Ziel der Arbeit ist es, das erst seit kurzem existierende Forschungsgebiet der Neuroökonomie genauer zu betrachten. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei stets die Frage: "Affekt oder Verstand? Der Einfluss von Emotionen, bewusster und unbewusster Prozesse und persönlicher Präferenzen auf wirtschaftliche Entscheidungen."
Die Arbeit ist in zwei wesentliche Teile untergliedert. Der erste Abschnitt der Arbeit vermittelt dem Leser die wichtigsten theoretischen Grundlagen neuroökonomischer Forschung. Im zweiten Teil erfolgt die Auswertung der zuvor durchgeführten Umfrage zum Thema: Emotionaler Autokauf - Der Einfluss persönlicher Präferenzen bei der Wahl des zukünftigen Neuwagens und stellt damit den praktischen Bezug des zuvor theoretisch erarbeiteten Wissens dar.
Zu Beginn dieser Arbeit wird dem Leser eine kurze Einführung in die neu geschaffene Forschungsdisziplin Neuroökonomie mit dem Teilgebiet Neuromarketing gegeben. Es wird die über lange Zeit existierende Modellvorstellung des Homo oeconomicus erläutert und dessen Kritikpunkte genannt. Im dritten Kapitel wird die medizinische Seite der Neuroökonomie betrachtet. Es erfolgt eine Expedition in das Labyrinth des Denkens. Kein anderes Organ des Menschen ist komplexer und rätselhafter als das menschliche Gehirn. Durch eine mikroskopische und makroskopische Betrachtung des Gehirns erfolgt die Vermittlung des Grundlagenwissens zum besseren Verständnis der neuroökonomischen Prozesse. Im Mittelpunkt des Kapitels vier steht das menschliche Gedächtnis, welches eine wichtige Rolle bei unbewussten und bewussten Handlungen des Menschen einnimmt. Das fünfte Kapitel bildet schließlich den Abschluss des theoretischen Teils. Es beschäftigt sich mit dem Einsatz von Heuristiken im Entscheidungsprozess. Im zweiten Teil der Arbeit erfolgt eine Auswertung der durchgeführten Umfrage zum emotionalen Autokauf, bevor abschließend die Neuroökonomie kritisch betrachtet wird.
Gliederung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Forschungsgegenstand
1.2 Aufbau der Arbeit
Teil I:
2. Der Abschied des Homo oeconomicus - Schaffung eines neuen Forschungsgebietes
2.1 Die Neuroökonomie als neue wissenschaftliche Disziplin
2.2 Wandel der Zeit: Die Abkehr vom Menschenbild des Homo oeconomicus
2.3 Neuromarketing als Teildisziplin der Neuroökonomie
3. Einführung in die Neuroanatomie
3.1 Die mikroskopische Betrachtung
3.2 Die makroskopische Betrachtung
3.3 Neurowissenschaftliche Untersuchungsmethoden - Ein Einblick in die bildgebenden Verfahren der Hirnforschung
4. Der Massenspeicher im Gehirn - Das menschliche Gedächtnis
4.1 Die Dreigliederung des Gedächtnissystems
4.2 Die bewusste und unbewusste Verarbeitung ökonomischer Entscheidungen im Langzeitgedächtnis
5. Unbewusst ist häufig besser - Der Einsatz von Heuristiken im Entscheidungsprozess
5.1 Die Qual oder Wahl der Entscheidung
5.2 Heuristiken im Alltag
5.2.1 Definition Heuristik
5.2.2 Rekognitionsheuristik
5.2.3 Take-The-Best Heuristik
5.2.4 Verfügbarkeitsheuristik
5.2.5 Repräsentativitätsheuristik
5.2.6 Ankerheuristik
Teil II:
6. „Driven by Emotions“: Die Bedeutung von Emotionen am Beispiel des emotionalen Autokaufs
6.1 Definition Emotion
6.2 „Wir tun nicht, was wir wollen, sondern wir wollen, was wir tun“ - Umfrage zum Thema: Emotionaler Autokauf
6.3 Affekt oder Verstand? - Auswertung der Umfrage
7. Kritische Betrachtung neuroökonomischer Forschung
8. Fazit
Literaturverzeichnis
Anhänge
„Der Mensch hat dreierlei Wage klug zu handeln: durch Nachdenken ist der edelste, durch Nachahmen der einfachste, durch Erfahrung der bitterste."
Konfuzius
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Einordnung der Neuroökonomie
Abbildung 2: Studien zum Entscheidungsverhalten
Abbildung 3: Neuron
Abbildung 4: Mittelschnitt durch das Gehirn
Abbildung 5: Cerebrale Lateralisierung
Abbildung 6: Die fünf Langzeitgedächtnissysteme
Abbildung 7: Trichterschema
Abbildung 8: Schema der Take-The-Best Heuristik
Abbildung 9: Menschliches Handeln in Angstsituationen
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Funktionen des Gehirns
Tabelle 2:Take-The-Best Heuristik: Beispiel Schule
Tabelle 3: Spezifische Reaktionen auf Emotionen
Tabelle 4: Alter der Probanden
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
1. Einleitung
1.1 Problemstellung und Forschungsgegenstand
Ein rational handelnder, stets auf die Vernunft gesinnter Mensch wird unter dem Namen des ökonomisch handelnden Individuums Homo oeconomicus geführt. Diese Auffassung galt als Modellvorstellung wirtschaftlichen Handelns und dominierte lange Zeit die Denkweise der wirtschaftswissenschaftlichen Untersuchungen.1
Warum sehen wir dennoch beim Anblick der Tageszeitung Schlagzeilen, die von Finanz- und Wirtschaftskrisen sprechen? Sind diese täglich eintretenden Ereignisse tatsächlich konform, im Sinne eines stets rational handelnden Menschen?
