Frauen im Ersten Weltkrieg und die Emanzipation in Deutschland

Inwiefern hatte die Rolle der Frau darauf Einfluss?


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2019

24 Pages, Note: 2,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Hauptteil
2.1 Der Begriff >> Emanzipation«
2.2 Frauen zum Kriegsbeginn 1914 - Die Männer ziehen an die Kriegsfront
2.3 Die Rolle der Frau im Ersten Weltkrieg
2.3.1 Die Familie und der Alltag
2.3.2 Lohnarbeit
2.3.3 Hilfsbereitschaft
2.3.4 Frauenbewegungen und Frauenvereine
2.3.5 Widerstand
2.4. Frauen am Kriegsende 1918 - Die Heimkehr der Männer
2.5 Inwiefern führte die Rolle der Frauen im Ersten Weltkrieg zur Emanzipation?

3. Schluss

4. Literartur- und Internetverzeichnis
4.1 Literatur
4.2 Internetseiten

1. Einleitung

Am 28. Juni 1914 wurde der österreichische Thronfolger Franz Ferdinand und seine Ehefrau in Sarajewo erschossen. Als Verbündeter der Donaumonarchie, sah sich das Deutsche Reich in einem Zweifrontenkrieg gegen die Triple-Entete, welche aus Frankreich, Russland und dem Vereinigten Königreich bestand. Am 1. August erklärte das Deutschland zuerst Russland und am 3. August Frankreich den Krieg. Noch am selben Tag marschierten deutsche Soldaten in Belgien ein und provozierten damit den Kriegseintritt Großbritanniens am 4. August 1914.1 Das Attentat von Sarajewo leitete somit den Ersten Weltkrieg ein, an dessen Ende rund 10 Millionen Soldaten und 7 Millionen Zivilisten starben.2 Nach dem Ende des Ersten Weltkriegs am 11. November 1918 und dem Sieg der Triple-Entete und den im Verlauf hinzugekomme­nen Verbündeten, unterzeichnete Deutschland als Verlierer am 28. Juni 1919 den Versailler Vertrag, als eines von fünf Friedensabkommen.3 In diesem musste Deutschland unteranderem die alleinige Kriegsschuld anerkennen und Reparationszahlungen an die Sieger leisten.4 Für das Deutsche Reich vollzog sich anschließend ein politischer Wandel und nach dem Sturz der Dynastie und der Abdankung Kaiser Wilhelm II., wurde es zu einer Republik mit liberaler, de­mokratischer Verfassung.

In der Geschichtswissenschaft wird der Erste Weltkrieg aufgrund seiner Auswirkungen vielfach als Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts angesehen und das Interesse ist auch heutzutage, rund 100 Jahre später noch groß. Die Jahre von 1914 bis 1918 können sowohl politisch-militä­risch als auch sozioökonomisch-kulturell betrachtet werden.5 Im Laufe der Jahre ergab sich innerhalb der Geschichtewissenschaft eine Schwerpunktverschiebung. Kurz nach dem Krieg bis in die 50er Jahre stand die Politik- und Militärgeschichte im Vordergrund. Ab den 60er Jahren fokussierte die Wissenschaft immer mehr den Alltag der Durchschnittsbürger. Nach der Geschichte der Industrie- und Landarbeiter, fand schließlich auch das Leben der Frauen im Ersten Weltkrieg seine Aufmerksamkeit.6

Gibt man das Schlagwort >>Frauen im Ersten Weltkrieg« im Internet ein, so findet man eine Reihe von Seiten, die sich damit auseinandersetzen. Die Zeitschrift der Spiegel beleuchtet beispielsweise Einzelschicksale von Frauen, die zu dieser Zeit lebten.7 In YouTube findet man zum einen Zusammenfassungen, die das Dasein der >>Kriegerfrauen<< in Kürze darstellen und zum anderen Reportagen, die sich sowohl mit dem Leben der Männer, als auch der Frauen zur Kriegszeit beschäftigen.8 Während der Recherche sowohl im Internet, als auch in der For­schungsliteratur, taucht ein Thema immer wieder auf: Die Rolle der Frau im Ersten Weltkrieg und die Emanzipation als Folge.9 Hierbei werden Frauen auch oftmals als »Gewinnlerin- nen<< des Krieges betitelt. Haben sie tatsächlich gewonnen und wenn ja, was haben die ge­wonnen?

