Analyse und Optimierung von Ideation-Prozessen


Masterarbeit, 2020

190 Seiten, Note: 1,1


Leseprobe


Inhalt

Kurzfassung

1 Einleitung
1.1 Problemstellung, Zielsetzung und Forschungsfrage
1.2 Vorgehensweise

2 Kreatives Denken
2.1 Kreativität allgemein
2.1.1 Definitionen für Kreativität
2.1.2 Abgrenzung zur Innovation
2.1.3 Bezugsebenen der Kreativität
2.2 Biologische Grundlagen
2.2.1 Informationsübertragung
2.2.2 Speichern und Abrufen von Wissen
2.3 Divergentes und konvergentes Denken
2.3.1 Divergentes Denken
2.3.2 Konvergentes Denken
2.3.3 Zusammenspiel von divergentem und konvergentem Denken
2.4 Der kreative Prozess
2.4.1 Phasen des kreativen Denkens
2.4.2 Kreative Prozesse in der Praxis
2.5 Persönliche Einflussfaktoren
2.5.1 Bereichsrelevante Fähigkeiten
2.5.2 Motivation
2.5.3 Kreativitätsrelevante Fähigkeiten
2.5.4 Proaktive und reaktive Kreativität
2.6 Das kreative Klima
2.6.1 Wohlbefinden
2.6.2 Herausforderung
2.6.3 Verspieltheit und Humor.
2.6.4 Etabliertes Klima

3 Ideation-Methodik
3.1 Allgemeine Zielsetzung von Ideation-Methodik
3.2 Kategorisierung von Ideation-Methoden
3.2.1 Intuitive und systematische Ideation-Methoden
3.2.2 Laute und leise Methoden
3.2.3 Assoziative und Force-Fit-Methoden
3.2.4 Performative und Rollen-Methoden
3.2.5 Ideation-Prinzipien nach Geschka
3.3 Bestehende Methoden
3.3.1 Assoziative Techniken
3.3.2 Konfrontationstechniken
3.3.3 Konfigurationstechniken
3.3.4 Imaginationsmethoden
3.4 Vorbereitung und Planung
3.4.1 Inhaltliche Vorgaben
3.4.2 Teilnehmerzahl
3.4.3 Konstellation der Teilnehmer.
3.4.4 Facilitation
3.4.5 Dauer
3.4.6 Medien und Materialien
3.4.7 Visualisierung

4 Experteninterviews
4.1 Vorüberlegungen
4.2 Untersuchungsfragen
4.3 Entwicklung des Untersuchungsdesigns
4.3.1 Erhebungsmethodik
4.3.2 Anzahl der Interviews
4.3.3 Transkription
4.3.4 Auswertungsmethodik
4.3.5 Auswahl der Interviewpartner.
4.3.6 Entwicklung des Leitfadens
4.4 Anpassung des Untersuchungsdesigns
4.4.1 Anpassung nach Pilot-Interview.
4.4.2 Anpassung nach Interview 2
4.5 Auswertung der Interviews
4.6 Ergebnisse der Interviews
4.7 Beantwortung der Untersuchungsfragen

5 Fazit zum Forschungsteil
5.1 Beantwortung der Forschungsfrage
5.2 Anforderungen an ein neues Konzept
5.3 Kritische Reflexion

6 Entwicklung einer neuen Ideation-Methode
6.1 Verworfene Konzeptidee: Treibhaus-Methode
6.2 Verworfene Konzeptidee: Confrontation Cards
6.3 Finales Konzept: Competitive Combining
6.3.1 Anwendungsbereich
6.3.2 Ablauf
6.4 Diskussion des Konzeptes und Ansätze zur Weiterentwicklung

Anhang: Auswertung der Experteninterviews
Experteninterview 1: Michael Fuchs
Übersicht der Kodes
Kodiertes Transkript
Kategoriebildung
Ergebnisse
Experteninterview 2: Benjamin Lipinski
Übersicht der Kodes
Kodiertes Transkript
Kategoriebildung
Ergebnisse
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Experteninterview 3: Alessandra Enriconi
Übersicht der Kodes
Kodiertes Transkript
Kategoriebildung
Ergebnisse

Abbildungsverzeichnis

Literatur- und Quellenverzeichnis

Kurzfassung

Zur Unterstützung der Ideenfindung in kreativen Prozessen ist mittlerweile eine Vielzahl von Methoden geboten, die in ihrer Gesamtheit nicht mehr überschaubar ist. Es werden diverse Abläufe und Strategien zum Erzeugen von Ideen genutzt, wobei die Wirksamkeit einzelner Ideation-Methoden in der Forschung selten untersucht wird.

In dieser Arbeit wird analysiert, welche Aspekte entscheidend für die Generierung kreativer Ideen sind und wie diese durch Ideation-Methoden abgedeckt werden können. Ausgehend von bestehenden Strategien wird als Zielsetzung ein neuartiges Konzept für eine wirksame Ideation-Methode entwickelt. Dazu wird die folgende Forschungsfrage gestellt:

„Anhand welcher Aspekte muss eine Ideation-Methode konzipiert werden, um in der Praxis eine effektive Ideengenerierung zu ermöglichen?“

Zur Ermittlung der Anforderungen werden Einflussfaktoren auf das kreative Denken sowie gängige methodische Ansätze vertieft. In qualitativen Interviews mit Experten aus drei unter­schiedlichen kreativen Umfeldern werden die Aspekte abgeglichen und erweitert.

Als Resultat ergibt sich eine Reihe allgemeiner Anforderungen an das Konzept. Dazu zählt die strikte Trennung divergenter und konvergenter Phasen, die Einbindung von leiser Ideation zu Beginn des Ablaufs, die Unabhängigkeit von digitalen Medien und der Schwerpunkt auf Neuartigkeit der Ideen mit verstärktem Fokus auf Nutzbarkeit für den beruflichen Einsatz.

Die Sparte der konfrontativen Methoden wird dabei als Ansatzpunkt für die konzeptuelle Entwicklung identifiziert, da die Einbindung externer Reize ein hohes Maß an Neuartig­keit ermöglicht, jedoch praktisch mit limitierter Nutzbarkeit der Ideen einhergeht. Das ent­wickelte Konzept liefert dafür einen spielerischen Ansatz, bei dem themenfremde Reize auf kompetitive Weise mit kontextnahen Lösungskategorien kombiniert werden. Dadurch verläuft die Ideation in einem motivationssteigernden, lösungsorientierten Rahmen.

1 Einleitung

In der kreativen Praxis spielt das Erzeugen von originellen Ideen und Problemlösungen eine zentrale Rolle.1 Um die Entwicklung dieser Ideen zu unterstützen, hat sich der Einsatz von Kreativitätstechniken an unterschiedlichen Stellen kreativer Prozesse etabliert.2 So gibt es Methoden zur Spezifizierung von Problemen, zur Generierung von Ideen sowie Methoden zur Bewertung und Weiterentwicklung dieser Ideen.3 Der Schritt der systematischen Ideen­generierung wird dabei auch als Ideation bezeichnet.4

Für die Ideation stehen viele unterschiedliche Methoden zur Verfügung, welche das Denken durch Regelungen in neue Bahnen lenken, um Ideen abzurufen.5 Seit der Entwicklung des bekannten Brainstormings in den 1950ern hat sich ein großes Spektrum an Techniken ent­faltet.6 Die Methoden beruhen auf verschiedenen Strategien zum Fördern von Umdenken und Abstraktion und laufen mal mehr, mal weniger strukturiert ab.

1.1 Problemstellung, Zielsetzung und Forschungsfrage

Die Auswahl der einsetzbaren Ideation-Methoden ist heutzutage nicht mehr überschaubar.7 Mit Ausnahme des verbreiteten Brainstormings wird die Wirksamkeit der unterschiedlichen Ideation-Methoden in der Forschung nur selten gezielt untersucht.8 9

Die Wahl dieses Forschungsthemas ergibt sich aus der persönlichen Motivation, metho­dische Ideation-Konzepte zu analysieren und Anforderungen zur Förderung der kreativen Ideengenerierung herauszustellen.

Die Zielsetzung dieser Abschlussarbeit besteht darin, basierend auf theoretischen Aspekten und realen Ansätzen eine neue Ideation-Methode zu konzipieren, welche eine möglichst effektive Ideengenerierung in der kreativen Praxis ermöglicht. Dafür muss ermittelt werden, welche Faktoren die Entstehung kreativer Ideen begünstigen und wie diese methodisch vereint werden können. Das Konzept soll eine neuartige Ideenlücke füllen und kann eine Abwandlung, Erweiterung oder Kombination bestehender Konzepte sein. Die Form und die Art der Methode sind zu Beginn offengehalten.