„Das Herz hat seine Gründe, die die Vernunft nicht kennt." Blaise Pascal2 Viele Entscheidungen des Menschen sind im Sinne der Rationalität nicht zu erklären. Der Mensch trifft sie, obwohl sie weder vernünftig, noch verständlich erscheinen. Warum jedoch tut er dies? Handelt er aus Affekt oder Verstand? Welche Rolle spielt das Gefühl und die Emotionalität bei wirtschaftlichen Entscheidungen?3
Antworten auf diese und andere Fragen sollen mit Hilfe der neu etablierten Forschungsrichtung Neuroökonomie gewonnen werden. Die Neuroökonomie beschäftigt sich dabei mit ökonomischen Fragestellungen des Kaufverhaltens und den wirtschaftlichen Entscheidungen. Hierbei greift sie auf Methoden und Verfahren der Hirnforschung zurück. Durch den Einsatz moderner medizinischer Untersuchungsverfahren, wie beispielsweise dem MRT, ermöglicht sie die Messung von Gehirnaktivitäten in Entscheidungssituationen. Sie befähigt damit den Einblick in die Black Box des menschlichen Gehirns. Ein wichtiges Kerngebiet neuroökonomischer Forschung bildet dabei der Einfluss von Emotionen und persönlicher Präferenzen auf wirtschaftliche Entscheidungen.4
Nicht zuletzt das Marketing hat die Bedeutung neuroökonomischer Studien erkannt, denn sowohl die Psyche, als auch die Emotionalität haben starken Einfluss auf das Kaufverhalten und die Urteilsentscheidung eines Menschen. Aus diesem Grund wurde das Forschungsgebiet Neuromarketing geschaffen. Es kann als ein interdisziplinärer Teilbereich der Neuroökonomie betrachtet werden. Das Neuromarketing beschäftigt sich dabei vorwiegend mit den Geheimnissen des Kaufens unter Nutzung neurowissenschaftlicher Forschungsmethoden.5
Die Neuroökonomie ermöglicht schließlich eine Kombination wirtschaftswissenschaftlicher und neurowissenschaftlicher Erkenntnisse. Einerseits liefert die Ökonomie wichtige Fakten und Untersuchungen zum Verhalten des Menschen in Entscheidungssituationen, andererseits untermauert die Neurowissenschaft diese Erkenntnisse durch den Blick in das menschliche Gehirn des Probanden. Sie unterstützt damit die ökonomische Forschung und gibt wichtige Informationen und bildhafte Einblicke zu Gehirnaktivitäten im Entscheidungsmoment.6
Das junge Forschungsgebiet Neuroökonomie steht erst am Anfang der Entwicklung. Dennoch verzeichnet es einen enormen Zuwachs, denn kaum eine Forschungsdisziplin der Volkswirtschaftslehre kann aktuell dieses Wachstum und die Popularität übertreffen. Gleichzeitig ist die neuroökonomische Forschung aber auch heftiger Kritik seitens traditioneller Volkswirte ausgesetzt, die sie als nutzlos und zu zeitintensiv bezeichnen. Dieser Vorwurf schreckt die Neuroökonomen trotz allem nicht ab. Für sie steht fest, dieses neue Forschungsgebiet wird einen bedeutenden Einfluss zur Erklärung menschlichen Verhaltens liefern. Ob diese Aussage sich jedoch bewahrheiten wird, kann nur der Blick in die Zukunft sagen.7
Im Nachfolgenden soll es deshalb Ziel dieser Bachelorthesis sein, das erst seit kurzem existierende Forschungsgebiet der Neuroökonomie genauer zu betrachten. Im Mittelpunkt der Untersuchung steht dabei stets die Frage: „Affekt oder Verstand? Der Einfluss von Emotionen, bewusster und unbewusster Prozesse und persönlicher Präferenzen auf wirtschaftliche Entscheidungen.“
1.2 Aufbau der Arbeit
Die vorliegende Arbeit ist in zwei wesentliche Teile untergliedert. Der erste Abschnitt dieser Thesis vermittelt dem Leser die wichtigsten theoretischen Grundlagen neuroökonomischer Forschung. Im zweiten Teil erfolgt die Auswertung der zuvor durchgeführten Umfrage zum Thema: Emotionaler Autokauf - Der Einfluss persönlicher Präferenzen bei der Wahl des zukünftigen Neuwagens und stellt damit den praktischen Bezug des zuvor theoretisch erarbeiteten Wissens dar.
Zu Beginn dieser Arbeit wird dem Leser eine kurze Einführung in die neu geschaffene Forschungsdisziplin Neuroökonomie mit dem Teilgebiet Neuromarketing gegeben. Es wird die über lange Zeit existierende Modellvorstellung des Homo oeconomicus erläutert und dessen Kritikpunkte genannt.