Es ist mit Sicherheit höchst interessant die Frauen der großen Kriegsnationen vergleichend zu betrachten, aufgrund der Kürze dieser Arbeit werden im Folgenden jedoch ausschließlich die in Deutschland lebenden Frauen erforscht und versucht eine Antwort auf die Frage zu geben: Inwiefern führte die Rolle der Frau im Ersten Weltkrieg zur Emanzipation?

Vorab wird der Begriff »Emanzipation«, mit welchem in dem angesprochenen Kontext ge­arbeitet werden soll, definiert. Anschließend sollen die Frauen kurz vor und zu Beginn des Krieges 1914 betrachtet werden. Wie war ihre Einstellung zum Krieg und welche Stellung be­saß sie in der Gesellschaft? Danach wird ihre Rolle im Ersten Weltkrieg angeschaut. Welche Arbeiten bestimmten ihren Alltag und was ist aus den Familien geworden nachdem die Ehe­männer in den Krieg zogen? Weiterhin soll das Ende des Krieges 1918 und die Auswirkungen auf das Leben der Frauen betrachtet werden. Schließlich kann die Frage , inwiefern die Rolle der Frau im Ersten Weltkrieg zur Emanzipation führte, beantwortet werden.

Als Grundlage für die Erforschung dieses Themas sind drei Bücher besonders hervorzuheben. Zum einen “Die Stunde der Frauen“10 von Antonia Meiners. Es eignet sich hervorragend um sich einen Überblick über das Leben der >> Kriegerfrauen<< zu beschaffen. Gestützt mit Pri­märquellen in Form von Bildquellen, zeitgenössischen Berichten und Zitaten, ist es sehr facet­tenreich. Jedoch kritisch zu betrachten dahingehend, dass Meiners teilweise die Seite der »starken Kriegerfrauen<< teilweise romantisiert. Dabei rücken beim Lesen der eigentliche Schmerz und das Leid des Krieges, welche die Hauptbestandteile des Kriegsalltags vieler Men­schen waren, in den Hintergrund.

Als weitere literarische Grundlage dient das Werk “Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft“11 von Ute Daniel. Das >>Arbeiten-gehen-müssen<< war eine der zentralen Rollen, welche Frauen im Ersten Weltkrieg einnahmen. Daniels gibt mit ihrem Buch eine tiefgehende Über­sicht zum Leben der Arbeiterfrauen und auch deren Familien im Ersten Weltkrieg. Auch die Frauenbewegung spielt während des Ersten Weltkrieges eine entscheidende Rolle und wirkte bei wichtigen Veränderungen für das Leben der Frauen mit. Florence Herve konferiert dieses Thema in ihrem Buch “Geschichte der deutschen Frauenbewegung“12.

In allen drei Werken zeichnet sich die Tragweite der Rolle der Frau im Ersten Weltkrieg und deren Bedeutung für die Emanzipation ab.

