Reichsversammlungen unter Karl dem Großen

Die Bedeutung der Reichsversammlungen für die Herrschaft Karls des Großen im Spiegel der Reichsannalen


Term Paper, 2008

23 Pages, Grade: 1,3


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Inhalt

Karl der Große und seine Zeit

Über die Reichsversammlungen

Zur Quellenlage und den Reichsannalen

Über die Reichsversammlungen in den Reichsannalen - Eine Analyse

Der Herrscher und die Großen - Eine Interpretation

Schlussfolgerungen

Einschränkungen und Ausblick

ANHANG I: Tabelle der Reichsversammlungen zwischen 770 und 813

ANHANG II: Literaturverzeichnis

Karl der Große und seine Zeit

Unter der merowingischen Herrschaft konnte sich nördlich der Alpen bis ins 7. Jahrhundert hinein ein fränkisches Reich von den Pyrenäen bis an den Rhein ausdehnen. Germanische und angenommene römische Traditionen schafften einen neuartigen Herrschaftsraum, der sich bald zu einer der bedeutendsten Größen der mittelalterlichen Welt entwickeln sollte. Allerdings sollte dies nicht unter der Herrschaft der merowingischen Könige geschehen, deren Einfluss auf die Reichsentwicklung mit dem Tod König Dagoberts 639 den Anfang vom Ende nahm. Vielmehr waren es die Hausmeier der Merowinger, die zu den tatsächlichen Machtinhabern des Frankenreichs wurden. Der Verfall der alten Dynastie und die Streitigkeiten mit den emporkommenden Großen des Reiches führten nördlich der Alpen zu einer starken Instabilität, welche auch auf die zahlreichen Reichsteilungen nach dem Tod eines Monarchen zurückzuführen waren. Die Randregionen erlangten immer mehr Freiheiten, während im Kernland um die Macht gerungen wurde. Beim Versuch der Hausmeier, die sich verselbstständigenden Provinzen wieder zusammenzuführen, waren diese ihrerseits auf einflussreiche Geschlechter angewiesen, sodass diese Epoche der mitteleuropäischen Geschichte von Familien- und Heiratspolitik, Bündnissen, Fehden und Kriegszügen geprägt wurde.[1]

768 wurden Karl und Karlmann, die Söhne Pippins des Mittleren, zeitgleich zu Königen erhoben. Diesen Titel hatte Pippin seit 751 inne und konnte ihn nun an seine Erben weitergeben. An Karl lag es, das Erbe des Vaters fortzuführen und das unruhige Aquitanien zu befrieden, das sich nach dem Tod Pippins erneut erhoben hatte.[2] Noch im Frühjahr 768 drang Karl in der Provinz ein. Laut den Quellen rieten die Großen Karlmann davon ab, seinen Bruder zu unterstützen, was ein erstes Anzeichen für den schwelenden Konflikt zwischen den beiden Brüdern war. Durch geschickte Bündnispolitik gelang es Karl seinen Bruder zu isolieren und dessen Hoheitsgebiet durch die Hilfe der Langobarden und der Bayern von allen Seiten her einzuschließen. Die Anfeindungen zwischen den Brüdern wuchsen stetig an und 771 stand das geteilte Reich kurz vor einem Bruderkrieg, als der jüngere Karlmann nach kurzer Krankheit verstarb. Karl wurde durch geschicktes und rechtzeitiges Handeln von den Gefolgsleuten Karlmanns anerkannt, bevor sich ein Emporkömmling auf den freien Thron Karlmanns hätte erheben können.

Karlmanns Witwe floh nach dessen Tod an den Hof des Langobardenkönigs Desiderius, der die Fliehende und ihre Kinder bereitwillig aufnahm, die vormalige Feindschaft zu Karlmann und das Bündnis mit Karl ignorierend, da ihm weiterhin an einem geteilten Frankenreich gelegen war. Dies veranlasste Karl dazu, seine Frau, eine Tochter Desiderius, zu verstoßen, was einer Kriegserklärung den Langobarden gegenüber gleichkam und dazu führte, dass sich Karl eine neue Frau suchen musste, deren Familie möglichst großen Einfluss in der Politik des Reiches hatte.[3] Bevor Karl allerdings den offenen Krieg in Oberitalien suchte, fiel er mit seinen Getreuen im benachbarten Sachsen ein, wo er große Reichtümer erbeuten konnte und seinen Streitern die Gelegenheit eines erfolgreichen, kriegerischen Unternehmens bot. Mit dem in Sachsen erbeuteten Reichtum entlohnte Karl die Treue der Großen im Konflikt mit seinem Bruder, auf deren Mithilfe er im größten Maße angewiesen war.[4]

