auch Neuerungen in der Familienpolitik werden durch Veröffentlichungen von der Bertelsmann Stiftung von Norbert Schneider erläutert. Vor allem die Vereinbarkeit von Familie und Beruf beziehungsweise die partnerschaftliche Teilung der Erwerbstätigkeit und der Erziehung der Kinder sind hier Thematiken.

Im sechsten Kapitel wird die Sicht der Kirche zum Thema Ehe und Familie in der Gegenwart betrachtet. Da sich auf kirchlicher Seite keine wesentlichen konfessionellen Differenzen zeigen, vor allem in Bezug auf Papst Franziskus und den Veröffentlichungen der Evangelischen Kirche in Deutschland, wird größtenteils auf eine konfessionelle Differenzierung verzichtet. Wo erforderlich werden sowohl evangelische als auch katholische Stellungnahmen berücksichtigt. Zusätzlich wird beiden Konfessionen ein eigenes Kapitel gewidmet, um die Ansichten beider Kirchen zu diesem Thema zusammenzufassen. Veröffentlichungen der Evangelischen Kirche von Deutschland wie auch Publikationen von Klaus Engelhart und Kathrin Jütte werden zur Grundlagenliteratur für die Ansichten der evangelischen Kirche dienen. Die Sicht des Papstes wird durch Paul Zulehners Buch, das sich auf das Schreiben des Papstes Amoris laetitia von 2016 bezieht, verdeutlicht und reflektiert.

Im letzten Kapitel der Arbeit wird der Inhalt dieser Arbeit auf die schulische Tätigkeit adaptiert. Ob das Thema oder Teilbereiche dieser wissenschaftlichen Arbeit in den evangelischen Religionsunterricht eingebaut werden können, wird hier untersucht. In welchen Klassenstufen welche Kompetenzen damit erlernt werden können, wird außerdem dargestellt. Als Literatur dient der aktuelle Bildungsplan von 2016 für die Sekundarstufe 1.

Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wird in der gesamten Arbeit verallgemeinernd das generische Maskulinum verwendet. Diese Formulierung umfasst, wenn nicht anders gekennzeichnet, gleichermaßen weibliche wie männliche und diverse Personen; alle sind dabei gleichberechtigt angesprochen.

Als Bibeltext wird in der gesamten Arbeit, wenn nicht anders angegeben, die Züricher Bibelübersetzung von 2007 verwendet.

2. Vom Beginn der Sesshaftigkeit bis hin zur Antike

Im Folgenden wird ein kulturgeschichtlicher Überblick über das Zusammenleben der Menschen in verschiedenen Konstellationen und über unterschiedliche Familienstrukturen in verschiedenen Epochen aufgeführt. Mithilfe eines Makroüberblickes werden diese anschließend mit den Lebensgewohnheiten der biblischen Nachbarkulturen Rom und Griechenland sowie denen des Judentums in der Antike verglichen.

2.1. Von der Altsteinzeit bis zum Nomadentum

Zum Ende des Paläolithikums (Altsteinzeit) lebten die Menschen meist in kleinen Gruppen aus Verwandten und galten als Jäger und Sammler.3 Obwohl sie von Lagerplatz zu Lagerplatz zogen, um Futterplätze für ihre Tiere, geeignete Orte sowie Nahrung für sich selbst zu finden, spricht man hier noch nicht von einem Nomadentum, da sich diese wirtschaftliche Struktur erst später entwickelte.4 Männer und Frauen teilten sich die Aufgabe, Nahrung für die Familie zu besorgen. Während die Männer jedoch dabei auf die Jagd gingen, sammelten die Frauen und Kinder Wurzeln, Früchte wie auch Kräuter, aber vor allem Samen, die sie später zu Mehl verarbeiteten. Sie steuerten damit 75-85% der benötigten Nahrung bei. Frauen durften nicht auf die Jagd gehen, da sie zum einen maßgeblich an der Pflege der Älteren beteiligt und zum anderen unabdingbar für das Gebären der Nachkommenschaft sowie die Pflege der Säuglinge waren.5 Auch Arbeiten wie Töpferei, Weberei, Spinnerei und Korbflechterei gehörten zu den Aufgaben der Frauen.6

Ab 10.000 vor Christus revolutionierte sich das Leben der Menschheit. Durch positive klimatische Veränderungen, es wurde warm und regnete viel, hatten die Menschen die Möglichkeit in manchen Streifengebieten sesshaft zu werden, da es dort genügend Nahrung für Mensch und Tier gab. Besonders die Frauen profitierten von der neuen Lebensform, da sie nicht mehr alles Hab und Gut sowie die Kinder von Ort zu Ort transportieren mussten. Ungefähr 2.000 Jahre später veränderte sich das Klima erneut, dieses Mal im negativen Sinne: Es wurde sowohl kälter als auch trockener. Die Menschen mussten nun selbst Getreidefelder anbauen, da die natürlichen Felder nicht mehr genug Ertrag einbrachten. Anstelle des wild wachsenden Getreides, dessen Körner ohne große Anstrengung geerntet werden konnten, wuchsen immer mehr und schließlich nur noch selbstgesäte Getreidearten, welche man jedoch dreschen musste, um an die Körner zu gelangen. Durch diesen Wandel der Umwelt veränderte sich das Leben der Jäger und Sammler signifikant: Die Menschen sammelten ihre Nahrung nicht mehr, sondern bauten sie selbst an. Dadurch waren sie an ihre selbst angelegten Felder gebunden und wurden deshalb schlussendlich sesshaft. Man könnte in diesem Zusammenhang auch von dem Beginn der Zivilisation sprechen.7 Mit bis zu 2.000 Bewohnern lebten die Menschen in sogenannten Großdörfern, die unabhängig von anderen Dörfern waren. Innerhalb dieser Gemeinschaften gab es mehrere Familienverbände, sogenannte Clans und Sippen, die auf verschiedene weitläufige Wohnanlagen verteilt wurden. Manche dieser Dörfer wurden sogar von einer Mauer umzäunt.8

Im 6. Jahrtausend vor Christus lösten sich viele Großdörfer durch zu wenig Regen und die damit verbundene Wasserknappheit, die zu einem Mangel an Nahrung führte, wieder auf. Viele Menschen lebten als „mobile Bauern“, waren also nicht (mehr) sesshaft, was man als Anfang des Nomadentums bezeichnen kann.9 Als Nomaden werden Gruppen von Menschen bezeichnet, die sich vor allem durch (Klein-) Viehzucht bewirtschaften und nicht sesshaft, sondern in Stämmen leben.10 Sie wohnten in Zelten und besaßen - im Gegensatz zu Beduinen - nur verschiedenes Kleinvieh wie Ziegen und Schafe, für das sie jahreszeitabhängig zu verschiedenen nahegelegenen Weidemöglichkeiten zogen. Einzige Voraussetzung für das Infrage kommen eines Weideplatze war, dass sich dieser in der Nähe von Trinkwassermöglichkeiten wie Quellen, Brunnen oder Flüssen befanden. Es gab verschiedene Arten von Nomaden: In den Ebenen und im zentralen Bergland nahe einer Stadt oder einem Dorf ließen sich die Kulturlandnomaden, nieder. Ebenso wurde der nicht umherziehende Teil der Nomadengruppe der mobilen Viehwirtschaft in diesen Gebieten sesshaft. Währenddessen zog der andere Teil der Gruppe mit Viehherden zu verschiedenen Futterplätzen. Im Gegensatz dazu ließen sich die sogenannten Steppennomaden in der Wüste Juda und im Negev nieder. Hierdurch hatten sie fast keine Berührungspunkte zur Zivilisation der Städte beziehungsweise Dörfer.11

2.2. Familiäre Strukturen im Nomadentum und in der Antike

Das Oberhaupt einer Nomadengruppe, das zudem die Rolle des Richters und des Priesters übernahm, war der Familienvater, der meist mehrere Ehefrauen gleichzeitig hatte. Seine Nachkommen sowie deren Ehepartner und Kinder gehörten ebenfalls zum Familienverband.12 Als Hausherr hatte der Familienvater verschiedene Stellungen: Er galt als „Besitzer der Sachwerte“, hielt die „rechtliche Kompetenz gegenüber den übrigen H[aus]bewohnern‘“ inne und hatte die „Verwaltung und Menschenführung“ innerhalb seiner Großfamilie als Aufgabe.13 Der Vater hatte durch seine Funktion als „pater familias“ die komplette Kontrolle über die ganze Familie bzw. über das „Haus“14. Die Familienmitglieder, die Sklaven15 und das gesamte Eigentum war der väterlichen Autorität unterstellt, die als eine totalitäre Gewalt angesehen wurde. Dies bedeutete, dass der Vater für die Züchtigung und Strafe bis hin zur Verurteilung zum Tode innerhalb der Familie zuständig war. Des Weiteren galt das Familienoberhaupt als einziger Vertreter der gesamten Gruppe gegnüber der Gesellschaft. „Alle Bereiche des Lebens wie Erziehung, Berufswahl oder Eheschließung lagen im väterlichen Entscheidungsbereich [...] [welche] nicht nur bindend, sondern auch [...] lebenslänglich, d.h. regulär bis zum Tode des Vaters“ waren.16

