Das frühe Ich und die Abwehr

Eine metapsychologische Analyse unter besonderer Berücksichtigung des pathologischen Narzißmus


Diploma Thesis, 2007

71 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Einführung in die Objektbeziehungstheorie
1.1. Das Objekt zwischen Trieb und Beziehung
1.2. Von Freud bis Kernberg

2. Zur Einführung des Narzißmus
2.1. Zur Einführung des Narzißmus - eine Einführung
2.1.1. Zur Einführung des Narzißmus - eine Interpretation von Kernberg
2.2. Pathologischer Narzißmus
2.2.1. Erscheinungsbilder des pathologischen Narzißmus
2.2.2. Erlebniszustände bei pathologischem Narzißmus

3. Die Abwehrorganisation narzißtischer Persönlichkeiten
3.1. Spaltung
3.1.1. Der Spaltungsbegriff bei Freud
3.1.2. Der Beitrag Melanie Kleins - Spaltung und paranoid-schizoide Position
3.1.3. Das Spaltungskonzepts Kernbergs
3.1.4. Zu Reichs Eine Kritik des Konzepts der „primitiven Abwehr“ am Begriff der Spaltung
3.1.5. Ein Konzept spaltet die Meinungen
3.1.6. Ist Spaltung aktive Abwehr?
3.2. Die projektive Identifizierung
3.2.1. Projektive Identifizierung bei Melanie Klein
3.2.2. Projektive Identifizierung - Ausweitung des Konzepts
3.3. Identitätsdiffusion
3.4. Weitere Formen primitiver Abwehr
3.4.1. Primitive Idealisierung

3.4.2. Allmacht und Entwertung
3.4.3. Verleugnung
3.4.4. Das pathologische Größenselbst
3.5. Der Preis der Abwehr
3.5.1. Überich-Integration und pathologisches Überich
3.5.2. Der Mechanismus der Wiederverschmelzung

4. Zur Genese des Ichs
4.1. Das Konzept der primitiven Abwehr und die Genese des Ichs
4.1.1. Desintegration und Synthese
4.2. Zur synthetischen Funktion des Ichs
4.3. Zum Autoerotismus
4.4. Introjektion, Identifizierung und Ichidentität
4.4.1. Kernbergs Strukturderivate der Objektbeziehungen
4.4.2. Eigene Überlegungen zur Genese des Ichs

5. Abriss

6. Literaturverzeichnis

Einleitung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Entstehung des Ichs und der Abwehr. Ausgangspunkt für meine Überlegungen sind sogenannte schwere Persönlichkeitsstörungen, namentlich der pathologischen Narzißmus. Im Mittelpunkt steht dabei die objektbeziehungstheoretisch Arbeiten Otto F. Kernbergs. Um diese zu verstehen, ist es notwendig, sich die Entstehung der Objektbeziehungstheorie sowie die Ansichten ihrer Schöpfer und Protagonisten - auch in Hinblick auf die Schriften Freuds - vor Augen zu führen.

Speziell die Erklärung frühester psychischer Entwicklungen stellt eine Herausforderung dar. Diese Vorgänge erschließen sich selten unmittelbar in der psychoanalytischen Praxis. Vielmehr handelt es sich um metapsychologische Konzepte, die ihren Wert in der Erklärung der der Praxis zugrundeliegenden Theorien entfalten.

Ich werde verschiedene Abwehrmechanismen diskutieren und so versuchen, die Mannigfaltigkeit und Lebendigkeit psychoanalytischer Konzepte und Theorienbildung sichtbar zu machen.

1. Einführung in die Objektbeziehungstheorie

Als relativ junge Disziplin hat die Psychoanalyse seit Freud viele Veränderungen und Erweiterungen erfahren. Schon in seiner 1954 erschienenen Arbeit beschreibt Leo Stone diese Entwicklung und die damit verbundenen Probleme der erweiterten Indikation (widening scope) der Psychoanalyse (Stone, 1954). Wegweisend seien dabei unter anderem die Arbeit Anna Freuds (Freud, A., 1936), Wilhelm Reichs Charakteranalyse (Reich, W., 1971), die Kinder-Analyse sowie das neu gewonnene Wissen um die Behandlung von Delinquenten, Perversionen, Paranoia und Schizophrenie. Auf dem Höhepunkt dieser Entwicklung eines „generally expanding scope of psychoanalysis“ (Stone, 1954, S. 568), das Gefahr lief, sich auch auf ein ”irrational enthusiasm“ (ebd., S. 578) zu stützen, stellt Stone die Frage: „How far can the classical analytic method be modified, and still be regarded as psychoanalysis“ (ebd., S. 575)? Die Frage nach möglicher und notwendiger Modifikation der psychoanalytischen Technik und Methode1 ist besonders bedeutungsvoll im Hinblick auf die Psychoanalyse schwerer oder früher Persönlichkeitsstörungen, wie sie „in der Praxis seit dem Ende des II. Weltkrieges zunehmend gesehen und behandelt“ (Reinke, 1999, S. 11) werden. Stone stellt fest, daß die Psychoanalyse „indeed should be invoked, for many very ill people, of good personality resources, who are probably inaccessible to cure by other methods“ (Stone, 1954, S. 593). Zunächst galt für diese Störungen eine klassische psychoanalytische Behandlung als kontraindiziert (Köhler, 1978, S. 1001), doch im Laufe der weiteren Entwicklungen psychoanalytischer Theorien vermittelte insbesondere die Objektbeziehungstheorie basale Erklärungsmodelle zum Verständnis der Entstehung, Entwicklung und Behandlung schwerer Persönlichkeitsstörungen. Die „auf modifizierte Verfahrensweisen oder Psychotherapie (im Unterschied zur eigentlichen Psychoanalyse)“ (Kernberg, 1981, S. 677) angewandte ursprüngliche psychoanalytische Technik stellt „das Grundgerüst der psychoanalytischen Therapie“ (ebd.) dar.