773 zogen die Franken schließlich über die Alpen und konnten Desiderius in Pavia einschließen. Während der Belagerung besuchte Karl das Zentrum der christlichen Kirche, die Stadt Rom, wo er huldvoll empfangen wurde, was seine Machtansprüche vor allen Christen weiter untermauerte. Im Jahr darauf konnte der Feldzug gegen die Langobarden erfolgreich beendet werden. Die Besitztümer der Besiegten fielen zu großen Teilen der römischen Kirche und dem Karl folgenden Adel zu.

Noch im selben Jahr rächte sich jedoch Karls Expedition in die sächsischen Gebiete, da die Sachsen Rache übten und ihrerseits die Franken überfielen, sodass Karl im Norden einschreiten musste. Bis 804 sollte der Kampf gegen die Sachsen noch fortgetragen werden, denen Karl auf Grund ihrer heterogenen Herrschaftsstrukturen nicht Herr werden konnte. Während dieser Zeit kam es auch immer wieder zu aufkeimenden Oppositionen in Italien und den reichszugehörigen Provinzen, wo Karl ebenfalls mit seinen Gefolgsleuten einschreiten musste.

In den 780er Jahren wandte sich Karl einem innenpolitischen Problem zu, das er zuvor auf Grund der steten Kriegsführung nicht hatte verfolgen können. Mit militärischer Gewalt wies er den Bayernherzog Tassilo III. in seine Schranken, der während der Kriegszeit eine königsgleiche Herrschaft in Bayern errungen hatte, welche von Karl nun gewaltsam beendet werden sollte. Jedoch konnte der Frankenherrscher es sich nicht erlauben, den anerkannten Herzog vollends zu entmachten und übergab Tassilo dessen Herzogtum im Anschluss einer Unterwerfung 787 als Lehen. Ein Jahr später kam es in Ingelheim zu einem Schauprozess gegen Tassilo, der dazu verurteilt wurde sein Dasein hinter Klostermauern zu fristen.

Ob es an Tassilos Außenpolitik gelegen haben mag oder nicht, bleibt unklar, jedoch fielen nach dessen Absetzung 788 die Awaren in Italien und Bayern ein, welche bis 796 bekämpft wurden, wobei Karl wiederum große Schätze zufielen, die abermals zu großen Teilen an den Adel vergeben wurden.[5]

Nach seinen großen militärischen und politischen Erfolgen, die Karl in der frühmittelalterlichen Welt großes Ansehen verschafften, wurde er schließlich im Jahre 800 vom Papst in Rom zum Kaiser gekrönt und konnte diesen Titel bis zu seinem Tod 814 wahren.

Durch umfassende Reformen und eine rege Gesetzgebungstätigkeit war es Karl dem Großen möglich, seine Stellung erst als König und schließlich als Kaiser im Frankenreich über die einzelnen Provinzen zu stärken. Auch die Entscheidungen des Kaisers, seine Erbfolge betreffend, von 806, bekannt als die Divisio regnorum, wurden von seinen Untergebenen anerkannt. So wurde die Kaiserwürde 813 nach mehrfachen Beratungen Karls mit seinen Getreuen in Aachen an seinen Sohn Ludwig übertragen, der nach des Vaters Tod 814 die Herrschaft über das Frankenreich antrat.

Aus diesem Überblick der Regierungszeit Karls des Großen ist zu erkennen, dass die Machtentfaltung der Karolinger stets an deren Gefolge gebunden war. In diesem Kontext gilt es nun die so genannten Reichsannalen zu einem wesentlichen Regierungsinstrument dieser Zeit zu befragen. Dieses Instrument sind die alljährlich verzeichneten Reichsversammlungen, die im folgenden anhand der erschienenen Literatur erläutert werden sollen, um dann über das vorhandene Quellenmaterial Rückschlüsse auf den Einfluss der Großen im fränkischen Reich ziehen zu können. Bedeutend ist dabei, in wie weit zu erkennen ist, wie sich der Machtzuwachs des Königs- und später Kaiserhauses auf dieses Instrument frühmittelalterlicher Politik auswirkte und ob sogar bestätigt werden kann, dass Karl der Große in seiner Politik, die auf eine Zentralisierung des Reiches auf den Herrscher hinstrebte, erfolgreich war.

