Erstleseliteratur. Ist das Kinderbuch "Oh, wie schön ist Panama" dafür geeignet?

Konsequenzen und Empfehlungen für Eltern und Lehrer


Bachelorarbeit, 2020

28 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Problemaufriss/Einleitung

Theoretische Fundierung der Arbeit
Geschichte der Erstleseliteratur
Merkmale und Anforderungen an Erstleseliteratur
Anforderungsbereiche bei der Untersuchung und Bewertung einer Erstleselektüre
Konsequenzen bei der Wahl der Erstleseliteratur für Lehrer*innen

Forschungsmethodisches Vorgehen

Analyse
Literarische Analyse (Inhaltlich und Sinngehalt)
Vorstellungen entwickeln
Subjektive Involviertheit und Wahrnehmung
Sprachliche Gestaltung
Figuren, Figurenkonstellation und Perspektive
Handlungslogik
Metaphern und Symbolik
Literarisches Gespräch
Gattung und Genre
Formale Analyse
Typografie
Textgliederung
Sprachliche Aspekte
Erzählperspektiven
Bild Analyse

Fazit und Empfehlung an Lehrer und Eltern

Literaturverzeichnis

Problemaufriss/Einleitung

„Die Bildung kommt nicht vom Lesen, sondern vom Nachdenken über das Gelesene.“ (Hilty 2008, Seite 18) Durch Bücher können wir als Leser in eine Welt eintauchen, die weit entfernt von unserer Realität liegt, können in neue Rollen schlüpfen, auf Abenteuerreisen gehen und völlig fremde und unbekannte Seiten der Welt kennenlernen. Wir tauchen regelrecht in die Geschichte ein, die wir lesen und erleben sie durch neue oder unterschiedliche Perspektiven. Und trotz der Fülle an Lektüre aus den verschiedensten Genres wissen viele überhaupt nicht, was ihnen entgeht, wenn sie sich der Welt der Bücher verschließen und sie als aufgezwungen, uninteressant und im Fall der Schüler*innen lediglich als Bestandteil des Unterrichts betrachten. Die Gründe hierfür lassen sich schwer generalisieren und zusammenfassen, doch spielt die Erstleseliteratur in Grundschulen bereits eine bedeutende Rolle für den zukünftigen Umgang mit Büchern.

Viele Kinder kommen meist bereits im Kindergarten oder der Vorschule mit Büchern, Märchen oder Geschichten in Berührung, auch wenn sie selbst noch nicht lesen können. Diese Aufgabe kommt in der Grundschule Lehrenden zuteil, den Kindern nicht nur das Lesen beizubringen, sondern ihnen auch die damit einhergehenden Möglichkeiten, die Bücher und Geschichten bieten, aufzuzeigen. Und hier beginnt die Herausforderung des Lesenlernens. Ziel sollte es sein, den Kindern das Lesen nicht aufzuzwingen, sondern, dass die Kinder Spaß am Lesen haben und dies eventuell auch in ihrer Freizeit tun. Die Wahl der richtigen Erstleseliteratur in der Grundschule stellt viele Schulen, Lehrer*innen und Eltern vor eine große Herausforderung. Denn die Erstleselektüre sollte gut durchdacht und unter verschiedenen Gesichtspunkten betrachtet und gewählt werden.

Unter Erstleseliteratur und -texten sind „[…] Kinderbücher speziell für Leseanfänger […]“ (Conrady 2006, Seite 1) gemeint, mit denen Kinder nicht nur das Lesen lernen, sondern auch für sich entdecken sollen. Bibliotheken und Buchhandlungen bieten Lehrenden und Eltern unzählige Exemplare an, mit den verschiedensten Themen, unterschiedlichen Protagonisten und Antagonisten und verschiedenen Handlungssträngen und -verläufen. Durch diese Fülle an Büchern wird die Entscheidung deutlich erschwert (vgl. Conrady 1998, Seite 10). Zudem lassen sich Vergleichs- und Unterscheidungskriterien der Erstleselektüren nicht mehr an zwei Händen abzählen, denn es spielt häufig auch Alter, Geschlecht, Interessen und die Leseerfahrung des Kindes eine Rolle. Daher fällt es besonders schwer, sich für einige der Exemplare zu entscheiden und sie als Leseempfehlung an die Kinder zu geben. Kinder, die bereits in der Schule gezwungen sind, ein Buch zu lesen, welches weder ihren Interessen, noch ihrem Leistungsstand entspricht, entwickeln meist eine Abneigung gegen das Bücherlesen. Wenn sie Leseerfahrungen sammeln, dabei weder Spaß haben, noch verstehen worum es eigentlich geht und gleichzeitig der Druck der Schule oder Eltern hinter sich spüren, wird sich dies dementsprechend auf den zukünftigen Umgang mit Büchern auswirken. Daher ist bei Leseanfängern/ Leseanfängerinnen in der Grundschule die Wahl der richtigen Erstleselektüre von großer Bedeutung, „[…] um Lesespaß zu gewinnen und zu erhalten […]“ (Conrady 2006, Seite 1) und den Kindern die Möglichkeiten, die das Lesen ihnen bereitstellt, aufzuzeigen.