1.1. Das Objekt zwischen Trieb und Beziehung

Im Zentrum des objektbeziehungs-theoretischen Ansatzes steht die „Verlaufsgeschichte verinnerlichter Objektbeziehungen“ (Kernberg 1997, S.19), welche von Vertretern dieser Theorie als „Ursprung des psychischen Apparats“ (ebd.) gesehen werden.

Wie sich diese Objektbeziehungen zum Freudschen Triebmodell verhalten, ist ausschlaggebend für die Positionierung im Feld psychoanalytischer Theorien: „Various approaches are differentiated by their use of observations concerning relations with others and by the extent to which these observations are integrated with classical drive theory“ (Greenberg & Mitchell, 1983, S. 14). Im Groben bietet die psychoanalytische Theorie zwei Ansätze, das Verhältnis von Objektbeziehungstheorie und Triebtheorie zu klären. Zum einen kann man die klassische Triebtheorie Freuds soweit ausbauen und dehnen, daß die Beziehungen zu den Objekten die Möglichkeit der Triebabfuhr bestimmt. Damit bleiben die Triebe die motivationalen Kräfte intra- und interpsychischer Entwicklung. Eine andere Möglichkeit besteht darin, die Rolle der Triebe als motivierende Kraft menschlichen Verhaltens durch ein anderes Modell zu ersetzen2. „The creation, or re-creation, of specific modes of relatedness with others replaces drive discharge as the force motivating human behaviour” (Greenberg und Mitchell, 1983, S. 3).

Haben solche theoretischen Strömungen nebeneinander Bestand und beziehen sich zu Teilen auf gleiche Ursprünge, werden eben diese in den verschiedenen Modellen verschieden angewendet und ausgelegt. Mangelnder Konsens über gemeinsam verwendete Begrifflichkeiten und Konzeptualisierungen erschwert den Austausch zwischen unterschiedlichen Modellen. Weiter kompliziert wird diese Problematik, entstehen neue psychoanalytische Konzepte unabhängig vom etwaigen gemeinsamen Ausgangspunkt. Solche Konzepte entfalten ihren vollen Sinngehalt nur, betrachtet man sie eingebettet in eine in sich geschlossene Theorie. Ein isolierter Transfer in andere Modelle erweist als schwierig bis unsinnig, entkleidet man doch die entliehenen Gedanken ihres ursprünglichen Zusammenhangs3. Dies bezieht sich nicht nur auf die weitere Verwendung triebtheoretischer Begriffe in der Objektbeziehungstheorie, sondern auch auf die verschiedenen Modelle innerhalb der Objektbeziehungstheorie.

Bemerkenswerterweise hat der Begriff des Objekts in der psychoanalytischen Theorie seinen Ursprung in Freuds Triebtheorie. „Heißen wir die Person, von welcher die geschlechtliche Anziehung ausgeht, das Sexualobjekt, die Handlung, nach welcher der Trieb drängt, das Sexualziel“ (Freud, S., 1905d, S. 34). Später formuliert Freud: „Das Objekt des Triebes ist dasjenige, an welchem oder durch welches der Trieb sein Ziel erreichen kann. Es ist das variabelste [sic] am Triebe, nicht ursprünglich mit ihm verknüpft, sondern ihm nur infolge seiner Eignung zur Ermöglichung der Befriedigung zugeordnet“ (Freud, 1915c, S. 215). Dennoch wird der Begriff in der Objektbeziehungstheorie verwendet sowohl für Modelle, die Freuds Triebkonzept mit einbeziehen, als auch für solche, die dies ablehnen.

Die Frage ist also, ob das Objekt lediglich den Container für externalisierte, endogene psychische Regungen darstellt, oder eine innere Repräsentanz bedeutender anderer (äußere Objekte) und der Interaktion mit ihnen - mithin eine Beziehung.

Wie nun hängen Trieb und Objekt in der Freudschen Theorie zusammen? Das Kind ist in der frühesten psychischen Entwicklung einer Reihe unterschiedlichster unintegrierter Triebkomponenten ausgesetzt. Wenden sich diese Komponenten nach außen, macht das Kind Erfahrungen, die ihm eine Vorstellung davon geben, was Triebbefriedigung und -verzicht bedeuten. Die Bündelung dieser Erlebnisse führt zusammen mit den sie begleitenden Umständen zur Objektformation. So wird das Objekt vom Individuum mittels Triebbefriedigung und Frustration erschaffen (Freud betont hier insbesondere die Bedeutung der libidinösen Besetzung des Objekts). Es gibt kein “inherent object, no preordained tie to the human environment” (Greenberg & Mitchell, 1983, S. 44).

