Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1. Einleitung
2. Religiöse Motive in der Literatur
3. Kurze Vorstellung der Balladen
3.1. „Die Braut von Korinth“
3.2. „Der Gott und die Bajadere“
4. Analyse der Balladen
4.1. „Die Braut von Korinth“
4.2. „Der Gott und die Bajadere“
5. Zusammenfassung und Interpretation der Ergebnisse
6. Bibliographie
6.1. Primärliteratur
6.2. Sekundärliteratur
6.3. Internetquellen
1. Einleitung
Die vorliegende Seminararbeit befasst sich mit religiösen Motiven und deren Auswirkungen in den Liebeskonstellationen, die am Bespiel von „Die Braut von Korinth“ sowie „Der Gott und die Bajadere“ untersucht werden sollen. In diesen ausgewählten Balladen Goethes werden religiöse Motive vielfach thematisiert und behandelt. Es soll der Frage nachgegangen werden, inwiefern sich diese auf die Liebeskonstellationen in den Werken auswirken und welche Rolle die Religionszugehörigkeit der Figuren in den Balladen spielt.
Dabei bezieht sich diese Arbeit hauptsächlich auf die Primärliteratur, nämlich auf die Balladen Johann Wolfang von Goethes. Zudem stützt sich ein wesentlicher Teil auf die verwendete Sekundärliteratur, wie beispielsweise Konrad Rahes Beitrag „Heidnische Antike und christliches Abendland in Goethes Ballade: Die Braut von Corinth“ sowie der Arbeit „Poetisches Spiel kultureller Alterität: Goethes „Indische Legende“ Der Gott und die Bajadere“ von Norbert Mecklenburg, in denen insbesondere auf die religiösen Motive in den Balladen eingegangen wird.
Zunächst soll geklärt werden, in welches Verhältnis sich Religion und Literatur systematisch setzen lassen und in welcher Beziehung Literatur, religiöse Praxis und Wissenschaft stehen.
Der darauffolgende Abschnitt wird sich mit der Analyse der beiden Balladen Goethes beschäftigen, wobei im Falle der Ballade „Der Gott und die Bajadere“ deren Erstfassung aus dem Musenalmanach aus dem Jahre 1798 zur näheren Betrachtung herangezogen wird. Die Analyse der Werke wird sich dabei lediglich auf die textuelle Ebene beziehen, wobei religiöse Motive in den Balladen ausfindig gemacht und interpretiert werden sollen.
Den Abschluss dieser Arbeit bilden die Zusammenfassung und eine Interpretation der Ergebnisse.
2. Religiöse Motive in der Literatur
Religiöse Motive in der Literatur werden sowohl aus theologischer als auch literaturwissenschaftlicher Perspektive schon seit längerer Zeit ausführlich erforscht. Sowohl Religion als auch Literatur entfalten sich zwischen „Mythos und Logos, zwischen Imagination und Begriff sowie zwischen lebendiger Einbildungskraft und Vernunft“1 und greifen somit zwei wesentliche Befähigungen des Menschen auf. Dabei ist Religion für die Geschichte der Literatur von höchster Relevanz. Die Erforschung nach den Einflüssen, die die Religion und vor allem der biblische Text in der Literatur genommen haben, hat dabei bereits lange vor der neuen kulturwissenschaftlichen Aufmerksamkeit auf den Glauben begonnen. In Bezug auf das Verhältnis zwischen dem Gottesglauben und der Literaturwissenschaft steht seit jeher die Frage nach der religionspädagogischen Brauchbarkeit der Literatur im Vordergrund.
Religion und Literatur stellen eine grundlegende kulturelle Form von Artikulation dar, mit deren Hilfe sich Menschen ausdrücken können und sind daher durchaus mehr als eine bloße Darstellung. Sieht man sich das Problem des Ausdrucks, also das Gebiet der besonderen Art und Weise, wie etwas zur Erscheinung kommt und ausgedrückt wird, genauer an, so verbindet dies genau genommen die Literatur und die Religion.
Will man den Gottesglauben jedoch nicht bloß in einer beliebigen Weise ausleben, sondern auch verstehen und vermitteln können, so muss man zeitgleich die Kompetenz der Ästhetik beherrschen. Braungart führt den Zusammenhang von Religion, Literatur und Kunst auf deren wesentlichen Beitrag zur menschlichen Selbstreflexion und Selbstbegegnung zurück.2 Dabei sei zu beachten, dass Religionen notwendige Systeme darstellen, um Ästhetik zu erfassen. Sie enthalten sowohl „die konkreten Objektivationen und Materialisierungen, die kultischen kultischen Rituale und sonstigen Performanzen sowie die mythischen Imaginationen“.3
Da die Thematik rund um den Glauben auch heute in der Literatur präsent ist, stellt es auch eine wichtige Frage für die Literaturwissenschaft dar. Die Beschäftigung mit der Frage nach der Bedeutung von religiösen Motiven ist für diese daher unumgänglich.