Diese Arbeit versucht nun den Zusammenhang zwischen dem Lesenlernen an der Grundschule und der Wahl der richtigen Erstleselektüre zu erfassen, mit dem Ziel, dass die Schüler*innen Spaß beim Lesen und Lesenlernen haben. Die Erstleseliteratur unterzog sich seit dem 19. Jahrhundert einem ständigen Wandel und einer verstärkten Entwicklung. Es wird jedoch deutlich, dass sie sich auch heute noch zwischen den einzelnen Verlagshäusern stark unterscheidet und nicht jede Lektüre das Wahrnehmungs-, Lern- und Lesevermögen jedes Grundschülers gleich stark und effektiv zum Lesen anhält (vgl. Conrady 2006, Seite 1). Gleichzeitig stimmt in vielen Fällen die Auswahl der Leseliteratur an Grundschulen nicht mit den tatsächlichen Lesefähigkeiten der Kinder überein. Unter diesem Aspekt wird in dieser Ausarbeitung der Klassiker „Oh, wie schön ist Panama“ des Beltz Verlags aus dem Jahr 1978 unter verschiedenen Gesichtspunkten, die für die Freude am Lesen und das gleichzeitig verständliche Lesenlernen relevant sind, analysiert. Anschließend wird beurteilt, ob das Buch von Janosch als Erstleselektüre in der Primarstufe geeignet ist und Eltern und Lehrern empfohlen werden kann.

Das Problem der Wahl der Erstleselektüre besteht bereits schon seit einiger Zeit und ist auch heute noch ein aktuelles Diskussionsthema. Das liegt vor allem daran, dass viele der Literatur- und Lektüreempfehlungen nicht dem Leistungsstand der Lesefähigkeit der Schüler*innen entsprechen. In den Grundschulen existiert ein hoher Leistungsanspruch, in dem die Schüler*innen u.a. gezwungen werden, Bücher in einem bestimmten Zeitraum zu lesen und anschließend eine Leistungskontrolle über den Buchinhalt schreiben müssen. Dass viele Kinder damit enorme Schwierigkeiten haben und häufig nicht einmal das Buch an sich verstehen, ist eine logische Konsequenz des Leistungsdrucks im jungen Alter. Denn das thematische Interesse, welches bedeutend für den Lesespaß ist, fehlt an den meisten Stellen (vgl. Conrady 2006, Seite 1). Die Schüler*innen sind nicht immer auf dem gleichen Stand und haben ein gleich großes Interesse daran, Bücher zu lesen, erst recht nicht für den Schulunterricht. Häufig fehlen die Differenzierungsmöglichkeiten bei der Wahl der Lektüre, was besonders in Jahrgangsübergreifenden Grundschulklassen von großer Bedeutung ist. Umso wichtiger ist es daher, sich mit dem Gegensatz der Lesefähigkeit der Schüler*innen und dem literarischen Anspruch der Grundschulen und Lektüren zu beschäftigen, um nicht nur eine Empfehlung für eine geeignete Erstleselektüre aussprechen zu können. Sondern sollte jede Lektüre unter bestimmten Aspekten zunächst untersucht werden, um tatsächlich auch das jeweilige Kind beim Lesen effektiv zu unterstützen.

Theoretische Fundierung der Arbeit

Geschichte der Erstleseliteratur

Die Idee, dass Kinder mit Freude das Lesen lernen sollen, existiert erst seit den 80er Jahren in der Bundesrepublik Deutschland, nachdem der Arena Verlag die ersten Kinderbücher für die Grundschule unter dem Aspekt „Lesen lernen mit Spaß“ entwickelte. Dabei stand dem Verlag das Ziel im Vordergrund, Bücher zu entwickeln, die „[…] vor allem Spaß am Lesen fördern wollen, indem sie lesepädagogische Gesichtspunkte berücksichtigen.“ (Conrady 1998, Seite 12) Doch hat es viele Jahrzehnte gedauert, bis sich diese Einstellung gegenüber der Kinder- und Jugendbuchliteratur gebildet und verbreitet hat. Ende des 19. Jahrhunderts entwickelten sich zur Zeit der Reformpädagogik zunächst drei Tendenzen, die bei der Begutachtung von Jugendliteraturschriften eine Rolle spielten: die literarkritische Richtung, die lesepsychologische Richtung und die Literaturpädagogik. Die Kinder sollten möglichst früh in den ersten Klassen der Volksschule mit Büchern und Texten in Berührung kommen. Allerdings fehlten die Mittel und das Geld, weshalb es schließlich zu Massenproduktionen von Leselern-Heften kam. Bis 1950 wurde die Entwicklung der Schullektüre verstärkt fortgesetzt und es entstanden die Taschenbücher, später Taschengeldbücher, die Schul- und Freizeitlesen miteinander verbanden. Als 1970 die deutsche Bundesrepublik einen gesellschaftlichen Wandel erlebte, wurde auch die Kinder- und Jugendbuchliteratur immer schärfer kritisiert. Somit wurde das komplette Erscheinungsbild der Kinderbücher überdacht. Die Kinderbuchliteratur sollte nun durch linguistische, typografische und bildnerische Aspekte unterstützt werden, da diese das Lesen der Kinder positiv beeinflussen würden. In den 70er Jahren unternahm der Verlag Otto Maier, Ravensburg den ersten Versuch, Kinderbücher ganz speziell für Leseanfänger*innen herauszugeben. Ab 1981 wurde diese Vorhaben konsequenter vom Oettinger und dann Arena Verlag verfolgt, wodurch sich diese heutige Auffassung „Lesen lernen mit Spaß“ entwickelte und unter der Erstleseliteratur verbreitete (vgl. Conrady 1998, Seite 11f).