Der Schwerpunkt wird dabei auf die Generierung von Ideen gelegt, weshalb Aspekte zur Filterung und zur Selektion von Ideen nicht behandelt werden. Da das Thema umfassend vertieft werden soll, werden die genauen praktischen Einsatzgebiete der neuen Methode nicht eingegrenzt und sollen sich aus der Konzeptidee ergeben. Der persönliche Anspruch besteht darin, ein vorzeigbares Konzept zu kreieren, das ausgearbeitet und ggf. produziert werden kann.

Zur Ermittlung der Anforderungen und Ansatzmöglichkeiten für das Konzept bedarf es einer umfassenden theoretischen Auseinandersetzung. Als Rahmen wird folgende Forschungs­frage formuliert:

Anhand welcher Aspekte muss eine Ideation-Methode konzipiert werden, um in der Praxis eine effektive Ideengenerierung zu ermöglichen?

1.2 Vorgehensweise

Um zu verstehen, welche Aspekte für die Entstehung kreativer Ideen relevant sind, erfolgt zunächst eine theoretische Behandlung des kreativen Denkens von Menschen. Es werden unterschiedliche Einflussfaktoren vertieft, die sich auf kreatives Denkvermögen auswirken.

Im Anschluss werden bestehende Konzepte der Ideation-Methodik theoretisch untersucht. Dabei wird vertieft, wie sich methodische Ansätze zur Ideengenerierung unterscheiden und welche Vorteile und Nachteile die einzelnen Strategien aufweisen. Im Zuge dessen werden auch gängige Methoden konkret betrachtet und diskutiert. Aspekte zur Planung von Ideation werden ebenfalls berücksichtigt.

Ergänzend werden qualitative Interviews mit Experten und Expertinnen aus unterschied­lichen kreativen Umfeldern durchgeführt, um bisherige Erkenntnisse und erste Ideen gezielt zu validieren. In den Interviews werden auch weitere praktische Anforderungen und Verbes­serungsmöglichkeiten für Ideation-Methodik aus erster Hand ermittelt.

Mithilfe der gesammelten Erkenntnisse wird die Forschungsfrage beantwortet. Daraufhin werden einige Anforderungen zusammengefasst, mit denen im letzten Schritt das Konzept für die neue Ideation-Methode entwickelt wird. Aufgrund des zeitlichen Rahmens wird auf ein Testing der Methode verzichtet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

2 Kreatives Denken

In diesem Kapitel werden kreatives Denken und seine Einflussfaktoren behandelt. Das Ziel des Kapitels ist, eine Verständnisgrundlage für die Ideation-Methodik zu bilden, welche im weiteren Verlauf der Arbeit thematisiert wird.

Dafür werden zunächst Definitionen der Begriffes Kreativität vorgestellt und eine Abgren­zung zur Innovation gezogen. Es erfolgt ein Einblick in die Funktionsweise des kreativen Denkens anhand der Verarbeitung von Informationen im menschlichen Gehirn sowie der Unterscheidung von divergentem und konvergentem Denken.

Im Anschluss wird erläutert, wovon kreatives Denken abhängt und durch welche Parameter es beeinflusst wird. Anhand eines ausgewählten Modells werden die Einflussfaktoren aus­geführt, wobei in prozessuale, persönliche und umgebungsbedingte Aspekte unterschieden wird. Die Relevanz der Einflussfaktoren für die Zielsetzung wird jeweils verdeutlicht.

2.1 Kreativität allgemein

Bevor die Entstehung kreativer Ideen untersucht werden kann, muss darüber nachgedacht werden, wann etwas als kreativ bezeichnet werden kann. Dieser erste Abschnitt dient dazu, ein Verständnis von Kreativität abzubilden. Darüber hinaus erfolgt eine Einführung in die unterschiedlichen Bezugsebenen von Kreativität.

2.1.1 Definitionen für Kreativität

Eine zentrale Bedingung, die sich in zahlreichen Definitionen von Kreativität wiederfindet, ist ein Zusammenspiel von Neuartigkeit und Relevanz. So beschreibt der Innovationsberater Florian Rustler in der Arbeitsdefinition seiner Firma „creaffective“ Kreativität als die „Fähig­keit, etwas neues hervorzubringen, das Nutzen bereitet.“ 10 Auch Lehmann äußert in seiner Definition von Kreativität die Voraussetzung, dass Ideen oder Leistungen nicht nur neuartig, sondern auch sinnvoll sein müssen, um als kreativ zu gelten.11

Das Kriterium der Relevanz ermöglicht zunächst keine Rückschlüsse auf den Grad der Nutz­barkeit, der für Kreativität notwendig ist. Insbesondere bei künstlerischen Leistungen ist die Beurteilung dieses Kriterium problematisch.12 Rustler weist darauf hin, dass der Hintergrund und das Ausmaß des Nutzens“ in seiner Definition bewusst offen gehalten wird.13 Mumaw geht einen Schritt weiter und definiert als Voraussetzung, dass ein Problem der Ausgangs­punkt für Kreativität ist, welches mit neuartigen Ansätzen erfolgreich gelöst wird.14

Die Relevanz wird in den gezeigten Definitionen, ebenso wie die Neuartigkeit, als abhängig von einem spezifischen Kontext verstanden und ist daher nicht allgemeingültig quantifizier­bar. Der Verfasser dieser Abschlussarbeit sieht als entscheidend an, dass Relevanz und Neuartigkeit generell in einem gemeinsamen Kontext stehen müssen, um von Kreativität sprechen zu können. Der Grad der Kreativität wird subjektiv wahrgenommen und hängt von der Ausprägung der beiden Parameter im Kontext ab.

2.1.2 Abgrenzung zur Innovation

Wie in der Literatur oft betont wird, sind Kreativität und Innovation nicht als Synonyme zu betrachten. Rustler sieht Innovation als „Einführung eines kreativen Ergebnisses in einen größeren Kontext“ 15 Jacob wiederum versteht Kreativität als den ideengenerierenden Teil­prozess der Innovation.16

In beiden Definitionen steht der Terminus Kreativität nicht mit praktischer Umsetzung in Verbindung, was den Unterschied zur Innovation ausmacht. Kreativität wird insofern als Grundlage betrachtet, um in weiteren Schritten durch Realisierung in einem Kontext zu Inno­vation zu gelangen.

2.1.3 Bezugsebenen der Kreativität

Es bleibt noch zu klären, ob Kreativität tatsächlich als Eigenschaft einer Person verstanden werden kann. Kreativität wird in der Literatur nicht ausschließlich als Merkmal einer Person, sondern in unterschiedlichen Bezugsebenen betrachtet.17 Je nach Definition wird sie eher als Attribut einer Person, eines Prozesses, oder des Produktes gesehen.

So betont Lehmann, dass Kreativität stets vom Endergebnis aus zu betrachten ist und defi­niert im Zuge dessen das Attribut „kreativ“ in erster Linie als Eigenschaft eines Produktes.18 Die ergebnisbezogene Definition der Kreativität findet sich in der aktuellen Forschung häufig Kreatives Denken wieder und bietet den Vorteil, dass Kreativität über Kriterien der Neuigkeit und Nützlichkeit gemessen werden kann.19 Gaier kommentiert, dass das Produkt ausschlaggebend für die Ergebnisbewertung ist, woraufhin sich Rückschlüsse auf die Kreativität von Personen oder Prozessen ziehen lassen, die zum Produkt beigetragen haben.20

Das Zusammenspiel dieser unterschiedlichen Bezugsebenen mit dem Produkt als zentrales Resultat wird treffend im „4P-Modell der Kreativität“ nach Rhodes abgebildet.21 Dieses Modell stammt aus den 1960ern und definiert Kreativität als Konstrukt aus den Aspekten Person, Klima (englisch: press) und Prozess, sowie deren gemeinsamem Ergebnis: Das Produkt.22 23

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1:4P-Modell der Kreativität nach Rhodes 23

Die Prozess-Ebene beschreibt die Phasen, die bis zur Entstehung einer Idee durchlaufen werden. Die Personen-Ebene umfasst die Persönlichkeitseigenschaften und Fähigkeiten der beteiligten Menschen. Das „Klima“ steht für die Umgebung und die Atmosphäre, in welcher der kreative Prozess abläuft.