Im dritten Kapitel wird die medizinische Seite der Neuroökonomie betrachtet. Es erfolgt eine Expedition in das Labyrinth des Denkens.8 Kein anderes Organ des Menschen ist komplexer und rätselhafter als das menschliche Gehirn. Durch eine mikroskopische und makroskopische Betrachtung des Gehirns erfolgt die Vermittlung des Grundlagenwissens zum besseren Verständnis der neuroökonomischen Prozesse.
Im Mittelpunkt des Kapitels vier steht das menschliche Gedächtnis, welches eine wichtige Rolle bei unbewussten und bewussten Handlungen des Menschen einnimmt.
Das fünfte Kapitel bildet schließlich den Abschluss des theoretischen Teils. Es beschäftigt sich mit dem Einsatz von Heuristiken im Entscheidungsprozess.
Im zweiten Teil der Arbeit erfolgt eine Auswertung der durchgeführten Umfrage zum emotionalen Autokauf, bevor abschließend die Neuroökonomie kritisch betrachtet wird.
Die Autorin bedankt sich für die entgegengebrachte Aufmerksamkeit und wünscht viel Vergnügen beim Lesen dieser Arbeit.
Teil I:
2. Der Abschied des Homo oeconomicus - Schaffung eines neuen Forschungsgebietes
2.1 Die Neuroökonomie als neue wissenschaftliche Disziplin
Die Neuroökonomie wird heute als ein interdisziplinäres Forschungsgebiet bezeichnet, welches seinen Ursprung im Jahre 1990 zelebrierte.9 Mit Hilfe von Erkenntnissen aus den Neurowissenschaften und der Geisteswissenschaft gelang es Forschern erstmals menschliches Verhalten in Entscheidungssituationen besser verstehen zu können und folglich eine Verbindung zwischen Wirtschaftswissenschaften und der Hirnforschung herzustellen. Ein neues junges Forschungsgebiet wurde etabliert, welches sich mit ökonomischen Fragestellungen beschäftigte und dabei auf die Unterstützung neurowissenschaftlicher Methoden zurückgriff. Mit Hilfe dieser neu erworbenen Erkenntnisse setzten sich die Forscher zum Ziel, zukünftig ein besseres Verständnis für Entscheidungen zu entwickeln. Ein großer Stellenwert für diese neue Disziplin hatte im Besonderen der Kauf- und Investitionsprozess, auf den jedoch zum späteren Zeitpunkt dieser Arbeit genauer eingegangen wird.
Die Einteilung der Neuroökonomie kann dabei nicht konkret in die Geistes- oder Naturwissenschaft vorgenommen werden. Vielmehr kann man sie als eine Beifügung beider Disziplinen begreifen, aus denen sie ihr Wissen schöpft. Einerseits die Geisteswissenschaft mit der Psychologie, andererseits die Neurowissenschaft und das medizinische Verständnis, welches den Naturwissenschaften zugeordnet werden kann.10 Die Neurowissenschaft kann hierbei als Lehre des Aufbaus und der Funktion des menschlichen Gehirns beschrieben werden und bildet einen Forschungszweig aus Biologen, Neurologen und anderen medizinischen Fachbereichen. Im Mittelpunkt steht die Funktionsweise des Gehirns und die Erforschung menschlichen Handelns. So ermöglicht es die Medizin heutzutage ohne invasiven Eingriff dem Mensch beim Fühlen und Denken zu beobachten.11
Abschließend sollte die Informatik, die Mathematik und auch die Logik nicht unerwähnt bleiben, woher die Neuroökonomie zusätzliche Informationen bezieht.12
Die im Nachfolgenden aufgeführte Abbildung soll die zentrale Ansiedlung der Neuroökonomie inmitten anderer wissenschaftlicher Forschungsbereiche bildhaft wiedergeben.
Abbildung 1: Einordnung der Neuroökonomie
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Den zentralen Gegenstand neuroökonomischer Untersuchungen bildet die Frage nach der Entscheidung eines Menschen, die er bei Güterknappheit in der Rolle des Konsumenten, aber auch in der des Investors treffen muss. Der Sinn des „wie wirtschaftet ein Mensch“ und der Einfluss innerer und äußerer Aktivitäten, Emotionen oder auch der Erfahrungswert auf das menschliche Gehirn, spielen hierbei eine immense Rolle und lassen Entscheidungen zuweilen willkürlich oder irrational erscheinen.13
Durch Untersuchung des Forschungsgebietes erhofft sich die Wissenschaft ein besseres Verständnis für die im Gehirn ablaufenden Prozesse menschlichen Entscheidens zu erhalten.
Des Weiteren sah man das Ziel fundierte Belege liefern zu können, um den seit langen existierenden Grundsätzen eines stets wirtschaftlich handelnden Menschen im Sinne des Homo oeconomicus zu widersprechen.14 Nachfolgend soll deshalb zunächst dieses Bild, welches die Ökonomie lange Zeit zu prägen schien, im Mittelpunkt der weiteren Betrachtung stehen.