Merkmale und Anforderungen an Erstleseliteratur

Wenn Kinder in die 1. Klasse der Grundschule kommen verfügen sie meist bereits über einiges an Grundwissen für die verschiedenen Grundschulfächer. Dies ist natürlich von Kind zu Kind verschieden und abhängig von Faktoren wie Interessen, Familie, Freizeitaktivitäten oder Leistungs- und Entwicklungsstand. Daher dürfen Lehrer*innen nicht direkt davon ausgehen, dass alle Kinder den gleichen Entwicklungsstand haben. Das betrifft vor allem das Lesenlernen in den ersten beiden Klassenstufen. Gerade weil immer mehr DAZ-Kinder („DAZ“=Kinder mit Deutsch als Zweitsprache) Grundschulen besuchen, die erst einmal die deutsche Sprache lernen müssen, sollten die Lehrer auch auf eine individuelle Förderung und Unterstützung achten. Ein wichtiger Teil des Deutschunterrichts ist das Lesenlernen mit geeigneten Texten und Materialien. Doch besteht bereits hier seit einiger Zeit ein offensichtliches Problem, denn nicht jedes Buch ist zum Lesen für Leseanfänger geeignet. Das betrifft nicht nur die Exemplare, die von Autoren/Autorinnen und Bibliotheken empfohlen werden, sondern auch von Verlagen. „Mittlerweile gibt es in jedem Kinder- und Jugendbuchverlag Kinderbücher, von denen werbend versprochen wird, es seien Bücher für Leseanfänger. […] – doch der Schein trügt. Häufig wird mehr versprochen, als real gehalten wird.“ (Richter/Hurrelmann 2004, Seite 175) Eltern und Großeltern kaufen in Bibliotheken Bücher und Erstlesewerke, die angeblich gut für Kinder geeignet sind, um das Lesen zu üben, bewirken am Ende jedoch genau das Gegenteil (vgl. Conrady 1998, Seite 11).

Bevor Kinderbücher veröffentlicht werden, werden sie allerdings unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht, ob sie tatsächlich für Erstleser*innen geeignet sind (vgl. Tabbert 2004, Seite 8). Dazu gehören alle lerntheoretischen und inhaltlichen Aspekte, die formalen Anforderungen und die Rolle der Bilder (vgl. Conrady 1998, Seite 12ff), nach denen auch das Erstlesewerk dieser Arbeit untersucht und beurteilt wird. Doch selbst Fachleute sind aufgrund der Fülle an Exemplaren bei der Untersuchung häufig überfordert, weshalb eine einfache Beurteilung schnell ein echtes Durcheinander werden kann (vgl. Dahrendorf 1998, Seite 36). So werden bei der Beurteilung häufig wichtige Kriterien vergessen oder ihnen zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. So ist das thematische Interesse einer der wichtigsten Faktoren, die den Spaß fördern und unterstützen. Solange die Kinder keinen Spaß beim Lesen haben und nicht zum Lesen motiviert werden, bringt auch die angeblich beste Erstleselektüre nichts. (vgl. Tabbert 2004, Seite 8).

Ein weiteres Problem bei der Erstleselektüre besteht in dem Missverhältnis aus verschiedenen Textbestandteilen. Dazu gehören u.a. Layout, Schriftgröße und belanglose Inhalte, die entweder als einfache Vorlesetexte für Vier- und Fünfjährige geeignet sind oder viel zu kompliziert sind (vgl. Richter/Hurrelmann 2004, Seite 175). Beim literarischen Lernen haben sich nun bestimmte Anforderungsbereiche gebildet, deren Zusammenspiel „[…] von der imaginativen Verstrickung in die Lektüre bis zum kognitiven und Distanzierung erfordernden literaturhistorischen Bewusstsein“ (Spinner 2006, Seite 8) reich, um das Lesenlernen zu festigen.

Anforderungsbereiche bei der Untersuchung und Bewertung einer Erstleselektüre

Zunächst müssen sich Lehrer*innen bewusst machen, dass es keine allgemeine Empfehlung an Erstleselektüre gibt, die an bestimmte Klassenstufen und Lebensalter gebunden ist. Aufgrund der Tatsache, dass nicht alle Schüler*innen im zweiten Schuljahr sich auch im zweiten Lesejahr befindet, existieren immer wieder gewisse Verständnisprobleme (vgl. Conrady 1998, Seite 12). Demnach helfen die literarischen Anforderungen an Erstlesebücher dabei, passende lesetechnische Ansprüche an den Leistungsstand der Schüler*innen zu stellen und umzusetzen.

Zu den inhaltlichen und literarischen Anforderungen gehören generell alle Bereiche und Kriterien, die für das inhaltliche Verständnis und Nachvollziehen durch den Schüler*innen wichtig sind. Diese sollen nicht nur das Lesen erleichtern, sondern stellen auch gewisse Voraussetzungen für die Effektivität eines Kinder- und Jugendbuches. So sollten sich Kinder möglichst mit der Geschichte und Hintergrundstory identifizieren können und emotional und sozial betroffen sein. Kinder sollen die Geschichte lesen, als könnte sie ihnen selbst in ihrem Alltag passieren. Die Inhalte eines Buches müssen dem Leben und Erleben der Kinder nahekommen. Da jedoch jedes Kind Geschehnisse anders wahrnimmt und verarbeitet, wird auch hier wieder deutlich, dass keine Themen und Inhalte von Erstleselektüre von einem bestimmten Lebensalter oder Klassenstufe abhängig sind. Vielmehr sind die individuelle Sozialisation und die Erfahrung mit bestimmten Medien von großer Bedeutung und ausschlaggebend. Aus diesem Grund sind die inhaltlichen Anforderungen bei der Wahl einer Erstleselektüre genau zu beachten (vgl. Conrady 1998, Seite 12f). Doch zählt in diese Kategorie nicht nur das bloße Buchthema, sondern auch andere bedeutenden Aspekte wie zum Beispiel Handlungs- und Spannungsverlauf, die sprachliche Gestaltung, die Handlungslogik, die Figurenkonstellation und die verschiedenen Perspektiven (vgl. Spinner 2006, Seite 9ff).

