Bei dieser Arbeit wird die Unregierbarkeitstheorie in ihrer Entstehungszeit vorgestellt und überprüft inwieweit sie sich während dieser bestätigt hat. Desweiteren wird die Theorie an den heutigen politischen Gegebenheiten überprüft. Dabei geht die zu diskutierende Bandbreite der Annahmen von sich ändernden Handlungsspielräumen oder vom Verlust einzelner Funktionen, bis hin zum völligen Verlust der Regierbarkeit durch den Staat.
Bereits in den 1970er Jahren ist feststellbar, dass die Unregierbarkeitstheorie idelogisch motiviert ist, denn der Staat suchte in dieser Zeit lediglich nach neuen Problemlösungsstrategien, in dem er den Prozess der Willensbildung öffnet, ohne seine Funktionen aufzugeben oder gar zu verlieren.
Die Reflexion auf die Gegenwart ist angesichts des strukturellen Staatsdefizites (Hauptkritik der Unregierbarkeitstheorie) notwendig. Der Wegfall des bipolaren Systems zu Gunsten eines multipolaren Staatengefüges hat dazu geführt, dass die Staaten sich im internationalen System nicht mehr an einen blockdominanten Staat heften können, sondern emanzipiert von diesem Staat existieren müssen. Eine zweite und dritte Ebene, die sich dadurch von der internationalen Ebene unterscheiden, in dem sie in einem Rechtsraum installiert sind, beschreibt die Veränderungen des politischen Systems und der Gesellschaft. Es wird gezeigt, dass die gesellschaftliche Entwicklung die Politik in eine Zwickmühle getrieben hat. Zum einen ist die Politik ein Subsystem unter anderen, dass zum anderen, um regulativ tätig zu sein, eine hierarchische Strukturierung der Gesellschaft braucht. Um dennoch eine Steuerungsfähigkeit in den Gesellschaften erhalten zu können, müssen Verhandlungen nicht mehr auf Machtsicherung ausgelegt sein, sondern man muss „einen auf `Problemlösung´ gerichteten Verhandlungsstil“ installieren. Allerdings entstehen durch diese konsensorientierten Stil langwierige Verhandlungen, die im Ergebnis oftmals hinter dem Wohlfahrtsoptimum zurückbleiben. „Auch wenn es zutrifft, dass der Staat nicht mehr als Zentrum oder Spitze moderner Gesellschaften verstanden werden kann (Luhmann 1981), so darf daraus noch keineswegs auf einen generellen Funktionsverlust geschlossen werden. Stattdessen haben auch die Staatsfunktionen am Prozess der Differenzierung und Funktionsverflechtung teilgenommen.“ (Scharpf, 1991)
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitung
2 Unregierbarkeitstheorie in ihrer Entstehung
2.1 Ursprung und Inhalte der Theorie
2.2 Überprüfung an der politischen Realität der 1970er Jahre
3 Unregierbarkeit in der politischen Gegenwart? Oder was hemmt den Staat in seinem Handeln?
3.1 Regierbarkeit und gesellschaftliche Entwicklung
3.2 Regierbarkeit und das politische System
3.3 Regierbarkeit und das internationale System
4 Fazit
5 Literatur
1 Einleitung
Diese Hausarbeit hat im wesentlichen zwei Kerninhalte. Zum einen die Unregierbarkeitstheorie in ihrer Entstehungszeit vorzustellen und zu überprüfen inwieweit sie sich bestätigt hat. Zum anderen die heutige Situation in politischen System hinsichtlich dieser Theorie zu untersuchen, um die Theorie erneut, diesmal mit einem zeitlichem Abstand von cirka 25 Jahren zu ihrer Entstehung, anzuwenden.