Wie Rustler schildert, liefert das 4P-Modell eine gute Klassifizierbarkeit der relevanten Aspekte von Kreativität.24 Da im 4P-Modell das Zusammenspiel der Bezugsebenen adäquat berücksichtigt wird, entscheidet sich der Verfasser, dieses Modell im weiteren Verlauf dieses Kapitels zur Strukturierung zu nutzten. Die Ebenen Prozess, Person und Klima beinhalten diverse Einflussfaktoren auf das kreative Denken, die näher beleuchtet werden sollen.

Um die Auswirkungen dieser Faktoren besser nachvollziehen zu können, ist es hilfreich, sich vorher klar zu werden, wie das kreative Denken grundlegend funktioniert. Daher wird im Folgenden zunächst erläutert, wie Informationen im menschlichen Gehirn abgespeichert werden.

Außerdem wird die Differenzierung zweier Arten des Denkens verdeutlicht, durch deren Verbindung Kreativität zustande kommen kann: divergentes und konvergentes Denken.

2.2 Biologische Grundlagen

In diesem Kapitel soll greifbar gemacht werden, wie Wissensstrukturen im menschlichen Gehirn gespeichert und abgerufen werden. Dafür müssen einige Grundlagen zur Verarbei­tung von Informationen betrachtet werden.

2.2.1 Informationsübertragung

Bei Menschen und Tieren erfolgt die Weiterleitung von Informationen durch ein Nervensys­tem, das aus einfachen Bausteinen besteht: den Neuronen.25 Dies sind Nervenzellen, welche mit anderen Neuronen verbunden sind, um elektrische Reize weiterzuleiten. Die Neuronen haben abzweigende Fasern, sogenannte Dendriten, die eingehende Reize von anderen Neuronen empfangen und in den Zellkern leiten.26 Vom Zellkern aus laufen ausgehende Reize in das Axon, welches sich in kleinere Axone verästelt. Diese Axone stehen mit den Dendriten von anderer Zellen in Verbindung, wie in Abbildung 2 veranschaulicht.

Der Verbindungspunkt zwischen zwei Neuronen ist eine Synapse. Dabei handelt es sich um einen wenige Nanometer großen Spalt zwischen dem Axon und dem Dendrit, an dem die Übertragung eines Reizes stattfinden kann. Die Voraussetzung für das Entstehen dieses Reizes ist das Erreichen eines Schwellenwertes im sendenden Neuron.

Ob dieser Schwellenwert erreicht wird, ist abhängig von den Reizen, die das Neuron zuvor empfängt. Die meisten der empfangenen Reize wirken erregend, manche jedoch hemmend für das Erreichen des Schwellenwertes.27

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Neuron

Wenn der Schwellenwert erreicht wird, findet die Reizübertragung statt. Dafür stößt die sendende Zelle eine elektrische Ladung aus, welche auch als Aktionspotential bezeichnet wird. Dieser Impuls bewirkt wiederum, dass die Wahrscheinlichkeit für die Entstehung eines Aktionspotentials in der Empfängerzelle entweder erhöht oder gehemmt wird.28

Auf diese Weise können Reize bzw. Informationen übertragen werden. Diese Weiterleitung kann durch drei Arten von Neuronen geschehen. Sensorische Neuronen leiten Reize von den Sinnesorganen zum zentralen Nervensystem, also zum Rückenmark und zum Gehirn. Die Motoneuronen hingegen nehmen den umgekehrten Weg und leiten Reize vom Gehirn zu den Muskeln.29

Zwischen diesen beiden Wegen findet die Verarbeitung der Informationen im Gehirn statt, durch sogenannte Interneuronen. Diese ermöglichen eine Speicherung von Wissen im Lang­zeitgedächtnis und schließen sich dafür zu komplexen, neuronalen Netzen zusammen.30

2.2.2 Speichern und Abrufen von Wissen

Um zu verstehen, wie diese Wissensstrukturen angelegt werden, liefert die Schematheorie eine gute Veranschaulichung. Diese Theorie beruht auf der Vorstellung, dass das Wissen in Form von Netzwerken organisiert ist.31 Es werden Schemata aus Knoten und deren Ver­bindungen ausgebildet, um gesammeltes Wissen zu strukturieren. Dabei erfolgt stets eine Reduktion der Komplexität.32

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Gedankliches Schema

Das Netzwerk an Wissen bildet sich bei jedem Menschen individuell auf Basis von Erfah­rungen aus. Neue Informationen werden interpretiert, indem die Schemata abgerufen und durchlaufen werden. Dieser Abgleich funktioniert nach dem Prinzip der „spreading activation“: Wenn ein Bereich des Netzwerks aktiviert ist, so werden automatisch auch weitere Knoten aktiviert, die mit dem Bereich verbunden sind.33 Dadurch sind Assoziationen möglich.

Die Schemata werden erweitert, indem neues Wissen an passenden Stellen verknüpft wird. Es werden also vergangene Erfahrungen genutzt, um neue Reize einzuordnen. Je besser eine neue Information zu einem bestehenden Schema passt, desto wahrscheinlicher ist die Herstellung einer Verknüpfung.

Bei einem sehr fundierten, umfangreichen Schema ist die Wahrscheinlichkeit entsprechend höher, einen Punkt für die Anknüpfung zu finden. Daher kann sich eine Person, die Experte in einem bestimmten Bereich ist, schneller neues Wissen in diesem Bereich aneignen.34

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Assoziationen durch Spreading Activation im gedanklichen Schema

Je mehr ein gedankliches Schema genutzt wird, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass es erneut abgerufen wird.35 So lassen sich auch Gewohnheiten erklären.

Wenn in den Schemata Abläufe oder Prozesse gespeichert sind, spricht man auch von Skripten.36

Emotionen spielen hier ebenfalls eine Rolle, da sie die Herstellung und die Festigung der Verbindungen verstärken können. Dies wird auch als Verarbeitungsmotivation bezeichnet.37 Wenn ein Kind bspw. auf eine Herdplatte fasst, erfährt es ein erschreckendes Schmerz­erlebnis. Der Zusammenhang von Herdplatten zu Hitze und Gefahr wird gelernt und im Langzeitgedächtnis abgespeichert. Diese Verbindung ist durch einen emotionalen Marker gekennzeichnet und wird daher stärker gefestigt. Emotionen verstärken die Verbindungs­bildung nicht nur, sondern schreiben dem gespeicherten Wissen auch eine Bedeutung zu, die beim späteren Abrufen des Wissens nachempfunden wird.

Das menschliche Gehirn ist auf die bestehenden Schemata angewiesen, um das Welt­geschehen zu verstehen. Aus diesem Grund strebt das Gehirn tendenziell nach der Bestäti­gung bzw. Erweiterung dieser Schemata, anstatt diese zu ändern oder zu verlassen.38

Das experimentelle Hinterfragen gedanklicher Strukturen, welches für Kreativität nötig ist, entspricht insofern nicht der natürlichen Routine des menschlichen Verstandes und kann dementsprechend schwerfallen.39 Diese Problematik wird oft auch als Denkblockade bezeichnet und macht sich insbesondere bei stark gefestigten Denkroutinen bemerkbar.40

Das Aufbrechen der gedanklichen Strukturen fällt in der Regel leichter, wenn diese gerade erst ausgebildet werden, oder wenn äußere Reize Anregungen für mögliche Verknüpfungen liefern. Dies ist eine wichtige Erkenntnis hinsichtlich des Erzeugens von Neuartigkeit, welche für kreatives Denken notwendig ist.

2.3 Divergentes und konvergentes Denken

Als Grundlage für kreatives Denken nennen zahlreiche Autoren eine Unterscheidung in zwei Denkarten, welche auf das Jahr 1950 zurückgeht: Das divergente und konvergente Denken, benannt von Guilford.41

2.3.1 Divergentes Denken

Divergentes Denken beschreibt die offene, gedankliche Beschäftigung mit einem Thema und die Suche nach Ideen.42 Bei divergentem Denken geht es um Intuition, Experimentierfreu­digkeit und um rein quantitatives Erzeugen von Optionen, ohne die Berücksichtigung von Qualität. Es findet also keine Bewertung der Möglichkeiten statt.

Lehmann betont, dass Divergentes Denken zwar frei und breit ist, aber nicht unabhängig von einem Ausgangspunkt.43 Außerdem findet divergentes Denken notwendigerweise auf Basis gedanklicher Schemata statt, die bereits existieren. Es muss also einen Startpunkt geben, von dem aus ein gedankliches Schema nach außen erkundet wird. Als Ergebnis dieser Erkundung können sich neue Verknüpfungen ergeben.44

Eine besondere Art des divergenten Denkens wurde von Edward de Bono als „laterales Den­ken“ bekannt gemacht.45 Das laterale Denken basiert auf dem Erzeugen neuer Blickwinkel durch bewusste Abweichung vom eigentlichen Kontext und gedankliche Umwege.46 Wenn von diesen neuen Blickwinkeln „rückwärts“ gedacht wird, ergeben sich mitunter Zusammen­hänge zum ursprünglichen Kontext.47 So kommen unerwartete Assoziationen zustande und gefestigte Denkstrukturen werden überwunden.