2.2 Wandel der Zeit:
Die Abkehr vom Menschenbild des Homo oeconomicus „Lange Zeit haben Wirtschaftstheoretiker ein Retortenwesen namens Homo oeconomicus zur Grundlage ihrer Überlegungen gemacht... Diese Kreatur hat sich mittlerweile als unhaltbare Fiktion erwiesen.“15
Eines von der Wirtschaftswissenschaft geschaffenes Menschenbild, welches das Verhalten menschlichen Handelns darzustellen versucht, wird als Homo oeconomicus bezeichnet.16
Der Begriff Homo oeconomicus stammt ursprünglich aus dem lateinischen und definiert einen haushaltenden, wirtschaftenden Menschen (lat. Homo = Mensch; oeconomicus = wirtschaftlich). In heutiger Zeit wird mit dieser Bezeichnung ein Verhaltensmodell charakterisiert, welches den Menschen als rationales Individuum beschreibt, dass vollkommen egoistisch agiert und stets unter Beachtung von Effizienz und Wirtschaftlichkeit sein Handeln zu maximieren versucht. Ausgezeichnet mit einem allumfassenden Marktwissen bezieht er bei seinen Entscheidungen weder Abneigungen noch Vorlieben ein. Er handelt folglich ohne Emotionen und wägt stets die Handlungsalternative ab, welche für ihn den größtmöglichen Nutzen stiftet. Des Weiteren sind ihm stets die Konsequenzen seiner Handlungsalternativen bewusst und er kann diese abschätzen. In seinem täglichen von Güterknappheit geprägten Handeln, agiert er unter dem Kompromiss sich für eine vorhandene Alternative entscheiden zu müssen, um seine eigenen Bedürfnisse zu befriedigen und den bestmöglichen Nutzen zu erreichen.
Der Homo oeconomicus kann folglich als ein von der Ökonomie geschaffener Idealtyp eines wirtschaftlich handelnden Menschen beschrieben werden, der bestrebt ist mit dem geringsten Aufwand die vorgegebenen Ziele zu erreichen. Gleichzeitig versucht er mit den vorhandenen Mitteln das Bestmögliche zu bewirken (Minimum-/ Maximalprinzip). Er handelt somit nach dem ökonomischen Prinzip. Die Ökonomie sah mit diesem neu geschaffenen Menschenbild das Ziel, zukünftige Erklärungen für Handlungen und menschliches Entscheiden zu finden. Durch Unterstützung dieser modellhaft vereinfachten Darstellung eines ökonomisch handelnden Menschen wurde die Möglichkeit geboten, komplexe Prozesse und Aktionen in wirtschaftswissenschaftliche Modelle zu überführen.
Den Ursprung fand das Menschenbild bereits im Zeitalter Platons, der in seinen staatsphilosophischen Theorien stets ein eigennutzorientiertes, egoistisches Geschöpf Namens Mensch aufgriff. In seinem Werk „Der Staat“ stellte er sich die Frage nach Herrschaft und Regierung. Er sah den König als oberstes Geschöpf und für die Macht verantwortlich, da nur er sich der Gerechtigkeit und zum Wohle der Gemeinschaft in Verantwortung sehe. Die Menschheit insgesamt jedoch sei von Eigennutz und Egoismus geprägt und nicht regierungsfähig. Auch Adam Smith griff in seinem Hauptwerk „An inquiry into the nature and Causes of the Wealth of Nations” den Egoismus der Bevölkerung als positive Eigenschaft auf. Im Sinne jedes Individuums lege das Ziel den eigenen Profit zu maximieren und daraus eine Vorteilsstellung gegenüber Anderen zu erlangen. Nach dem Motto: „Wenn jeder an sich denkt, ist an alle gedacht“, sah er eine Wirtschaft ohne staatliche Eingriffe, wo die unsichtbare Hand den Markt regiert und sich egoistische Motive von selbst in soziale Taten umwandeln.
Diese, seit langer Zeit existierende Anschauung eines ökonomisch handelnden Menschen musste sich jedoch in den vergangen Jahren heftiger Kritik stellen und stößt heute täglich an seine Grenzen. Hauptkritikpunkt bildet dabei die Rationalität und die Eigennutzannahme.
Ein Mensch ist nicht in der Lage sich ausschließlich auf die eigenen Präferenzen zu beschränken, sondern lässt sich oftmals von Solidarität, Gerechtigkeit und Fairness leiten. Des Weiteren wird auch die Rationalität häufig kritisch betrachtet. Der Mensch besitzt beispielsweise die Fähigkeit, Informationen beliebig ein- bzw. ausblenden zu können. Weiterhin beeinflussen frühere Erfahrungen, Emotionen sowie Vertrauen das menschliche Handeln enorm.
Gerade aus diesen genannten Gründen kann in heutiger Zeit das Verhaltensmodell des Homo oeconomicus nicht als aktuelles Konstrukt angesehen werden. Vielmehr bezeichnet es eine veraltete Modellvorstellung, die um soziale Aspekte ergänzt und erweitert werden muss.20
Seit Beginn der 90iger Jahre stand damit nicht mehr nur das Modell des Homo oeconomicus im Mittelpunkt der wirtschaftlichen und psychologischen Forschung, sondern der Mensch und sein Verhalten in wichtigen Entscheidungssituationen gewann bedeutend an Einfluss. Neben der ökonomischen Seite wurden naturwissenschaftliche, aber auch neurowissenschaftliche Erkenntnisse bei ökonomischen Entscheidungen berücksichtigt und somit ein eigenes Forschungsgebiet, die Neuroökonomie, geschaffen. 21 Man sprach in diesem Zusammenhang häufig auch von einem sogenannten Paradigmenwechsel der Zeit.22
Die Neuroökonomie hat in den vergangenen Jahren durch Wachstum geglänzt. So ist der Zuwachs neuroökonomischer Studien seit dem Jahr 1990 enorm gestiegen. Anhand der nachfolgend aufgeführten Abbildung wird dieses stetige Wachstum grafisch dargestellt.