Das erste Kapitel untergliedert sich in zwei Teile. Zu Beginn wird der Ursprung der Theorie erarbeitet. Das heißt, wer ist der Initiator, ist diese Theorie ideologisch begründet oder wissenschaftlich? Im Anschluss daran werden die Inhalte der Theorie herausgearbeitet. Mit den Aussagen der Unregierbarkeitsthese wird diese dann an der politischen Realität der 1970er Jahre überprüft.
Im zweiten Teil der Hausarbeit wird versucht die Unregierbarkeitstheorie auf die politische Situation im ausgehenden 20. Jahrhundert anzuwenden. Die scheinbaren alten Probleme der fehlenden Handlungsfähigkeit werden in drei Bereichen, in denen Politik mit anderen Systemen korreliert, durchleuchtet. Einmal wird die Regierbarkeit im Zusammenhang mit der gesellschaftlichen Entwicklung betrachtet. Zweitens wird die Regierbarkeit am politischen System überprüft. In einem letzten Schritt werden schließlich die Regierbarkeit und das internationale System in Beziehung gesetzt.
Das abschließende Fazit fasst die Hauptaussagen zusammen und führt die verschiedenen Stränge zu einem Gesamtbild zusammen.
Bevor nun die einzelnen Punkte diskutiert werden bedarf es einer Erörterung verschiedener Grundbegriffe, um in der thematischen Auseinandersetzung die Verständlichkeit sicherzustellen.
Der naheliegendste Grundbegriff ist Regieren gepaart mit Regierung. Darüber hinaus muss geklärt werden, Was regiert werden muss; das heißt: Es müssen die Funktionen des politischen Systems, hier des Staates, erarbeitet werden. Dem schließt sich die Frage nach dem Wie zwingend an. Im Laufe der Hausarbeit wird diese Frage aufgegriffen.
Durch einen Überblick in die Geschichte des Begriffs „Regieren“, lässt sich die heutige Bedeutung besser verstehen. Das deutsche Verb entwickelte sich im 13. Jahrhundert in Anlehnung an das altfranzösische „reger“ , welches seinen Ursprung im lateinischen „regere“ hat. Nachdem der Begriff bis zum Ende des 17 Jahrhunderts durch seine Bedeutungsvielfalt gekennzeichnet war, kam es erst im Zuge des Übergangs zur konstitutionellen Monarchie beziehungsweise (bzw.) Republik zu einer Neubestimmung. Vor allem die Lehren der Gewaltenteilung führten dazu. Von dem alten umfassenden Verständnis trennte man die Rechtsprechung, die Gesetzgebung und später noch die Verwaltung ab. Der Rest, der von dem alten Verständnis des 13. Jahrhunderts übrig blieb, bezeichnete man als „Regieren“, ohne jedoch einen eindeutigen Funktionskatalog zu Grunde zulegen. Mitte des 19. Jahrhunderts versuchte man im Rahmen der deutschen Staatsrechtslehre die Funktionen von „Regieren“ wieder zu fassen. Allerdings wurde „Regieren“ auf reine Verwaltungstätigkeit reduziert. Nach dem 1. Weltkrieg wurde die weitere Fassung wieder aufgefasst.[1] Heute versteht man unter „Regieren“, wie aus dem Duden zu entnehmen ist, Beherrschen, Verwalten, Lenken und Leiten.
Daraus ergibt sich auch das Verständnis für den Begriff Regierung. Man kann den Begriff in einem engeren und einem weiteren Sinn auffassen. Der weitere Sinn lehnt sich an dem englischen Ausdruck government an und meint die Verfassungsorgane eines Staates, die insgesamt das Regierungssystem bilden. Der engere Sinn von Regierung beschreibt jene Institution, der in Abgrenzung von anderen öffentlichen Gewalten und politischen Funktionen das Regieren obliegt. Die Regierung ist demnach das politische Leitungszentrum.[2]
Wenn somit die Regierung den Staat leitet, bleibt als letzte Grundüberlegung die Frage nach den Aufgaben der Regierung. Die generellste Aufgabe des Staates ist es, durch Ausübung von Herrschaft, für Sicherheit im allgemeinen zu sorgen. Sicherheit bedeutet die Gewährleistung von Bestand und Unversehrtheit eines sozialen Akteurs.[3] Dies umfasst sowohl die innere wie die äußere Sicherheit, ferner auch die soziale, ökonomische und ökologische Sicherheit.
