Leseprobe
Inhalt
1. Einleitung
2. Zur Instrumentalpädagogik
2.1. Polaritäten in der Instrumentalpädagogik nach Silke Kruse-Weber und Cristina Marin
2.2. Ein Modellvorschlag von Elisabeth Aigner-Monarth und Natalia Ardila-Mantilla
2.3. Zusammenfassung der Aspekte und Auffächern der Forschungsfrage
3. Musik-Apps
3.1. Kategorien von Musizierapps
3.2. Musik-Apps im Instrumental- und Gesangsunterricht
3.3. Zusammenfassende hypothetische Aussagen
4. Beschreibung von Apps und Suche nach Eigenschaften im Blick auf lerntheoretische Didaktik und Ermöglichungsdidaktik
4.1. Music Tutor
4.2. Fluxpad
4.3. GeoShred Play
4.4. Zusammenfassung der Untersuchung der Apps
5. Fazit
6. Literatur
1. Einleitung
Die Forschungsfrage dieser Hausarbeit lautet: Wie verhalten sich die Eigenschaften von Musik-Apps zu den polaren Auffassungen von lerntheoretischer Didaktik und Ermöglichungsdidaktik in der Instrumentalpädagogik?
In den vergangenen Jahren wurden Smartphones und Tablets zum selbstverständlichen Begleiter nicht nur von Erwachsenen, sondern auch vieler Kinder. In der Instrumental- und Gesangspädagogik (IP) geraten damit die Schülerinnen und Schüler ins Blickfeld. Es stellt sich weniger die Frage, ob die Geräte vorhanden sind und genutzt werden, sondern wie dies geschieht.
Eine erste Antwort können Musik-Apps geben. Allerdings ist ihre Vielfalt so groß, dass es nötig erscheint, eine gewisse Systematik sowie Kriterien für den sinnvollen Umgang zu entwickeln. Dazu wird hier ein (wieder) aktueller Diskurs aus der IP zur Hilfe genommen. Dabei geht es – kurz gesagt – um zwei verschiedene instrumentalpädagogische Ansätze, die im Widerspruch zueinander stehen. Diese zwei Ansätze und ein Vorschlag, wie man deren Widerspruch auflösen könnte, werden im ersten Teil der Arbeit vorgestellt. Anschließend werden theoretische Fragen aus den Ansätzen abgeleitet. Diese dienen im nachfolgenden Teil zur Analyse von drei verschiedenen Musik-Apps. Im Fazit werden die Forschungsergebnisse zusammengefasst und eine Antwort auf die Forschungsfrage versucht.
2. Zur Instrumentalpädagogik
In diesem Kapitel soll der Diskurs über die instrumentalpädagogischen Polaritäten vor dem Hintergrund entsprechender Literatur vorgestellt werden. Diese Polaritäten können Lehrende in Zwiespalte hinsichtlich ihrer didaktischen Entscheidungen führen. Später soll untersucht werden, ob und wie diese Polaritäten in einem Zusammenhang mit der Nutzung von Musik-Apps im Instrumental- und Gesangsunterricht stehen können.
2.1. Polaritäten in der Instrumentalpädagogik nach Silke Kruse-Weber und Cristina Marin
Zunächst zur Beschreibung der „polaren Ansätze“ (Kruse-Weber und Marín 2016, S. 168) in der Instrumental- und Gesangspädagogik (IP).
Von den Autorinnen wird ausgeführt, dass die IP eine Vermittlungsfunktion zwischen Musik, Mensch und Instrument hat. Dabei geht es um zwei Aspekte: das Erlernen der Spieltechnik und den künstlerischen Ausdruck. Wenn diese beiden Aspekte als Gegensatz vermittelt werden, kommt es häufiger zu Demotivation und Lernabbrüchen. Dieser Gegensatz bzw. polaren Auffassungen ist oft die Grundlage von instrumentalpädagogischen Theorien. Dafür sind Begriffspaare wie „Leib versus Seele, Theorie vs. Praxis, Kunst vs. Wissenschaft, Kunst vs. Pädagogik, Körper vs. Geist, Technik vs. Musik, musikalische vs. instrumentale Handlungen, geistig vs. mechanisch“ (ebd., S. 169) bis heute typisch für instrumentalpädagogische Ansätze und konstitutiv für das Begreifen von „Instrumentalpädagogik in ihrer Polarität“ (ebd.).
Im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts setzte sich die IP verstärkt mit den psychologischen Wissenschaften auseinander. Daraus entwarf der Klavierpädagoge Leonhard Deutsch eine Tabelle zur Veranschaulichung der polaren Ansätze (vgl. ebd., S. 170):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Auch die Polarität zwischen Theorie und Praxis ist ein typisches Phänomen der IP. Es wird beschrieben, dass bei den Lehrenden oft eine Theorieskepsis vorherrscht, diese aber die Gefahr birgt, dass subjektive Theorien „unreflektiert an die Schülerinnen und Schüler weitergegeben“ (ebd., S. 170) werden können. Als Grund für die Theorieabneigung wird die Tatsache, dass viele Instrumentallehrende sich eher als Musiker denn als Lehrer sehen würden, angeführt. Die Lehrenden nehmen die theoretischen Konzepte erst dann in ihre Lehre auf, wenn sie sie auch in der Praxis erfahren haben und ihre subjektiven Theorien dadurch zu objektiven Theorien wurden.
Neben dem polaren Begriffspaar „Kunst und Pädagogik“ wird auch der Gegensatz zwischen „Rationalität und Irrationalität“ thematisiert. Gegenübergestellt werden hier eine „Post-Didaktik“ und die „lerntheoretische Berliner Didaktik“ (ebd., S. 174). Letztere erfasst nur die rational planbaren Strukturen des Instrumentalunterrichts und vernachlässigt damit den Kern des Musizierens und Künstlerischen. Dieses findet sich eher in „Dingen wie Glück, Spiel, Spiritualität, Leiblichkeit“ (ebd.). An dieser Stelle kann auch Bezug auf Christian Rolles Differenzierung zwischen ästhetisch-musikalischen Erfahrungen und nicht ästhetisch-musikalischen Erfahrungen genommen werden. Auch dort geht es darum, musikalische Erfahrungen nicht zu verordnen, sondern ästhetische Erfahrungsräume zu inszenieren, um einen „fruchtbaren Boden“ für Momente des „selbstbezüglichen Spürens, Hörens und Lauschens“ (ebd., S. 175) vorzubereiten.
Diese didaktische Polarität wird in einer Tabelle (nach Röbke) zusammengefasst (ebd.):
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Kruse-Weber und Marin stellen zu dem Gegensatz zwischen lerntheoretischer Didaktik und Ermöglichungsdidaktik Fragen:
- Wie kann im Unterricht mit Strukturmerkmalen ein künstlerisches Ideal erreicht werden?
- Könnte sich nicht auch im Unterricht mit Strukturmerkmalen die „hohe fachliche Kompetenz einer Lehrkraft zeigen“ (ebd.)?
- Können strukturierte Stunden, wenn sie reflektiert gestaltet werden, auch nicht-schematisch sein?
- Können Unterrichtsstunden trotz Strukturierungsmerkmalen Ereignischarakter haben?
- Wie können die Gegensätze von Unterrichtsvorplanung und der „Gunst und Notwendigkeit des Augenblicks“ (ebd.) vereinbart werden?
- Ist es ausgeschlossen, dass sich eine an lerntheoretisch orientierter Didaktik geschulte Lehrkraft von der Musik und dem Zuhören überwältigt fühlt?
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