Zwei Weisen der Übereinkunft: Einstimmigkeit und Übereinstimmung - Über "Two Concepts of Agreement" von C. List


Dossier / Travail de Séminaire, 2005

21 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhalt

1. Ausgewählte Grundbegriffe der sozialen Auswahltheorie
1.1 Kurze Einführung der Sozialwahlfunktion
1.2 Das Modell der Einfachen und der Absoluten Mehrheitswahl.
1.3 Das Modell der Paarweisen Majorität (Condorcet-Gewinner)
1.4 Kenneth Arrows fünf Bedingungen an eine demokratische Wahl und das Unmöglichkeitstheorem
1.5. Die Nutzenfunktion
1.6 Kurzer Exkurs über die uitlitaristische Sozialwahlfunktion
1.7 Duncan Blacks Medianwählertheorem oder „Single Peakedness“

2. Die Unterscheidung der Übereinkunft substantieller Art von der Übereinkunft konzeptioneller Art hinsichtlich des Diskussionsbereiches „Präferenzen“
2.1 Die Übereinkunft in der Substantiellen Ebene hinsichtlich des Diskussionsbereiches „Präferenzen“
2.2 Die Übereinkunft in der Metaebene hinsichtlich des Diskussionsbereiches „Präferenzen“

3. Die Menge logischer Verknüpfungen als Diskussionsbereich der sozialen Auswahlfunktion
3.1 Die Übereinkunft in der Substantiellen Ebene hinsichtlich des Diskussionsbereiches „logische Verknüpfung“ (Overlapping Consensus)
3.2 Die Übereinkunft in der Metaebene hinsichtlich des Diskussionsbereiches „logische Verknüpfung“

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis

1. Ausgewählte Grundbegriffe der sozialen Auswahltheorie

1.1 Kurze Einführung der Sozialwahlfunktion

Aufgabe der sozialen Auswahltheorie ist es, ein Modell anzugeben, welches die Aggregation systematischer Interesseneingaben der Gruppenmitglieder zu einer sozialen Präferenz beschreibt. Also ein Modell, das den Entscheidungsprozess – von den einzelnen Präferenzprofilen der Individuen einer Gruppe zu einem singulären Präferenzprofil einer kollektiven Entscheidung dieser Gruppe – expliziert.

Konkret geht es der sozialen Auswahltheorie darum eine Zuordnungsvorschrift der Sozialwahlfunktion

(SDR) F: individuelle Profile [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] kollektive Profile

anzugeben, wobei diese Funktion F auch als Wahlregel (Social Decision Rule) bezeichnet wird, welche die Einzelstimmen als Domain und die kollektiven Entscheidungen als Wertebereich besitzt.

In alternativer Schreibeweise können wir F als Teilmenge des Kreuzproduktes der Menge singulärer Präferenzprofile und der Menge der kollektiven Präferenzprofile formulieren. Also F [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] {individuelle Profile [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] kollektive Profile}. Wir fassen dann F(x) = y als (x, y) [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] F auf, mit x [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] {individuelle Profile} und y [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] {kollektive Profile}. Wobei natürlich allgemein die Bedingung der Eindeutigkeit der Funktion erhalten bleibt: (x, z) [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] F [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] y = z. D.h. es existiert bei einer korrekten Anwendung einer gültigen Wahlregel zu jeder Kollektion individueller Profile genau ein kollektives Profil. Das Ergebnis der sozialen Auswahl ist also klar eindeutig.

1.2 Das Modell der Einfachen und der Absoluten Mehrheitswahl.

Die Domain von F setzt sich aus den Profilen der individuellen Präfernzordnungen zusammen. Wir stellen uns etwa das individuelle Profil (i) (x > y) vor, das wir der Auswahlmenge möglicher Optionen X = {x,y} entnommen haben. Die binäre Relation „ > “ denotiert die Präfernzordnung, also x wird gegenüber y präferiert. Aus unserem Profil können wir nun ableiten, dass wenn x und y zur Auswahl stünden, x gewählt werden würde.