Die Berechtigung diese Aufgaben auszuführen erlangt er durch Legitimation, die er, nach dem konventionellem Verständnis westlicher Demokratien, durch seine Bürger erlangt. „Die Herrschaftsunterworfenen [ also die Bürger] müssen Herrschaft als ´rechtens` anerkennen.“[4]
Kann der Staat seinen Aufgaben nicht nachkommen, so verliert er an Legitimation, da die Bürger nicht mehr hinter ihm stehen. Somit kann der Grad der Legitimation ein Indikator sein, inwiefern der Staat seinen Aufgaben nachkommt.[5]
Im Verlauf der Hausarbeit gilt es zu untersuchen, ob der Staat adäquat seine Aufgaben erfüllen kann und wie er dies tut. Dabei geht die zu diskutierende Bandbreite der Annahmen von sich ändernden Handlungsspielräumen oder vom Verlust einzelner Funktionen, bis hin zum völligen Verlust der Regierbarkeit durch den Staat.
2 Unregierbarkeitstheorie in ihrer Entstehung
In einem ersten Schritt wird die Theorie wertfrei dargestellt. Wie sie sich entwickelte und welche Kernaussagen sie beinhaltete. In 2.2 wird die Theorie der Unregierbarkeit an der Realität ihrer Entstehungszeit überprüft. Ziel ist es zu zeigen, ob die Theorie ihrem Anspruch auf Erklärung der Realität gerecht werden kann, oder ob sie nur eine Scheintheorie ist, die auf ideologischen Zwängen beruht.
2.1 Ursprung und Inhalte der Theorie
Die erste theoretischen Auseinandersetzungen, dass es so wie es sei nicht mehr weitergehen könne kamen Ende der 1960er Jahre von der politischen Linken auf.[6] Allerdings wurde seitens der Neomarxisten „die Steuerungsunfähigkeit des Staates [..] allzu einseitig unterstellt, da funktionale Äquivalente staatlicher Steuerung kaum miteinbezogen werden:“[7] Verschiedene Faktoren führten dazu, dass „die Ansätze, die auf die Krisenhaftigkeit des Entwicklungsverlaufs in westlichen Industriegesellschaften abheben“[8], zunahmen.
Die 68er Bewegung mit ihren Forderungen nach internationaler Gerechtigkeit und Demokratisierung war ein eindeutiges Indiz dafür, dass die politischen Strukturen der damit verbundenen gesellschaftlichen Dynamik nicht mehr mithalten konnten. Aus dieser Differenz entwickelten sich dann auch die theoretischen Ansätze, „die die vorhandenen gesellschaftliche Ordnung kritische zu hinterfragen“[9] begannen. Allerdings gab es bei der ersten theoretischen Auseinandersetzung durch die Neomarxisten einige Ungenauigkeiten. So unterlies man es nichtkapitalistische Staaten hinsichtlich ihrer Steuerungsschwierigkeiten zu untersuchen und zu vergleichen. Demnach war eine Untersuchung von Steuerungsschwierigkeiten, die in beiden Systemen auftauchten nicht möglich.[10] Die Konservativen Krisentheoretiker nahmen die Diagnose der Linken, dass es eine Gefahr des chronischen oder akuten Staatesversagens gebe, an.[11]