2.3.2 Konvergentes Denken

Das konvergente Denken hingegen ist nicht offen, sondern streng logisch und fokussierend. Jegliche Form von Bewertung und Evaluation funktioniert konvergent. Optionen werden mit bekannten Anforderungen abgeglichen, um ihre Eignung explizit zu überprüfen. Dadurch werden Aussagen über die Qualität von Ideen möglich.48 Konvergentes Denken ist rational und sucht keine Ideen, sondern Antworten, die entweder richtig oder falsch sind.49

Bezogen auf die Schematheorie ist konvergentes Denken die Anwendung bestehender Wissensstrukturen mit dem Versuch, eine vorgegebene Information darin faktisch einzu­ordnen. Daher ist konvergentes Denken die Grundlage dafür, wie die Wissensstrukturen überhaupt erst ausgebildet werden.

Trotz der Andersartigkeit der beiden Denkarten stellt konvergentes Denken in jedem Fall eine notwendige Vorstufe für divergentes Denken dar. Kenntnisse über einen bestimmten Bereich müssen zuerst durch konvergentes Denken gelernt werden, um eine Grundlage für Inspiration zu schaffen. Diese Voraussetzung beschreiben die Gebrüder Cropley als „Fundament der Intuition“50 Näheres zum Thema Vorwissen und Expertise folgt im Kapitel „Persönliche Einflussfaktoren“

2.3.3 Zusammenspiel von divergentem und konvergentem Denken

Die bisherige Erläuterung lässt den Anschein erwecken, dass divergentes Denken mit kreati­vem Denken gleichzusetzen ist. Diese Annahme ist falsch und sollte vermieden werden, wie Beyer und Gerlach anmerken.51 Vielmehr liefert erst eine abwechselnde Zusammenarbeit der beiden Denkarten die Möglichkeit, zu kreativen Ergebnissen zu gelangen.

Entsprechend der zuvor diskutierten Anforderung an Kreativität müssen Gedanken sowohl neuartig, als auch relevant sein, um als kreativ zu gelten. Um neuartige Möglichkeiten zu generieren, ist divergentes Denken notwendig. Die anschließende Prüfung der Relevanz erfolgt über konvergentes Denken. Die Gebrüder Cropley bezeichnen divergentes Denken diesbezüglich als neuheitsschöpfend und konvergentes Denken als wertrealisierend.52

Dieses Zusammenspiel lässt sich in einer Diamantenform veranschaulichen. Darin gibt sich zu erkennen, dass das divergente Denken eine gedankliche Öffnung bewirkt, die durch das konvergente Denken wieder geschlossen wird. Rustler kennzeichnet dies grafisch mit einem „Bereich der Entdeckung“, in den während der Öffnung vorgedrungen wird.53 54

Die Abwechslung von divergentem und konvergentem Denken spielt eine große Rolle in der Prozessebene der Kreativität, welche nun näher betrachtet wird.

2.4 Der kreative Prozess

Der kreative Prozess ist der Ablauf, dem kreatives Denken zugrunde liegt. Er umfasst die Phasen und Teilschritte, die durchlaufen werden, bevor letztendlich das kreative Ergebnis zustande kommt. Der Prozess ist eine der drei Ebenen, die laut dem 4P-Modell nach Rhodes zu einem kreativen Ergebnis führen.55

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 6: Prozess-Ebene im 4P-Modell der Kreativität

Es wurden einige Modelle entwickelt, die den Ablauf von kreativem Denken näher skizzieren und in konkretere Schritte einteilen. Rustler weist darauf hin, dass ein realer kreativer Prozess nie genau durch Modelle abgebildet bzw. prognostiziert werden kann.56 Allerdings sei der Versuch zur Strukturierung durch Modelle dennoch sinnvoll, um die Phasen zu verstehen und einen Orientierungsrahmen zu erzeugen, der insbesondere für systematische Kreativ­prozesse hilfreich ist.

2.4.1 Phasen des kreativen Denkens

Beyer und Gerlach zufolge basieren alle kreativen Prozessmodelle im Kern auf vier elemen­taren Aspekten, welche bereits im Jahr 1926 von Graham Wallas als systematische Theorie des kreativen Denkens beschrieben wurden.57 58 59 Diese Phasen werden im Folgenden näher erläutert.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 7: Vier Phasen des kreativen Denkens nach Wallas 59

Vorbereitung

Die Vorbereitungsphase leitet einen kreativen Prozess ein, indem zunächst ein Problem als Anlass gefunden wird.60 Dieses Problem muss zunächst verstanden werden, was kon­vergentes Denken voraussetzt. Über den Aufbau von Wissen im betreffenden Bereich wird ein Fundament für die weiteren kreativen Prozessschritte geschaffen.

Der Erwerb dieser Wissensbasis muss zeitlich nicht unbedingt nach der Findung des Problems erfolgen. Die Expertise kann auch im Vorhinein erworben worden sein, sodass sie die implizite Grundlage für ein später auftretendes Problem bietet. Cropley und Cropley halten diese Reihenfolge für notwendig und deuten die Vorbereitungsphase in als einen Wissensaufbau, der erst zur Aktivierung, d.h. Bewusstwerdung, eines Problems führt.61

Inkubation

Die Inkubationsphase kommt dem umgangssprachlichen „sacken lassen“ nahe. Sie ist ein Zeitraum, in dem keine bewusste Auseinandersetzung mit dem Problem erfolgt. Diese Phase kann als Reifeprozess verstanden werden, bei dem die relevanten Informationen implizit ver­arbeitet werden.

In Studien aus Jacobs Dissertation berichteten einige Testpersonen von einem gewissen „Frequenzbereich“ der Kreativität und Phasen, in welchen unerwartet Ideen entstehen.62 Diese kreativitätsfördernde Wirkung der Inkubationsphasen ist in der Forschung noch nicht eindeutig ergründet worden, wie Beyer und Gerlach schildern.63 Sie verweisen aber auf Studien, in denen die Hirnaktivität von Probanden gemessen wurde, während diese nach Lösungen für ein Problem suchten. Beim Finden von weniger naheliegenden Ideen wurde eine reduzierte Hirnaktivität festgestellt.64

Dies zeigt, dass die Aufmerksamkeit weniger fokussiert ist, was zur Folge hat, „dass auch (scheinbar) irrelevante Konzepte aufgerufen werden und in den Informationsverarbeitungs­prozess integriert werden“ 65 Dadurch wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass Zusammen­hänge hergestellt werden, die bisher keine Verbindung hatten.

Dieser Effekt kann auch mit der Schematheorie des menschlichen Gehirns nachvollzogen werden. Das Pausieren der Auseinandersetzung mit dem Thema hat den positiven Effekt, dass inhaltliche Fixierungen abgebaut werden.66 So kann das Thema zu einem späteren Zeit­punkt aus einem anderen, weniger fokussierten Blickwinkel betrachtet werden. Dadurch fällt es leichter, das Problem mit anderen gedanklichen Schemata zu verknüpfen. Die Wahr­scheinlichkeit kreativer Einfälle wird also effektiv erhöht.

Die implizite Verarbeitung kann auch dann stattfinden, wenn sich eine Person explizit mit anderen Dingen befasst. Baird et al. bezeichnen diesen Effekt als „mind wandering“ In einer Studie konnten sie beobachten, dass eine gedankliche Ablenkung durch anspruchs­lose Tätigkeiten während der Inkubationsphase förderlich ist, um zu kreativen Einfällen zu gelangen.67 Die Inkubationsphase mündet schließlich in die nächste Etappe: Die Illumination.

Illumination

Die Illumination beschreibt den Moment, in dem eine Idee entsteht. Genauer gesagt ist es die plötzliche Einsicht, dass ein Gedanke eine Lösung für das Problem darstellt. Bezogen auf die gedanklichen Schemata ist dies der Moment, wo sich zwei bestehende Strukturen an einer neuen Stelle verbinden.