2. Hauptteil

2.1 Der Begriff >> Emanzipation«

In der Frauengeschichte strandet der Begriff der »Emanzipation« oft in der Bedeutung von Ereignissen, Strukturen und historischen Problemlagen.13 Der Begriff ist oftmals politisch kon- notiert als Kampfbegriff für die Rechte der Frau. Treffend scheint die Definition Daniels zu sein, die »Emanzipation« entlang der Zeitachse folgendermaßen definiert: „[...] die Befreiung von überkommenen rechtlichen und anderen Bindungen mit dem Zweck einer größeren Gleich­berechtigung in der jeweiligen Gegenwart vor dem Erwartungshorizont einer freiheitlicheren zukünftigen Gesellschaft.“14

Diese Definition, welche 1989 festgehalten wurde, soll noch ergänzt werden durch eine Be­griffserklärung, die wir aktuell im Duden finden können: Emanzipation ist die „Befreiung aus einem Zustand der Abhängigkeit; Selbstständigkeit; Gleichstellung“ und die „rechtliche und gesellschaftliche Gleichstellung [der Frau mit dem Mann]“.15 Folglich soll eine vollkommen emanzipierte Frau betrachtet werden als: eine Frau, die aus einem Zustand von überkomme­nen rechtlichen und anderen Bindungen befreit ist. Sie ist mit dem Mann in einer freiheitlichen Gesellschaft gleichgestellt. Selbstständig entscheidet sie über ihr Handeln und Werden und darf ihre Meinung zu jederzeit äußern.

Bei der Betrachtung sollte die jeweilige Gegenwart mit ihren Umständen, in der sich eine Frau befindet, stets berücksichtigt werden. Dies verlangt bei der Urteilsfindung eine genauere Be­trachtung und soll somit ein vorschnelles kategorisieren von entweder »emanzipiert« oder >> nicht emanzipiert« ausschließen.

2.2 Frauen zum Kriegsbeginn 1914 - Die Männer ziehen an die Kriegsfront

Vor Kriegsbeginn 1914 lebten die Frauen im Deutschen Kaiserreich in einer konstitutionellen Monarchie mit traditionellen Geschlechterrollen.16 Sie sind Ehefrauen, Mütter und Töchter, die sich primär um Haus und Hof kümmerten und dem Mann politisch und gesellschaftlich untergeordnet waren. Wollte eine Frau eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, brauchte es die Zu­stimmung des Ehemanns oder Vaters. Seit der Verabschiedung des Bürgerlichen Gesetzbuchs von 1896/1900 waren Frauen gleichsam einer feudalen Abhängigkeit von ihrem Ehemann un­terstellt.17 Zwar gab es schon seit 1848 erste Frauenbewegungen, die sich für Frauenrechte einsetzten, aber das allgemeine Interesse daran war sehr gering und ihre Stellung wurde von den Frauen kaum in Frage gestellt.18

Am 1. August 1914 sprach Kaiser Wilhelm II. anlässlich der Kriegserklärung gegen Russland vom Balkon des Berliner Stadtschlosses zu seinem Volk: „Ich kenne keine Parteien und keine Konfessionen mehr; wir sind heute alle deutsche Brüder und nur deutsche Brüder.“19 Entspre­chend dieser Rede war auch die kollektive Kriegsbegeisterung, welche bei Kriegsausbruch vor­herrschte. Sowohl Männer als auch Frauen jeden Alters und jeder Schicht sahen im Ersten Weltkrieg einen Kampf, zur Verteidigung des deutschen Volkes, welches es mit dem Leben zu schützen galt.20 Das Wilhelm II. von »Brüdern«, aber nicht von »Schwestern« sprach, ist nicht wunderlich. Diese Wortwahl veranschaulicht zum einen, dass die Tragweite, welche die Rolle der Frauen im Krieg einnehmen wird, noch vollkommen unklar war.21 Weiterhin ist es ein gutes Beispiel für die Stellung der Frau und ihr damit verbundenes Selbstverständnis zu Kriegsbeginn 1914. Es wurde nur an den Mann gedacht, der als Soldat die Schlacht gegen den Feind ausfechten wird. Die meisten Frauen störte es damals nicht, dass sie keine explizite Er­wähnung in der Rede fanden, denn als ihren Ehemännern oder Vätern zugehörig, waren sie in gewisser Weise im Begriff der >> Brüder<< eingeschlossen und fühlten sich auch in diese Weise durchaus angesprochen.22

2.3 Die Rolle der Frau im Ersten Weltkrieg

„Die Plicht über alles - über Liebe, Hoffnung, Glück. Und das Liebste hergeben zum Schutz des Vaterlandes- das ist die Kriegspflicht der Frauen.“23 Thea von Harbou, 1913.