Neben den inhaltlichen Anforderungen ist auch der formale Anforderungsbereich bei einer Erstleselektüre nicht zu unterschätzen. Zu diesen gehören alle wichtigen Kriterien, die vor allem für die verständliche Orientierung im Buch und das sinnvolle Nachvollziehen in einem Text wichtig sind. Gerade Leseanfänger*innen müssen sich zunächst an gebundene Bücher als Medium gewöhnen. So ist der Text häufig deutlich kompakter und die Zeilenabstände nicht so groß, wodurch sie schnell und gerne mal zwischen den Sätzen und Zeilen verrücken. Daher ist die Wahl des ersten Buches häufig eine kleine Herausforderung, bei der die formalen Aspekte eine nützliche Hilfe darstellen. Unter diesen Anforderungsbereich gehören u.a. die Textgliederung und Typografie, die Absätze und Erzählstruktur. Aber auch die Grammatik zählt zu diesen Anforderungen. Kinder sollten nicht direkt mit komplizierten Fremdwörtern, Sarkasmus oder anderen Slangs überfordert und konfrontiert werden, da diese nicht nur inhaltlich und formal verwirren, sondern auch die Motivation zum Lesen verringern. Aus demselben Grund ist es zu empfehlen, dass in Erstlesewerken auf Komposita verzichtet und eine Syntax genutzt wird, die keine Schwierigkeiten bereitet. Die Kinder sollen auf diesem Weg „[…] differenzierte Vorstellungen entwickeln, dabei Flexibilität zeigen und dabei auch verschiedene Vorstellungen miteinander in Beziehung bringen können.“ (Spinner 2006, Seite 8) Und dies schaffen sie nicht, wenn sie sich komplett auf die Erzählstruktur und die vielen Neben- und Schachtelsätze konzentrieren müssen, sodass sie keine Verbindung zwischen Inhalt, Textaufbau und ihrer Realität schaffen können (vgl. Conrady 1998, Seite 14f).

Was für die ästhetische Wirkung eines Textes ebenfalls eine ganz bedeutende Rolle spielt, ist die sprachliche Gestaltung. Wichtig ist, dass sich Lehrer*innen bewusst machen, dass die Sprache grundlegend für die Wirkung der Ästhetik ist. Wer nur auf die formalen Aspekte achtet und die Sprache vernachlässigt, der sorgt für kein sinnvolles literarisches Lernen, sondern für das bloße Lesenlernen ohne auf Inhalt und Sinn zu achten. Lehrer*innen sollten daher unbedingt erste Erfahrungen der Kinder nutzen und an diese anknüpfen. So kennen viele bereits Stilfiguren wie Reihungen, Wiederholungen oder Oppositionen aus Märchen oder Kinderliedern und verstehen, was damit gemeint ist. Es sollten Texte gewählt werden, die zwar nicht allzu schwer sind, die Schüler*innen jedoch fordern und dazu anhalten, selbst Beobachtungen zur Sprache und Gestaltung machen zu können (vgl. Spinner 2006, Seite 9). Die sprachliche Gestaltung dient sozusagen als Verbindung inhaltlicher und formaler Aspekte.

Gerade bei Kinderbüchern und Erstleseliteratur ist es wichtig, dass sie nicht nur aus Textpassagen bestehen. Kinder werden zu dieser Zeit immer wieder mit Büchern, Märchen und Texten konfrontiert, weshalb es die Aufgabe von Eltern und Lehrenden ist, auch das Interesse zum Lesen zu wecken. Wenn Bücher allerdings nur aus Textblöcken bestehen, sinkt die Motivation der Kinder und sie betrachten das Lesen eher als Aufgabe und Pflicht. Daher sollten Illustrationen das ganze Buch durchweg begleiten. Hier empfiehlt sich, dass die Bilder nicht einfach zusammenhangslos auf den Seiten abgedruckt sind, um den Text aufzulockern. Sie müssen die Kinder auch dazu anhalten, über sie und das Gelesene nachzudenken, Fragen zu stellen und sie zu interpretieren. Es ist hilfreich, wenn die Bilder die Kinder dazu verlocken, weiterlesen und weiterfragen zu wollen. Dabei können Illustrationen begleitend oder ergänzend integriert sein. Das bedeutet, sie untermalen den Textinhalt oder liefern neue Informationen, die nicht im Text zu finden, jedoch für das Verständnis hilfreich sind. Damit sie jedoch auch ihre Rolle erfüllen, ist nicht nur das Bild an sich wichtig, sondern auch das genutzte Layout und das Text-Bild-Verhältnis. Sie sollten sich gegenseitig unterstützen, und nicht die Show stehlen (vgl. Conrady 1998, Seite 14).

Damit die Lehrer*innen die Schüler zum Lesen verlocken, sie dabei Spaß haben und diesen auch behalten, ist es wichtig, dass Lehrer*innen sich nicht nur an Werbestrategien der Kinder- und Jugendbuchverlage orientieren und diesen vollkommen hinsichtlich der Erstleseliteratur vertrauen. „Denn Kinder sind keine Anfänger, auch nicht im Lesen.“ (Richter/Hurrelmann 2004, Seite 183)

Konsequenzen bei der Wahl der Erstleseliteratur für Lehrer*innen

Verschiedene Forschungen hinsichtlich des Lesenlernens insistieren, dass die Leseförderung, die Lesemotivation der Schüler*innen und die Entwicklung einer Beziehung zu einem Lesetext nicht nur miteinander, sondern auch an die Freizeitaktivitäten und Interessen der Schüler*innen anknüpfen müssen. Dabei lässt sich die Lesefreude und das Leseinteresse nur vermitteln, wenn vom Lehrenden Texte und Bücher gewählt werden, die die Lebenswelt der Schüler*innen berührt. Zudem sollte die Wahl der Lektüre die Gewohnheiten und Mechanismen berücksichtigen, die Kinder bereits erworben haben. Das Problem hierbei besteht darin, dass die meisten Kinder bereits über Medien wie Videos und das Fernsehen Wissen und Interessen zu bestimmten Geschichten erworben haben. Lehrende haben nun die wichtige Aufgabe, das durch die visuellen Medien angeeignete Wissen der Schüler mit dem zu lernenden Wissen zu verbinden. Sie müssen versuchen, an das Interesse der Schüler*innen anzuknüpfen und das Besondere am literarischen Lernen aufzuzeigen (vgl. Richter/Hurrelmann 2004, Seite 121ff).