Dieser „Geistesblitz“ wird von Menschen oft als zufällig wahrgenommen, so als würde die Anregung scheinbar von außen stammen, ohne klaren Ursprung.68 Beyer und Gerlach unter­streichen aber, dass die Illumination nur als Resultat einer vorangegangenen Vorbereitung entstehen kann.69 Da dieser Moment nur schwer steuerbar ist, sei es umso wichtiger, ihn auszunutzen.70

Die Illumination kann auf zwei Weisen entstehen: Entweder absolut spontan im Laufe der Inkubation, oder durch bewusstes Abrufen.71 Laut Rustler werden die spontane und die beabsichtigte Ideenfindung in der Kreativitätsforschung auf einem Kontinuum angeordnet. Anhand dieses Kontinuums lassen sich nach Rustler zwei unterschiedliche Ansätze zum Herbeiführen einer Illumination ableiten: „Make it Happen“ und „Let it Happen“72

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 8: Kontinuum der spontanen und beabsichtigten Kreativität 73

Der Make it Happen-Ansatz ist der Versuch, die Illumination bewusst zu triggern. Rustler sieht genau hier den Ansatzpunkt von Ideation-Methodik.

Der Let it Happen-Ansatz hingegen dient dazu, eine Grundlage zu schaffen, die Illumination begünstigt. Dabei spielt das kreative Klima eine wichtige Rolle, welches in einem späteren Kapitel behandelt wird.

Verifikation

Die vierte Phase ist die Verifikation. Es wird durch konvergentes Denken ausgewertet, ob und in welchem Maße die gefundene Idee das anfängliche Problem tatsächlich lösen kann. Manche Autoren verorten in dieser Phase auch die Elaboration, also die Weiterentwicklung der Idee, da diese oft nicht von der Bewertung zu trennen ist.74

Die lineare Abfolge dieser vier Phasen beschreibt einen idealtypischen Ablauf, der nicht der Realität entspricht. Stattdessen kommt es in realen kreativen Prozessen zu einer Abwechs­lung, Zirkulation oder Überlappung dieser Phasen.75 Entscheidend ist, dass alle Phasen durchlaufen werden.

2.4.2 Kreative Prozesse in der Praxis

Im Folgenden wird näher beleuchtet, wie der kreative Denkprozess für die praktische An­wendung adaptiert wird. Es existieren einige gängige Modelle für kreatives Arbeiten. Rustler leitet aus Wallas' Theorie des kreativen Denkens ein grundlegendes Schema ab, welches die systematische Vorgehensweise für kreative Arbeitsprozesse formuliert.76

1. Klären der Situation
2. Entwickeln von Ideen
3. Entwickeln von Lösungen aus den Ideen

Die vier Phasen des kreativen Denkens nach Wallas werden hier in eine systematische Form überführt: „Klären der Situation“ bildet die Vorbereitung ab, während der Schritt „Entwickeln von Ideen“ den systematischen Ansatz zur Inkubation und Illumination beschreibt. Das „Ent­wickeln von Lösungen aus den Ideen“ steht für die Verifikation.

Dieses Schema veranschaulicht eine Charakteristik, die sich bei gängigen kreativen Arbeits­modellen als Gemeinsamkeit feststellen lässt: Eine ausdrückliche zeitliche Trennung von Zielfestlegung, Ideengenerierung und Ideenbewertung. Laut Pricken sollte die Trennung die­ser drei Phasen so konsequent wie möglich eingehalten werden. Er beschreibt die Striktheit der Phasentrennung als unmittelbaren Faktor für erfolgreiche Ergebnisse in der Praxis.77

Diese strenge Trennung von Zielfestlegung, Ideengenerierung und Ideenbewertung beruht auf der bewussten Abwechslung von divergentem und konvergentem Denken. Für die Phase der Ideengenerierung bedeutet dies, dass jegliche Evaluation verhindert werden muss, um mit rein divergentem Denken eine hohe Quantität an Ideen zu generieren. Das Ziel ist an dieser Stelle also noch nicht das Finden der richtigen Lösung, sondern das Aufstellen eines möglichst breiten und variantenreichen Ideenspektrums.78

Diese Phase wird in der Praxis oft als Ideation bezeichnet und soll im weiteren Verlauf dieser Abschlussarbeit näher betrachtet werden. Je besser hier konvergentes Denken verhindert werden kann, desto besser ist der quantitative Ideen-Output. Konvergentes Denken kommt lediglich bei der Vorbereitung zum Einsatz, sowie bei der späteren Ideenbewertung, um die Qualität der Ideen in Betracht zu ziehen.

Trotz der strikten Trennung dieser Phasen gilt auch hier, dass die Phasen nicht streng chrono­logisch ablaufen müssen.79 Im Laufe des systematischen Prozesses sollten einzelne Phasen wiederholt werden, um eine iterative Verbesserung zu gewährleisten.

Die Gebrüder Poschauko betonen, dass die Alternierung aus divergenten und konvergenten Phasen sehr förderlich dafür ist, eine Problemstellung aus unterschiedlichen Blickwinkeln zu betrachten.80 Durch das divergente Denken kann in regelmäßigen Abständen ein neuer, ziel- führender Kreativraum festgelegt werden, der wiederum mit divergentem Denken völlig offen bearbeitet wird. Sie beschreiben diese Strategie metaphorisch als Rotation von „Kopf und Bauch“.81

Die Phasen des systematischen, kreativen Prozesses werden in verschiedenen Arbeitsmo­dellen mit unterschiedlichen Schwerpunkten adaptiert.

So findet bspw. im Bereich des UX Designs (User Experience Design) insbesondere das Design Thinking Verwendung, welches im Vergleich zu anderen kreativen Arbeitsmodellen eine nutzerzentrierte Herangehensweise in den Vordergrund stellt.82 Nach einer intensiven Vorbreitungsphase zur Beobachtung und zum Verständnis der Nutzer liefern hier die Nutzer­bedürfnisse eine Grundlage für die Ideengenerierung:83

„Ideation is your chance to combine the understanding you have of the problem space and people you are designing for with your imagination to generate solution concepts.“ 84

Ein weiteres Beispiel ist das Creative Problem Solving Modell nach Osborn, welches nach der Entwicklung von Lösungen weitere Phasen zur Erstellung eines Umsetzungskonzeptes und zur Realisierung vorsieht.85 Es handelt sich demnach um ein Innovationsmodell.

Die Betrachtung des kreativen Prozesses soll in dieser Abschlussarbeit zunächst unabhängig von konkreten Arbeitsmodellen erfolgen. Eine spezifischere Betrachtung der Ideation-Phase als zeitlicher Prozess folgt in einem späteren Kapitel.

2.5 Persönliche Einflussfaktoren

Die zweite Ebene der Kreativität im 4P-Modell ist die Personen-Ebene.86 Sie beinhaltet eine Reihe von persönlichen Einflussfaktoren, die bei Menschen unterschiedlich ausgeprägt sind.

Die Faktoren der Personen-Ebene sind teilweise von Ideation-Methodik beeinflussbar, teils auch persönlichkeitsbedingt. Dennoch erfolgt hier auch eine Auseinandersetzung mit einigen nicht-beeinflussbaren Aspekten, um ihre Auswirkungen auf kreatives Denken darzulegen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 9: Personen-Ebene im 4P-Modell der Kreativität

Ein Modell, das personenabhängige Merkmale zusammenfasst, die für Kreativität relevant sind, ist das Komponentenmodell des kreativen Verhaltens nach Amabile.87 Darin werden drei entscheidende Merkmale hervorgehoben: Die Motivation, die bereichsrelevanten Fähig­keiten und die kreativitätsrelevanten Fähigkeiten einer Person. Amabile ist der Auffassung, dass alle drei Merkmale ausgeprägt sein müssen, um als Schnittmenge die Kreativität eines Menschen zu ermöglichen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 10: Die 3 Komponenten der individuellen Kreativität nach Amabile 88

2.5.1 Bereichsrelevante Fähigkeiten

Unter den bereichsrelevanten Fähigkeiten einer Person sind das Vorwissen und die Exper­tise in einem Kontext zu verstehen. Das Vorwissen ist nicht als Persönlichkeitseigenschaft zu werten, dennoch aber als personenabhängiger Faktor, der das kreative Denkvermögen beeinflusst.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Kenntnisse in einem bestimmten Bereich sind die Grundlage, um in diesem Themen­gebiet kreativ denken zu können.89 Amabile bezeichnet die bereichsrelevanten Fähigkeiten daher als „Rohmaterial“ für kreatives Denken.90 Je umfassender dieses Vorwissen ist, desto mehr Potential bietet es für Kreativität. Dies lässt sich auch auf die Schematheorie zurück­führen: Eine breite Basis an Wissen steigert die Möglichkeit, Verknüpfungen herzustellen.91

Pricken weist jedoch auch auf eine negative Auswirkung von Vorwissen hin: Durch längere Auseinandersetzung mit einem Thema bilden sich Denkroutinen, die sich mit der Zeit ver- festigen.92 Dieses Phänomen ist auch als Betriebsblindheit bekannt. Im Kapitel zur Sche­matheorie wurde bereits die Schwierigkeit des Aufbrechens ausgeprägter Denkschemata erläutert. Kreativitätsmethoden sind teils darauf ausgelegt, diese Denkblockaden strategisch zu lösen. Dazu später mehr.