2.3.1 Die Familie und der Alltag

Wie Thea von Harbou waren zunächst viele Frauen vom Krieg überzeugt und bereit alles zu opfern. Doch nach der anfänglichen Kriegseuphorie, welche sich auch im »Burgfrieden« na­hezu jeder Opposition wiederspiegelte, folgte schnell die Erkenntnis, dass der Krieg länger an­dauern würde als zunächst geplant.24 Mit dem Fortgang der Männer, die nun die Rolle von »Soldaten« einnahmen, veränderte sich auch die Rolle der Frauen und besonders die der Mütter. Insgesamt wurden im Ersten Weltkrieg 13,2 Millionen Männer mobilisiert, davon wa­ren ungefähr 12 Millionen verheiratet.25 Die Zahl der getrennten Familien war dementspre­chend groß. Bis Kriegsbeginn galt zwar die »elterliche Gewalt« in der Erziehung, aber prak­tisch hatte der Mann bisher die Entscheidungsgewalt.26 Den Müttern mangele es an der Um­setzung erforderlicher Konsequenzen und Durchsetzungsfähigkeit, die gerade Jugendliche bräuchten. Die zu weiche Erziehung habe auch die spätere Jugendkriminalität im Krieg zur Folge (Dass die Jugendlichen zu Miternährern in den Familien werden und mit ihren Müttern gemeinschaftlich handeln, wurde von vielen nicht wahrgenommen).27 Durch das Fortbleiben des Mannes fand schlagartig eine familiäre Neuorientierung statt. Von nun an mussten die Frauen den Lebensunterhalt sichern und zudem allein für die Familie sorgen. Hierbei war es egal aus welcher gesellschaftlichen Schicht eine Frau kam (Arbeiterfamilie, Professorenhaushalt oder aus dem Adelsgeschlecht). Auch war es unabhängig von ihrer bis­herigen Lebensgestaltung (Hausdame, promovierte Physikerin, Frauenrechtlerin, Politikerin oder Künstlerin).28

So veränderte der Krieg nicht nur das Leben der Männer an der Kriegsfront, sondern auch das Leben der Frauen an der Heimatfront. Für die Ehefrauen der einberufen Männer und deren Kinder unter 14 Jahre, sollte der Verlust des Geldeinkommens mit der 1914 eingeführten Fa­milienunterstützung (FU) ausgeglichen werden.29 Ab 1. August 1914 lag der Mindestsatz bei 9 Mark für die Sommer- und 12 Mark für die Wintermonate. Bis Kriegsende erhöhte sich dieser auf 25 Mark sowohl für Ehefrauen als auch die zu unterstützenden Kinder (Der Wechsel zwi­schen Sommer- und Wintersatz blieb aus).30 Die FU entwickelte während des Krieges eine un­aufhaltsame Verallgemeinerungstendenz. Von der Versorgung eines ursprünglich klar um­grenzten Personenkreises, wurde sie im Verlauf zu einer Unterstützungspflicht des Staates für weite Teile der lohnabhängigen und selbstständigen Bevölkerung.31

Doch meist reichte das Geld der FU nicht um die ganze Familie zu ernähren und viele Frauen mussten sich eine zusätzliche Einkommensquelle suchen, um die Versorgung der Familie aus­reichend sichern zu können. Dies soll an späterer Stelle näher erläutert werden.