Da es sich zu Beginn um ungebündelte Triebkomponenten handelt, handelt es sich bei den frühesten Objekten um Teilobjekte. Erst später wird das Kind lernen, ein konstantes, ganzes Objekt wahrzunehmen, wenn die Bündelung der Triebkomponenten zu einem vereinheitlichten Sexualtrieb unter dem Primat der Genitalien gelungen ist (ebd. S.42).

Vom objektbeziehungstheoretischen Blickpunkt stellt sich der Zusammenhang zwischen Objektformation und Trieb umgekehrt dar. Die Fähigkeit, ein äußeres Objekt als Ganzes wahrzunehmen, beruht auf der stetigen Zusammenführung unterschiedlicher, auch konfligierender Vorstellungen vom äußeren Objekt. Ist es gelungen, eine einheitliche Repräsentanz dieses Objekts im Innern zu errichten, wird eine tatsächlich interaktive Beziehung zum Objekt möglich. „Genital sexuality, viewed in these terms, is a natural expression of the relationship achieved“ (ebd.).

1.2. Von Freud bis Kernberg

Kernberg, einer der führenden Vertreter der Objektbeziehungstheorie, synthetisiert in seinen Arbeiten verschiedene Strömungen der psychoanalytischen Theorie, wobei er insbesondere die klassische Psychoanalyse Freuds und die Ich-Psychologie mit der Objektbeziehungstheorie zu verbinden sucht. Die Objektbeziehungstheorie wird somit gesehen als „integraler Bestandteil der heutigen Ich-Psychologie (ebd. S. 20)“.

Um zu erfassen, worin die synthetische Leistung Kernbergs besteht, ist es sinnvoll, sich die Entwicklung der psychoanalytischen Theorie von Freud bis zu den heutigen Objektbeziehungstheoretikern in ihren grundlegenden Zügen vor Augen zu führen.

Im Laufe der Ausarbeitung seiner Theorien beginnt Freud allmählich, sich von der Idee des sexuellen Traumas4 als Ursache neurotischer Entwicklung (Affekt-Trauma- Modell) zu entfernen, hin zu der Annahme endogener Triebe als grundlegendem Motivationssystem der Persönlichkeitsentwicklung (Freud, S., 1915c). Deutlich vollzog sich eine Abkehr von äußeren traumatischen Ereignissen hin zu inneren, triebbedingten Spannungszuständen zwischen den Systemen Bewußt, Vorbewußt und Unbewußt und Wunscherfüllung durch Triebbefriedigung (topisches Modell). „The pathogenic conflict is between preconscious censorship of conscious thoughts and unconscious wishes for instinctual gratification“ (Summers, 1994, S. 3).

Den nächsten Schritt vollzieht Freud als er erkennt, daß eine Strukturierung der Psyche in Bewußt, Vorbewußt und Unbewußt für seine neueren Einsichten allein nicht ausreichend ist. Aufbauend auf dem topischen Modell führt er eine weitere Strukturierung der Psyche in Ich, Es und Überich ein (Strukturmodell). Psychologische Konflikte ereignen sich nun nicht mehr zwischen dem Bewußten und dem Unbewußten, sondern „between the unconscious components of the ego or superego and the id“ (Summers, 1994, S. 4). Damit vollzieht sich auch eine veränderte Betrachtung der Abwehrmechanismen, die nun nicht allein als „Barrieren gegen unbewußte Strebungen, sondern als Möglichkeit, unbewußte Impulse zu modifizieren und anzupassen und zudem das Ich vor der Außenwelt zu schützen“ (Fonagy und Target, 2004, S. 71) gesehen werden. Dem Ich kommt die Aufgabe zu, zwischen den Ansprüchen der Außenwelt (Realitätsprinzip) und des Es (Lustprinzip) zu vermitteln. Ebenso einbezogen werden die moralischen Ansprüche des Überichs. Die Fähigkeit, zwischen diesen Instanzen ein Gleichgewicht herzustellen, entscheidet über den Grad psychischer Gesundheit.