Will man sich heutzutage wissenschaftlich mit dem Glauben beschäftigen, so handelt man auch aus Zeitgenossenschaft heraus. Die Literatur hat seit jeher in die eigene Gegenwart eingegriffen und hat diese erfasst und aufgezeigt, was in der Kultur gerade drängend war.4 Dieses Einschreiten der Literatur zieht sich bereits von der Antike bis in die Moderne hindurch. Daniel Weidner ist dabei der Meinung, dass Literatur und Religion nicht länger als „distinktive Bereiche“, mit einer Wechselbeziehung oder einer Einwirkung aufeinander zu untersuchen sind, sondern darüber hinaus in einer weitaus komplexeren und tiefer verwickelteren Beziehung stehen. Inwieweit die beiden Gebiete zusammenhängen, miteinander verbunden sind sowie in welcher Hinsicht sie sich gegenseitig stützen und in welcher wiederum nicht, hängt von der Ansicht auf einzelne Fälle, Bereiche sowie örtlichen und zeitlichen Begebenheiten ab.5
In der Forschung herrscht mittlerweile eine zunehmende Einigkeit darüber, dass ein ausreichendes theologisches und religionsgeschichtliches Wissen für die Analyse bestimmter Autoren, Epochen und Strömungen vorausgesetzt werden muss.6
Wenn auch nicht gleich auf dem ersten Blick sichtbar, so ist man doch beinahe jeden Tag von religiösen Motiven umgrenzt. Religiöse Inhalte werden über dort aufgefunden, wo Werte angepriesen, Versprechungen gemacht und Handlungsweisen nähergebracht werden. Laut Stefan Heil, seien bei beinahe jeder Autorin und jedem Autor Spuren von religiösen Inhalten und Motiven zu entdecken.7
3. Kurze Vorstellung der Balladen
3.1. „Die Braut von Korinth“
Goethes Ballade „Die Braut von Korinth“ wurde, neben zahlreichen weiteren Werken, im Jahre 1798 erstmals in Friedrich Schillers „Musenalmanach“ veröffentlicht. Als Entstehungsjahr der Ballade konnte das Jahr 1797 festgestellt werden, in welchem sich Goethe eine Zeit lang in Jena befand, wodurch eine enge Zusammenarbeit mit Friedrich Schiller entstand.8
Das Werk ist der Gattung der Ideenballade zuzuordnen, welche eine Spezialform der neuzeitlichen deutschen Kunstballade darstellt und lediglich auf das Wirken von Goethe und Schiller beruht.9
Im Bezug auf „Die Braut von Korinth“ wurde Goethe vermutlich vom poetischen Stoff aus dem „Buch der Wunder“, das aus dem zweiten Jahrhundert stammt, inspiriert.10
3.2. „Der Gott und die Bajadere“
Auch die Ballade „Der Gott und die Bajadere“ wurde zunächst in Schillers „Musenalmanach“ 1798 veröffentlicht und kann zu den Werken des Balladenjahrs 1797 gezählt werden. Die Thematik der Ballade weist starke Entlehnungen aus der Erzählung „Reise nach Ostindien und China in den Jahren 1774-1781“ von Pierre Sonnerats auf, in welcher vor allem über die Religion und die Feste der Inderinnen und Inder berichtet wird.11
Zudem zählt „Der Gott und die Bajadere“ zu der „Paria-Trilogie“ – einer poetischen Reise Goethes in die Welt der indischen Kultur.12 Es war ein Talent des Autors, unbekannte Hergänge und Legenden zu neuen poetischen Stoffen zu formen.