Bereits im ersten Kriegswinter kam eine Nahrungsmittelknappheit hinzu. Diese wurde durch die rückläufige landwirtschaftliche Produktion und die Einschränkungen im internationalen Handel ausgelöst.32 Den Höhepunkt erreichte die Versorgungskrise in den Jahren 1916/1917, dem sogenannten >>Kohlrübenwinter<<33. Der harte Kriegsalltag und die einseitige Unterer­nährung hatten Auswirkungen auf die Gesundheit. An den Folgen starben etwas 700.000 Menschen und die Kindersterblichkeit stieg um 50%.34 In den Großstädten wie Hamburg oder Berlin kam es 1916 zu den ersten Hungerdemonstrationen und Frauen forderten >>mehr Brot<<. In ihrer Ausweglosigkeit und der Sorge um die Familien stürmen und plündern sie so­gar Geschäfte und Vorratslager.35

Nur wer wohlhabend war, konnte beispielweise über den Schwarzmarkt an Brot, Zucker oder Fleisch kommen.36 Bis April 1917 blieb für wohlhabende Frauen sogar Mode ein wichtiges Thema. Danach gab es für alle Frauen jeder Schicht Bezugsscheine für Bekleidung, die vom Staat festgelegt wurde.37 Seit August 1914 waren die meisten Unterhaltungs-Etablissements geschlossen worden und in öffentlichen Sälen und Gaststätten herrschte seitdem ein Verbot für Tanzveranstaltungen.38 Nach und nach öffneten wieder einige Restaurants, Cafés und Clubs ihre Pforten. Doch konnten sich diesen Luxus höchstens bürgerliche Frauen leisten. Für die Proletarierfamilien war bestand der Alltag daraus, das Überleben zu sichern.39 Demgegenüber war der Wandel im Bereich der familiären Reproduktion in allen Schichten gleich: Eheschließungen und Geburten erlebten einen starken Rückgang.40 Frauen planten ihre Geburten fortan, da für viele zum einen die Kriegsgesellschaft als kein geeignetes Umfeld für Kinder galt und zum anderen gerade für die Armen die Nahrungsmittel bereits knapp wa­ren.41 Regierung und Verwaltungen versuchten durch Sozialpolitik und entsprechender ge­setzlicher und propagandistischer Maßnahmen das Absinken zu vermeiden (Bspw. durch Ab­treibungsverbote oder eine verbesserte soziale Betreuung von Kleinkindern).42

Zudem kam es innerhalb der bestehenden Familien durch die lange Zeit der Trennung zu einer Entfremdungserscheinung.43 Briefe und Postkarten waren jahrelang der einzige Kontakt den Familien untereinander hatten und so übernahmen diese Form des Austusches eine wichtige sozialpsychische Funktion in Ehen ein. Dennoch konnten auch diese den Partner nicht erset­zen und es kam zuweilen zu außerehelichen Liebesbeziehungen (bspw. zu Kriegsgefangenen oder Ausländern). Diese wurden von den Behörden besonders scharf beobachtet, denn sie befürchteten eine Verstimmung bei den Ehemännern an der Front.44 Für die Frauen im Ersten Weltkrieg galt: Sie mussten ihren Ehemännern treu sein. Die unverheirateten Frauen und Wit­wen durften nur mit deutschen Männern Ehen schließen. Im Gegensatz dazu war Prostitution und Ehebruch bei Männern ohne rechtliche Konsequenzen. Es konnte höchstens sein, dass sie sich mit Geschlechtskrankheiten infizierten. Doch als clevere Vorsorgemaßnahme gab es vom Militär organisierte und von den Soldaten gern besuchte Seminare zur Aufklärung, um so die Ausbreitung der Geschlechtskrankheiten zu verringern.45 Dies war auch den Frauen bekannt und trug zusätzlich zur Entfremdung bei. Aber vielen Frauen blieb kaum Zeit, um sich mit solchen Gedanken zu beschäftigen. Ihr Augenmerk lag auf der Familie in der Heimat und dem anstrengenden Kriegsalltag. Die Kinder und Jugendlichen blieb oft nichts anderes übrig, als zu helfen. Dies schlug sich auch in unregelmäßigen Schulbesuchen nieder. In Köln beispiel­weise lag der Durchschnitt der unentschuldigten Fehlzeiten im Jahr 1917 bei 48%. Ein regel­mäßiger Schulbesuch war ohnehin schwer möglich, da viele Lehrer ihren Dienst an der Front ausübten oder weil Schulen als Einquartierung von Kriegsgefangenen oder Lazarette dien­ten.46