Die kritische Fragestellung wurde darauf reduziert, wie es der Staat schaffe, die Gesellschaft trotz sichtbarer Krisentendenzen als funktionierendes Ganzes zusammenzuhalten. Man diagnostizierte ein demokratietypisches Strukturproblem der Willensbildung, bei dem die Parteien versagen und andere Interessensgruppen an Einfluss gewinnen. Die Fähigkeit zur Willensbildung bestimmt unmittelbar auch die Fähigkeit zu regieren.[12] In parlamentarischen Systemen ist die Opposition ein elementarer Bestandteil des Willensbildungsprozesses, da sie mit ihren Funktionen Kritik zu üben und Kontrolle auszuüben, auch eine Alternative darstellt.[13] Diese Funktionen verschwanden jedoch im Zuge der sich bildenden Massenparteien, die nicht mehr an ideologischen Standpunkten orientiert waren. Der Trend zu einem politischen Oligopol der Parteien wurde durch Einführung der 5% Klausel verstärkt, da die Parteien nun bestrebt waren größere Bevölkerungsgruppen zu binden. Um dies zu ermöglichen verblasste zunehmend ihre Programmatik.[14] Daraus resultiere eine Unfähigkeit der politischen Institutionen. Der Staat sei nicht „mehr Garant und Organisator einer territorial geschlossenen Schutzgemeinschaft [...]. Angesichts der globalen Vernichtungsfähigkeit verliert der Staat zusammen mit seiner Funktion als Schutzeinheit auch seine Funktion als erstrangiges Kristallisationszentrum politischer Loyalität.“[15]
[...]
[1] Vgl. Murswieck, Axel: Regieren, Regierbarkeit, Unregierbarkeit; in: Lexikon der Politik, Bd. 1, München 1995, S. 533.
[2] Vgl. Murswieck, Axel.: Regierung, in: D. Nohlen (Hrsg.), Wörterbuch Staat und Politik, München 1991, S. 573.
[3] Vgl. Zürn, Michael: Regieren jenseits des Nationalstaats. Globalisierung und Denationalisierung als Chance. Frankfurt/Main 1998.
[4] Thiery, Peter: Moderne politische Theorie, in: M. Mols/H-J. Lauth/Ch. Wagner (Hrsg.), Politikwissenschaft: Eine Einführung, Paderborn 1996, S. 209.
[5] Allerdings gilt dies nicht für autoritäre Systeme, da dort die Legitimation nicht auf der Artikulation des Willens durch gesicherte Meinungsfreiheit beruht, sondern auf Zwang.
[6] Vgl. Offe, Claus: Unregierbarkeit. Zur Renaissance konservativer Krisentheorien, in: J. Habermas (Hrsg.), Stichworte zur Geistigen Situation der Zeit, 1. Bd: Nation und Republik, Frankfurt/Main 1979, S. 294.
[7] Beyme von, Klaus: Die politische Theorie der Gegenwart, Opladen 1992, 132f.
[8] Thiery, Peter: Moderne politische Theorie, S. 217.
[9] Ebd., S. 218.
[10] Beyme von, Klaus: Die politische Theorie der Gegenwart, 133.
[11] Vgl. Offe, Claus: Unregierbarkeit. Zur Renaissance konservativer Krisentheorien S. 297.
[12] Hennis, Wilhelm: Parteienstruktur und Regierbarkeit, in: W. Hennis/P. Graf Kielmansegg/ U. Matz (Hrsg.) Regierbarkeit Studien zu ihrer Problematisierung Band I, Stuttgart 1977, S. 166.
[13] Vgl. Hennis, Wilhelm: Parteienstruktur und Regierbarkeit, S. 168.
[14] Vgl. Eisermann, Gottfried: Die Rolle der politischen Parteien im modernen Staat, in: W. Hennis/P. Graf Kielmansegg/ U. Matz (Hrsg.), Regierbarkeit Studien zu ihrer Problematisierung Band I, Stuttgart 1977, S. 67f.
[15] Guggenberger, Bernd: Sind wir noch regierbar? Zur Dialektik von Stärke und Schwäche des modernen Staates, in: G-K. Kaltenbrunner (Hrsg), Der überforderte schwache Staat - Sind wir noch regierbar?, München 1975, S. 32..
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