Die grundlegende Bestimmung einer ehelichen Gemeinschaft war das Zeugen von Nachkommen, deren Pflicht jeder Mensch Folge leisten sollte. Die einzigen Möglichkeiten der selbstbestimmten Familienplanung waren das Aussetzen oder gar Töten der Kinder. Dies wurde primär dann praktiziert, wenn Kinder körperlich beeinträchtig waren bzw. Missbildungen hatten, die Eltern sie aus sozialen Gründen nicht versorgen konnten oder das Kind außerehelich gezeugt wurde. Zusätzlich dazu war auch die Kindersterblichkeit signifikant hoch: Nur um die 50% der Kinder erreichten das fünfte Lebensjahr.17 Die Kinder wurden nicht nur von der Mutter oder den älteren Geschwistern geprägt, sondern auch von Nachbarn, Verwandten oder Ammen.18 Entschied sich eine Mutter allerdings ihr Kind in alleiniger Verantwortung selbstständig aufzuziehen, wurde ihr eine ältere Verwandte zur Seite gestellt, die in der Kindererziehung erfahren war und ihr dabei half das, Kind nach den familiäre ‚richtigen‘ Werten zu erziehen.19 Oftmals mussten die Kinder von ärmeren Familien schon in jungen Jahren arbeiten gehen und trugen dadurch schon früh körperliche Schäden davon. Kinder von vermögenderen Familien dagegen wurden in frühen Jahren spielerisch erzogen und erhielten im Alter von ungefähr sieben Jahren entweder in eine häusliche oder außerhäusliche Ausbildung. Jungen wurden zum Beispiel in Handwerksberufen und Mädchen in der Haushaltsführung ausgebildet.20

2.2.1. Das „Haus“

Der Begriff „Haus“ hatte in der Antike unterschiedliche Bedeutungen. Um das Jahr 600 vor Christus lebten vielen Menschen in sogenannten Vierraumhäusern. Diese Häuser hatten eine Größe von ungefähr 70 bis 200 m2. Dieser Name stammte von der Aufteilung der verschiedenen „Räume“ innerhalb des Hauses. Einer dieser Räume war der meist innen liegende Hof, dazu kam oftmals ein Raum für die Tiere beziehungsweise für die Vorräte von Getreidevorräten und Ähnliches sowie zwei Wohnräume. Neben den Tieren und der Kernfamilie lebten in diesen Vierraumhäusern auch Verwandte und Sklaven.21

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Aufbau eines Vierraumhauses (Zwickel, 2005 (S. 129))

Während in der hellenistisch-römischen Zeit das „Haus“ die Bezeichnung der Behausung war, die sowohl vor Umwelteinflüssen schützte als auch als räumliche Abgrenzung zum alltäglichen Geschäft diente, sind die Begriffe bayit und oikos inhaltlich ausgeweitet. Das semitische Wort bayit („Haus“) drückt die Familien- bzw. Stammeszugehörigkeit zu einer Häusergruppe oder zu einer Ansiedlung aus. So wird im Zusammenhang mit dem „Haus Davids“ aus Lukas 1,27 das Wort bayit als Zugehörigkeitsbegriff zur Stammesherkunft von Josef zu David genannt. Das altgriechische Wort oikos („Hausgemeinschaft“22 ) umschießt hingegen neben den Hausbewohnern und ihren Sklaven auch das dazugehörige Eigentum wie Grundstücke, Tiere, Möbel innerhalb und außerhalb des Hauses und das gesamte Kapital des Familienvaters.23 Dadurch war das „Haus“ nicht nur wichtiger Teil der alltäglichen Lebensgemeinschaft, sondern auch ein zentraler Ort der wirtschaftlichen Einheit der Kernfamilie.24 Unter „Haus“ (oikos) wird somit unter anderem alles, was unter der Führung des Hausherrn steht, verstanden. Während das „Haus“ eine Bezeichnung für einen Großgrundbesitzer mit all seinen unterstellten Bauern sein konnte, wurden auch Familien, die entweder nur in ihrer Kernfamilie lebten oder generationenübergreifende Hausgemeinschaften führten, so genannt.25 In vielen Fällen zählten zu „Haus“ auch alle Kinder des Hausherren mit ihren eigenen Familien, da diese bis der Vater verstarb unter seiner Kontrolle standen.26

Im Neuen Testament wird eine andere Bedeutung des Hauses hervorgehoben. Das „Haus“ dient hier als Ort der Zusammenkunft zwischen Jesus, seinen Anhängern und anderen Menschen, die seine Lehren hören wollten. Betont wird in mehreren Bibelstellen (unter anderem Matthäus 8,5-13, Lukas 7,1-10) die Besonderheit, dass Jesus in einigen Fällen - unüblich für damalige Verhältnisse - in heidnische Häuser ging. Denn „[d]as H[aus] spiegelte [...] nicht nur den sozialen Status seiner Bewohner, sondern markierte auch deren ethnische und religiöse Identität.“27 Da nichtjüdische Häuser, durch fehlende religiöse Traditionen wie Speisevorschriften und koscheres Geschirr, als unrein galten, betraten Juden diese nur in Sonderfällen.28

2.2.2. Sklaverei

„Bei fast allen antiken Völkern ist die Sklaverei eine Institution des Völkergemeinrechts [...]. Sie entsteht vorrangig durch die Kriegsgefangenschaft [...]. Der Handel mit Sklaven gehört zu den frühesten Handelsgeschäften [...].“29

Unter einem Sklaven versteht man eine unfreie Person, die sowohl rechtlich als auch wirtschaftlich einer anderen Person unterstellt und somit deren Eigentum ist.30 Der Familienvater, in dessen Besitz die Sklaven sich befanden, hatte nicht nur die Befehlsgewalt über sie, das heißt er hatte alle Gewalt und entschied somit unter anderem über Leben oder Tod eines Sklaven, sondern war zudem dazu verpflichtet, alle zu ernähren und ausreichend zu versorgen.31 Sklaven hatten somit nur wenig, bis keine Personenrechte.32 Bei Sklaven unterschied man zwischen Aufseher und Arbeiter. Während Aufseher wertgeschätzt wurden, wurde den Arbeitern Strenge und wenig Nachsehen, aber genügend Essen entgegengebracht.33

„Derartige Abhängigkeitsverhältnisse kamen wohl in den nomadisierenden Familien viel häufiger vor als im einfachen städtischen Milieu, da häufig in den Stadthäusern kein Platz für eine zusätzliche Kraft vorhanden war, und zudem auch in den meisten Familien keine Notwendigkeit bestand, Knechte oder Mägde zusätzlich anzustellen.“34

Innerhalb der Familie hatten Sklaven und Sklavinnen unterschiedliche Aufgaben. Häufig waren Sklaven verschiedenen Familienmitgliedern zugeteilt. So gab es Leibeigene, die sich speziell um den Hausherrn kümmerten, es gab andere, die völlig der Frau zugeordnet waren. Waren Mägde dem Familienvater zugeschrieben, so handelte sich dies oftmals um ein eheähnliches Verhältnis und beinhaltete daher auch Geschlechtsverkehr. Geregelt war allerdings, dass die Sklaven und Sklavinnen keine freie Verfügungsmasse waren, sondern das Recht darauf hatten gut behandelt zu werden. Falls der Hausherr Sklaven misshandelte hatten diese das Recht freigelassen zu werden.35

Sklavinnen, die der Frau zugeteilt waren, hatten in manchen Fällen eine besondere Funktion: das Gebären von Nachkommen für die Hausherren. Konnte die Hauptfrau mit dem Hausherrn keine Kinder bekommen, so musste die Frau ihrem Mann eine ihrer Leibmägde zur Verfügung stellen, um Nachkommen zu zeugen.36

„Da die Magd eine Leibeigene war, galt das Kind als Kind der Herrin. Dies wurde dadurch bekräftigt, daß die Sklavin auf den Knien der Herrin gebären mußte. Das Kind kam dann symbolisch aus dem Schoß der Herrin.“37

Da das Kind von der Hauptfrau als ihr eigenes Kind angesehen wurde, wurde es ohne Weiteres in den Familienverband aufgenommen und wurde somit ein vollwertiges Mitglied der Familie und kein Sklave.38 Die Stellung der Magd innerhalb der Familie veränderte sich dadurch allerdings nicht, denn „sie wurde als Leihmutter nicht zur Nebenfrau des Herrn.“39

Um sicherzustellen, dass die Sklaverei weiter bestehen blieb, war es allerdings wichtig, dass Sklaven eigene Kinder zeugten.40 „Jedes Kind, das von einer unfreien Mutter geboren wird, ist ein Sklavenkind, da es dem Status der Mutter folgt.“41 Eine eigene Familie konnten die Sklaven wohlhabender römischer Familien gründen, wenn ihr Hausherr ihnen die Erlaubnis dazu gab. Außerdem durften sie sich mit seiner Zustimmung auch eigenes Eigentum erarbeiten, um sich damit eines Tages freizukaufen.42

Ein hebräischer Sklave hatte in der Antike außerdem das Recht, nach sieben Jahren wieder freigelassen zu werden, solange er durch eine Schuld versklavt war (Schuldsklaverei). War dies der Fall, musste sein Herr ihn mit einem Startkapital ausstatten, damit er die erste Zeit überleben konnte. Hatte der Sklave allerdings eine Sklavin geheiratet und eigene Kinder gezeugt, musste er sich entscheiden, ob er diese in seinem siebten Jahr zurücklassen würde oder ob er bei ihnen bleiben wollte. Entschied er sich dafür bei seiner Frau und den Kindern zu bleiben, so galt er für immer als Sklave des Herrenhauses. Sklaven, die gekauft wurden (Kaufsklaven) hatten dieses Recht nicht.43

2.3. Familiäres Leben in der Antike

Klaus Scherberich führt in seinem Buch Neues Testament und Antike Kultur aus dem Jahr 2005 verschiedene Traditionen, familiäre Strukturen, Rollenbilder der Familienmitglieder und Sexualität in der Antike aus. Dabei fokussiert er sich auf die Nachbarkulturen Rom und Griechenland und gibt einen Einblick in das Familienleben und in die Traditionen des Judentums. Auch Jens Schröter und Jürgen Zangenberg beziehen sich in ihrer Veröffentlichung Texte zur Umwelt des Neuen Testaments (2013) auf ähnliche Thematiken. In den folgenden Unterkapiteln wird es einen Überblick über die Themen Hochzeit und Ehe, Rollenbilder und Sexualität in der Antike in Anlehnung auf die oben genannten Werke geben.44