2.3.2 Lohnarbeit

Die Rohstofflage, das Fehlen der Exportwirtschaft, das für Kriegszwecke verwendete Trans­portwesen und die falsche Einschätzung der Kriegsdauer, mit einer damit verbundenen nicht rechtzeitigen Umstellung auf die benötigte Kriegsproduktion und der Ausbildung qualifizierter Arbeitskräfte, führte zum Anstieg der Arbeitslosigkeit und zum Wegfall vieler Arbeitsplätze. Die damit verbundene wirtschaftliche Umstellung wurde viel zu spät erkannt.47 Die Lage, in welcher sich die Frauen mit ihren Familien oftmals befanden, kam für die Kriegswirtschaft ge­rade richtig. Durch den täglichen Kampf um Brot, die Lebensmittelknappheit , den höheren Preisen und die fortschreitende Inflation, mussten die Frauen arbeiten gehen, um sich und die Familie von dem Lohn ernähren zu können.48 Sie ersetzten fortan die fehlenden und neuhin­zukommenden Arbeitsplätze in der Kriegs- und Rüstungsindustrie, dem Bergbau,der Landwirt­schaft, der Verwaltung oder arbeiteten von zuhause aus in Heimarbeit. Dieses Einrücken der Frauen in Männerarbeitsplätze setzte die bisherigen Rollenklischees außer Kraft.49 Bis 1918 stieg die Zahl der erwerbstätigen Frauen von 10,8 Millionen (1913) auf 16 Millionen.50 Die Annahme jedoch, wie es die Bilder von Arbeiterfrauen in den Fabriken suggerieren, der Anteil der erwerbstätigen Frauen sei massenhaft gestiegen, trügt. Die Steigungsrate der weiblichen Erwerbsquote war, im Vergleich zur Vorkriegszeit, mit durchschnittlich 17% anstatt 20% wie in den Jahren zuvor, eher gering.51

[...]


1 Fahrmeier, Andreas. Deutsche Geschichte. München 2017. S. 72

2 Unterseher, Lutz. Der Erste Weltkrieg. Wiesbaden 2014. S. 28.

3 Otto, Frank. Der Verlorene Frieden. In: Gaede, Peter-Mathias. Geo Epoche. Der Zweite Weltkrieg. Teil 1 1939­1942. S. 22.

4 Ebd. S. 22.

5 Berghan, Volker. Der Erste Weltkrieg. München 2003. Prolog.

6 Ebd. Prolog.

7 Z wei Beispiele für Einzelschicksale in der Zeitung Spiegel:) Priebe, Anna-Maria. Weltkriegstagebuch einer Britin. Annie Dröge, eine Britin in Niedersachsen. In: Der Spiegel (2012). URL: http://www.spiegel.de/einestages/annie-droege-erster-weltkrieg-tagebuch-einer-bri- tin-in-deutschland-a-947749.html (16.02.2019, 19:06) ) Roth, Anna-Lena. Kämpferin im Ersten Weltkrieg. Ein Soldat namens Dorothy. In: Der Spiegel (2014). URL: http://www.spiegel.de/einestages/erster-weltkrieg-soldatin-dorothy-lawrence-a-951366.html (16.02.2019, 19:08)

8 R eportage in YouTube: Auf zu den Waffen. Männer und Frauen im 1. Weltkrieg. URL: https://www.y- outube.com/watch?v=JycOgHrZJPA (16.02.2019, 19:15)