Eine Weiterentwicklung erfährt Freuds Modell in der ich-psychologischen Arbeit Heinz Hartmanns. Zuvor hat bereits Anna Freud in ihrer wegweisenden Schrift Das Ich und die Abwehrmechanismen (1936) das Ich weiter in den Mittelpunkt psychoanalytischer Betrachtungen gerückt. Hartmann (1939) kommt zu dem Schluß, daß das Ich sich nicht allein aus Triebfrustrationen entwickelt. Vielmehr verfüge der Mensch über angeborene Fähigkeiten wie Wahrnehmung und Gedächtnis (Apparate primärer Autonomie), die bei der Strukturierung des Ichs durch Triebfrustration ergänzt werden und so eine sekundäre Autonomie entstehen lassen. Somit sei die Behauptung, das Ich entwickele sich allein aus dem Es, unzutreffend. Hartmann nimmt an, Ich und Es entwickelten sich parallel aus einer anfänglich undifferenzierten Matrix. Damit wird dem Ich ein wesentlich höherer Stellenwert in der Psyche des Menschen eingeräumt, als es noch bei Freud der Fall war. Eine weitere Veränderung liegt in der Betonung der Bedeutung aggressiver Impulse im Vergleich zur Bedeutung der Frustration libidinöser Bestrebungen. Demnach sei die Sublimierung aggressiver Impulse von entscheidender Bedeutung für die Strukturierung des Ichs, da sie „das Objekt zu zerstören suchen, gefährlicher seien und um so dringlicher neutralisiert werden müssten. Die erfolgreiche Neutralisierung oder Sublimierung der Aggression erzeugt eine Ich-Struktur, die gute Objektbeziehungen ermöglicht“ (Fonagy & Target, 2004, S. 86).

David Rapaport (1951) rückt die Bedeutung einer Unabhängigkeit des Ichs vom Es für die psychische Gesundheit weiter in den Vordergrund und hebt hervor, daß das Es konstitutionell gegeben, das Ich hingegen individuell erworben sei. Psychische Gesundheit hinge ab von der Fähigkeit, ein vom Es unabhängigeres Ich zu entwickeln, das mit den Widersprüchen und Konflikten zwischen Ich und Es besser umgehen und sich besser behaupten könne. Andere Autoren geben jedoch zu bedenken, daß das Ich trotz seiner Bestrebungen, unabhängig vom Es zu agieren, immer auch darauf bedacht sei, dem Es zu möglichst umfangreicher Triebbefriedigung zu verhelfen (Brenner, 1982).

Bis zu diesem Punkt liegt der Schwerpunkt theoretischer Betrachtung auf dem Verhältnis von Ich und Es, und welche Rolle beide bei der Strukturierung menschlicher Psyche spielen. Im Gegensatz dazu beschäftigte sich eine Gruppe von Ich-Psychologen mit dem Einfluß der Objektbeziehungen auf die Bildung des Ichs und das Kräftespiel zwischen Es und Ich. Aus Freuds Formulierung, man könne der Auffassung sein, daß „der Charakter des Ichs ein Niederschlag der aufgegebenen Objektbesetzungen ist, die Geschichte dieser Objektwahlen enthält“5 (Freud, S., 1923b, S. 257), schliessen William Ronald Dodds Fairbairn und Melanie Klein, - beide unabhängig voneinander in Schottland beziehungsweise New York - daß das Ich aus internalisierten Objektbeziehungen bestehe (Summers, 1994, S. 16). Im Gegensatz zu Klein, die davon ausgeht, daß endogene, aggressive und libidinöse Triebe die Voraussetzungen für die Entstehung von Objektbeziehungen bilden, aus denen sich das Ich entwickelt, sehen Fairbairn und „his protégé Harry Guntrip“ (ebd.) die Entwicklung des Ichs als von den Trieben unabhängig. Anna Freud versteht die Entwicklung des Ich als Ergebnis von Triebfrustration und vertritt damit eine traditionell ich-psychologische Ansicht6.

In den USA ist es Edith Jacobson (1964), die zuerst eine Verbindung zwischen Ich-Struktur und Objektbeziehungen herstellt. „In her view, drive development, ego maturation, and the growth of object relationships are all aspects of a unified developmental process“ (Summers, 1994, S. 17).

Auch Margaret Mahler geht davon aus, daß ein wesentlicher Aspekt psychischer Entwicklung und Pathogenese in der Mutter-Kind-Beziehung liegt. Jacobsons Arbeit und Mahlers entwicklungspsychologische Beobachtungen, welche sich innerhalb Freuds strukturtheoretischem Bezugsrahmen bewegen, spielen eine wesentliche Rolle in Kernbergs Werk. Auch bedient Kernberg sich selektiv der triebtheoretischen Arbeiten Melanie Kleins und Fairbairns, der wiederum Freuds duale Triebtheorie ablehnt. Ihre theoretischen Grundannahmen (Kleins Konzept des angeborenen Todestriebs, die Annahme eines angeborenen Wissens um die verschiedenen Geschlechter und den Geschlechtsverkehr) weist Kernberg zurück. Kontrovers ist die Auseinandersetzung mit Kohuts Selbstpsychologie, die in ihrem grundlegenden theoretischen Entwurf den Ansichten Kernbergs zur Entstehung und Entwicklung schwerer Persönlichkeitsstörungen entgegensteht.

Wenden wir uns nach diesen grundlegenden Bemerkungen zur Entwicklung psychoanalytischer Theorien wieder dem Gegenstand zu, anhand dessen ich das frühe Ich und die Abwehr behandeln werde

Zum Verständnis dieser neueren Konzeptualisierungen schwerer Persönlichkeitsstörungen, insbesondere der Entwicklung des Konzepts des pathologisches Narzißmus, und deren objektbeziehungstheoretischen Grundlagen ist es meines Erachtens unabdingbar, sich mit einer wegweisenden Arbeit Sigmund Freuds auseinanderzusetzen, welche die zukünftigen Entwicklungen psychoanalytischer Theorienbildung in nuce bereits enthält.