Uns stehen hinsichtlich X natürlich noch zwei weitere Profile zur Auswahl, nämlich die Umkehrung von (i) zu (ii) (x < y) und schließlich die Indifferenz (iii) (x = y).

Wir kodieren jetzt folgendermaßen: „+1“ zur Ordnung (i), „-1“ zur Ordnung (ii) und „0“ zur Indifferenz (iii). Hieraus können wir einen Vektor erstellen, der die Domain dimensioniert darstellt. Beispielsweise hat bei N = 7 Wählern unser Vektor sieben Stellen, sowie etwa der Vektorv= (1,1,1,-1,-1,0,0).

Bei der Einfachen Mehrheitswahlbilden wir die Summe [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](s1 + s2 + ... + sn-1 + sn), wobei der Summant [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] der i-te Eintrag invdarstellt.

Wir können nun aus unserem Beispiel folgende mögliche Ergebnisse ableiten: Ist [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] > 0, dann wäre x Sieger; ist dagegen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] < 0, dann wäre y Sieger, sonst stünden wir einem Remis gegenüber.

Bei unseremvkäme bei diesem Wahlverfahren x als Sieger hervor. Die Einfache Mehrheitswahl ist also die Funktion

(EM) F1: {s1, s2 ... sn-1, sn} [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] {s1 + s2 + ... + sn-1 + sn}.

Bei der Absoluten Mehrheitswahl wird dagegen die Summe der Negativ- bzw. Positivbewertungen ins Verhältnis zur Mächtigkeit der Wählerschaft gesetzt. Sind die Negativbewertungen [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] > N/2, dann ist das Ergebnis –1. Gilt dagegen die Positivbewertung [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] > N/2, dann ist das Ergebnis 1, sonst 0. Mit anderen Worten: Eine Option kann nur dann Sieger sein, wenn sie mehr als 50% der Stimmen erhält.

In unserem Beispiel v stehen wir vor einer Pattsituation. Wir haben also die Null zum Ergebnis.

Die Absolute Mehrheitswahl wir durch die Funktion

(AM) F2: I [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] F1 (s1, s2 ... sn-1, sn) [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] N

beschrieben: Die Summe der Stimmen für eine Option I [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] F1(s1, s2 ... sn-1, sn) wird auf die Anzahl N der Stimmen insgesamt abgebildet.

1.3 Das Modell der Paarweisen Majorität (Condorcet-Gewinner)

Paarweise Majorität bedeutet, dass im direkten Vergleich eine Option die andere schlägt. Um zu einem Endergebnis zu kommen, sind mehrere Wahldurchgänge von Nöten (falls [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] > 2).

Sei X = {x,y,z}. Wir haben dann folgende Paarungen zu betrachten: x versus y, y versus z und x versus z.

Beispiel (Condorcet-Paradox): Es sei N = 3 und X = {x,y,z}.

v1: x > y > z

v2: z > x > y

v3: y > z > x

x besitzt gegenüber y die Majorität, y gegenüber z und z gegenüber x. Wie wir hier unmittelbar einsehen können, wird die Bedingung der Transitivität verletzt und das kollektive Profil ist zirkulär.

Wir sehen, dass das Wahlverfahren der Paarweisen Majorität zu zirkulären Wahlergebnissen führen kann. Das bedeutet, dass das Wahlverfahren nicht in allen Fällen eindeutig ist, und dieser Sachverhalt verletzt unsere Definition der sozialen Auswahl.

1.4 Kenneth Arrows fünf Bedingungen an eine demokratische Wahl und das Unmöglichkeitstheorem

Arrows zeigte, dass unter der Voraussetzung eines unbeschränkten Gegenstandsbereiches und unter den Minimalbedingungen, die wir an ein demokratisches und rationales Wahlverfahren stellen, keine stimmige Zusammenführung der individuellen Profile in ein kollektives Profil möglich ist, ohne dass mindestens eine Bedingung verletzt wird.