4. Analyse der Balladen
4.1. „Die Braut von Korinth“
Bereits in der ersten Strophe der Ballade werden Ort sowie Hintergrund des Geschehens offenbart. Ein „Jüngling“ ist von Athen nach Korinth gezogen, um dort seine - von beiden Vätern des zukünftigen Paares vorbestimmte – Braut zu ehelichen. Zudem wird darüber berichtet, dass der „unbekannte Jüngling“ noch dem Heidentum angehört, während die Familie der Braut bereits zum Christentum gewechselt hat. Hierbei sei anzumerken, dass sich die Handlung zur Zeit einer Wende abspielt, nämlich dem Wechsel von heidnischer Antike zu christlichem Abendland.13 In den darauffolgenden Versen wird bereits auf das dadurch drohende Übel hingewiesen:
Keimt ein Glaube neu, Wird oft Lieb' und Treu' Wie ein böses Unkraut ausgerauft. (Die Braut von Korinth, V. 12-14)
Des Schicksals seiner Braut nicht bewusst, kommt der junge Mann spät im Haus des Mädchens an, wo er von der Mutter „mit bestem Willen“ empfangen empfangen und ins „Prunkgemach“ gebracht wird. Bevor er endgültig – noch mit allen Kleidern am Leib – einschläft, betritt plötzlich eine weibliche Gestalt sein Zimmer. Die Kleidung der jungen Frau, nämlich „weißer Schleier und Gewand“ (V.30) sowie „um die Stirn ein schwarz- und goldnes Band“ (V32) lässt erahnen, dass es sich hierbei um eine Nonne handeln muss, weshalb der Bräutigam die ihm versprochene Braut nicht sofort erkennt.14
Als sie den Fremden erblickt, scheint sie über dessen Anwesenheit überrascht zu sein und deutet an, dass sie in diesem Hause scheinbar fremd sei, da sie über den Besuch nicht Bescheid wusste. Daraufhin klagt das Mädchen, dass sie in einer Klause untergebracht sei. Darunter wird im Christentum eine Einsiedelei oder eine Klosterzelle verstanden, in der in völliger Zurückgezogenheit gehaust wird.15 Als sie den Raum daraufhin wieder verlassen will, hält der Jüngling sie zum Bleiben an:
"Hier ist Ceres', hier ist Bacchus' Gabe; Und du bringst den Amor, liebes Kind! Bist vor Schrecken blaß! Liebe, komm und laß, Laß uns sehn, wie froh die Götter sind." (Die Braut von Korinth, V. 45-49)
Auch hier sind religiöse Motive zu erkennen: Bacchus, der Gott des Weines, Ceres, die Fruchtbarkeitsgöttin, sowie Amor, der Gott der Liebe, stellen Götter in der römisch-griechischen Mythologie dar.16 Hier wird ersichtlich, dass der junge Mann noch an die „alten Götter“ gebunden ist. Mit ihren darauffolgenden Worten „Ich gehöre nicht den Freunden an“ (V. 51) deutet die Braut an, dass sie diesem Glauben nicht mehr angehöre, sondern sich „durch der guten Mutter kranken Wahn“ (V. 53) dem Christentum
Christentum anschließen und „dem Himmel künftig untertan“ (V. 56) ist und somit in ein Kloster eintreten musste. Daraufhin folgt eine weitere Kritik an das Christentum: Und ein Heiland wird am Kreuz verehrt; Opfer fallen hier, Weder Lamm noch Stier, Aber Menschenopfer unerhört." (Die Braut von Korinth, V. 60-64) Hier wird auf die veraltete Tradition der Opferung von Lamm und Stier im Christentum angespielt, die seit der Opferung Christus als vollkommen überflüssig erachtet wird. Laut Konrad Rahe, will die Tochter mit ihren Worten jedoch darauf hinaus, dass das Christentum nun abermals zu einer „Opferreligion“ geworden ist und nun gar Menschenopfer verrichten würden.17 Hier ist zudem eine Anspielung auf ihr eigenes Schicksal ersichtlich.
Der Jüngling erkennt in der jungen Frau daraufhin die ihm versprochene Braut und will den „Hochzeitsschmaus“ sogleich vollziehen. In der vierzehnten Strophe wird das Motiv des Vampirismus ausgesprochen deutlich. Erst zur Geisterstunde wird dem Mädchen wohl und es trinkt „dunkel blutgefärbten Wein“, rührt das Essen jedoch nicht an.