9 Beitzer, Hannah. Frauen im Ersten Weltkrieg. Emanzipation auf Leihbasis. In: Süddeutsche Zeitung (2014). URL:https://www.sueddeutsche.de/politik/frauenbewegung-im-ersten-weltkrieg-heimatfront-im-dienste-der- maenner-1.2071424-2 (16.02.2019, 19:30)

10 Meiners, Antonia: Die Stunde der Frauen 1913-1919. Zwischen Monarchie, Weltkrieg und Wahlrecht. Mün­chen 2013.

11 Daniel, Ute: Arbeiterfrauen in der Kriegsgesellschaft. Beruf, Familie und Politik im Ersten Weltkrieg. Bd. 84. Göttingen 1989.

12 Herve, Florence.: Geschichte der deutschen Frauenbewegung. Köln 2001.

13 Daniel, Ute. S. 256.

14 Zit. Daniel, Ute. S. 256.

15 Begriff: Emanzipation. In: Duden. URL: https://www.duden.de/rechtschreibung/Emanzipation (17.02.2019, 11:47).

16 Meiners, Antonia. S. 9.

17 Herve, Florence. S. 40.

18 Ebd. S. 36.

19 Zit. Kaiser Wilhelm II.. In: Meiners, Antonia. S. 20.

20 Daniel, Ute. S. 24.

21 Meiners, Antonia. S. 20.

22 Meiners, Antonia. S. 20.

23 Zit. Thea von Harbou. In: Der Krieg und die Frauen, 1913. In: Meiners, Antonia. S. 35.

24 Ebd. S. 8.

25 Daniel, Ute. S. 128.

26 Herve, Florence. S. 40.

27 Daniel, Ute. S. 269.

28 Meiners, Antonia. S. 16.

29 Daniel, Ute. S. 270.

30 Ebd. S. 172.

31 Ebd. S. 173.

32 Meiners, Antonia. S. 90.

33 K ohlrübenwinter 1916/1917: Die Kohlrüben, auch Steckrüben genannt, waren in diesem Winter ein Ersatz zu den fehlenden Nahrungsmitteln von Getreide, Kartoffeln oder Gemüse.

34 Meiners, Antonia. S. 91.

35 Ebd. S. 91.

36 Ebd. S. 91.

37 Meiners, Antonia. S. 70.

38 Ebd. S. 71.

39 Ebd. S. 71.

40 Daniels, Ute. S. 265.

41 Ebd. S. 267.

42 Ebd. S. 267.

43 Ebd. S. 267.

44 Ebd. S. 139.

45 Ebd. S. 141.

46 Wehler, Hans-Ulrich: Deutsche Gesellschaftsgeschichte. Vom Beginn des Ersten Weltkriegs bis zur Grün­dung der beiden deutschen Staaten 1914-1949. Bd. 4. München 2003. S. 99.

47 Guttmann, Barbara: Weibliche Heimarmee. Frauen in Deutschland 1914-1918. Weinheim 1989. S. 43.

48 Meiners, Antonia. S. 16.

49 Gerhard, Ute. S. 307.

50 Herve, Florence. S. 43.

51 Epkenhans, Michael: Der Erste Weltkrieg. 1914-1918. Paderborn. 2015. S. 160.

Fin de l'extrait de 24 pages

Résumé des informations

Titre
Frauen im Ersten Weltkrieg und die Emanzipation in Deutschland
Sous-titre
Inwiefern hatte die Rolle der Frau darauf Einfluss?
Note
2,0
Auteur
Année
2019
Pages
24
N° de catalogue
V933385
ISBN (ebook)
9783346259479
ISBN (Livre)
9783346259486
Langue
allemand
Mots clés
frauen, ersten, weltkrieg, emanzipation, deutschland, inwiefern, rolle, frau, einfluss
Citation du texte
Lena Rose (Auteur), 2019, Frauen im Ersten Weltkrieg und die Emanzipation in Deutschland, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/933385

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