2. Zur Einführung des Narzißmus

2.1. Zur Einführung des Narzißmus - eine Einführung

Seinen Ursprung hat der Begriff Narzißmus in der „Selbstbespiegelung des griechischen Jünglings Narziss“ (Resch & Möhler, 2006, S. 37) der griechischen Mythologie. Narziß war der schöne Sohn des Flußgottes Kephissos und der Leiriope. Er verschmähte die Liebe aller Frauen und Jünglinge und verliebte sich in sein eigenes Spiegelbild. Entsprechend können wir allgemein formulieren, Narzißmus bezeichne die Ausrichtung der seelischen Bestrebungen auf das eigene Selbst. Daß sich das Seelenleben realiter jedoch sehr viel komplexer gestaltet, zeigt sich schon in Freuds Narzißmus-Arbeit.

Zur Einführung des Narzißmus erschien 1914 und ist bald 100 Jahre nach Veröffentlichung noch immer Gegenstand des psychoanalytischen Diskurses. Der Text „kündigt die Strukturtheorie und ebenso die Theorie der Objektbeziehungen an sowie die Bedeutung des Selbstkonzepts im Gegensatz zum Ich und viele andere, spätere Entwicklungen in der Theorie“ (Sandler, 2000, S. 9). Annie Reich bezeichnet Freuds Narzißmus-Text als „the forerunner of ego psychology“ (Reich, A., 1953, S. 22). Mit Zur Einführung des Narzißmus erfährt die psychoanalytische Theorie, wie sie Freud bis dahin entwickelt hatte, einen gewaltigen Umbruch, dies auch vor dem Hintergrund einer Neustrukturierung der psychoanalytischen Bewegung insgesamt. Nur Monate vor Veröffentlichung der Narzißmus-Arbeit gab Carl Gustav Jung sein Amt als Präsident der IPA auf. Die Differenzen zu Jung finden sich auch im Text wieder, anscheinend ist er in großem Maße durch dieselben motiviert.

Nach Freud stammt der Begriff Narzißmus von Paul Näcke, der ihn 1899 in einem Aufsatz7 über sexuelle Perversionen verwendet8. In der psychoanalytischen Literatur tauchte er vor Freud bereits bei Sadger und Rank auf (Schneider, 2005, S. 316f.). Als Freud Zur Einführung des Narzißmus verfasst, erklärt er psychische Vorgänge noch anhand von Triebgegensätzen. Freud unterscheidet zwischen Ich- und Sexualtrieben. Mit der Annahme eines Narzißmus wird nun auch die Selbsterhaltung erotisiert, und die Trennung zwischen Ich- und Sexualtrieben wird undurchsichtiger. Noch 1913 erklärt die Wiener Psychoanalytische Vereinigung: „Narzißmus ist ein Grenzbegriff, in dem die Trennung von Sexual- und Ichtrieben auf die zugrunde liegende Einheit reduziert wird“ (Nunberg & Federn, 1975, S. 180). Damit nähert sich Freud scheinbar Jungs Konzept einer monistischen psychischen Energie an (Dieses Problem löst sich vollständig erst 1920 mit der Aufgabe der Ich-Triebe und Annahme der dualistischen Triebtheorie von Libido und Aggression.). Im Narzißmus-Text indes schreibt Freud ein Jahr später: „Die Sonderung der Libido in eine solche, die dem Ich eigen ist, und eine, die den Objekten angehängt wird, ist eine unerlässliche Fortführung [m]einer ersten Annahme, welche Sexualtriebe und Ichtriebe voneinander schied“ (Freud, 1914c, S. 143)9. „Es bleibt durch Freuds gesamtes Werk der innere Stachel seiner Triebtheorie und ihr Kennzeichen zugleich, daß die postulierten Dichotomien zwischen den Triebgruppen immer wieder unterlaufen werden und, statt etwa in ein dialektisches Verhältnis zu treten [. . .], ein asymmetrisches Gefüge bilden“ (Schneider, 2005, S. 325). Solche Asymmetrien, auch innerhalb eines einzelnen Textes, namentlich in Zur Einführung des Narzißmus, sind typisch für Freuds literarisches Wirken, welches das beständige „Fortfahren und [...] Werden“ (Mahony, 1982, zitiert nach Küchenhoff, 2004, S. 156) dieser noch jungen Theorien widerspiegelt.