Forschungsmethodisches Vorgehen

Das Kinderbuch „Oh, wie schön von Panama“ gehört zu der beliebten Kinderliteraturreihe von Autor und Illustrator Janosch, der stets mit seinem dezenten Humor und Themen über Freundschaft, Abendteuer und Träume nicht nur Kinder, sondern auch Erwachsene begeistert. Nicht umsonst kennt eigentlich jeder den kleinen Bären und seinen Freund den kleinen Tiger mit seiner Tiger-Ente. Herausgebracht wurde das Buch von dem Beltz & Geldberg Verlag am 15. März 1978, feierte somit schon seinen 40. Geburtstag und erhielt den Deutschen Jugendbruchliteraturpreis (vgl. www.beltz.de, 29. Mai 2020). Die Hauptfiguren in diesem Literaturklassiker sind der kleine Tiger und der kleine Bär. Im Vordergrund der Handlung steht ihr Traum, neues Land und eine neue Gegend zu entdecken, Panama (vgl. Janosch 1991). Das Buch wurde als Analyse-Gegenstand für die Arbeit gewählt, da es als Literatur-Klassiker gilt und so gut wie jedem bekannt ist. Es gibt mittlerweile eine ganze Buch-Reihe, sowie Filme und Serien über den kleinen Bären und den Tiger. Die Analyse zielt dabei größtenteils auf die Frage ab, inwiefern der Klassiker den literarischen Voraussetzungen und Anforderungen für das Lesenlernen und Üben entspricht. Verlag und Autor des Buches möchten eine süße Geschichte über Freundschaft, Abenteuer und Träume veröffentlichen, die nicht nur Kinder anspricht, sondern sollen sie auch den Hintergrund des Buches verstehen. Erstleser*innen sollen während des Lesens erkennen, dass wir zufrieden sein können, mit dem, was wir haben und wir uns immer auf unsere Freunde und Familie verlassen können. Für diese Arbeit wird die 21. Auflage des Buches aus dem Jahr 1991 verwendet, welches allerdings in keiner Weise von dem Originalbuch aus 1978 abweicht (vgl. Janosch 1991).

Janosch, geboren am 11. März 1931, gehört zu den bekanntesten und erfolgreichsten Autoren für Kinderliteratur in Deutschland und erhielt bereits zahlreiche Auszeichnungen für seine Werke, wie den Prix-Jeunesse International für „Oh, wie schön ist Panama“. Neben Kinderbüchern schrieb Janosch ebenfalls Romane und Theaterstücke für Erwachsene, in denen er sich mit Fragen über den Sinn des Lebens, der Lebenskunst und Religion beschäftigte. Seine Werke wurden millionenfach verkauft und auf der ganzen Welt in zahlreiche Sprachen übersetzt (vgl. www.janosch.de, 29.Mai 2020).

Der kleine Bär und der kleine Tiger sind beste Freunde und wohnen gemeinsam in einem kleinen, gemütlichen Haus am Fluss. Beide leben harmonisch und glücklich und können sich immer auf den anderen verlassen. Der kleine Bär geht jeden Tag angeln, der kleine Tiger geht mit seiner Tiger-Ente Pilze sammeln. Doch eines Tages schwimmt im Fluss eine Kiste an dem kleinen Bären vorbei, die die Aufschrift „Panama“ hat und nach leckeren Bananen riecht. Der kleine Bär rennt schnell nach Hause und erzählt seinem Freund davon, bis sie beschließen, dass sie nach Panama reisen möchten. Gleich am nächsten Tag machen sie sich auf den Weg. Damit beginnt eine aufregende, überraschende Abenteuergeschichte über Freundschaft, Neugierde, Sehnsucht und Träume (vgl. Janosch 1991).

Der Fokus der Analyse liegt auf den literarischen und formalen Aspekten des Textes, inwiefern diese den Voraussetzungen und Erwartungen entsprechen, die an die Erstleselektüre gestellt werden. Gleichzeitig spielt auch die Anwendung der Bilder eine Rolle und wie diese die literarischen und formalen Aspekte unterstützen, ergänzen und erklären.

Die verschiedenen, aus der Theorie gewonnenen Aspekte (vgl. Conrady 2004/ Spinner 2006) bilden die Grundlage für die Bestimmung der einzelnen Analysekriterien. Im Bereich des literarischen Lernens konzentriert sich die Analyse auf die verschiedenen Ziele der literarischen Anforderungen, wobei auf folgende Kriterien eingegangen wird: Entwicklung einer Vorstellung beim Lesen, Verbinden von Wahrnehmung & Involviertheit, die sprachliche Gestaltung und Perspektiven der Figuren, Handlungslogik, Metaphern und Symbolik, das literarische Gespräch und Gattung & Genre in der Literatur. Bei den formalen Anforderungen konzentriert sich die Textanalyse auf folgende Kriterien: die Typografie, die Textgliederung, der sprachliche Aspekt und die Erzählperspektive. Zudem wird zu beiden Anforderungsbereichen die Rolle der Bilder untersucht, inwiefern sie für das Verständnis des Inhaltes wichtig sind. In Form einer Strukturierung werden die oben genannten Aspekte auf das Erstlesewerk angewendet und herausgefiltert, um auf diesem Weg das Buch hinsichtlich seiner Tauglichkeit und Effektivität beim Lesenlernen einzuschätzen.