Über die Reichsversammlungen

Für Daniel Eichler sind Reichsversammlungen zur Zeit Ludwigs des Frommen „alle herrscherberufenen und herrschergeleiteten Zusammenkünfte, die der Erledigung politischer Angelegenheiten dienen oder zumindest dienen können.“[6] Dabei stützt sich Eichler auf das Modell Hannings, das „verschiedene, konzentrische um den Herrscher angeordnete Öffentlichkeits- und Beratungskreise [sieht,] die alle an denselben Aufgaben strukturell beteiligt waren und nach Gelegenheit und Notwendigkeit in Umfang und Zusammensetzung wechseln konnten.“[7] Es stellt sich nun die Frage, ob diese Definitionen auch für die Reichsversammlungen unter Karl dem Großen zutreffen und in wie fern eine Entwicklung des Versammlungswesens, falls es derart überhaupt bezeichnet werden kann, unter den Karolingern zu erkennen ist.

Bereits im ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert wurden die fränkischen Reichsversammlungen in verschiedenen Werken betrachtet.[8] Doch sind diese Abhandlungen meist stark von dem institutionellen Charakter dieser Epoche geprägt,[9] sodass sich mittlerweile ein dynamischeres Bild, wie bei Eichler und Hannig, in der Wissenschaft durchgesetzt hat. Einige Grundlegende Erkenntnisse jedoch haben wir den Historikern der Vergangenheit zu verdanken, die erstmals versuchten, Ordnung in das karolingische Staatswesen zu bringen. Doch wo die regierenden Herrscher vor hundert Jahren noch als die zentralen Angelpunkte einer jeden Versammlung gesehen wurden, soll im folgenden gezeigt werden, dass die Beschreibung der Reichsversammlungen in den Reichsannalen und anderen zeitgenössischen Quellen idealisierender Natur sind und sich insbesondere unter Karl dem Großen erst die herausragende Rolle des Territorialherren etablieren konnte.

Die Reichsversammlungen des frühen Mittelalters waren ein wesentliches Instrument der politischen Ordnung des Staates.[10] Strukturell konnten sie sowohl Heeres-, Reichs- oder Kirchenversammlungen sein, wobei oftmals eine Unterscheidung anhand der Quellenterminologie nicht eindeutig möglich ist.[11] Bezeugt ist allerdings das sich der Teilnehmerkreis sowohl aus weltlichen und geistlichen Großen, sowie dem Heer, dem im Entscheidungsprozess allerdings eine mindere Rolle zuzuschreiben ist, zusammensetzen konnte.[12] Diese arbeiteten entweder gemeinsam oder in Arbeitsgruppen,[13] um im Zeitraum weniger Tage oder auch einiger Wochen[14] Gesetze zu erlassen, Recht zu sprechen und die Regierung und Verwaltung des Reiches zu organisieren.[15]

Dem Herrscher wird oftmals eine zentrale Rolle auf den Versammlungen zugewiesen, da er als derjenige erscheint, der die Teilnehmer beruft und den Vorsitz während der Verhandlungen führt.[16] Er war es wahrscheinlich auch, der bestimmte, an welchem Ort die Treffen der regierenden Elite stattfinden sollten, wobei oftmals Kriegsunternehmungen oder die Repräsentationskraft eines Ortes solche Entscheidungen beeinflussten.[17] Zusätzlich musste der Zeitpunkt, zu dem die Versammlungen stattfinden sollten, festgesetzt werden. Hinkmar von Reims schreibt dazu in der 882 verfassten, so genannten „De ordine palatii“, dass Reichsversammlungen zweimal im Jahr abzuhalten wären. Eine davon solle sich mit der „Lage des ganzen Reiches für die Dauer des laufenden Jahres“ befassen, während die zweite lediglich „mit den höheren und den hervorragenden Ratgebern gehalten“ werden solle.[18]

[...]