Der Text lässt sich in drei Bereiche einteilen. Zunächst stellt Freud das bis heute umstrittene Konzept des primären Narzißmus vor; der Narzißmus sei der libidinöse Aspekt der Selbsterhaltungstriebe. In Begriffen der Libidotheorie stellt Freud anhand klinischer Beobachtungen fest, daß bei schizophrenen Patienten die Objektlibido von der Außenwelt abgezogen und auf das Ich10 gerichtet wird. Diese umgeleitete Libido bildet den Narzißmus, die Grundlage für den Größenwahn des Schizophrenen. Freud nimmt an, daß es einen originären infantilen Narzißmus gegeben hat, und die Libido nun in entgegengesetzter Richtung von den Objekten zum Ich zurückkehrt11. „Stichwort ist ihm hier das [...] Bild einer ‚reflexiven Rückwendung’“ (Gast, 2006, S. 137). So schließt er vom sekundären auf die Existenz eines primären Narzißmus. Mit dieser Annahme wird es weiter notwendig, Ichlibido deutlich von der Objektlibido zu trennen. In bezug auf die Objektlibido unterscheidet Freud zwischen narzißtischer und anaklitischer Objektwahl (Ahnlehnungstypus [zu griechisch anaklinein = anlehnen]). Kernberg bezeichnet diese Darstellung der zwei verschiedenen Typen der Objektwahl als „Grundbeitrag zur Psychologie der normalen und pathologischen Liebesbeziehungen“ (Kernberg, 2000, S. 183). Die Unterscheidung zwischen Ichlibido und Objektlibido hat weitreichende Folgen.

Freud geht davon aus, dass Ich- und Objektlibido als von einander verschieden gleichsam mechanisch miteinander verbunden sind, daß Objektbesetzung und libidinöse Besetzung des Ichs einander in ihren Quantitäten bedingen. „Die Unterscheidung zwischen Objektbesetzung und Selbstbesetzung setzte [jedoch] nicht voraus, daß die in das eine oder andere involvierte Libido qualitativ verschieden war, sie war nur woanders lokalisiert“ (Sandler, Holder et al., 1997, S. 157). Ich- und Objektlibido stehen sich also nicht entgegen. Im Gegenteil: bei narzißtischer Objektwahl wird erkennbar, daß in der Objektlibido selbst ein narzißtisches „Begehren verborgen“ (Küchenhoff, 2004, S. 159) ist. Entsprechungen finden sich in der psychoanalytischen Praxis, wenn der Analytiker vorübergehend Ich-Anteile des Patienten übernimmt. Erweitert kann auch die projektive Identifizierung bei Melanie Klein als narzißtische Objektwahl verstanden werden, nur daß hierbei die narzißtische Besetzung mittels Verlagerung destruktiver Selbstanteile geschieht. Diese kurzen Hinweise mögen genügen zu zeigen, daß das Verhältnis von Narzißmus und Objektliebe, wie Freud es erstmals dargestellt hat, nichts von ihrer Bedeutung und Aktualität eingebüßt hat.

Im dritten Teil befasst sich Freud mit dem Triebschicksal der Ichlibido, der Objektbefriedigung und führt „viele Jahre vor Begründung der Strukturtheorie das IchIdeal ein“ (Köhler, 1978, S. 1024). Er hinterfragt den Werdegang der Libido nach der primären Besetzung des Ichs (Selbst), da der kindliche Größenwahn in der gesunden erwachsenen Psyche verschwunden zu sein scheint. Da Freud nicht davon ausgeht, daß die Ichlibido komplett in der Objektlibido aufgegangen ist, antwortet er auf diese Fragestellung mit der Annahme der Verdrängung, entstanden aus und gemessen an den Anforderung eines Ideals an das Ich (Selbst).

Der Narzißmus scheint auf dieses neue ideale Ich verschoben, welches sich wie das infantile im Besitz aller wertvollen Vollkommenheiten befindet [. . .] Was er als sein Ideal vor sich hinprojiziert, ist der Ersatz für den verlorenen Narzißmus seiner Kindheit, in der er sein eigenes Ideal war. (Freud, S., 1914c, S. 161)

„Die Anregung zur Bildung des Ichideals, als dessen Wächter das Gewissen bestellt ist, war nämlich von dem durch die Stimme vermittelten kritischen Einfluß der Eltern ausgegangen“ (ebd., S, 163). Hier kündigt sich neben der Strukturtheorie bereits auch die spätere Objektbeziehungstheorie an, die Beziehung zwischen Selbstrepräsentanzen, Objektrepräsentanzen (somit die Beziehung zu bedeutsamen anderen [Eltern]) und den sie verbindenden Affekten. Kritisch bemerkt Kernberg, daß Freud den „Narzißmus als Charakterpathologie [. . .] praktisch auslässt“ (Kernberg, 2000, S. 191), stellt aber dennoch an anderer Stelle fest, daß die einflußreichsten „Ansätze zur Untersuchung von normalem und pathologischem Narzißmus im zeitgenössischen psychoanalytischen Denken“ (Kernberg, 1984, S. 261) auf Freuds Zur Einführung des Narzißmus gründen.

2.1.1. Zur Einführung des Narzißmus - eine Interpretation von Kernberg

Eindrucksvoll formuliere Freud die „Beziehung zwischen der libidinösen Besetzung des Selbst und der Objekte [...] [und die Bedeutung der Dialektik dieser] Beziehung in der Normalität und der Pathologie - Konzepte, die zum Ursprung der Idee eines normalen und eines pathologischen Narzißmus wurden“ (Kernberg, 2000., S. 177). Heute könnte man sagen, daß die affektiven Besetzungen von Selbst und bedeutsamen anderen den Aufbau innerer und äußerer Realität bedingen und verstärken, daß sich Objektbeziehungen in introjektiven und projektiven Mechanismen bilden und beeinflusst werden.