2.3.1. Hochzeit und Ehe

Im Judentum fand eine Verbindung zwischen Mann und Frau auf verschiedenen Ebenen statt, welche häufig durch Eheverträge geregelt wurden: Sie verbanden sich nicht nur körperlich, sondern auch wirtschaftlich und gesellschaftlich.45 Eheverträge regelten vor allem die Eigentumsverhältnisse und stellten dadurch sicher, dass jeder Partner bei einer Scheidung oder Verlust durch den Tod eines Ehepartners, abgesichert war. Geregelt war außerdem, dass der Bruder des Ehemanns seine verwitwete Schwägerin zur Frau nehmen musste, wenn deren Ehe mit ihrem verstorbenen Mann kinderlos geblieben war. Alle Nachkommen, die aus dieser Verbindung zur Welt kamen, galten dann allerdings als Kinder des Verstorbenen.46

In der damaligen Zeit verfolgte die Ehe primär die Ziele der Zeugung von Nachkommen sowie die Vermeidung von Unzucht.47 Deshalb galt es als religiös-sittliche Pflicht, die Ehe bis zum Alter von zwanzig Jahren einzugehen beziehungsweise zu vollziehen. Wer ehelos oder enthaltsam lebte, galt als Sünder.48 In der Antike war es in Folge dessen nicht ungewöhnlich, dass ein Mann beziehungsweise ein Junge mit 18 Jahren ein ungefähr 12-jähriges Mädchen heiratete. Bei einer jüdischen Hochzeit durchlief das Brautpaar mehrere Stufen: Um sich zu verloben und als juristisches Ehepaar zu gelten, musste der Bräutigam, bevor er seiner Frau den Ehevertrag überreichte, einen Segensspruch in Anwesenheit von zwei Zeugen wiedergeben. Der zweite Teil der Hochzeit bestand aus einer Zeremonie und schließlich dem Vollzug der Ehe. Im Anschluss war es jüdische Tradition ein mehrtägiges Hochzeitsmahl auszurichten.49

In Griechenland wurde das Wort „Ehe“ meist mit Begriffen wie „Gemeinschaft“ oder „Bindung“ übersetzt. Es war Hauptziel der Ehe, sicherzustellen, dass Nachkommen gezeugt wurden, um das Eigentum der Familie und die Altersversorgung der Eltern zu gewährleisten. Eheleute ließen sich deshalb bei Kinderlosigkeit oder Unfruchtbarkeit eines Ehepartners scheiden. In manchen Gegenden hatte die Hochzeit zudem eine politische Funktion: Durch die Heirat wurden die Ehepartner zu einer Arbeitsgemeinschaft und vereinten nicht nur ihr Eigentum, sondern auch ihre gesellschaftliche Macht. Eine offizielle Vermählung fand in Athen statt und wurde durch ein vor Zeugen gesprochenes Hochzeitsversprechen mit anschließender Übergabe der Frau von ihrem Vater in die Hand ihres zukünftigen Mannes vollzogen. Alle Kinder, die aus dieser Beziehung entstanden, waren rechtmäßige Nachfahren; die Söhne galten somit als zulässige Erben des Familienbesitzes. Wurden allerdings keine Söhne geboren, galt es, zur Erhaltung der Familie, eine Hochzeit zwischen der Erbtochter und dem nächsten männlichen Verwandten zu arrangiert.50

In Rom gab es in der Antike eine große Ehemüdigkeit, was bedeutete, dass nur wenige Menschen heirateten. Dies begründete sich in den Ehegesetzen des Kaiser Augustus zu dieser Zeit. In Rom verfolgte die Ehe ebenso das Ziel Nachkommen zu zeugen. Es war verboten, ohne einen stichhaltigen Grund nicht zu heiraten, weil man auf diese Weise keine Nachkommen zur Erhaltung des Staates zeugte. Es war allen lateinischen und römischen Bürgern erlaubt die Person ihrer Wahl zu heiraten, solange sie als conubium51 galten. Darunter zählten keine Kinder, nahe Verwandte, Sklaven oder Fremde. Während viele Frauen unter der Kontrolle ihrer Ehemänner lebten, entschieden sich einige Frauen dafür, in ihrer Herkunftsfamilie zu bleiben oder sich später wieder von der Gewalt ihres Mannes zu lösen und zu ihrer Ursprungsfamilie zurückzukehren.52

Verstarb der Ehemann oder ließ er sich scheiden, forderte man die verwitwete beziehungsweise geschiedene Frau auf wieder zu heiraten. Dies führte allerdings zu Meinungsverschiedenheiten, da es nach römischer Tradition schandhaft war wieder zu heiraten, da dies zur Untreue gegenüber dem ersten Ehemanne führte. Kaiser Augustus argumentiere wiederum, dass durch eine Wiederheirat mehr Kinder gezeugt werden würden und legimitierte diese somit.53

2.3.2. Rollenbilder

Im Judentum lebten die Menschen zur neutestamentlichen Zeit zum größten Teil in kleinen Familien, die lediglich die Eltern und Kinder umfasste. Selten lebten sie in Großfamilien, die neben der Kernfamilie auch die Frauen und Kinder der Söhne sowie Knechte und Mägde einbezogen. Der Vater hatte die Gewalt über alle Familienmitglieder und war gleichzeitig auch als Priester für seine Familie anzusehen. Die Frau galt als Hausfrau und Mutter, die gegenüber ihrem Manne eine schlechtere Stellung hatte, aber von den Kindern respektiert und geliebt wurde. Im Judentum war es ausdrücklich verboten Kinder auszusetzen oder zu verkaufen.54

In Griechenland hatte der Terminus „Familie“ eine etwas andere Bedeutung. Eine genaue Übersetzung ins Griechische war nicht möglich. Das Wort oikos, welches für Haus bzw. Hof steht kam, diesem am nächsten.55 In Griechenland waren die Verbindung von Mann und Frau sowie deren Geschlechterrollen zentrale Elemente innerhalb einer Familie. Der Vater musste sich um die Landwirtschaft kümmern und war Herr über alle materiellen Güter, sowie Verwalter der Familie. Er verhielt sich autoritär gegenüber allen Mitgliedern der Familie und hatte auch die Gewalt über diese.56

Der Frau war die Rolle der Untergeordneten zugeschrieben, die von ihrem Mann beherrscht wurde. In den Zuständigkeitsbereich der Frau fielen neben der Kindererziehung und der Pflege der Kranken auch die Vorratshaltung sowie die Textilherstellung.57 Zu den Arbeiten der Frau gehörten außerdem das Waschen, Backen und Kochen für die Familie sowie das Machen des Bettes für den Mann. Hatte die Frau allerdings Sklavinnen mit in die Ehe gebracht, konnte sie einige der Aufgaben - wenn es der Hausherr nicht anders wünschte - an eine von ihnen abgeben.58 Bestimmte Eigenschaften machten eine Frau in Griechenland zu einer „guten“ Frau: Besonnenheit und Einfachheit.59

Zur Familie wurden in Rom alle Personen, die unter der Autorität des Vaters standen, gezählt. Darunter waren neben seiner Ehefrau alle Kinder, deren Familien mit Kindern, alle Sklaven sowie das gesamte Eigentum der Familie mit einbezogen. Dadurch, dass der Hausvater die Kontrolle über alle zugehörigen Personen und den gesamten Besitz hatte, entschied er, wer Teil der Familie wurde oder diese verlassen durfte beziehungsweise musste. Er war rechtlicher Vertreter der Familie und konnte über Strafen für Familienmitglieder und allen Angehörigen entscheiden.60

Die Familie gliederte sich hierarchisch und war geprägt von Autorität, Gehorsam und Zuverlässigkeit. Dies beeinflusste die Beziehungen zwischen den einzelnen Personen innerhalb des Familienverbands.61 Die Kernfamilie lebte verschiedene Werte innerhalb der Beziehungen zueinander: „[d]ie Eintracht [...] zwischen den Eheleuten, Ehrfurcht [...] der Kinder den Eltern gegenüber und Respekt [...] der Eltern gegenüber den Kindern.“62 So hatte die Frau eine autoritäre Rolle, nämlich gegenüber ihren Kindern. Neben ihren Aufgaben als Hausherrin und Mutter kümmerte sie sich um die Textilherstellung und arbeitete in manchen Fällen zudem als Amme. Keuschheit wie auch Treue zu ihrem Mann galten als wichtige Eigenschaften einer römischen Frau.63 Während zur damaligen Zeit der Frau die Rolle der Gebärerin von Nachkommen ihres Mannes zugeschrieben wurde, fingen Frauen im hellenistischen Zeitalter an sich zu emanzipieren und veränderten damit die hierarchischen Positionen innerhalb der Familie.64

2.3.3. Sexualität

Sexualität hatte in der Antike noch keine klare Begrifflichkeit und unterscheidet sich bereits darin schon von der Moderne. Demnach hatten Homosexualität, Bisexualität und Ähnliches noch keinen bedeutenden Stellenwert in der damaligen Zeit. Die Menschen in der Antike benutzten allerdings Wörter, die das sexuelle Begehren beschrieben. Begriffe wie „frei“ und „unfrei“, „aktiv“ und „passiv“, „rein“ und „unrein“, sowie „Scham“ und „Ehre“ waren Wörter, die im Kontext der Sexualität verwendet wurden. In damaliger Sitte besaß der Mann die Aufgabe aktiv im Sexualverkehr zu sein, während sich die Frau passiv und schamvoll verhalten sollte.65 Als eheliche Pflicht wurde es angesehen sich nicht sexuell von seinem Partner beziehungsweise seiner Partnerin zu entziehen, sondern regelmäßig Verkehr zu haben.66 Als Folge der Fortpflanzungspflicht bestand eine Regelung, wie ein Mann, bei jahrelanger Kinderlosigkeit innerhalb der Ehe durch seine Frau, verhalten sollte:

„Heiratet einer eine Frau und lebt zehn Jahre mit ihr zusammen, und gebiert sie in dieser Zeit nicht, ist er nicht berechtigt, sich noch länger von ihr fernzuhalten. Scheidet er sich von ihr, darf sie einen anderen heiraten. Und der zweite ist wiederum berechtig, zehn Jahre mit ihr zusammenzuleben. Und wenn sie eine Fehlgeburt hat, zählt man von dem Zeitpunkt ab, an dem sie die Fehlgeburt hat.“67

Frauen sollten richterlich bestraft werden, wenn sie unzüchtig waren, also wenn sie die Verhaltensregeln während des Sexualaktes missachtete, oder Ehebruch begangen hatten. Männer hatten zudem das Recht ihre Frauen zu töten, sofern sie diese beim Ehebruch erwisch hatte. Wobei wiederum Frauen dieses Recht gegenüber ihren Männern nicht besaßen.68 Als gesellschaftliche Norm wurde es allerdings auch von Männern falsch angesehen, wenn sie ihre Frauen betrogen hatten. Verlangt wurde, dass man sich, wenn man nicht (mehr) zusammen war, sexuell beherrschen sollte.69

Das Sexualverständnis war in der antiken Welt meist örtlich gebunden: Verschiedene Formen des Begehrens wurden unterschiedlichen Gemeinschaften, Sozialverbänden oder Völkern nachgesagt. Daraus schloss man daraus, dass ein ganzes Volk unrein war, sobald sich ein Mitglied nicht so verhalten hatte, wie es die damalige Norm vorschrieb.70 Im antiken Mittelmeerraum war man der Auffassung, „dass das Begehren nicht als rein diesseitiges, anthropogenes Vermögen“71 zu verstehen ist. Dies hatte zur Folge, dass die Menschen davon ausgingen, dass zum Beispiel die Unzucht nicht das Ergebnis eines eigenen Beschlusses war, sondern auch andere göttliche bzw. semigöttliche Wesen das Handeln mitbestimmten.72

Da ab dem Zeitpunkt der Zeitrechnung eine monogame, heterosexuelle Beziehung als die bevorzugte und einzig wahre Verbindung zweier Menschen angesehen wurde, dehnte sich der Begriff der Unzucht beziehungsweise sexuellen Unmoral aus: Während man zuvor unter Unzucht vor allem Prostitution verstand, umfasste sie seither alle sexuellen Verbindungen, die nicht der Norm entsprachen. Hierzu gehörten unter anderem gleichgeschlechtliche Beziehungen, Ehebruch, Mischehen sowie Inzest.73

3. Familienstrukturen in der biblischen Tradition

In der biblischen Tradition werden viele verschiedene Familienstrukturen sichtbar, die abhängig davon sind, welcher Bevölkerungsgruppe die Familie zugehörig ist.

„Wie Partner in biblischer Zeit ihr Verhältnis zueinander konkret gestaltet haben, hing [...] von den jeweiligen Gegebenheiten und Lebensumständen ab. Die biblischen Texte wurden von Menschen geschrieben, die der Oberschicht angehörten und die sicherlich recht aufgeklärt waren. Die Realität in den vielen kleinen Ortschaften auf dem Lande dürfte dagegen eher patriarchal gewesen sein [...].“74

Während die Kindheit weitestgehend nebensächlich ist, gibt es viele Texte, sowohl im Neuen als auch im Alten Testament, die die Beziehungen zwischen Mann und Frau oder Mann und Frauen thematisieren. Im Folgenden wird neben dem Aufwachsen in der griechisch-römischen Antike das familiäre Leben im Verlauf der biblischen Tradition betrachtet.

3.1. Vom Kind zum Erwachsenen

In der griechisch-römischen Antike wurden verschiedene Lebensphasen unterschieden: Während die Kindheit von der Geburt an bis zum Einsetzen der Pubertät dauerte, konnte sich die Lebensphase der Adoleszenz bis zum 30. Lebensjahr erstrecken. Mit der Heirat galt man als vollwertiger Mann beziehungsweise als vollwertige Frau und nicht mehr als Jugendlicher.75 Die folgenden Unterkapiteln geben neben der Differenzierung des griechischen beziehungsweise lateinischen „Kind“-Begriffs, eine Übersicht über die verschiedenen Lebensphasen geben.

3.1.1. Der Begriff „Kind“

In der griechischen und lateinischen Terminologie kommen verschiedene Begrifflichkeiten für die Beschreibung des Lebensabschnittes vor, in dem sich das Kind befindet. Brephos zum Beispiel bezeichnet nicht nur das ungeborene Kind, sondern auch das Kind bis zum ersten Lebensjahr. Paidion ist der Begriff für ein Kind im Alter von einem bis zum siebten Lebensjahr. Bis in die Jugendzeit hinein wird der Terminus pais verwendet, welcher nicht nur die allgemeine Bezeichnung für das „Kind“ und alle Nachkommen ist, sondern vor allem im Blick auf den Vater, der sich einen Erben wünscht, angewendet wird. Im Hinblick auf die Mutter wird das Kind als tekon, also als „Junges“, bezeichnet und damit das Kind in der natürlichen und emotionalen Verbindung zu seiner Mutter umschreibt. Die Zeitspanne von der Geburt bis hin zur Adoleszenz (ungefähr 25. Lebensjahr) wurde mit dem Rechtsbegriff minores betitelt. Diese Zeitspanne wurde bei weiblichen Nachkommen allerdings verkürzt und der Begriff minores wurde nur noch bis zum zwölften beziehungsweise vierzehnten Lebensjahr der Mädchen verwendet. Ein Grund für die Herabsetzung dieser Grenze war, das frühere Einsetzen der Pubertät. Ein anderer, dass Mädchen in einem sehr jungen Alter heirateten und somit schon früher als Jungen eine neue Stellung in der Gesellschaft zugeschrieben bekamen.76

3.1.2. Kindheit und Jugend

Kinder spielten bis zur Einschulung im sechsten beziehungsweise siebten Lebensjahr draußen auf den umliegenden Feldern, in den Straßen sowie auf den Plätzen der Siedlungen und Dörfern. Neben Verstecken und Fangen beschäftigten sich Kinder in der Antike mit Bällen, Puppen aus Ton, Kreiseln, Pfeil und Bogen, Wippen wie auch Steckenpferden. Selbst Tiere wurden in das tägliche Spiel mit einbezogen, indem sie oftmals vor kleine Wagen gespannt wurden.77

Wenn die Kinder und auch die Jugendliche nicht spielten, nahmen sie am alltäglichen Leben der Eltern und anderen Erwachsenen teil. In ländlichen Regionen war die Familie auf die Mithilfe der Kinder in der Werkstatt oder im Haus angewiesen, wodurch bereits Kinder im Alter von 5 Jahren bei der täglichen Arbeit mit einbezogen wurden. Die Mutter bildeten ihre Töchter aus, während der Vater seine Söhne in das Handwerk einlernte.

Jungen Erwachsenen in der Phase der Adoleszenz wurden in der jüdisch-hellenistischen Umwelt erstmals Aufgaben in der christlichen Gemeinde zugeteilt. Sie konnten zudem individuell nicht nur als Vorbild für jüngere Gemeindemitgliedern gelten, sondern waren auch in der Position, ältere Mitglieder zu ermahnen:78

„Niemand soll dich [Timotheus] deiner Jugend wegen gering schätzen. Nein, sei vielmehr ein Vorbild für die Gläubigen in Wort und Lebensführung, in der Liebe, im Glauben und in der Lauterkeit!“ – 1. Timotheus 4,12 Die Kindheit wird im Neuen Testament als Reifeprozess zum Erwachsensein zusammengefasst, innerhalb dessen das unmündige Kind zu einem mündigen Gemeindemitglied heranwächst. Die Sorglosigkeit der Kinder, wie Jesus in Matthäus 18,1-5 hervorhebt, gilt als Bedingung für die Erfüllung des eschatologischen Versprechens des Reiches Gottes auf Erden79:

„Amen, ich sage euch, wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nicht ins Himmelreich hineinkommen. Wer sich also zu den Geringen zählt wie das Kind hier, der ist der Grösste im Himmelreich.“ – Matthäus 18, 3f Im ersten Brief an die Gemeinde in Korinth schreibt Paulus allerdings, dass ein erwachsener Mensch sein kindliches Wesen in der Vergangenheit zurücklassen muss. Ohne das Bewusstsein seiner eigenen Person und seiner Verbindung zur Welt, ist der Mensch nicht in der Lage, sich bewusst für die Gemeinde Christi zu entscheiden und nach der Lehre Jesu Christi zu leben und zu handeln.80

„Als ich ein Kind war, redete ich wie ein Kind, dachte wie ein Kind, überlegte wie ein Kind. Als ich aber erwachsen war, hatte ich das Wesen des Kindes abgelegt.“ 1. Korinther 13,11