[1] Zur Geschichte der Karolinger, insbesondere der Karls des Großen siehe u.a. BECHER, Matthias: Karl der Große. München 2004. CLASSEN, Peter: Karl der Große, das Papsttum und Byzanz. Die Begründung des karolingischen Kaisertums. Thorbecke 1985. HÄGERMANN, Dieter: Karl der Große. Herrscher des Abendlandes. Berlin u.a. 2000. KERNER, Max: Karl der Große. Entschleierung eines Mythos. Böhlau u.a.2000. SCHIEFFER, Rudolf: Die Karolinger. 3. überarb. Aufl. Stuttgart u.a. 2000.

[2] Zur Bedeutung Aquitaniens insbesondere KASTEN, Brigitte: Laikale Mittelgewalten: Beobachtungen zur Herrschaftspraxis der Karolinger. In: Erkens, Franz-Reiner [Hrsg.]: Karl der Große. und das Erbe der Kulturen. Berlin 2001.

[3] Weiterführend wird empfohlen: ALTHOFF, Gerd: Verwandte, Freunde und Getreue. Zum politischen Stellenwert der Gruppenbindungen im frühen Mittelalter. Darmstadt 1990.

[4] Diese These formuliert Matthias Becher in BECHER: Karl der Große. München 2004. S. 51.

[5] BECHER. Karl der Große. München 2004. S. 70.

[6] EICHLER, Daniel: Fränkische Reichsversammlungen unter Ludwig dem Frommen. Hannover 2007. S. 51.

[7] HANNIG, Jürgen: Consensus fidelium. Frühfeudale Interpretationen des Verhältnisses von Königtum und Adel am Beispiel des Frankenreiches. Stuttgart 1982. S. 169f.

[8] U.a. BRUNNER, Heinrich: Deutsche Rechtsgeschichte. Bd. 2. 2. Aufl. München u.a. 1928. S. 171 - 181. SEYFARTH, Erich: Fränkische Reichsversammlungen unter Karl dem Großen und Ludwig dem Frommen. Leipzig 1910. WAITZ, Georg: Deutsche Verfassungsgeschichte. Die Verfassung des Fränkischen Reichs. Bd. 3. 3. Aufl. Darmstadt 1954. S. 554 - 599.

[9] EICHLER: Reichsversammlungen. Hannover 2007. S. 4.

[10] WAITZ: Verfassungsgeschichte. Darmstadt 1954. S. 567 und EICHLER: Reichsversammlungen. Hannover 2007. S. 107.

[11] EICHLER: Reichsversammlungen. Hannover 2007. S. 28. und HANNIG: Consensus. Stuttgart 1982. S. 169.

[12] WAITZ: Verfassungsgeschichte. Darmstadt 1954. S. 565 - 567.

[13] WAITZ: Verfassungsgeschichte. Darmstadt 1954. S. 570.

[14] EICHLER: Reichsversammlungen. Hannover 2007. S. 109.

[15] EICHLER: Reichsversammlungen. Hannover 2007. S. 86 - 102.

[16] EICHLER: Reichsversammlungen. Hannover 2007. S. 107. und WAITZ: Verfassungsgeschichte. Darmstadt 1954. S. 569f.

[17] AIRLIE, Stuart: Talking Heads: Assemblies in Early Medieval Germany. In: Barnwell, Paul: Political Assemblies in the Earlier Middle Ages. Turnhout 2003. S. 33f. und WAITZ: Verfassungsgeschichte. Darmstadt 1954. S. 576.

[18] Hinkmar von Reims: De ordine palatii. c. 6, ed. Gross - Schieffer S. 84 Z. 480 - 482.

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Title
Reichsversammlungen unter Karl dem Großen
Subtitle
Die Bedeutung der Reichsversammlungen für die Herrschaft Karls des Großen im Spiegel der Reichsannalen
College
Free University of Berlin  (Friedrich Meinecke Institut)
Course
Politik, Kirche und Gesellschaft im Karolingerreich
Grade
1,3
Author
Year
2008
Pages
23
Catalog Number
V92690
ISBN (eBook)
9783638062466
ISBN (Book)
9783638951623
File size
562 KB
Language
German
Keywords
Reichsversammlungen, Karl, Großen, Politik, Kirche, Gesellschaft, Karolingerreich
Quote paper
Georg Koch (Author), 2008, Reichsversammlungen unter Karl dem Großen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/92690

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