2.5.2 Motivation

Laut Jacob ist Motivation die wichtigste Voraussetzung für Kreativität. Sie stellt den Antrieb für kreatives Denken dar, denn „ohne sie ist Kreativität zwar theoretisch möglich, wird jedoch praktisch nicht umgesetzt.“ 93

Je hoher die Aufgabenmotivation einer Person, desto leichter fällt das Einleiten und Auf­rechterhalten des kreativen Prozesses.94 Jacob unterstreicht außerdem, dass der Ursprung der Motivation intrinsisch sein muss und nicht rein durch äußeren Druck erzeugt werden kann. Menschen müssen also durch ihr persönliches Interesse an einem Problem bzw. einer Herausforderung motiviert sein, um besonders kreativ an der Lösung zu arbeiten.95

Im Zusammenhang mit Ideation-Methodik ist die Motivation ein Faktor, der teilweise durch die Gestaltung der Methode beeinflusst werden kann. Beispiele dafür sind das Erzeugen eines herausfordernden Klimas, welches im nächsten Kapitel thematisiert wird, oder spielerische Elemente, deren Einbindung auch als „Gamification“ bekannt ist.96

Die intrinsische Motivation von Menschen und ihre Förderung sind stark persönlichkeits­abhängig und thematisch zu umfangreich, um im Rahmen dieser Abschlussarbeit umfas­send behandelt zu werden. Stattdessen soll hier zur weiterführenden Auseinandersetzung auf Endriss verwiesen werden, die das Lösen von Denkblockaden unter Berücksichtigung der gesamten Persönlichkeit betrachtet.97 Eine verallgemeinernde Empfehlung zum Abrufen von individueller, intrinsischer Motivation findet sich bei Lehmann:

„Wenn Sie eine Aufgabe gestellt bekommen haben, Suchen Sie darin nach dem Reiz, den die Aufgabe für Sie haben kann. Überlegen Sie, welche Ihrer Fähigkeiten die Aufgabe anspricht. (...) Kurz: Wecken Sie Ihre intrinsische Motivation, aus der Aufgabe das Beste zu machen (...)“ 98

In Wechselwirkung mit bereichsrelevanten Fähigkeiten spielt die Motivation eine besondere Rolle: Falls eine Person noch nicht über genug Vorwissen im fokussierten Bereich verfügt, ist es vorher notwendig, dass sie sich das Wissen beschafft. Die umfassende Einarbeitung in bisher unbekannte Themengebiete setzt ein besonders hohes Maß an Motivation voraus.99

2.5.3 Kreativitätsrelevante Fähigkeiten

Die kreativitätsrelevanten Fähigkeiten einer Person sind die Denk- und Verhaltensweisen, die sie zur Lösung von Problemen benutzt. In ihrem Artikel „How to Kill Creativity“ betont Amabile, dass die kreativitätsbezogenen Fähigkeiten nicht als Talent zu verstehen sind. Ihre Ausprägung sei zwar durchaus persönlichkeitsbedingt, sie können aber erlernt und durch Übung trainiert werden.100

Es lassen sich einige Denkfähigkeiten zusammentragen, die förderlich für das Loslösen bestehender Schemata und somit für das Finden von kreativen Ideen sind. Dam und Siang nennen dafür die folgenden Fähigkeiten:101

Adaptieren: Das eigene Verständnis und den eigenen Blickwinkel bei neuem Input ändern

Aufbrechen: Etablierte Annahmen und Normen hinterfragen bzw. umstoßen.

Verbinden: Einen Bezug zwischen Themen bzw. Konzepten und deren Eigenschaften her­stellen, obwohl diese zunächst keinen Bezug zueinander aufweisen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Umdrehen: Sackgassen und Hindernisse ins Positive umkehren bzw. daraus eine richtige Richtung ableiten.

Vorstellen: Abstrakte Anforderungen in eine greifbare, reale Form umwandeln (bspw. mit Bildern, Geschichten oder Welten), um Bezüge zur Realität zu schaffen.

Experimentieren: Möglichkeiten austesten und Risiken eingehen.

Muster erkennen: Gemeinsame Bedeutungen, Sichtweisen und Werte entlang eines The­menspektrums erkennen, um daraus Lösungen abzuleiten.

Neugierig sein: Bereit sein, neue Aspekte zu untersuchen und verrückte Fragen zu stellen, um Neues zu verstehen bzw. zu erfahren.

Eine weitere Kompetenz, welche kreative Prozesse begünstigt, ist die Ambiguitätstoleranz.102 Unter Ambiguität sind Widersprüche und Unsicherheiten zu verstehen. Im Fall einer hohen Ambiguitätstoleranz werden Unsicherheiten nicht als Hemmnis betrachtet, sondern eher konstruktiv als Herausforderung behandelt.

Zur Identifizierung von Verhaltenseigenschaften, die kreatives Arbeiten begünstigen, führten Dyer et al. eine Interview-Studie mit innovativen Unternehmern durch, die nachweislich mit einer ungewöhnlichen oder originellen Idee erfolgreich wurden.103 Als Ergebnis der Unter­suchung konnten Dyer et al. vier sogenannte „discovery behaviours“ ermitteln, die sich in ähnlicher Form auch in der Liste von Dam und Siang finden104: Hinterfragen, Beobachten, Experimentieren und Vernetzen.105 106

Derartige Qualitäten sind nicht rein persönlichkeitsbezogen, sondern können auch von situativen Faktoren beeinflusst und angeleitet werden.107 Kreativitätstechniken sind eine Möglichkeit, diese Fähigkeiten methodisch zu unterstützen und abzurufen. Dabei werden diverse Strategien angewendet, die im Kapitel „Ideation-Methodik“ ausführlich erläutert werden. Wissen über den Gebrauch von Kreativitätstechniken zählt daher ebenfalls zu den kreativitätsrelevanten Fähigkeiten.108

2.5.4 Proaktive und reaktive Kreativität

Die Stärke der persönlichen Einflussfaktoren ist auch vom Anlass des kreativen Denkens abhängig. Dazu soll auf die Differenzierung von proaktiver und reaktiver Kreativität hin­gewiesen werden.109 Der Unterschied liegt darin, ob die Anregung des kreativen Denkens von außen stammt oder von der Person selbst.

Bei reaktiver Kreativität kommt der Auslöser von außen. Wenn aufgrund eines externen Umstandes eine Lösung notwendig ist, reagiert ein Individuum mit der Suche nach einer Idee zur Lösung des situationsbedingten Problems.

Proaktive Kreativität geht wiederum vom Individuum selbst aus und erfordert keinen Trigger von außen. Stattdessen liegt es bei der Person, ein Problem zu finden. Proaktive Kreativität hat Neuartigkeit zur Folge, jedoch ohne offensichtliche Notwendigkeit. Jacob zufolge stellt dieses proaktive Denken signifikant höhere Anforderungen an die persönlichen Einfluss­faktoren. Insbesondere ist ein höheres Maß an Problemsensitivität und Motivation gefragt.110

2.6 Das kreative Klima

Unter dem kreativen Klima sind die Eigenschaften des Umfelds zu verstehen, in welchem die kreative Tätigkeit stattfindet. Das Klima ist die dritte Ebene, die sich laut dem 4P-Modell auf Kreativität auswirkt.111

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 11: Klima-Ebene im 4P-Modell der Kreativität

Vor dem Hintergrund der Ideation-Methodik sind die Eigenschaften des Klimas ein relevanter Faktor, da sie durch die Gestaltung des Prozesses beeinflussbar sind. Wie das Wort Klima in diesem Zusammenhang schon vermuten lässt, spielt die Atmosphäre hier eine große Rolle. Das kreative Klima kann anhand verschiedener Ausprägungen charakterisiert werden.

2.6.1 Wohlbefinden

Ein naheliegender Indikator für das Klima bei kreativen Prozessen ist die Stimmung der beteiligten Personen. In einer Studie mit 188 Studenten wurde festgestellt, dass positive Stimmung die divergente Denkleistung signifikant fördert.112 Während gut gelaunte Proban­den spontaner und intuitiver handelten, strebten schlecht gelaunte Probanden eher nach optimierten Lösungen.