Analyse

Literarische Analyse (Inhaltlich und Sinngehalt)

Vorstellungen entwickeln

Damit Kinder nicht einfach lesen lernen, sondern auch Spaß daran haben und es freiwillig wieder tun, ist es wichtig, dass ein Text sie zur Vorstellungsbildung anregt. Die Kinder sollen beim Lesen eine lebendige Vorstellung entwickeln können, die die zu lesende Geschichte zu etwas Realem und Lebendigem macht. Dieser Prozess der Vorstellungsentwicklung soll nicht nur verschiedene Vorstellungen miteinander verknüpfen, sondern sollen die Kinder eine gewisse Flexibilität für den Handlungsverlauf entwickeln. Auf diesem Weg fällt es ihnen leichter, das Gelesene zu verstehen und es sich bildlich vorzustellen. Besonders bei Textinhalten, die Kinder ihren eigenen Alltagserfahrungen zuordnen können und an ihre Lebenswelt erinnern, funktioniert dies gut. Wenn Kinder allerdings nicht verstehen, worum es in einer Lektüre geht, dann kommen sie mit Perspektivwechseln und sich verändernden Handlungsverläufen nicht zurecht und wissen am Ende nicht, worum es eigentlich ging (vgl. Spinner 2006, Seite 8). Im Buch „Oh, wie schön ist Panama“ geht es um den kleinen Bären und kleinen Tiger, die als beste Freunde gemeinsam in einem Haus wohnen. Bereits die Wahl der Tiere ist gut gelungen, da jedes Kind weiß, wie Bären und Tiger in Wirklichkeit aussehen. Jedes Kind kennt das Gefühl eines geregelten Tagesablaufs: Am Morgen aufstehen, frühstücken, Zähne putzen, in die Schule gehen, etc. Zudem wissen alle, wie es sich anfühlt, wenn man etwas Neues erleben möchte, gerne in den Urlaub fährt und kennen die damit einhergehende Aufregung für das kommende Abenteuer. Zudem haben viele Kinder bereits eigene Erfahrungen sammeln können, wenn sie selbst Tagesauslüge mit der Familie unternommen haben oder im Urlaub waren. Sie wissen also wie es ist, fremde Personen zu treffen und kennenzulernen und dass man diese auch mal nach dem Weg fragen muss. Die Kinder können sich also sehr gut in die ausschlaggebende Gefühlswelt von dem Bären und dem Tiger hineinversetzen, die Ausgangspunkt für die Handlung des Buches ist. Eine sinnvolle Ergänzung für das Bilden einer Vorstellung, sind die Bilder, die sich auf jeder Doppelseite des Buches befinden. Diese untermauern nicht nur den Text, da Kinder den Textinhalt in den Bildern wiederfinden, sondern ergänzen diesen zusätzlich mit interessanten Informationen. So erfahren die Kinder im Text, dass der kleine Bär verantwortlich für das Kochen ist und sehen gleichzeitig eine Grafik, in der der kleine Bär in der Küche steht (vgl. Janosch 1991, Seite 6f). Da ziemlich viel Knoblauch und Gemüse an der Wand hängt, können die Kinder direkt eine Vorstellung dazu entwickeln, wie es vielleicht gerade riecht, mit welchen Gewürzen der kleine Bär gerne kocht und dass er dafür eine rosa Schürze trägt. Das Buch ermöglicht so eine ideale Vorstellungsentwicklung bei den Kindern.

Subjektive Involviertheit und Wahrnehmung

In einem engen Verhältnis zum persönlichen Angesprochensein und der Aufmerksamkeit zum Text stehen die subjektive Involviertheit und Textwahrnehmung der Schüler*innen. Jede Erstleselektüre sollte über ein Spannungsverhältnis zwischen Subjektivität und Textbezug verfügen, welche das literarische Verstehen kennzeichnen. Wenn sich Kinder mit Figuren innerhalb des Buches identifizieren können, so bildet das Buch eine Projektionsfläche eigener Gefühle. Auf diese Weise können Aspekte und Gefühle wahrgenommen werden, die Kinder zunächst nicht bewusst wahrnehmen. So wird Selbstreflexion und Selbsterkenntnis gefördert und unterstützt (vgl. Spinner 2006, Seite 8f). Wenn die Schüler eine Beziehung zu den Hauptfiguren aufbauen und sich in ihre Gefühlslage versetzen können, bleibt die Leseerfahrung und der Textinhalt längerfristig in Erinnerung. Im Buch „Oh, wie schön ist Panama“ geht es um die gemeinsame Abenteuerreise der beiden Hauptfiguren. Ursache ist eine kleine Kiste, die nach Bananen riecht und die Aufschrift Panama trägt (vgl. Janosch 1991, Seite 8). Der kleine Bär beschließt im selben Moment, dass Panama das Land seiner Träume ist (vgl. Janosch 1991, Seite 9) und er gemeinsam mit seinem besten Freund in dieses reisen möchte. Dabei haben beide eigentlich keine Informationen oder verfügen über Wissen über Panama, bauen sich einen eigenen „Wegweiser“ (Janosch 1991, Seite 12) und vertrauen auf ihr Gefühl und die vielen Tiere, die sie auf dem Weg treffen. Beide sind während des ganzen Buches in voller Vorfreude und gespannt, was sie in Panama erwarten wird. Daher bemerken sie weder, dass sie nur im Kreis laufen, noch dass sie am Ende in ihrem eigenen Haus landen. Doch die Freude auf das Ungewisse und der Zusammenhalt der Freundschaft ist ansteckend. Am Ende des Buches sollen Schüler*innen verstehen, dass man manchmal nicht weit reisen muss, um glücklich zu sein und häufig bereits alles hat, was man zum Leben benötigt. Auch wenn der kleine Bär und der kleine Tiger dies nicht bemerkt haben, wird es gerade gegen Ende des Buches (vgl. Janosch 1991, Seite 32f) jedem Kind klar, als die beiden von dem Baum einen Blick auf Panama werfen, bei dem es sich um ihr bisheriges Zuhause handelt. Die Kinder werden keine Probleme haben, Text und Bild, sowie Subjektivität und Wahrnehmung miteinander zu kombinieren. Ganz automatisch werden Bär und Tiger durch ihre tollpatschige, naive und liebevolle Art dem Leser sympathisch. Zudem kennen die meisten Schüler*innen das Gefühl von Fernweh und die Lust auf Abenteuer. Sie können demnach nachvollziehen, wie sich die zwei Hauptfiguren im Buch fühlen. Gleichzeitig wird die große Bedeutung von Freundschaft deutlich, durch deren Hilfe Träume wahr werden können. Die Schüler*innen verarbeiten eigene Empfindungen und Erkenntnisse während des Lesens, ohne dass der Text darauf hinweisen muss, werden allerdings durch die Bilder in die „richtige Richtung“ gelenkt (vgl. Janosch 1991, Seite 32f).