Kritisch jedoch steht Kernberg Freuds Konzept des primären Narzißmus gegenüber. Er spricht sich sowohl gegen „das Konzept des Autoerotismus als auch das eines Selbst oder Ichs, das vor der psychischen Erfahrung der eigentlichen Beziehung des Kleinkindes mit dem Objekt liegt“ (ebd.) aus, sowie gegen Mahlers Annahme einer autistischen Phase. Er nimmt an, daß die frühesten Entwicklungen in paralleler Entstehung und Wirkung gleichsam symbolhafter Strukturen gründen, die den Ausgangspunkt für die Bildung von Selbst und Objekt widerspiegeln. Offensichtlich ist noch immer kontrovers, ob man das Vorhandensein eines differenzierten Selbst (Klein, Fairbairn) oder das Fehlen einer Selbst- und Objektdifferenzierung (Jacobson, Mahler) annehmen kann12. Kernberg geht „in Anlehnung an Jacobson und Mahler[[13]] [...] [davon aus], daß der Säugling etwa zwischen dem zweiten und fünften Lebensmonat damit beginnt, primitive Repräsentanzen des Selbst und des Objekts zu entwickeln, jedoch noch nicht die eine von der anderen differenziert“14 (Kernberg, 2000, S. 179). Diese undifferenzierten Selbst-Objektrepräsentanzen reiften parallel an lustvollen positiven und unlustvollen negativen „peak-affekt-states [Zuständen affektiver Höhepunkte]“ (ebd.) im Sinne verdichteter Erfahrungen. „Sowohl die Libido als auch die Aggression [besetzen] auf diese Weise gleichzeitig primäre, undifferenzierte, verschmolzene Selbst­Objekt- repräsentanzen“ (ebd.). Eine gleichzeitige Entstehung realitätsnäherer Strukturen aufgrund affektiv schwächer beziehungsweise affektiv weniger dichotom aufgeladener Erfahrungen sei ebenfalls möglich. „Mit Hilfe dieses Entwicklungsrahmens habe ich das Affektkonzept als eng verwandt mit dem der Triebe und der Entwicklung der Triebe - anstelle der Existenz eines differenzierten Triebes von Beginn des Lebens an - eingeführt“ (ebd.).

Als „Grundbeitrag zur Psychologie der normalen und pathologischen Liebesbeziehungen“ (ebd. S. 183) bezeichnet Kernberg Freuds Darstellung der zwei unterschiedlichen Typen der Objektwahl.

Kritisch bemerkt Kernberg, daß Freud den „Narzißmus als Charakterpathologie“ (ebd. S. 191) „praktisch auslässt“ (ebd.), stellt aber an anderer Stelle fest, daß die einflussreichsten „Ansätze zur Untersuchung von normalem und pathologischem Narzißmus im zeitgenössischen psychoanalytischen Denken“ (Kernberg, 1984, S. 261) auf Freuds Zur Einführung des Narzißmus gründen15.

[...]


1 Vgl. hierzu Deserno, H. (1990).

2 Zur Entstehung und Veränderung wissenschaftlicher Theorien ist es gewinnbringend, die Arbeit des Wissenschaftstheoretikers Kuhn zu betrachten. Er versteht normale Wissenschaft als „eine Forschung, die fest auf einer oder mehreren wissenschaftlichen Leistungen der Vergangenheit beruht, die von einer bestimmten wissenschaftlichen Gemeinschaft eine Zeitlang als Grundlagen für ihre weiteren Arbeiten anerkannt werden“ (Kuhn, 1962, S.25). Um sich einer wissenschaftlichen Gruppe anzuschließen, wird sich der Forschende in seiner Ausbildung mit dem gleichen Fundament an Wissen auseinandersetzen, welches auch die Mitglieder jener als Ausgangspunkt für ihre Arbeit nutzen. Diese gemeinsame Bindung an Grundprinzipien der wissenschaftlichen Tätigkeit und ihrer Inhalte ist die Voraussetzung für das dauerhafte Bestehen einer „bestimmten Forschungstradition“ (ebd., S.26).

Ein Paradigma beschreibt er als eine eben solche Grundlage, die bei ihrer Entstehung erstens so innovativ ist, dass sie über eine Anziehungskraft verfügt, genug Wissenschaftler an sich zu binden, die vorher nach und an anderen Modellen gearbeitet haben, und zweitens „...noch offen genug [ist], um der neuen Gruppe von Fachleuten alle möglichen ungelösten Probleme zu stellen“ (ebd., S.25). Ein Paradigma kommt also aus Konsens zustande.