Diese höhere Anforderung an die Qualität von Ideen setzt konvergentes Denken voraus und ist somit kontraproduktiv für die divergente Generierung von Ideen.

Um ein Klima zu erzeugen, in dem sich Menschen wohlfühlen und unbelastet kreativ sein können, bedarf es neben räumlichen Faktoren auch einer Eliminierung von Kritik, Bewertung, Hierarchie und Gefälligkeitsdenken.113 Bei kreativer Teamarbeit ist dafür vorwiegend die Art der Kommunikation ein relevanter Faktor. Es muss eine freie Kommunikation möglich sein, bei der Kritik vermieden wird und neue Ideen unterstützt werden. Hierarchien zwischen den Teilnehmern sollten für das gemeinsame kreative Arbeiten außer Kraft gesetzt werden.

Das Ziel ist, ein Grundvertrauen in offene Kommunikation zu entfalten.114 Eckel bringt dies in einem Interview mit der Zeitschrift PAGE folgendermaßen auf den Punkt:

„Die Mitglieder müssen das Gefühl haben, alles sagen zu können.“115

Im Kapitel „Laute und leise Methoden“ (S. 39) wird näher erläutert, mithilfe welcher Maß­nahmen die Kommunikation der Teilnehmer geregelt werden kann, um ein günstiges Klima sicherzustellen und andere Vorteile zu erzielen .

2.6.2 Herausforderung

Das Wohlbefinden ist nicht die einzige Dimension, die das kreative Klima ausmacht. Funke beschreibt, dass Kreativität nicht immer bei angenehmen Bedingungen optimal abgerufen wird, sondern bspw. durch herausfordernde Erfahrungen deutlich verstärkt werden kann.116 Ekvall definiert Herausforderung in diesem Zusammenhang als den Grad der emotionalen Beteiligung an einem Ziel, das erreicht werden soll.117 Diese emotionale Beteiligung kann mit einer Steigerung der Motivation einhergehen.

Welches Maß und welche Art von Herausforderung für Kreativität förderlich ist, hängt von der Person ab. Rustler spricht von unterschiedlichen, individuellen Präferenzen hinsichtlich des psychologischen Drucks.118 Je nach Person existiert eine günstige Herausforderungs­Dosis zwischen Unterforderung und Überforderung.119

Bezüglich des Erzeugens von herausforderndem Klima zur Kreativitätsförderung gibt es geteilte Meinungen. Im Ideas Report 2018 von WeTransfer vertritt die Professorin für Neuro­logie Lu Chen die Ansicht, dass das Gehirn nicht zu entspannt sein darf, sondern zu hohen Leistungen gebracht werden muss, um kreative Ideen zu erzeugen.120

Pricken hingegen empfindet Druck in kreativen Prozessen grundsätzlich als negativ und beschreibt ihn als „erstickend“ für Kreativität.121 Insbesondere bei realem, projektbedingtem Druck empfiehlt er, diesen nicht (oder nur gefiltert) vor Kreativmeetings zu kommunizieren, auch wenn dieser tatsächlich gegeben ist. Rustler weist ebenfalls darauf hin, dass ein durch­gehendes Stresslevel in jedem Fall die Kreativität hemmt.122

Um positive Effekte durch ein herausforderndes Klima zu erzielen, sollte dieses also in einem kontrollierten Rahmen bleiben. Dafür kann zeitliche Restriktion an ausgewählten Stellen der Ideation strategisch eingesetzt werden.

Die d.school empfiehlt zur Ideengenerierung ein intensives Engagement der Teilnehmer innerhalb von kurzen Zeiträumen von 15-30 Minuten, um ein aktives Klima zu erzeugen.123 Diese Dynamik kann gestärkt werden, indem die Teilnehmer stehen oder sich bewegen, statt zu sitzen. Ein positiver Effekt des Zeitdrucks ist, dass Ideen seltener verworfen werden, da den Teilnehmern weniger Zeit zum Nachzudenken zur Verfügung steht. So kann vorzeitiges Bewerten während der Ideengenerierung minimiert werden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Das kontrollierte Erzeugen von herausforderndem Klima in kreativen Prozessen ist auch durch spielerische Abläufe möglich, indem künstliche Herausforderungen erzeugt werden, die eine Motivationssteigerung der Teilnehmer bewirken.124

2.6.3 Verspieltheit und Humor

Ekvall grenzt Verspieltheit und Humor als gemeinsame, spezielle Dimension des kreativen Klimas ab.125 Mit einem humorvollen oder spielerischen Klima kann die Ernsthaftigkeit einer Situation reduziert oder auch kompensiert werden.126 Dadurch entsteht eine Gelassenheit der Beteiligten, die sich positiv auf ihr Wohlbefinden auswirkt und eventuellen Druck reduziert.

Spielerische Elemente können eine Kombination aus dem verspielten Klima und Heraus­forderung liefern, mit der die positiven Aspekte beider Ausprägungen erzielt werden können. Ein Mindset, das kreatives Arbeiten im Allgemeinen als Spiel betrachtet, ist das von Gray et al. entwickelte „Gamestorming“127 Gray betont in einem Interview von Slocum, dass die spielerischen Abläufe auch das Abflachen von Hierarchien in einer Gruppe unterstützen.128

Für eine detaillierte Auseinandersetzung mit spielerischen Abläufen und Gamification als Teil kreativer Prozesse wird auf Gray et al. verwiesen.

2.6.4 Etabliertes Klima

Etablierte Strukturen, die im Umfeld herrschen, zahlen besonders auf das kreative Klima ein. Dies können soziale und gesellschaftliche Bedingungen sein.129 Mitunter erschwert bzw. erleichtert das etablierte Klima die Herstellung eines kreativen Klimas. In einem Großkon­zern mit streng formal festgelegten Strukturen kann bspw. die Ausprägung eines günstigen, kreativen Klimas sehr ungewohnt sein.

Ekvall stellt heraus, dass das kreative Klima insbesondere durch Autoritätspersonen geprägt wird.130 Eine aktive Förderung bzw. Verkörperung des kreativen Klimas durch diese Personen kann positive Veränderungen hinsichtlich kreativer Ergebnisse bewirken.131

3 Ideation-Methodik

Nachdem im vorigen Kapitel die Grundlagen des kreativen Denkens behandelt wurden, wird in diesem Kapitel untersucht, wie Kreativität bei der Ideenfindung gezielt mithilfe von metho­dischen Prozessen gefördert werden kann.

Der erste Teil dieses Kapitels dient zur Einführung in die Ideation-Methodik, wobei die all­gemeinen Zielsetzungen verdeutlicht werden. Daraufhin wird erläutert, wie sich Ideation- Methoden differenzieren und kategorisieren lassen.

Im Anschluss werden exemplarisch einige Methoden vorgestellt, die auf unterschiedliche Weise zur Ideenfindung führen. Die Auseinandersetzung mit verschiedenen Konzepten dient dazu, handfeste Lösungsansätze kennenzulernen, die sich in der Praxis bewährt haben. Danach folgen mehrere Unterkapitel, in welchen einzelne Aspekte zur Vorbereitung und Planung des Einsatzes von Ideation-Methoden zusätzlich beleuchtet werden. Dabei werden organisatorische Gestaltungskriterien thematisiert.

Basierend auf den Inhalten dieses Kapitels kann im weiteren Verlauf eingeschätzt werden, welche Bedingungen besonders zielführend sind oder wo Potential zur Optimierung besteht, um eine neue Methode zu konzipieren.

3.1 Allgemeine Zielsetzung von Ideation-Methodik

Da der Fokus dieser Abschlussarbeit auf der Ideation liegt, sollen hier Kreativitätstechniken vertieft werden, die in erster Linie auf die Generierung von Ideen abzielen. Bezogen auf die Phasen des kreativen Prozesses von Wallas werden dabei die Phasen der Inkubation und Illumination abgedeckt.132

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 12:4 Phasen des kreativen Prozesses nach Wallas: Schwerpunkt auf Inkubation und Illumination

[...]