Sprachliche Gestaltung

Die Textwahrnehmung der Schüler*innen hängt beim Lesenlernen von der sprachlichen Gestaltung der Texte ab. Dazu gehören u.a. der Rhythmus und der Klang der Texte, die Sätze, Sprache und der Stil der Lektüre. Wenn sich eine Erstleselektüre lediglich darauf konzentriert, formale Anforderungen und Bestimmung des literarischen Lernens zu erfüllen, sich allerdings dem Klang und der Ausdrucksweise nicht widmet, findet kein sinnvolles literarisches Lernen statt. Die Schüler*innen sollen mit ihren ersten Büchern nicht nur das Lesen lernen und gleichzeitig Spaß daran haben, sondern auch ein Gefühl für die sprachliche Gestaltung bekommen und entwickeln (vgl. Spinner 2006, Seite 9). Es ist wichtig, dass Kinder von alleine während des Lesens Reimschemata, Schreibstile oder einfache literarische Formen erkennen und verstehen. Janosch beginnt bereits geschickt damit, solche Punkte im Buch unterzubringen und spielt subtil und mit Hilfe des Erzählers mit Humor und versteckten Hinweisen, die dem Leser, jedoch nicht den Hauptfiguren auffallen. Hier begegnen Schüler*innen bereits der wörtlichen Rede und lernen zwischen den Figuren und Sprechern zu unterscheiden. Gezielt werden Wiederholungen und Parallelismen angewandt, die sich durch das Buch ziehen: „Wenn man einen Freund hat“, sagte der kleine Bär, „der Pilze finden kann, braucht man sich vor nichts zu fürchten.“ (Janosch 1991, Seite 24) „Wie gut“, sagte der kleine Tiger, „wenn man einen Freund hat, der ein Floß bauen kann.“ (Janosch 1991, Seite 35) Auch der immer wiederkehrende Ausdruck „Panama, ist unser Traumland“ (Janosch 1991, Seite 27) oder „Panama, das Land unserer Träume“ (Janosch 1991, Seite 46) dient als Verstärkung und Verdeutlichung des Satzes und erhöht dessen Aussagekraft. Auf diese Weise bleibt der Inhalt länger im Gedächtnis und in Erinnerung. Die Schüler*innen werden mit wiederkehrenden, ähnlichen Satzformulierungen dieser Art im ganzen Buch konfrontiert, was nicht nur das Textverständnis, sondern auch das Bewusstsein für die sprachliche Gestaltung fördert. Solche Stilfiguren sind vielen Kindern bereits aus Liedern oder Märchen bekannt und können auf diese Weise sehr gut beim Lesenlernen angewendet, genutzt und erweitert werden. Im Buch werden keine komplizierten Stilfiguren genutzt, die Leseanfänger*innen irritieren könnten. Solche sprachlichen Wiederholungen finden sich auch in den Bildern. So sieht man die Protagonisten häufig Arm und Arm (vgl. Janosch 1991, Seite 26), was wieder die enge Bindung zwischen ihnen verdeutlicht.