Die vier Minimalbedingungen sind (i) Pareto Effizienz (schwache Pareto-Bedingung), (ii) die Unabhängigkeit irrelevanter Alternativen, (iii) die Transitivität der Ordnung kollektiver Präferenzprofile und (iv) der Ausschluss einer Diktatur.

(i) Die schwache Pareto-Bedingung besagt, dass wenn alle Gruppenmitglieder die Präferenzrelation áx > yñ besitzen, Einstimmigkeit herrscht.

(ii) Die Bedingung der Unabhängigkeit irrelevanter Alternativen besagt, dass die Ordnung (x > y) nur von den Optionen x und y abhängt und nicht von weiteren Optionen x‘ und y‘.

(iii) Die Transitivität – wenn x gegenüber y bevorzugt wird und wenn y gegenüber z bevorzugt wird, dann schlägt x auch z – ist das Kriterium, welches Ausdruck der Rationalität ist (zirkuläre und inkonsistente Entscheidungen werden ausgeschlossen).

(iv) Schließlich der Ausschluss der Diktatur, welcher bekanntlich eine intrinsische Eigenschaft demokratischer Entscheidungsverfahren ist.1

Und nun zur fünften Bedingung, der Bedingung des unbeschränkten Gegenstandsbereiches. Sie besagt, dass die Domain von F in keiner Weise festgelegt ist: Alle Elemente der Auswahlmenge können in jeglicher Kombination in einem singulären Profil auftauchen.

1.5. Die Nutzenfunktion

Die Nutzenfunktion U ist eine Abbildung der Auswahlmenge X auf die Menge reeller Zahlen R:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Nutzenfunktion weist jeder Wahlmöglichkeit [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] eine reelle Zahl zu, die den Nutzen beziffert.

Die Nutzenfunktion repräsentiert die Präferenzrelation [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Nutzen und die Präferenz unterliegen einer starken Interdependenz. Genau das ist Benthams Grundgedanke des Utilitarismus. Wir haben für diejenigen Dinge eine Vorliebe, die uns von Nutzen sind. Im Gegensatz zur Vorliebe hat der an einen Vorteil gekoppelte Nutzen den Vorzug eher „greifbar“ zu sein: Ein objektiver, reliabler und valider Vorteil lässt sich leichter eindeutig „dingfest“ machen als eine mehr oder weniger unbegründbare Vorliebe.

Der ordinale Nutzenhängt nur davon ab, wie U(x) und U(y) absolut zueinander stehen. Also welcher Wert größer ist und zwar unabhängig davon, um wieviel der eine größer ist als der andere.

Derkardinale Nutzendagegen beziffert genau diesen relativen Unterschied um wieviel sie sich unterscheiden. Wenn wir etwa annehmen die Differenz U(x) – U(y) ist die zweifache Differenz von U(y) – U(z), dann können wir sagen, dass wir x gegenüber y doppelt soviel bevorzugen wie y gegenüber z.

1.6 Kurzer Exkurs über die uitlitaristische Sozialwahlfunktion

Eine Wohlfahrtsfunktion ist eine Sozialwahlfunktion, die das soziale Wohlergehen erhöht. Die utilitaristische Wohlfahrtsfunktion

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

ist nun eine Arrows Bedingungen2 genügende Funktion, die anstatt des Profils singulärer Präferenzen das Profil singulärer Nutzenwerte zum Gegenstandsbereich hat. Sie aggregiert die individuellen Nutzenwerte zu einer kollektiven Summe aller Nutzenwerte. Und der Preis dafür, dass die Zusammenführung zu keinem Widerspruch führt, ist die Aufgabe des unbeschränkten Diskussionsbereichs – wir benötigen dazu gewisse Symmetriebedingungen („Structuring Dimension“): Wir müssen uns darauf einigen, wie wir die Dinge einordnen, d.h. in welcher Dimension („Original Position“) wir die Optionen konzeptualisieren damit eine einheitlich vergleichbare Nutzenzuschreibung der einzelnen Personen möglich wird („Single Peakedness“), aus der dann stimmig die Summe aller Nutzenwerte gebildet werden kann – als Repräsentation einer kollektiven Präferenz.3