Abbildung 2: Studien zum Entscheidungsverhalten
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
In der Grafik wird die Anzahl der durchgeführten Studien zum Entscheidungsverhalten von 1990 bis 2006 ersichtlich. Ein stark progressiver Verlauf ist erkennbar, der die Wichtigkeit dieses neuen Forschungsgebietes noch einmal aufzeigen lässt.
Es stellt sich schließlich die Frage des Nutzen und der Ziele, welche Wissenschaftler und Forscher in dieser neu etablierten Disziplin zu sehen scheinen, damit sie dieses Wachstum und die Popularität erreichen konnte.
Im Zentrum neuroökonomischer Forschung steht stets der Mensch und die Frage, von welchen Kriterien er seine Entscheidung beeinflussen lässt. So wird beispielsweise untersucht, welchen Einfluss persönliche Vorlieben und Emotionen auf den Entscheidungsprozess haben. Einen wichtigen Bereich der Neuroökonomie bildet der Konsument, der täglich durch seine Kaufentscheidungen einen bedeutsamen Teil zur Wertschöpfungskette beiträgt.17
Im nächsten Kapitel wird dem Leser deshalb ein kleiner Einblick in das Neuromarketing gegeben, bevor im zweiten Teil dieser Thesis ein praktischer Bezug neuroökonomischer Untersuchungen zum Kaufverhalten hergestellt werden soll.
2.3 Neuromarketing als Teildisziplin der Neuroökonomie
Als ein bedeutender Forschungszweig neuroökonomischer Untersuchungen etablierte sich in vergangener Zeit ein eigenes interdisziplinäres Forschungsgebiet, das Neuromarketing.18
Wird versucht eine geeignete Definition des noch jungen Forschungszweiges zu finden, so könnte das Neuromarketing als eine Verknüpfung der Erkenntnisse aus den Neurowissenschaften mit den traditionellen Marketingkonzepten verstanden werden. Die Hauptaufgabe des Neuromarketings ist darin zu sehen, ein besseres Verständnis für das Kaufverhalten der Konsumenten zu entwickeln und dieses mit Hilfe neurowissenschaftlicher Methoden für Marktforschungszwecke anwenden zu können. Dabei geht es keinesfalls darum traditionelle Marktforschungskonzepte zu ersetzen. Vielmehr soll das Neuromarketing eine Erweiterung bereits vorhandener Ansätze mit Hilfe der Hirnforschung darstellen und somit für ein verbessertes Verständnis des Kaufverhaltens sorgen.19
Ziel des Neuromarketings soll es schließlich sein, die durch die Hirnforschung gewonnenen neuen Erkenntnisse auf die Werbestrategien und somit auf das individuelle Kaufverhalten eines Konsumenten anwenden zu können. War zuvor eine Beeinflussung des Käufers ausschließlich auf dem Wissen aus der Konsumentenforschung aufgebaut, ist es seit neuester Zeit möglich, Methoden der Hirnforschung, Messungen von Prozessen im inneren des Konsumenten und bildgebende Verfahren einzusetzen. Die Marktforschung kann damit unterstützt werden.20
Gerade in den letzten Jahren hat dieses neu etablierte Forschungsgebiet immensen Stellenwert erreicht und Millionen von finanziellen Mitteln werden jährlich in Entwicklung und Forschung investiert. Grund für dieses starke Interesse ist die immer noch existierende Ungewissheit und die Masse offener Fragen über das Konsumentenverhalten und die Möglichkeiten der Manipulation des Konsumentenhirns.21
Nicht umsonst sagte der Vorstandsvorsitzende von Procter & Gamble, einem weltweit tätigen Unternehmen, welches jährlich große Summen in Werbung und Marketingstrategien investiert:
„Wir müssen unsere Methode, wie wir den Kunden ansprechen, überdenken und ein neues Modell entwerfen.“22
Die Aussage scheint berechtigt. Jährlich scheitern trotz intensiver Marktforschung ca. 80% neu auf dem Markt eingeführter Produkte. Andererseits werden Produkte aufgrund der Marktforschung nicht eingeführt, obwohl sie eigentlich hätten erfolgreich vermarktet werden können. Nachfolgendes Beispiel soll dies demonstrieren.
Was hätten Sie gesagt, wenn man Ihnen vor einigen Jahren eine Dose mit süßer Flüssigkeit gegeben hätte, die nach Gummibärenwasser mit Coffeingehaltschmecke?