Die folgende Schuldzuschreibung ihres Todes an die eigene Mutter lässt vermuten, dass der Religionswechsel zum Christentum von der Mutter initiiert wurde und dies in Folge das Leben der Tochter zerstörte18:
„Mutter! Mutter!“ spricht sie hohle Worte, „So mißgönnt Ihr mir die schöne Nacht! Ihr vertreibt mich von dem warmen Orte. Bin ich zur Verzweiflung nur erwacht? Ist’s Euch nicht genug, Daß ins Leichentuch, Daß Ihr früh mich in das Grab gebracht?“ (Braut v. Korinth, V. 155-161)
Der durch Suizid ausgelöste Tod des jungen Mädchens hängt scheinbar mit dem Wechsel von der Antike zum Christentum zusammen. Wenn jedoch die Mutter des Mädchens zum Christentum konvertiert, zwingt sie ihre Tochter zu einem strengen Rückzug aus dem Leben, wodurch die Tochter an körperlicher und geistiger Entbehrung stirbt. Bereits in der nächsten Strophe folgen weitere Anspielungen auf das Christentum: „Eurer Priester summende Gesänge Und ihr Segen haben kein Gewicht“ (V. 164-165). Im darauffolgenden Abschnitt macht die Tochter ihrem Ärger über die Geschehnisse, die durch den Religionswechsel resultierten, Luft:
Dieser Jüngling war mir erst versprochen, Als noch Venus' heitrer Tempel stand. Mutter, habt Ihr doch das Wort gebrochen, Weil ein fremd, ein falsch Gelübd' Euch band! Doch kein Gott erhört, Wenn die Mutter schwört, Zu versagen ihrer Tochter Hand. (Die Braut von Korinth, V. 169-175)
„Als Venus‘ heitrer Tempel stand“ (V.170) ist eine direkte Anspielung auf einen bedeutsamen historischen Wandel, nämlich dem Übergang vom Heidentum zum Christentum in der westlichen Welt. Durch das fatale Gelöbnis der Mutter, musste sich die künftige Braut zudem dem Nonnenleben verpflichten, was ihre bevorstehende Heirat zunichtemachte und ihr Leben folglich ins Elend stürzte.
Das Mädchen nimmt daraufhin die Locke des jungen Mannes mit und sagt: „Morgen bist du grau“ (V180), woraus zu folgen ist, dass auch er sterben wird. Mit den Worten „Und nur braun erscheinst du wieder dort“ (V 181) deutet sie jedoch im nächsten Moment an, dass sie im Jenseits wieder wieder vereint sein werden. Entzogen der Liebe, die ihr versprochen worden war, ist das Mädchen als Vampir wieder lebendig geworden, um ihren Bräutigam für immer in Besitz zu nehmen, welcher, vom Vampir gebissen, auch zum Sterben verurteilt ist und seiner Braut bis ins Grab folget.19 Was im Leben nicht zusammenkommen konnte, soll nun im Tod und Jenseits für immer vereint sein.
Dann folgt eine letzte Bitte des Mädchens an die Mutter: Höre, Mutter, nun die letzte Bitte: Einen Scheiterhaufen schichte du; Öffne meine bange kleine Hütte, Bringen in Flammen Liebende zur Ruh. Wenn der Funke sprüht, Wenn die Asche glüht, Eilen wir den alten Göttern zu. (Die Braut von Korinth, V. 188-196) Die Bitte des Mädchens scheint für die antiken griechischen Götter und für die sinnlichen Freuden, für die sie stehen, gerichtet zu sein, während sie gleichzeitig ihr eigenes trauriges Schicksal auf die Heuchelei des christlichen Glaubens ihrer Mutter zurückführt.
Im Christentum ist zudem die Erdbestattung die einzig angemessene Form der Beerdigung, wodurch die Bitte der Braut nach dem Feuertod, ein „objektiv anachronistisches“ Motiv Goethes darstellt, da dies in der Spätantike nahezu außer Gebrauch gekommen war.20
Man kann Pilipowicz durchaus zustimmen, wenn er meint, dass die Tochter durch den Suizid sowie dessen Auslöser, dem Christentum, gekennzeichnet ist, während den „Jüngling“ das Leben und die Antike auszeichnet. Zudem hat die Liebe für den heidnischen Jungen „einen sakralen sakralen Charakter“, während die zum Religionswechsel gezwungene Tochter die Liebe aus einer unterschiedlichen Sichtweise betrachtet und dabei annimmt, dass das Christentum im Schatten des Todes von Christus steht.21 Die meisten Interpretationen scheinen sich darüber einig zu sein, dass der Antagonismus von Christentum und Antike, der durch die Vielzahl der religiösen Motive in der Ballade deutlich heraussticht, einen dramatischen Konflikt und das Schicksal seiner weiblichen Protagonistin vorhersagt.
Karl L. Struve positionierte Goethes „Die Braut von Korinth“ mit seinem Vampirmythos in einem größeren intellektuell-historischen Rahmen. In einem frühen Versuch, Goethes Text gegen antichristliche Lesungen zu verteidigen, hebt Struve einen wesentlichen Aspekt des Vermächtnisses des Vampirs hervor. Struve begründet, dass das christliche Element in Goethes Gedicht und historischem Kontext auf einen „orientalischen“ Einfluss zurückgehe. Struve geht davon aus, dass die „Unterdrückung natürlicher Gefühle“, zu der die Mutter das Mädchen verurteilt und so ihre spätere Rückkehr als Vampir auslöst, dem gleichen „orientalischen Klima“ zu verdanken ist, aus dem sowohl das Christentum als auch die romantische Bewegung hervorgingen.22 Für Struve ist der Vampir also ein Geschöpf, das weder christlich noch griechisch ist, sondern es stellt ein kulturelles und literarisch-historisches Produkt des Kontakts oder der „Vermischung“ orientalischer und abendlicher Elemente dar.