Figuren, Figurenkonstellation und Perspektive

Eine ganz bedeutende Rolle in so gut wie allen Texten der Erstleseliteratur haben die Figuren, die Figurenkonstellation und deren Perspektiven. Denn über diese werden nicht nur schriftliche Informationen gegeben, die die Kinder selbst nachlesen können, sondern liefern Texte zusätzliche Hinweise und Anregungen, sich diese vorzustellen und ihren Charakter in den Köpfen zu bilden und zu erweitern. Dabei ist es wichtig, dass sich die Kinder mit den Figuren identifizieren und sich diese auch vorstellen können. Dies muss nicht unbedingt über das Alter oder Aussehen erfolgen, sondern funktioniert auch über Gefühle, Sichtweisen, Wünsche oder Lebensumstände (vgl. Spinner 2006, Seite 9f). Der kleine Bär und der kleine Tiger sind beste Freunde, leben zusammen und sorgen füreinander. Ein solches Prinzip der gegenseitigen Fürsorge kennen die meisten Kindern aus ihren eigenen Familien, allerdings eher von ihren Eltern. Zudem kennen viele bereits das Gefühl, einen besten Freund oder eine Freundin zu haben, mit der man alles erleben möchte, ähnlich wie bei den Protagonisten des Buches. Allerdings entspricht das Verhalten beider nicht unbedingt der Realität eines Bären und Tigers, weshalb Kinder den Buchinhalt von den tatsächlichen Tierverhalten differenzieren können sollten. Genau dafür werden beide Protagonisten mit Charakterzügen des Menschen dargestellt, damit die Kinder sie besser verstehen und als Identifikationsfigur betrachten (vgl. Conrady 1998, Seite 13). Das bedeutet, sie tragen Kleidung, reden, leben und verhalten sich so wie wir Menschen. Dennoch steht im Vordergrund der Geschichte das naive und eher sehr kindliche Verhalten der Tiere, welches sich mit dem erwarteten Erwachsenenverhalten in Wechselwirkung befindet. Dies ist in Situationen zu erkennen, in denen die Skepsis und das Misstrauen einer erwachsenen Person eher zum Vorschein kommen würde. So glauben der kleine Bär und der kleine Tiger alles, was die anderen Tiere ihnen über den richtigen Weg nach Panama erzählen, ohne dies einen einzigen Moment in Frage zu stellen (vgl. Janosch 1991, Seite 20). Gleichzeitig lassen sich klare Unterschiede im Charakter beider Protagonisten erkennen. Der kleine Bär übernimmt eher die Rolle des Bestimmers, hat so u.a. die Idee, nach Panama zu reisen (vgl. Janosch 1991, Seite 10), befragt die anderen Tiere nach dem Weg (vgl. Janosch 1991, Seite 14) und kann im Gegensatz zum kleinen Tiger lesen (vgl. Janosch 1991, Seite 40). Dieser allerdings scheint eher etwas unbeholfen, sammelt gerne Pilze (vgl. Janosch 1991, Seite 5) und sorgt sich ständig um seine kleine Tiger-Ente, die er zum Glücklichsein benötigt. Dadurch ergänzen sich beide Hauptfiguren sehr gut, helfen einander und sind füreinander da. Gleichzeitig haben sie Wünsche und Träume, wie die Reise nach Panama, wie sie auch viele Kinder bereits in jungen Jahren haben. Im Buch finden sich weitere Nebenfiguren in Form von Tieren. Dazu gehören Maus, Fuchs, Gans, Kuh, Igel, Hase und als letztes die Krähe. Allerdings übernimmt die Krähe gegen Ende des Buches als Überbringer einer Botschaft, die den Verlauf des Textinhalts verändert, eine ganz bedeutende Rolle. Sie öffnet Leser*innen die Augen (vgl. Janosch 1991, Seite 28f), dass sich der kleine Bär und der kleine Tiger nie aus ihrer eigenen Heimat fortbewegt haben. Allerdings wird diese Tatsache lediglich Leser*innen bewusst, was wieder die Naivität der beiden Protagonisten verdeutlicht. Dadurch wirkt die Krähe deutlich klüger, als die anderen Tiere, die die beiden Protagonisten immer wieder nach links geleitet haben. Die Kinder lernen auf diese Weise, sich in andere Personen und Perspektiven hineinzuversetzen. Zudem sind die Hauptfiguren ziemlich klar zu erkennen und von anderen Figuren zu unterscheiden. Die Nebenfiguren unterstützen den Spannungsverlauf des Buches und sorgen schließlich für den Wendepunkt der Geschichte. Allerdings kann es sein, dass Erstleser*innen die Nebenfiguren nach Beenden des Textes nicht mehr ganz zuzuordnen wissen. Auf jeder Seite im Buch befindet sich ein Bild, welches die Situation darstellt und hier die Beziehung zwischen dem Bären und dem Tiger noch einmal verdeutlicht. Der kleine Bär läuft immer vorne weg (vgl. Janosch 1991, Seite 16), während der kleine Tiger, immer bedacht auf seine Tigerente, hinter ihm hertrottet. Dabei sind die Bilder nie aus der Perspektive der beiden Hauptfiguren dargestellt, sondern aus der Vogelperspektive oder Frontalsicht bzw. aus der Sicht des Erzählers. Dadurch haben Leser*innen die Möglichkeit, mehr als nur das zu sehen, was niedergeschrieben wird. Die Schüler*innen bekommen ein genaueres Bild von der Situation, der entsprechenden Haltung und dem Verhalten der Hauptfiguren. So wird deutlich, dass der kleine Bär deutlich stärker ist, als der Tiger, und beide vor Betreten des Wassers Hut und Rucksack abnehmen, damit sie nicht nass werden (vgl. Janosch 1991, Seite 39). Allerdings kommt die Tiger-Ente mit auf die wackelige Brücke (vgl. Janosch 1991, Seite 39). Auch sehen die Kinder, dass die beiden immer Arm und Arm auf dem Sofa sitzen (vgl. Janosch 1991, Seite 26 & Seite 45), was ihre tiefe Freundschaft verdeutlicht.

[...]

Ende der Leseprobe aus 28 Seiten

Details

Titel
Erstleseliteratur. Ist das Kinderbuch "Oh, wie schön ist Panama" dafür geeignet?
Untertitel
Konsequenzen und Empfehlungen für Eltern und Lehrer
Hochschule
Universität Erfurt
Note
2,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
28
Katalognummer
V933413
ISBN (eBook)
9783346259356
ISBN (Buch)
9783346259363
Sprache
Deutsch
Schlagworte
erstleseliteratur, kinderbuch, panama, konsequenzen, empfehlungen, eltern, lehrer
Arbeit zitieren
Emma-Sophie Scharf (Autor:in), 2020, Erstleseliteratur. Ist das Kinderbuch "Oh, wie schön ist Panama" dafür geeignet?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/933413

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