1.7 Duncan Blacks Medianwählertheorem oder „Single Peakedness“

Trivialer Weise ist Einstimmigkeit hinreichend um die Problematik zirkulärer und unstimmiger Wahlergebnisse zu vermeiden, aber sie ist nicht notwendig. Es gibt also noch andere Möglichkeiten dies zu erreichen, wobei dann aber mindestens auf eines der fünf Arrows Kriterien verzichtet werden muss.

Black entwickelte einen Ansatz, mit dem sich die besprochenen Probleme umgehen lassen. Wir müssen aber akzeptieren, wie angedeutet, dass auf den uneingeschränkten Dikussionsbereich verzichtet werden muss. Die Domain wird auf eine strukturierte Dimension beschränkt, d.h. auf eine Menge strikt angeordneter Optionen.

[...]


1 (i) Die schwache Pareto Bedingung besagt: Wenn für jedes singuläre Profil [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] gilt, dann gilt es auch für das kollektive Profil [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. (ii)Die paarweise Unabhängigkeit irrelevanter Bedingungen besagt, dass für alle Optionen x und y aus X gilt: Wenn für jedes singuläre Profil [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], dann gilt auch für das kollektive Profil [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Die Ordnung von [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] hängt nur von dem Profil der Ordnung singulärer Profile der gleichen Alternativen ab. (iii) Transitivität: Wenn [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] und wenn [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten], dann [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. (iv) Ausschluss der Diktatur: Es wird der Fall ausgeschlossen, dass genau dann, wenn der Agent a das singuläre Präferenzprofil [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] hat, das kollektive Profil [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] besteht.

2 „Arrows Bedingungen“ meint immer die vier Bedingungen ohne die Bedingung der uneingeschränkten Domain.

3 Hierbei nehmen wir eine kardinale Nutzenfunktion an, die uns einen interpersonellen Vergleich ermöglicht. Unter Ausnutzung, dass unter gewissen Symmetriebedingungen die erwartete Wohlfahrt erhöht werden kann und dass die Wohlfahrtsfunktion nicht nur Gehaltsfragen erfasst, sondern auch etwa potentielle Zustände der Gesellschaft, entwickelte Harsanyi (1955) eine gewichtete utilitaristische Wohlfahrtsfunktion [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] wobei l ein Gewichtungsfaktor ist. Harsanyi nahm subjektive Wahrscheinlichkeiten als einen solchen Gewichtungsfaktor und entsann in der „Original Position“ eine Art „Schleier des Nichtwissens“ (Rawls (1959)) unter welchem alle subjektiven Wahrscheinlichkeiten gleich sind und damit konstant [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten]. Aber genau dann ist die gewichtete Wohlfahrtsfunktion nichts anderes als die „gute alte Benthamsche“ (frei nach David Albouy) Wohlfahrtsfunktion [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten] der Maxime „das größte Wohl für die größte Zahl“.

Fin de l'extrait de 21 pages

Résumé des informations

Titre
Zwei Weisen der Übereinkunft: Einstimmigkeit und Übereinstimmung - Über "Two Concepts of Agreement" von C. List
Université
Saarland University
Note
1,3
Auteur
Année
2005
Pages
21
N° de catalogue
V93259
ISBN (ebook)
9783638066211
ISBN (Livre)
9783638953481
Taille d'un fichier
543 KB
Langue
allemand
Mots clés
Zwei, Weisen, Einstimmigkeit, Concepts, Agreement, List
Citation du texte
Nikolaos Kromidas (Auteur), 2005, Zwei Weisen der Übereinkunft: Einstimmigkeit und Übereinstimmung - Über "Two Concepts of Agreement" von C. List, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93259

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