Die Braut stirbt am Ende der Ballade und tut dies sogar aus eigener Hand, indem sie den Tod durch Verbrennen auf dem Scheiterhaufen vorschlägt. Das Mädchen zeigt auch keine Anzeichen von Reue oder sucht die Einhaltung der christlichen Scheinheiligkeit, die sie bereits beim ersten Mal gebrochen hat. Stattdessen bricht die junge Frau diese christliche Ordnung, indem sie einen Selbstmordtod auswählt, was in Bezug auf den christlichen Glauben keineswegs zu einem Aufstieg in den Himmel führen könnte. Als sie verkündet, dass ihr zweiter Tod sie und ihr Opfer, den Jüngling, an die „alte Götter“ freilassen wird, wirkt sie nun vielmehr der Kontrolle entgegen, die die christliche Kultur für sie vorgesehen hat.
Laut Hamberger funktioniert Goethes Vampir daher nicht als antichristliches Argument, das dem Vampirmythos im antiken Griechenland ursprünglich zugrunde liegt und in dem der Vampir als diskriminierender Begriff dient, der den christlichen Glauben an das Jenseits verspotten und verabscheuen soll.23
4.2. „Der Gott und die Bajadere“
Bereits der Untertitel des Werkes – „Indische Legende“ – gibt einen wichtigen Hinweis auf den Handlungsort und betitelt die Ballade obendrein als Legende.
In der ersten Strophe des Werkes wird eine der beiden Hauptfiguren, „Mahadöh“, näher beschrieben. Bei dem Begriff handelt es sich um den Beinamen des indischen Gottes „Schiva, den Zerstörer“.24 Der sogenannte „Herr der Erde“ kommt zum sechsten Mal in menschlicher Gestalt auf die Erde herab, um zu „strafen oder schonen“. (V.7) Es wird deutlich, dass er die Menschen beobachten und beurteilen will, wobei er nicht allen gleichgesinnt gegenübertritt: „Die Großen belauert, auf Kleine geachtet“. (V.10)
Ernst Braun schreibt in seinen Anmerkungen über die Ballade, dass gleich die erste Strophe einen anderen Gott als die indische Quelle bringe und er dabei vielmehr an den Christus der Bibel denke.25
[...]
1 Vgl. Braungart (2019), S. 8.
2 Vgl. Braungart (2019), S.11.
3 Vgl. Braungart (2019), S. 13.
4 Vgl. Weidner (2016), Vorwort, S. V.
5 Vgl. Weidner (2016), Vorwort, S. VI.
6 Vgl. Weidner (2016). Vorwort, S. VIII.
7 Vgl. Heil (2005), S.134.
8 Vgl. Balladenjahr von Schiller und Goethe. Online unter: https://www.friedrich-schiller-archiv.de/inhaltsangaben/balladenjahr-goethe-schiller-1797/#comments (zuletzt aufgerufen am 07.08.2020)
9 Vgl. Laufhütte (1987), S.337.
10 Vgl. Nenguié (2013), S. 27.
11 Vgl. Laufhütte (1983), S. 127.
12 Vgl. Nenguié (2013), S. 29.
13 Vgl. Rahe (1999), S. 129.
14 Vgl. Rahe (1999), S. 155.
15 Vgl. https://de.wiktionary.org/wiki/Klause (zuletzt aufgerufen am 09.08.2020)
16 Vgl. Bacchus, Ceres, Amor: https://www.europeana.eu/de/item/15502/GG_1098 (zuletzt aufgerufen am 02.08.2020)
17 Vgl. Rahe (1999), S. 150.
18 Vgl. Pilipowicz (2013), S. 150.
19 Vgl. Rahe (1999), S. 152.
20 Vgl. Rahe (1999), S. 148.
21 Vgl. Pilipowicz (2013), S. 161-162.
22 Vgl. Struve (1826), S. 94.
23 Hamberger (1992), S. 101.
24 Vgl. Die Götter Indiens, online unter: http://www.lexikus.de/bibliothek/Indien-und-Ich---/Die-Goetter-Indiens (zuletzt aufgerufen am 12.08.2020)
25 Vgl. Braun (1913), S. 205.