Wahrscheinlich hatte der Großteil der Konsumenten das Produkt mit Aussagen, wie beispielsweise „viel zu süß“ oder „unappetitlich“ bewertet. Heute hat „Red Bull“ Kultstatus und ist in fast allen Ländern der Welt erhältlich. Der Grund für diesen gigantischen Erfolg ist nicht im Geschmack dieses Getränkes begründet, sondern vielmehr im sozialen Status, den das Produkt in der Partyszene gewonnen hat. Normale Marktforschungsstudien und Konsumententests hätten vor Einführung dieses Getränkes nie solch einen Erfolg voraussagen können.23
Dieses schlichte Beispiel am Produkt „Red Bull“ kann verdeutlichen, wo die Zukunft und die Bedeutung des Neuromarketings anzusiedeln sind. Zunächst scheint jedoch die Investition in moderne medizinische Untersuchungsmethoden recht teuer und umfangreich. Studien haben jedoch bewiesen, dass sich diese anfänglich kostenintensiven Ausgaben lohnen. Traditionelle Fragebögen und Interviews werden auch zukünftig nie die gleichen wirklichkeitsgetreuen Ergebnisse wiedergeben können, da 90% unserer getroffenen Kaufentscheidungen im Unbewussten erfolgen. Der Konsument selbst kann sie nicht spüren oder beeinflussen. Wie oft steht der Mensch beispielsweise im Supermarkt und hat die sogenannte Qual der Wahl? Kann ein Käufer stets begründen, warum er sich heute für dieses Produkt entschieden hat?24
Um diese Fragen zukünftig besser verstehen und beantworten zu können, wird im nächsten Kapitel dieser Thesis zunächst ein Blick auf den Aufbau und die Funktionsweise des menschlichen Gehirns geworfen.
3. Einführung in die Neuroanatomie
3.1 Die mikroskopische Betrachtung
Um ein besseres Verständnis für neuroökonomische Prozesse, Entscheidungen und Verhaltensweisen zu erhalten, soll auf den folgenden Seiten ein Einblick in die biologischen Grundlagen des menschlichen Gehirns gegeben werden. Das nachfolgende Kapitel stellt dabei nur einen Überblick dar und soll keinesfalls den exakten medizinischen Aufbau und die Funktionsweise des Gehirns widerspiegeln. Es dient lediglich dazu die Prozesse und Verhaltensweisen neuroökonomischer Entscheidungen besser verstehen und nachvollziehen zu können.
Das menschliche Gehirn (Encephalon) kann zunächst als komplexes und gleichzeitig wichtigstes Organ unseres zentralen Nervensystems angesehen werden. Angesiedelt in der knöchernen Schädelhöhle des Menschen ist es von Liquor und Hirnhäuten umgeben. Die Gehirnmasse einer erwachsenen Person beträgt dabei im Durchschnitt 1350 bis 1500 Gramm.25 Mit Milliarden von Nervenzellen, den sogenannten Neuronen ausgestattet, bildet es die Steuerungszentrale des gesamten Körpers. Es hilft uns zu denken, zu fühlen, zu riechen, zu schmecken und folglich unsere Umwelt überhaupt wahrnehmen zu können. Ohne Gehirn wären wir nicht in der Lage uns fortzubewegen oder zu atmen. Zusammen mit dem Rückenmark (Medulla Spinalis), welches den Informationsaustausch über die Nervenfasern zwischen Gehirn und der Peripherie ermöglicht, bildet es das Zentralnervensystem.26
Das Gehirn zeichnet sich durch eine enorme Komplexität und eine beeindruckende Funktionalität aus. Dies könnte ein Grund sein, warum es Forschern bis heute noch nicht gelungen ist, eine vollständige Erklärung aller ablaufenden Prozesse und Verhaltensweisen zu finden.27
Neuronen bilden die Substanz und können als kleinste unterteilbare Einheiten definiert werden. Sie dienen der Informationsverarbeitung und sind von Geburt an in gleicher Anzahl vorhanden. Eine Vermehrung von Neuronen ist ausgeschlossen. Lediglich die Anzahl der Synapsen, der Verbindung zwischen zwei Neuronen, kann sich erhöhen. Dies geschieht im Laufe des menschlichen Lernprozesses.
Neuronen weisen oftmals einen unterschiedlichen Aufbau auf, da sie sich in eine Vielzahl verschiedener Formen differenzieren können. Die typische äußere Gestalt eines Neurons, welche auch häufig in der Lehrbuchliteratur auffindbar ist, kann jedoch wie folgt dargestellt werden.
Abbildung 3: Neuron
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Soma, der Zellkörper, bildet den größten Teil des Neurons. Er beinhaltet den Zellkern und weitere wichtige Bestandteile einer Zelle, die für die Energieversorgung oder den Stoffwechsel verantwortlich sind. Das Soma wird durch eine Vielzahl von Fortsätzen umgeben. Die Mehrzahl dieser Fortsätze können als Dendriten bezeichnet werden. Dendriten sind astartig verzweigte Andockstellen, die es ermöglichen Impulse von anderen benachbarten Neuronen zu erhalten. Neben diesen enthält die Nervenzelle ein sogenanntes Axon zur Weiterleitung der Informationen. Dieses bewirkt die Kommunikation mit weiteren Neuronen über sogenannte Synapsen. Synapsen können als Kontaktstellen bezeichnet werden und ermöglichen eine Verbindung zwischen Axon und Dendriten anliegender Neuronen.28
Der Informationsaustausch im Neuron selbst und zwischen angrenzenden Neuronen erfolgt dabei generell durch elektrochemische Impulse. Häufig wird auch von einer Erregungsleitung oder Reizleitung gesprochen.