In bezug auf die Entstehung und Entwicklung zum Beispiel der Psychoanalyse als Wissenschaft hatten sicherlich die großen Krankengeschichten Freuds „...als Einzelfallstudien paradigmatische Bedeutung“ (Schaumburg, 1974, S.355). Die Entdeckungen neuer psychischer Zusammenhänge haben jeweils die psychoanalytische Methode sowie die psychoanalytischen Theorien grundlegend verändert. „Die Einzelfallstudien Freuds sind Dokumente einer ‚wissenschaftlichen Revolution’“ (ebd., S. 356).

Ein wissenschaftliches Paradigma ist jedoch nicht allein die Grundlage und der Ausgangspunkt wissenschaftlicher Tätigkeit, es bestimmt auch die Ergebnisse und Ziele dieser. Die wissenschaftliche Gemeinschaft erwirbt mit einem Paradigma auch „...ein Kriterium für die Wahl von Problemen..., von welchen - solange das Paradigma nicht in Frage gestellt wird - vermutet werden kann, dass sie eine Lösung haben“ (Kuhn, 1962, S.51). Andere Probleme, die nicht zu dem Rüstzeug des bestehenden Paradigmas passen, werden außer acht gelassen oder schlichtweg in ihrem Wesen als Problem gar nicht erkannt.

3 Auf die Schwierigkeiten, die in bezug auf die einseitige oder beschnittene Verwendung entliehener Ideen entstehen können, werde ich ausführlich bei der Behandlung der projektiven Identifizierung von Melanie Klein eingehen.

4 „Es müssen vielmehr diese sexuellen Traumen der frühen Kindheit (der Lebenszeit vor der Pubertät)

angehören, und ihr Inhalt muß in wirklicher Irritation der Genitalien (koitusähnlichen Vorgängen) bestehen“ (Freud, S., 1896b, S. 380).

5 „precipitate of abandoned object cathexes“ (Freud, S., Standard Edition, 19, p. 29)

6 Der Bruch in der britischen Psychoanalyse, der auf Anna Freuds Kritik (1927) an den Ansichten Melanie Kleins zurückgeht, ließ neben den Anhängern Anna Freuds und den Melanie Kleins auch die Gruppe der middle school oder independents entstehen, welche die Ansichten Kleins nicht gänzlich ablehnten. Hier werden oft Fairbairn, Guntrip, Winnicott und Balint genannt (Summers, 1994, S. 16).

7 Näcke, P. A. (1899).

8 An anderer Stelle schreibt Freud den Terminus Havelock Ellis zu: „Der Terminus ‚Narzißmus’ ist nicht [...] von Naecke, sondern von H. Ellis geschaffen worden“ (Freud, S., 1905d, S. 109, Fn. 3).

9 Hier sehe ich einen doppelten Widerspruch: das, was die Trennung von Ich- und Sexualtrieben aufhob beziehungsweise. „auf die ursprüngliche Einheit reduziert“ (Nunberg & Federn, 1975, S. 180), namentlich der Narzißmus, stützt nun das Festhalten an und die Ausweitung dieser Trennung der Triebkomponenten.

10 Der Begriff des Ichs wird von Freud auf verschiedene Art benutzt. „Er war mit einer Vielfalt an Bedeutungen, einschließlich Bewusstsein, befrachtet und konnte auch das Subjekt selbst meinen“ (Sandler, 2000, S. 157). Für unser heutiges Verständnis wäre wohl der Begriff des Selbst passend.

11 „Wir bilden so die Vorstellung einer ursprünglichen Libidobesetzung des Ichs, [. . .] die aber, im Grunde genommen, verbleibt und sich zu den Objektbesetzungen verhält wie der Körper eines Protoplasmatierchens zu den von ihm ausgeschickten Pseudopodien“ (Freud, 1914c, S. 141).

12 Unklar bleibt, auf welcher Grundlage Kernberg an dieser Stelle argumentiert, daß „alle [Hervorhebung LT] diese theoretischen Strömungen [...] die Auffassung eines autoerotischen und primärnarzißtischen Stadiums [...] in Frage [stellen]“ (ebd, S. 178). Einen Beleg für diese Behauptung liefert Kernberg nicht.

13 Hier zeigt sich einprägsam, wie selektiv Kernberg bei der Ausarbeitung und Begründung seiner Theorien vorgeht.

14 Kernberg bleibt in seinem Artikel schuldig, welches Stadium (bis zum zweiten Lebensmonat) dieser Entwicklung vorausgeht.

Excerpt out of 71 pages

Details

Title
Das frühe Ich und die Abwehr
Subtitle
Eine metapsychologische Analyse unter besonderer Berücksichtigung des pathologischen Narzißmus
College
University of Bremen
Grade
1,0
Author
Year
2007
Pages
71
Catalog Number
V93304
ISBN (eBook)
9783638062930
ISBN (Book)
9783638953504
File size
794 KB
Language
German
Keywords
Objektbeziehungstheorie, Abwehrmechanismus, Spaltung, projektive Identifizierung, Psychoanalyse, Melanie Klein, Otto Kernberg, Introjektion, Triebtheorie, paranoid-schizoide Position, Objektbeziehung
Quote paper
Lars Tischler (Author), 2007, Das frühe Ich und die Abwehr, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93304

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Title: Das frühe Ich und die Abwehr



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