3.1.3. Erwachsenenalter

Das Erwachsenenalter wird in der griechisch-römischen Antike selten in den Blick genommen. Diese Lebensphase dient vor allem der Trennung zwischen dem Kindes- und Jugendalter sowie dem hohen Lebensalter. Das griechische Wort akmé, was „Reife“ oder „Höhepunkt“ bedeuten kann81, ist das einzige Wort, das sinngemäß Ähnlichkeit mit dem Erwachsenenbegriff der heutigen Moderne hat. Mit 40 Jahren hatte man in der Antike die Blütezeit, also den Höhepunkt des eigenen Lebens erreicht, wobei Erwachsensein nicht durch das Erreichen eines Lebensjahres definiert wurde, sondern durch das Erreichen körperlich die Vollreife. Das Erwachsenenalter war mit politischer Tätigkeit verbunden. Dies bedeutete, dass man als erwachsen galt, solange man sich politisch engagierte. Dieses Engagement konnte frühestens mit 25 Jahren ausgeübt werden und endete normalerweise mit 60 Jahren. Das Leben von Menschen mittleren Alters wurde von der Zugehörigkeit zu sozialen Schichten und Gruppierungen, durch den gesellschaftlichen wie auch rechtlichen Status sowie der Rolle innerhalb der Familie und in der Gemeinde geprägt.82 Diese Faktoren, wie auch alltägliche Tätigkeiten, bestimmten die Zugehörigkeit der Lebensphase.83

Auch neutestamentlich gesehen wird wenig Augenmerk auf das Erwachsenenalter gelegt, da das Erwachsensein als Normalzustand galt und deshalb wenig darüber geschrieben werden musste. Erwachsene werden lediglich bei Aufzählungen verschiedener Personen aus unterschiedlichen Altersstufen genannt oder um den Unterschied zu Kindern zu verdeutlichen. So hebt auch Paulus in 1. Korinther 14,20 hervor, dass zwar der naive Glauben eines Kindes etwas Gutes ist, aber die Weisheit, die man als erwachsener Mensch hat, sehr wichtig ist.84

„Liebe Brüder und Schwestern, seid nicht Kinder, wo es um Einsicht geht. Seid unbedarft, wo es um Bosheit geht, in der Einsicht aber seid vollkommen!“ – 1. Korinther 14,20

3.2. Familiäres Leben

Das familiäre Leben wurde geprägt von Traditionen und Verpflichtungen. Die Familie war in der biblischen Tradition eine „geschlechtliche, wirtschaftliche und gesellschaftliche Verbindung zwischen Mann und Frau [, die] eine anthropologische Konstante darstellte“.85 Horst Seebass erweitert diese Gemeinschaft in seinem Werk „ Genesis 1 – Urgeschichte “ von 2009. Seiner Ansicht nach geht es bei einer Heirat nicht nur um die familiären, wirtschaftlichen und sozialen Faktoren, sondern auch um eine geistliche Einheit, die die Ehe nicht als Institution, sondern als allumfassendste persönliche Gemeinschaft zwischen zwei Menschen sieht.86 Die Familie zeigte sich somit eine weitreichende Einheit, in der alle Beteiligten in ihrem alltäglichen Leben eine wichtige Rolle spielen.

„Von den Eltern werden Pflege, Ernährung, Sorge um die Gesundheit [...] und Erziehung [...] der Kinder erwartet sowie das Bemühen um deren Bildung [...] und Verehelichung [...]; die Nachkommen haben für den Unterhalt der alten Eltern und deren Bestattung zu sorgen.“87

In den folgenden Kapiteln werden verschiedene Themen beleuchtet, die maßgeblich für das familiäre Leben sind. Bereiche wie Hochzeit, Ehe und eheliche Pflichten, sowie die Sexualität in mehreren Facetten werden in Bezug auf die Umwelt der Bibel genauer betrachtet. Sowohl alttestamentliche als auch neutestamentliche Texte werden dabei hinzugezogen.

3.2.1. Hochzeit, Ehe und Scheidung

„Die Ehe war im alten Israel eine rein zivile Angelegenheit und [...] galt als vollzogen, wenn sich der Bräutigam mit dem Brautvater über den Brautpreis einig geworden war, dieser beglichen oder abgeleistet war, die Braut in das Haus ihres Mannes zog und der Beischlaf das erste Mal vollzogen wurde.“88

Eine Hochzeit dauerte in der biblischen Tradition meistens sieben und in manchen Fällen sogar vierzehn Tage an. Diese mehrtägige Feier startete mit einem großen Festmahl im Hause der Brauteltern. Die Braut wie auch der Bräutigam trugen Schmuck und ihre besten Kleider. „[...] wie der Bräutigam nach Priesterart den Kopfschmuck trägt und wie die Braut sich schmückt mit ihrem Geschmeide.“ – Jesaja 61, 10b

Am ersten Abend der Hochzeitsfeier war es üblich, dass das Brautpaar die Ehe vollzog, indem sie miteinander Geschlechtsverkehr hatten. Als Zeichen dafür und um zu beweisen, dass die Ehefrau vor der Hochzeit Jungfrau gewesen war, bewahrte man den blutverschmierten Bettbezug der ersten gemeinsamen Nacht auf.89

In der neutestamentlichen Zeit galt die Ehe als eine soziale Institution mit hierarchischen Ordnungen innerhalb der Familie. So musste sich die Frau, wie in mehreren Bibelstellen gefordert (Kolosser 3,18, Epheser 5,22, ...), dem Manne unterordnen. Allerdings hatte die Frau eine hohe Stellung und viele Aufgaben innerhalb der Familie, während der Familienvater nach außen wirkte. Nur zusammen konnten sie ihre Existenz sichern woraufhin sie in der damaligen Gesellschaft aufeinander angewiesen waren.90 Schon in Genesis 2 schaffte Gott dem Manne ein Gegenüber, da er den Menschen nicht als Einzelgänger schaffte, sondern ihn auf Gemeinschaft hin ausrichtete.

„Und der HERR, Gott, sprach: Es ist nicht gut, dass der Mensch allein ist. Ich will ihm eine Hilfe machen, ihm gemäss. [...] Und der HERR, Gott, machte aus der Rippe, die er vom Menschen genommen hatte, eine Frau und führte sie dem Menschen zu. [...] Diese soll Frau heissen, denn vom Mann ist sie genommen. Darum verlässt ein Mann seinen Vater und seine Mutter und hängt an seiner Frau, und sie werden ein Fleisch.“ – Genesis 2, 18+22-24

Im Fokus des Neuen Testament waren nicht die ökonomischen oder juristischen Funktionen einer Ehe. Auch Aspekte wie Zeugung von Nachkommen oder Leidenschaft wurden eher selten thematisiert. Vielmehr wurde der Blick auf Christus und seine Wirklichkeit gerichtet. Das hatte zur Folge, dass in Bezug auf die Ehe, immer die Liebe Christi zur Kirche als Grundlage (Vgl. Epheser 5, 22ff) angesehen wurde und das gemeinsame Leben der Ehepartner und der eheliche Verkehr mit und „im Herrn“ stattfindet (1. Korinther 6,13bff).91

„Ihr Frauen, ordnet euch euren Männern unter wie unserem Herrn, denn der Mann ist das Haupt der Frau, wie auch Christus das Haupt der Kirche ist, er, der Retter des Leibes. Also: Wie die Kirche sich Christus unterordnet, so sollen sich die Frauen in allem den Männern unterordnen. Ihr Männer, liebt eure Frauen, wie auch Christus die Kirche geliebt und sich für sie hingegeben hat.“ – Epheser 5, 22-25 „[...] Der Leib aber ist nicht für die Unzucht da, sondern für den Herrn, und der Herr für den Leib. [...] Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder des Christus sind? [...] Denn, so heißt es, die zwei werden ein Fleisch sein. Wer aber dem Herrn anhängt, ist ein Geist mit ihm. [...] Oder wisst ihr nicht, dass euer Leib ein Tempel des Heiligen Geistes ist, der in euch wirkt und den ihr von Gott habt, und dass ihr nicht euch selbst gehört? Ihr seid teuer erkauft. Verherrlicht also Gott mit eurem Leib!“ – Auszüge aus 1. Korinther 6,13-20

Dieses Verständnis, dass Christus Grundlage einer Ehe ist, gründete sich auf die Schöpfungsordnung, in der der Mann und die Frau füreinander geschaffen sind, die Jesus in Markus 10,6-9 verdeutlicht, indem er Stellen aus dem Alten Testament rezitiert und darauf genauer eingeht.92

„Doch vom Anfang der Schöpfung an hat er sie als Mann und Frau geschaffen. Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und die beiden werden ein Fleisch sein. Also sind sie nicht mehr zwei, sondern sie sind ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden.“ – Markus 10,6-9

Da für ihn der Schöpfungswille Gottes im Vordergrund einer Ehe stand, verstand er die Trennung eines Paares als Auflehnung gegen Gott. Der Grund, weshalb es rechtlich überhaupt die Möglichkeit gab sich scheiden zu lassen, begründete Jesus damit, dass dies eine Antwort auf die Hartherzigkeit der damaligen Menschen war.93

Jesus hebt dabei die Ehe als eine vollkommene Einheit zwischen den Partnern hervor, die sogar stärker ist als die Bildung zum Elternhaus. Dies ist auch der Grund, weshalb Jesus eine Scheidung der Ehepartner ablehnt.94 Als die Pharisäer Jesus fragten, ob man eine Frau verlassen dürfte, die etwas „Schändliches“ getan hätte, antwortete er:

„Was nun Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden. [...] Mose hat euch angesichts eurer Hartherzigkeit erlaubt, eure Frauen zu entlassen; doch ursprünglich ist es nicht so gewesen. Ich sage euch aber: Wer seine Frau entlässt - außer wegen Unzucht - und eine andere heiratet, der begeht Ehebruch.“ – Matthäus 19,3-7 Die Pharisäer bezogen sich mit ihrer Frage auf die Bibelstelle im fünften Buch Mose, bei der es als legitim galt sich von seiner Frau zu trennen, wenn man etwas Schändliches an ihr gefunden hatte (Vgl. 5. Mose 24,1-5). Manche Personen deuteten Dinge, wie das Anbrennen eines Essens, als etwas „Schändliches“ und sahen dies als Grund zur Scheidung. Andere wiederum sagten, dass es für einen Mann legitim sei sich scheiden zu lassen, wenn er eine schönere Frau sehen würde.95 Da es spezielle Rechtsgrundlagen für den Ehebruch gab96, zählte dieser mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht zu anstößigen Verhaltensweisen, für welches ein Mann sich von seiner Frau hätte scheiden lassen können. Allgemein betrachtet war oftmals der Hauptgrund für eine Scheidung der, dass die Frau ihre Pflichten im Haushalt nicht genügend nachgekommen ist. Demnach war die Frau der alleinige Grund für das Initiieren einer Scheidung durch den Mann. Nicht nur die Vernachlässigung ihrer Aufgaben im Haushalt, sondern auch selbstständige Geschäfte außerhalb des Hauses waren in der damaligen Zeit Gründe für eine Scheidung.97 An einer anderen Stelle wird deutlich, dass Jesus im Allgemeinen gegen die Scheidung eines Ehepaares:

„Jeder, der seine Frau entlässt und eine andere heiratet, bricht die Ehe. Auch wer eine heiratet, die von ihrem Mann entlassen worden ist, bricht die Ehe.“ – Lukas 16,18 Bereits in der Antike gab es Eheverträge, die regelten, welchem der Ehepartner welches Eigentum gehörte, da die Ehefrau oftmals eigenes Vermögen und andere materielle Güter mit in die Ehe brachte. Diese Verträge waren allerdings nur in besonderen Fällen üblich; nämlich dann, wenn die Frau mehr Besitztümer mit in die Ehe brachte, als der Mann für seine Frau an deren Eltern gezahlt hatte. Um bei einer Scheidung wieder Anspruch auf ihren gesamten Besitz und somit eine finanziell gesicherte Grundlage als geschiedene Frau zu haben, wurden in einem Ehevertrag genau festgehalten, was die Frau mit in die Ehe brachte. Darunter zählten neben Geld auch Schmuck, Kleidung und alle haushaltsbezogenen Güter.98 Sobald ein Mann seiner Frau einen Scheidebrief ausgestellt hatte, galt die Scheidung als rechtsgültig. Die Trennung eines Ehepaares wurde nicht in der Öffentlichkeit ausgebreitet, sondern war eine private Handlung, die allerdings ausschließlich vom Mann ausgehen konnte. Eine solche Scheidung war durchaus eine teure Angelegenheit für den Ehemann, denn er musste allen Besitz, den die Frau mit in die Ehe gebracht hatte, der aber mittlerweile gemeinsames Eigentum war, auszahlen. Oftmals wurde deshalb eine vierteilige Rate für diese Auszahlung, die für die Frau zwingend erforderlich war, um ein Grundkapital für ihr neues, geschiedenes Leben zu haben, veranlasst.99

Auch Paulus bezieht sich auf Jesus, wenn er über die Ehe spricht. Für ihn liegt das Hauptaugenmerk auf dem Streben nach dem gemeinsamen Heil, auf der Prävention von Unzucht und der leiblichen Partnerschaft. Daraus folgert er, dass gegenseitige Enthaltsamkeit nur zeitlich begrenzt sein soll:100

„Wegen der Versuchungen zur Unzucht soll jeder Mann seine Frau und jede Frau ihren Mann haben. [...] Entzieht euch einander nicht, es sei denn in gegenseitigem Einverständnis für eine bestimmte Zeit, um euch dem Gebet zu widmen; dann sollt ihr wieder zusammenkommen, damit der Satan euch nicht versuche, weil ihr dem Begehren nicht widerstehen könnt.“ – 1. Korinther 7,2+5 Im Neuen Testament veränderte sich die Sicht auf die Ehe signifikant. Das Zeugen von Kindern stand nicht mehr im Mittelpunkt einer Ehe, denn das Familienverständnis weitete sich von der natürlichen Familie zur familia dei101 aus. Auch der Blick auf die Ehelosigkeit wendete sich. Sie galt fortan nicht mehr als Sünde, sondern als ein besonderer Ruf Gottes. Jesus selbst betont, dass die Ehelosigkeit ein Resultat davon sein kann, dass der ehelose Mensch in einem besonderen Maße von Gottes Reich ergriffen ist.102

„Da sagten die Jünger zu Jesus: »Wenn es zwischen Mann und Frau so steht, ist es besser, gar nicht zu heiraten!« Er erwiderte: »Das ist etwas, was nicht alle begreifen können, sondern nur die, denen es ´von Gott` gegeben ist. Manche sind nämlich von Geburt an zur Ehe unfähig, manche werden durch den Eingriff von Menschen dazu unfähig gemacht, und manche verzichten von sich aus auf die Ehe, um ganz für das Himmelreich da zu sein. Wer es begreifen kann, der möge es begreifen!«“ - Matthäus 19,10-12 (Neue Genfer Übersetzung, 2011)

Paulus interpretiert die Ehelosigkeit als eine Gnadengabe Gottes, die sich vor allem dadurch äußert, dass die Unverheirateten sich hierdurch intensiv auf den Dienst für andere konzentrieren können.103 „[...] Der Unverheiratete kümmert sich um die Dinge des Herrn, er sorgt sich, wie er dem Herrn gefalle. [...] Und die unverheiratete Frau, ob alt oder jung, kümmert sich um die Dinge des Herrn, um heilig zu sein an Körper und Geist. [...]“ – 1. Korinther 7,32+34)

3.2.2. Eheliche Pflicht

„Und Gott segnete sie, und Gott sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehrt euch und füllt die Erde und macht sie untertan [...].“ – Genesis 1,28a „Darum verlässt ein Mann seinen Vater und seine Mutter und hängt an seiner Frau, und sie werden ein Fleisch.“ – Genesis 2,24 Gott befiehlt Adam und Eva im Paradies die Erde mit Nachkommen zu füllen. Diese Aufgabe wird somit in der biblischen Tradition als eheliche Pflicht verstanden. Auch Paulus spricht diese Pflicht in seinen Briefen an die verschiedenen Gemeinden mehrmals an. Er zitiert zum Beispiel Gottes Auftrag der Fortpflanzung an den Menschen aus Genesis 1 in seinem Brief an die Gemeinde in Ephesus (Vgl. Epheser 5,31). In seinem ersten Brief an die Gemeinde in Korinth führt er die eheliche Pflicht von Frau und Mann genauer aus:

„Wegen der Versuchungen zur Unzucht soll jeder Mann seine Frau und jede Frau ihren Mann haben. Der Frau gegenüber erfülle der Mann seine Pflicht, ebenso die Frau dem Mann gegenüber. [...] Entzieht euch einander nicht, es sei denn in gegenseitigem Einverständnis für eine bestimmte Zeit, um euch dem Gebet zu widmen; dann sollt ihr wieder zusammenkommen, damit der Satan euch nicht versuche, weil ihr dem Begehren nicht widerstehen könnt.“ – 1. Korinther 7,2-3+5 Hinzu kommt die Aufforderung an die Menschen bereits im ersten Kapitel der Heiligen Schrift, die deutlich macht, dass eines der übergeordneten Aufgaben des Menschen ist, Nachfahren zu zeugen. Der Satz „Seid fruchtbar und mehret euch“ (Genesis 1,22) impliziert Gottes Willen für die Menschen und stellt damit ein grundlegendes Argument für eine Eheschließung und das Zeugen von Kindern dar.104 In den folgenden Unterkapiteln werden sowohl das alttestamentliche, als auch das neutestamentliche Verständnis dieser von Gott gegebenen Aufgabe beleuchtet. Außerdem wird einen Überblick über die Themen Zeugung, Schwangerschaft, Geburt und Sexualität in der biblischen Tradition gegeben. Vor allem Klaus Scherberichs Werk von 2005 „Neues Testament und Antike Kultur“ sowie Wolfgang Zwickels Veröffentlichung „Frauenalltag im biblischen Israel“ dienen hierzu als Grundlagenliteratur.