Neuronen besitzen die Fähigkeit ihr Membranpotential ändern zu können. Dies geschieht dann, wenn Informationen von Sinneszellen oder anderen Nervenzellen übertragen werden. Ist dies der Fall, kommt es zu einer kettenartigen Änderung der Ladungsverhältnisse am Axon. Oftmals wird in diesem Zusammenhang von einem Aktionspotential gesprochen, welches saltatorisch bzw. kontinuierlich zur Synapse weitergeleitet wird. Die Ursache dieses Spannungsverhältnisses ist in der Änderung der Ladungsverhältnisse durch lonenaustausch (Natrium und Kalium) an der Membran begründet. Erreicht das Aktionspotential schließlich die Synapse, erfolgt die Übertragung der Information zwischen zwei Zellen durch den synaptischen Spalt. Dies geschieht durch die Unterstützung von Neurotransmittern.29 Auf eine genauere Erklärung der ablaufenden biologischen und chemischen Prozesse am Axon bzw. am synaptischen Spalt soll an dieser Stelle jedoch verzichtet werden.
Neben der Betrachtung der Neuronen des menschlichen Gehirns sind des Weiteren die Gliazellen nicht zu vernachlässigen. Sie werden als „NichtNervenzellen“ bezeichnet und bilden ca. 90% aller Gehirnzellen. In der Vergangenheit wurde davon ausgegangen, dass sie wie eine Art Bindegewebe die Stabilisierung der Nervenzellen absichern. Heute ist man der Überzeugung, dass auch die Gliazellen einen wichtigen Einfluss auf die im Gehirn ablaufenden Funktionen ausüben. So werden sie nach drei Arten differenziert.
- Mikrogliazellen
- Oligodendrozyten
- Astrozyten
Die Mikrogliazellen können als eine spezielle Form der Entzündungszellen bezeichnet werden. Sie sind für die Überwachung des Hirngewebes zuständig und werden bei Entzündungen oder Hirnverletzungen aktiviert. Die Oligodendrozyten bilden die Myelinscheide aus, welche das Axon der Nervenzelle wie einen Isolator umschließt (siehe Abbildung 3). Die Astrozyten ermöglichen die Bildung einer Blut-Hirnschranke, sodass ein gezielter kontrollierter Übertritt von Substanzen aus dem Blut in das Gehirn und umgekehrt erfolgen kann.36 Die Gliazellen spielen neben den Neuronen folglich ebenfalls eine wichtige Rolle bei der mikroskopischen Betrachtung des menschlichen Gehirns und sollten keinesfalls vernachlässigt werden.
3.2 Die makroskopische Betrachtung
Wird der makroskopische Aufbau des Gehirns (Anhang 1) näher betrachtet, kann es in folgende Abschnitte gegliedert werden:
- Endhirn (Telencephalon) oder Großhirn (Cerebrum)
- Zwischenhirn (Diencephalon)
- Mittelhirn (Mensencephalon)
- Hinterhirn (Mentencephalon) mit Kleinhirn (Cerebellum) und Brücke (Pons)
- Verlängertes Mark (Medulla oblongata) oder Nachhirn (Myelencephalon)
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Das Hinterhirn und das Nachhirn werden häufig auch unter dem Namen Das Großhirn kann als größter Abschnitt des menschlichen Gehirns charakterisiert werden. Es deckt aufgrund seiner Größe einen weiten Teil der anderen Hirnabschnitte ab und ist diesen funktionell übergeordnet. Vorzufinden ist hier der Sitz des Bewusstseins, des Empfindens, des Willens und des Gedächtnisses. Das Großhirn weist eine starke Faltung und zahlreiche Windungen auf, sodass sich die Oberfläche um ein Vielfaches vergrößern lässt. Anatomisch ist es in eine rechte und linke halbkugelförmige Hälfte unterteilt, die als Hemisphären bezeichnet werden. Gekoppelt sind diese beiden Bereiche durch einen sogenannten Gehirnbalken, den Corpus callosum, mit dessen Hilfe der Informationsaustausch ermöglicht wird. Er ist für das Zusammenspiel beider Gehirnhälften verantwortlich und ermöglicht die Wahrnehmung und Erinnerung.30 Jede Hemisphäre des menschlichen Gehirns kann in vier verschiedene Hirnlappen (Stirnlappen oder Frontallappen; Scheitellappen oder Parietallappen; Hinterhauptslappen oder Occipitallappen; Schläfenlappen oder Temporallappen) untergliedert werden, die ihren Namen den Schädelknochen zu verdanken haben.31
Der innere Aufbau des Großhirns gleicht dem des Rückenmarks, welches sich aus grauer und weißer Substanz zusammensetzt.
Die graue Substanz bildet die Großhirnrinde (Cortex). Sie umschließt das Großhirn und besteht aus circa 10-16 Milliarden Nervenzellen, die in sechs übereinander aufgereihten Schichten angeordnet sind. Unterhalb der Hirnrinde ist der Kern des Großhirns angesiedelt, welcher ebenfalls aus grauer Substanz besteht.