1 Vgl. Krämer (2014), S. 205.

2 Vgl. Simonis (2019), S. 84 ff.

3 Vgl. Traut-Mattausch/Kerschreiter (2009), S. 266.

4 Vgl. Harley (2017)

5 Vgl. Jacob (2016), S. 80.

6 Vgl. Geschka (2011), S. 281 ff.

7 Vgl. Rustler (2019), S. 166.

8 Vgl. Jacob (2016), S. 83 ff.

9 Vgl. Traut-Mattausch/Kerschreiter (2009), S. 265.

10 Rustler (2019), S. 18.

11 Vgl. Lehmann (2018), S. 5.

12 Vgl. Beyer/Gerlach (2018), S. 153.

13 Rustler (2019), S. 19.

14 Vgl. Mumaw (2015).

15 Vgl. Rustler (2019), S. 19.

16 Vgl. Jacob (2016), S 21.

17 Vgl. Gaier (2011), S. 5.

18 Vgl. Lehmann (2018), S. 5.

19 Vgl. Gruszka/Tang (2017), S. 54.

20 Vgl. Gaier (2011), S. 5.

21 Vgl. Rhodes (1961), S. 307 ff.

22 Vgl. Gruszka/Tang (2017), S. 52 ff.

23 Vgl. Rustler (2019), S. 24 f.

24 Vgl. Rustler (2019), S. 22 ff.

25 Vgl. Myers (2014), S. 52.

26 Vgl. Myers (2014), S. 52.

27 Vgl. Myers (2014), S. 53.

28 Vgl. Myers (2014), S. 55. Die biochemischen Abläufe der Reizübertragung werden hier zur besseren Verständlichkeit ausgelassen

29 Vgl. Myers (2014), S. 58.

30 Vgl. Myers (2014), S. 61.

31 Vgl. Ludwigs (2018), S. 35 ff.

32 Es sei betont, dass die Strukturen gemäß der Schematheorie nicht mit real verorteten Neuronen gleichzusetzen sind, sondern lediglich eine vereinfachte Vorstellung dafür liefern, wie die Speicherung von Wissen im menschlichen Gedächtnis abläuft.

33 Vgl. Ludwigs (2018), S. 36.

34 Vgl. Ludwigs (2018), S. 37.

35 Vgl. Testor (2016), S. 96 f.

36 Vgl. Ludwigs (2018), S. 37.

37 Vgl. Ludwigs (2018), S. 36.

38 Vgl. Ludwigs (2018), S. 37.

39 Vgl. Rustler (2019), S. 48.

40 Vgl. Pricken/Klell (2010), S. 20.

41 Guilford (1950), zitiert nach Jacob (2016), S. 31. Originalquelle nicht abrufbar.

42 Vgl. Rustler (2019), S. 40.

43 Vgl. Lehmann (2018), S. 10.

44 Vgl. Cropley (2016), S. 44.

45 Vgl. de Bono (1996)

46 Vgl. Cropley/Cropley, S. 43.

47 Vgl. Geschka/Zirm (2011), S. 286.

48 Vgl. Rustler (2019), S. 48 ff.

49 Vgl. Cropley/Cropley (2018), S. 44.

50 Vgl. Cropley/Cropley (2018), S. 42 ff.

51 Vgl. Beyer/Gerlach (2018), S. 159.

52 Vgl. Cropley/Cropley (2018), S. 17

53 Vgl. Rustler (2019), S. 41 f.

54 Darstellung inspiriert von Rustler (2019), S. 41 f.

55 Vgl. Rhodes (1961), S. 308.

56 Vgl. Rustler (2019), S. 66.

57 Vgl. Wallas (2014), S. 37 ff, Neuveröffentlichung von Wallas (1926)

58 Vgl. Beyer/Gerlach (2018), S. 160 ff.

59 Vgl. Wallas (2014), S. 37 ff.

60 Vgl. Jacob (2016), S. 39.

61 Vgl. Cropley/Cropley (2018), S.125

62 Vgl. Jacob (2016), S. 24.

63 Vgl. Beyer/Gerlach (2018), S. 162.

64 Martindale (1999), zitiert nach Beyer/Gerlach (2018), S. 157 Originalquelle nicht abrufbar.

65 Beyer/Gerlach (2018), S. 157

66 Vgl. Beyer/Gerlach (2018), S. 161.

67 Vgl. Baird et al. (2012).

68 Vgl. Rustler (2019), S. 26.

69 Vgl. Beyer/Gerlach (2018), S. 162.

70 Vgl. Rustler (2019), S. 26.

71 Vgl. Rustler (2019), S. 26 f.

72 Vgl. Rustler (2019), S. 27.

73 Vgl. Rustler (2019), S. 28 f.

74 Vgl. Beyer/Gerlach (2018), S. 163 f.

75 Vgl. Jacob (2016), S. 40.

76 Vgl. Rustler (2019), S. 67. Rustler führt auch eine optionale, vierte Phase zur Umsetzung der Lösungen mit auf, welche hier zum besseren Verständnis ausgelassen wird.

77 Vgl. Pricken/Klell (2010), S. 15.

78 Vgl. o.V., d.school (2010), S. 4.

79 Vgl. Cropley/Cropley (2018), S. 41.

80 Vgl. Poschauko/Poschauko (2018), S. 42.

81 Vgl. Poschauko/Poschauko (2018), S. 44 ff.

82 Vgl. o.V., d.school (2013), S. 4.

83 Vgl. Dam/Siang (2017)

84 Vgl. o.V., d.school (2010), S. 4.

85 Vgl. Osborn (1963), zitiert in Rustler (2019), S. 70 ff. Originalquelle nicht abrufbar.

86 Vgl. Rhodes (1961), S. 307 f.

87 Vgl. Amabile (1998).

88 Vgl. Amabile (1998).

89 Vgl. Jacob (2016), S. 29.

90 Vgl. Amabile (1998).

91 Vgl. Ludwigs (2018), S. 37.

92 Vgl. Pricken/Klell (2010), S. 20.

93 Jacob (2016), S. 29.

94 Vgl. Traut-Mattausch/Kerschreiter (2009), S. 264.

95 Vgl. Jacob (2016), S. 30.

96 Vgl. Gray et al. (2011), S. 4.

97 Vgl. Endriss (2019).

98 Vgl. Lehmann (2018), S. 240.

99 Vgl. Jacob (2016), S. 30.

100 Vgl. Amabile (1998).

101 Dam/Siang (2017), eigene Übersetzung.

102 Vgl. Jacob (2016), S. 146.

103 Vgl. Dyer et al. (2008), S. 331.

104 Dam/Siang (2017).

105 Vgl. Dyer et al. (2008), S. 334.

106 Vgl. Jacob (2016), S. 19.

107 Vgl. Jacob (2016), S. 26.

108 Vgl. Traut-Mattausch/Kerschreiter (2009), S. 265.

109 Vgl. Kaufmann (2003), S. 241, zitiert in Jacob (2016), S.342. Originalquelle nicht abrufbar

110 Vgl. Jacob (2016), S.343.

111 Vgl. Rhodes (1961), S. 308 f.

112 Vgl. Vosburg (1998).

113 Vgl. Rustler (2019), S. 44, S. 52 ff.

114 Vgl. Ekvall (1996), S. 107

115 Dohmann (2019), S. 18.

116 Vgl. Funke (2000), S. 292.

117 Vgl. Ekvall (1996), S. 107

118 Vgl. Rustler (2019), S. 52 f.

119 Vgl. Rustler (2019), S. 52 f.

120 Vgl. o.v., WeTransfer (2018), S. 37

121 Vgl. Pricken/Klell (2010), S. 20. Hier wird in erster Linie Zeitdruck thematisiert.

122 Vgl. Rustler (2019), S. 53.

123 Vgl. o.V., d.school (2013), S. 31.

124 Vgl. Gray et al. (2011), S. 4.

125 Vgl. Ekvall (1996), S. 108.

126 Vgl. Ekvall (1996), S. 108.

127 Vgl. Gray et al. (2011).

128 Vgl. Slocum (2010).

129 Vgl. Beyer/Gerlach (2018), S. 153.

130 Vgl. Ekvall (1996), S. 118.

131 Vgl. Rustler (2019), S. 56.

Ende der Leseprobe aus 190 Seiten

Details

Titel
Analyse und Optimierung von Ideation-Prozessen
Hochschule
Rheinische Fachhochschule Köln
Note
1,1
Autor
Jahr
2020
Seiten
190
Katalognummer
V931869
ISBN (eBook)
9783346267078
ISBN (Buch)
9783346267085
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Ideation, UX Design, Design Thinking, Gamification, User Experience, Workshops, Innovation, UX Methoden, Kreatives Denken, Kreativität, Ideenfindung, Kreativitätsmethoden, UX Workshops, Kreativmethoden, Divergentes Denken, Konvergentes Denken, Kreatives Klima, Competitive Combining, UX Consulting
Arbeit zitieren
Felix Görg (Autor:in), 2020, Analyse und Optimierung von Ideation-Prozessen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/931869

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