3.2.2.1. Gesetzlichkeiten im Alten Testament

Im älteren der beiden Schöpfungsberichte, dessen Aufzeichnung auf das 9. oder 10. Jahrhundert vor Christus datiert ist, steht die Gleichheit von Mann und Frau im Vordergrund.105 Die Frau wird ganz deutlich von dem Besitz des Mannes, worunter zum Beispiel auch Tiere zählten, abgetrennt und wird als ihm gleichwertige Person angesehen.106 Auch der jüngeren Schöpfungsbericht, der auf die Zeit des babylonischen Exils (um 590-540 vor Christus) zurückzuführen ist, beschreibt den Mann und die Frau als eine Art Gattung, deren Geschlechter weder differenziert noch dem einen oder anderen Geschlecht über- beziehungsweise untergeordnet wird.107

Im Gegensatz zu der Gleichstellung zwischen Mann und Frau aus den Schöpfungsberichten wird die Frau in Exodus 20-21 vielmehr als Besitz des Mannes artikuliert. Das letzte der zehn Gebote besagt, dass man nicht die Frau oder jeglichen anderen Besitz seines Nächsten begehren soll (Exodus 20,17) und impliziert damit, dass auch die Frau unter den Besitz des Mannes zu zählen ist.108

Diese Betrachtung, dass die Frau dem Manne untergeordnet ist, findet sich auch in derjenigen Interpretation des Sündenfalles wieder, in der der Frau die alleinige Schuld zugeschrieben wird. Dabei wird in Genesis 3,6 deutlich, dass auch der Mann freiwillig von der Frucht des Baumes gegessen hatte.109 Somit wurden sowohl der Mann als auch die Frau gleichermaßen von Gott bestraft, indem beide aus dem Paradies vertrieben und ihnen schwere Lasten in ihrem alltäglichen Leben auferlegt wurden.110 Wolfgang Zwickel verdeutlicht, dass nicht Gott, sondern der Mensch die Ungleichheit zwischen Mann und Frau implementierte hat und fasst dies wie folgt zusammen:

„Die täglich erfahrbare Realität der Unterordnung der Frau unter die Männer ist [...] Folge des menschlichen Fehlverhaltens – und damit den Menschen und nicht Gott zuzuschreiben. [...] [So] entspricht das erlebbare Verhältnis von Mann und Frau nicht dem eigentlichen Willen Gottes, der beide Geschlechter gleichwertig gedacht hat; es liegt an der Schuld des Menschen, dass sie sich paradiesische Verhältnisse verspielt haben“111

Im weiteren Verlauf des Alten Testaments ist von der Rechtsprechung für Frauen wenig die Rede.112 Erst das Deuteronomische Gesetzbuch (5. Mose 12-26), welches ungefähr im 7. Jahrhundert vor Christus verfasst wurde und auch als „humane und familienorientierte Gesetzgebung“113 bezeichnet wird, thematisiert Familiengesetze und das daraus resultierende Verhalten in verschiedenen Situationen. In 5. Mose 21,15-17 wird zum Beispiel das rechtliche Vorgehen bei einer Liebe zwischen einem Mann und einer gefangengenommenen Frau aufgezeigt. Im selben Kapitel in den Versen 15-17 wird verdeutlicht, wie ein Mann sein Erbe verteilen soll, wenn er mehr als eine Frau hatte: Dem erstgeborenen Sohn steht der größte Teil des Erbes zu, unabhängig davon, ob dieser von der Hauptfrau oder einer Nebenfrau stammte.114

Ein anderes Thema in diesem Gesetzbuch befasste sich mit der Jungfräulichkeit einer Frau. Zur damaligen Zeit gab es Männer, die zu Unrecht behaupteten, ihre Frau sei vor der Hochzeit keine Jungfrau mehr gewesen. In einem solchen Falle sollten laut 5. Mose 22,13-21 die Eltern der Braut den in ihrem Besitz befindlichen, mit Blut befleckten Bettbezug der Hochzeitsnacht als Beweis, dass ihre Tochter vor der Eheschließung noch eine Jungfrau war, vor die Ältesten der Gemeinde oder des Ortes bringen.115

In den folgenden Kapiteln dieser Arbeit werden Themen wie Ehebruch, Beziehungen vor der Ehe, Vergewaltigung und auch Scheidung angesprochen. Auch eine Regelung darüber, dass ein Mann nach seiner Hochzeit nicht direkt in den Krieg ziehen musste, ist hier zu finden. Bis zu einem Jahr nach der Eheschließung hatte er Zeit, um sich um seine Frau, sein Eigentum und um die Familienvorsorge zu kümmern. Dies spielte auch für die Frau eine wichtige Rolle, denn somit war sie, wenn ihr Mann im Krieg sterben sollte, finanziell abgesichert. Zur weiteren Familiensicherung hatte er durch diese Regelung Zeit einen Sohn und somit einen Erben zu zeugen, der sich um die Familie und deren Eigentum kümmern konnte.116

3.2.2.2. Zeugung, Schwangerschaft und Geburt

Sexualverkehr vor der Ehe galt auch in der Antike als etwas Sündhaftes. Somit war es „[i]n der altorientalischen Gesellschaft [...] von zentraler Bedeutung, dass die Frau vor ihrer Eheschließung eine Jungfrau war.“117 Selbst, wenn eine Frau gegen ihren Willen zu Geschlechtsverkehr gezwungen und vergewaltigt wurde, verlor sie für immer ihre Ehre. Der einzige Ausweg für die ehrlose Frau war es ihren Vergewaltiger zu heiraten.118

„Wenn jemand eine Jungfrau, die nicht verlobt ist, verführt und mit ihr schläft, soll er das Brautgeld für sie entrichten und sie zur Frau nehmen. Weigert sich ihr Vater, sie ihm zu geben, soll er Geld bezahlen in der Höhe des Brautgeldes für Jungfrauen.“ – 2. Mose 22,15f Bei der Zeugung eines Kindes ging man in der Antike davon aus, dass der Uterus der Frau mit Blut gefüllt war, welches vom Samen des Mannes zum Gerinnen gebracht wurde. Aus dieser Gerinnung entwickelten sich dann das Kind mit allen Gliedmaßen und Organen.119

„Bedenke, aus Lehm hast du mich geschaffen, und zu Staub lässt du mich wieder werden. Hast du mich nicht hingegossen wie Milch und wie Käse mich gerinnen lassen? Mit Haut und Fleisch hast du mich umkleidet und mit Knochen und Sehnen mich durchflochten.“ – Hiob 10,9-11 Die Unfruchtbarkeit einer Frau begründete sich darin, dass Gott eine Empfängnis unterbunden hatte oder weil das Ehepaar bereits zu alt war, um noch Kinder zu zeugen. War ein Paar kinderlos, so waren sie als schandhaft angesehen, denn Kinderlosigkeit zählte in manchen Regionen als Sünde.120

„Und sie hatten kein Kind, denn Elisabet war unfruchtbar, und beide waren schon betagt. [...] Nach diesen Tagen aber wurde Elisabet [...] schwanger [...] und sagte: Dies hat der Herr an mir getan in den Tagen, als er darauf bedacht war, meine Schmach unter den Menschen von mir zu nehmen.“ – Lukas 1, 6,24-25 Das Zeugen von Nachkommen war außerdem aus einem anderen Grund außerordentlich wichtig: als Sicherung der Familie. Zur damaligen Zeit gab es noch kein geregeltes Gesundheits- oder Sozialsystem und Kranken- und Rentenversicherung waren noch nicht etabliert. So mussten bei Krankheit oder Arbeitsunfähigkeit der Eltern die Kinder für den Erhalt der Familie sorgen.121

Ob ein Mann oder eine Frau Kinder zeugen konnte, wurde von Gott bestimmt und galt deshalb als ein Zeichen für den Segen Gottes. Er ermöglichte den Eheleuten folglich durch seinen Geist, Kinder zu bekommen. Dieses Verständnis umfasste, dass der Heilige Geist von Beginn an im Fötus, welcher im Mutterleib heranwächst, ist und die Anwesenheit Gottes durch seinen Geist sich in den Bewegungen des Kindes, die die Mutter verspürt, zeigt.122

„Gesegnet wirst du sein, mehr als alle anderen Völker. Niemand bei dir wird unfruchtbar sein, kein Mann und keine Frau und keines deiner Tiere.“ – 5. Mose 7,14 „Und es geschah, als Elisabet den Gruss Marias vernahm, dass das Kind in ihrem Leib hüpfte; und Elisabet wurde von heiligem Geist erfüllt“ – Lukas 1,41 Zusammengefasst lag der Ursprung eines jeden Menschen in der Hand Gottes, der sich jeden einzelnen Menschen, bereits vor dessen Zeugung, vorgestellt und dessen Leben er geplant hatte.123

„Mein Gebein war dir nicht verborgen, als ich im Dunkeln gemacht wurde, kunstvoll gewirkt in den Tiefen der Erde. Noch bevor ich geboren war, sahen mich deine Augen, in deinem Buch war alles verzeichnet, die Tage waren schon geformt, als noch keiner von ihnen da war.“ – Psalm 139, 15-16 Die Geburt eines Kind wird in der Antike nur wenig thematisiert. Einigen Quellen zufolge brachten Frauen ihre Kinder in einer knienden Haltung zur Welt. In Exodus 1,19 wird beschrieben, dass Frauen „gebären wie Tiere“. In mehreren Fällen wird im 1. Buch Mose außerdem beschrieben, dass Mägde auf den Knien ihrer Herrinnen gebaren, da diese Leibeigenen stellvertretend für ihre Gebieterin Kinder ausgetragen hatten. Diese Handlung wurde nicht als Adoption angesehen, sondern als eine reale Geburt des Nachkommens der Herrin.124 Eine aus dem Jahre 500-600 vor Christus stammende Tonfigur (Abbildung unten) zeigt eine „gebärende Frau [...] auf dem Schoß einer knienden Frau, die die Hochschwangere am Bauch umklammert. Vor diesen beiden Frauen sitzt eine weitere Frau, die eigentliche Hebamme [...], die bei der Geburt hilft.“125 Geburtshelferinnen waren zur damaligen Zeit nicht immer ausgebildete Hebammen, sondern oftmals nur geübte und betagtere Nachbarinnen.126

„Und [...] der HERR liess sie schwanger werden, und sie gebar einen Sohn. Und die Frauen sprachen zu Noomi: [...] deine Schwiegertochter, die dich liebt, hat ihn geboren, [...] Und Noomi nahm das Kind und hob es auf ihren Schoss und wurde seine Pflegemutter. Und die Nachbarinnen gaben ihm einen Namen und sagten: Der Noomi wurde ein Sohn geboren.“ – Rut 4,13-17 Bei einer Geburt war neben der gebärenden Frau und der Hebamme(n) meistens mindestens eine weitere Person dabei, in manchen, eher seltenen Fällen war dies der Vater des Kindes. Diese Person stützte die werdende Mutter während der Entbindung. Bei der Geburt eines Kindes durch eine Ersatzgebärerin war diese stützende Kraft die Herrin, auf deren Schoß das Kind zur Welt kam.127

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Tonfigur einer gebärenden Frau aus Zypern (Zwickel, 2005 (S. 145))

Schon im ersten Buch der Bibel ist der Grundstein für eine schmerzhafte Geburt zu finden. Die Schmerzen sind die Folge des Sündenfalles.

„Zur Frau sprach er: Ich mache dir viel Beschwerden und lasse deine Schwangerschaften zahlreich sein, mit Schmerzen wirst du Kinder gebären.“ – 1. Mose 3,16 Zur damaligen Zeit waren die Schmerzen allerdings nicht das schlimmste Übel. Eine Geburt war damals sowohl für das Kind als auch für die Mutter immer ein lebensgefährliches Ereignis, da die Erstversorgung der Kinder mit den damaligen Mitteln nicht optimal war. Nur etwa die Hälfte der Neugeborenen überlebte das erste Lebensjahr und auch Mütter starben häufig an übermäßigem Blutverlust während der Geburt.128

[...]


1 Mazenik, 2016 (S. 150) - Der Autor bezieht sich auf mehrere Publikationen, die in dieser Arbeit in Absprrache mit dem Betreuer nicht nachgewiesen werden.

2 Zwickel, 2005 (S. 35)

3 Vgl. Knauf, 1994 (S. 30)

4 Vgl. ebd. (S. 34)

5 Vgl. ebd. (S. 30)

6 Vgl. ebd. (S. 34)

7 Vgl. Knauf, 1994 (S. 30f)

8 Vgl. ebd. (S. 35)

9 Vgl. ebd. (S. 36f)

10 Vgl. ebd. (S. 60)

11 Vgl. Köhlmoos, 2011 (S. 66f)

12 Vgl. ebd. (S. 67)

13 Vgl. Mazenik, 2016 (S. 153) – Der Autor bezieht sich auf mehrere Publikationen, die in dieser Arbeit in Absprrache mit dem Betreuer nicht nachgewiesen werden.

14 Auf das „Haus“ wird in Kapitel 2.2.1. Das „Haus“ genauer eingegangen

15 Auf Sklaven als Teil des Hauses wird in Kapitel 2.2.3. Sklaverei genauer eingegangen

16 Vgl. Mazenik, 2016 (S. 154)

17 Vgl. Schröter & Zangenberg, 2013 (S. 171)

18 Eine „Frau, die ein fremdes Kind [mit ihrem eigenen zusammen] stillt und betreut“ (Amme, o.D.)

19 Vgl. Schröter & Zangenberg, 2013 (S. 176)

20 Vgl. ebd. (S. 171)

21 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 24)

22 Vgl. Oikos, o.D.

23 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 9)

24 Vgl. ebd. (S. 17)

25 Vgl. Rödder & Elz, 2008 (S. 70f)

26 Vgl. Mazenik, 2016 (S. 152)

27 Scherberich, 2005 (S. 16)

28 Vgl. ebd. (S. 16)

29 Ebd. (S. 95)

30 Vgl. Sklave, o.D.

31 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 43)

32 Vgl. Fischer, 1994 (S. 91)

33 Vgl. Schröter & Zangenberg, 2013 (S. 133)

34 Zwickel, 2005 (S. 41)

35 Vgl. ebd. (S. 42f)

36 Vgl. Fischer, 1994 (S. 97)

37 Laubi, 1990 (S.22)

38 Vgl. Fischer, 1994 (S. 100)

39 Zwickel, 2005 (S. 43)

40 Vgl. Schröter & Zangenberg, 2013 (S. 171)

41 Scherberich, 2005 (S. 95)

42 Vgl. ebd. (S. 96)

43 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 98)

44 Hierbei wird vor allem Bezug auf die Seiten 17-27 der Veröffentlichung von Klaus Scherberich genommen. Ergänzt werden diese durch Anmerkungen von Jens Schröters und Jürgen Zangenbergs Publikation Texte zur Umwelt des Neuen Testaments von 2013.

45 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 25)

46 Vgl. ebd. (S. 26)

47 Vgl. ebd. (S. 26)

48 Vgl. ebd. (S. 25)

49 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 26)

50 Vgl. ebd. (S. 27)

51 „(im römischen Recht) Fähigkeit bestimmter Personen, miteinander eine gültige Ehe einzugehen (z.B. bei Gleichheit des Standes)“ (Conubium, o.D.)

52 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 27)

53 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 27f)

54 Vgl. ebd. (S. 17)

55 Auf das „Haus“ wurde in Kapitel 2.2.1. Das „Haus“ genauer eingegangen

56 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 17)

57 Vgl. ebd. (S. 17f)

58 Vgl. Schröter & Zangenberg, 2013 (S. 648)

59 Vgl. ebd. (S. 179)

60 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 18)

61 Vgl. ebd. (S. 18)

62 Ebd. (S. 18)

63 Vgl. Schröter & Zangenberg, 2013 (S. 179)

64 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 18f))

65 Vgl. ebd. (S. 21)

66 Vgl. Schröter & Zangenberg, 2013 (S. 647)

67 Vgl. Schröter & Zangenberg, 2013 (S. 647)

68 Vgl. ebd. (S. 183f)

69 Vgl. ebd. (S. 179)

70 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 22)

71 Ebd. (S. 22)

72 Vgl. ebd. (S. 22)

73 Vgl. ebd. (S. 22)

74 Zwickel, 2005 (S. 34)

75 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 52f)

76 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 53)

77 Vgl. ebd. (S. 55f)

78 Vgl. ebd. (S. 56)

79 Vgl. ebd. (S. 57)

80 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 57)

81 Vgl. Akme, o.D.

82 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 57f)

83 Siehe dazu auch 3.1.2. Kindheit und Jugend

84 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 58f)

85 Scherberich, 2005 (S. 25)

86 Vgl. Seebass, 2009 (S. 119)

87 Scherberich, 2005 (S. 56)

88 Zwickel, 2005 (S. 51)

89 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 51)

90 Vgl. ebd. (S. 26)

91 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 28)

92 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 28)

93 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 59)

94 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 28)

95 Vgl. Schröter & Zangenberg, 2013 (S. 648)

96 „Wenn ein Mann dabei ertappt wird, dass er mit einer verheirateten Frau schläft, dann sollen beide sterben, der Mann, der mit der Frau geschlafen hat, und die Frau.“ – 5. Mose 22,22

97 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 58f)

98 Vgl. ebd. (S. 52)

99 Vgl. ebd. (S. 60f)

100 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 28)

101 Die göttliche Familie, in die alle, die an Gott glauben, aufgenommen werden (Vgl. Zimmermann, 2010)

102 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 28f)

103 Vgl. ebd. (S. 29)

104 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 25)

105Da sprach der Mensch: Diese endlich ist Gebein von meinem Gebein und Fleisch von meinem Fleisch. Diese soll Frau heissen, denn vom Mann ist sie genommen.“ – Genesis 2,23

106 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 31f)

107 Vgl. ebd. (S. 34)

108 Vgl. ebd. (S. 31)

109 „Da sah die Frau, dass es gut wäre, von dem Baum zu essen, [...] und sie nahm von seiner Frucht und ass. Und sie gab auch ihrem Mann, der mit ihr war, und er ass.“ – Genesis 3,6

110 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 33)

111 Ebd. (S. 33)

112 Vgl. ebd. (S. 27)

113 Ebd. (S. 29)

114 Vgl. ebd. (S. 28)

115 Vgl. ebd. (S. 28)

116 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 28f)

117 Ebd. (S. 26)

118 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 26)

119 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 54)

120 Vgl. ebd. (S. 54)

121 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 25)

122 Vgl. Scherberich, 2005 (S. 54)

123 Vgl. ebd. (S. 54)

124 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 56)

125 Ebd. (S. 56)

126 Vgl. ebd. (S. 56)

127 Vgl. Zwickel, 2005 (S. 56)

128 Vgl. ebd. (S. 57)

Final del extracto de 101 páginas

Detalles

Título
Familie im Wandel der Zeit. Von der biblischen Tradition zur westlichen Moderne
Subtítulo
Eine exegetische und ethische Untersuchung mit religionspädagogischen Aspekten
Universidad
Karlsruhe University of Education  (Evangelische Theologie)
Curso
Zulassungsarbeit / Wissenschaftliche Hausarbeit zum Lehramt für die Sekundarstufe 1
Calificación
1,0
Autor
Año
2020
Páginas
101
No. de catálogo
V925362
ISBN (Ebook)
9783346251299
ISBN (Libro)
9783346251305
Idioma
Alemán
Notas
Gutachten: "Die Darstellung der einzelnen Geschichtsräume ist sachhaltig, anschaulich und reflektiert. Besonders differenziert ist naturgemäß die „westliche Moderne“. Hier wird die zunehmend pluralistische und traditionsauflösende Situation in der allgemeinen Gesellschaft geschildert und dann anhand der EKD-Papiere einerseits und den Äußerungen des amtierenden Papstes andererseits zwei christlich-konfessionelle, normative Bilder von Ehe, Familie und Sexualität vorgestellt."
Palabras clave
Familie, Wandel, Papst, Zeit, Sklave, Sex, Hochzeit, Ehe, Kind, Jugend, Scheidung, Altes Testament, Neues Testament, Geschichte, Mittelalter, Neuzeit, Moderne, Gegenwart, Nachkriegszeit, Familienreport, Politik, Evangelisch, Kirche, EKD, Homosexualität, Gender, Bildungsplan, Unterricht
Citar trabajo
Mandy Mary (Autor), 2020, Familie im Wandel der Zeit. Von der biblischen Tradition zur westlichen Moderne, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/925362

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