Die Großhirnrinde weist unterschiedliche Funktionszentren auf, wo die verschiedenen Nervenprozesse ablaufen. Als motorische Rindenfelder können beispielsweise das motorische Sprachzentrum, welches das Koordinationszentrum für die Sprachmuskeln bildet, das Primärzentrum der Willkürmotorik, in dessen die Befehle für willkürliche Bewegungen an die Peripherie gegeben werden und das motorische Lese- und Schreibzentrum unterschieden werden. Das letztgenannte Zentrum ist für die Steuerung der Augenmuskeln beim Schreiben und Lesen zuständig. Interessant hierbei ist, dass es zu einer Kreuzung der motorischen Bahnen in der Modulla oblongata kommt, sodass auftretende Störungen beispielsweise in der linken Hälfte des Großhirns Ausfälle in der rechten Körperhälfte zur Folge haben. Die sensorischen Rindenfelder hingegen sind für die Verarbeitung der von den Sinneszellen aufgenommen Informationen zuständig. Hier können das primär sensorische Rindenfeld, das Hörzentrum, das Sehzentrum und die Zentren für Geschmacksund Geruchsempfindungen unterschieden werden. Das primär sensorische Rindenfeld liegt in der hinteren Zentralwindung des Großhirns, an dessen Stelle die Körperfühlbahnen enden. Diese sind verantwortlich, die über die Haut, den Muskeln oder Gelenken aufgenommenen Informationen in das Zentrum zu leiten, wo eine Verarbeitung und Wahrnehmung der Druck-, Schmerz- oder Temperaturempfindungen erfolgt. Das Hörzentrum ist für die Wahrnehmung von Tönen und Lauten zuständig. Hinter dem Hörzentrum ist das sensorische Sprachzentrum gelegen. Es ist häufig nur auf der linken Großhirnhälfte auffindbar und ermöglicht das Verstehen und Interpretieren von Wörtern. Das Sehzentrum ist für die optische Wahrnehmung verantwortlich. Fällt es aus, so ist der Mensch blind. Neben dem Sehzentrum befinden sich die verschiedenen optischen Assoziationszentren. Diese sind für die Integration von motorischen und sensorischen Zentren zuständig und haben Einfluss auf die Steuerung des willkürlichen Verhaltens eines Menschen. Beispielhaft kann hier das optische Erinnerungszentrum für die Schrift genannt werden. Kommt es zum Ausfall dessen, ist der Mensch zwar in der Lage zu sehen, ihm ist es jedoch nicht möglich zu erklären, was er gesehen hat (Anhang 2).
Die Großhirnrinde ist folglich in motorische, sensorische und Assoziationsareale gegliedert. Die Zentren der Motorik befinden sich dabei häufig im Bereich der vorderen Zentralwindung. Die sensorischen Zentren sind in der hinteren Zentralwindung angesiedelt.39 Dennoch kann eine exakte Zuordnung der funktionellen Areale zu den verschiedenen Lappen des Gehirns nicht erfolgen. Der Grund dafür ist in der nicht vorhandenen Symmetrie der Hemisphären zu begründen. Jeder Lappen des menschlichen Gehirns weist spezielle Funktionen auf, die auf der jeweils anderen Hemisphäre nicht vorzufinden sind. In diesem Zusammenhang wird deshalb häufig von der cerebralen Lateralisierung der Funktion bzw. umgangssprachlich von der Linkshirn/ Rechtshirn Dominanz gesprochen. So bildet die linke Hemisphäre beispielsweise den Bereich, der für das rationale Denken, die Sprache und die Logik verantwortlich ist. Hier werden logische Vorgänge geplant, Zahlen, Reihenfolgen oder auch Vokabeln abgebildet. Die rechte Gehirnhälfte im Gegensatz ist für das Intuitive und die Emotionalität zuständig. Hier entstehen Gefühle und Bilder. Dieser Bereich verleiht uns das räumliche Vorstellungsvermögen und die Kreativität.32
Abbildung 5: Cerebrale Lateralisierung
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die grauen Kerne des Großhirns, die häufig auch als Basalganglien bezeichnet werden, befinden sich in der Tiefe, eingebettet von der weißen Substanz. Sie sind an der Durchführung der alltäglichen Bewegungsabläufe beteiligt und tragen die Verantwortung für Mimik und Muskeltonus eines Menschen.
Die weiße Substanz, welche die Basalganglien einschließt, kann in verschiedene Leitungsbahnsysteme differenziert werden. Die Assoziationsbahnen sind dafür verantwortlich, die verschiedenen Zentren in einer Großhirnhemisphäre zu verbinden. Die Kommissurenbahnen verknüpfen die Hemisphären untereinander. Als wichtigste Kommiussurenbahn kann hier der Corpus callosum genannt werden. Um das Großhirn schließlich mit den anderen Hirnteilen und dem Rückenmark zu verbinden, sind die Projektionsbahnen zuständig.33
Das limbische System, welches sich an der Innenseite der Endhirnhemisphäre befindet, ist für die Steuerung der Verhaltensweisen und der primären Bedürfnisse zuständig. Es ermöglicht die Anpassung des emotionalen Verhaltens an die entsprechende Situation und die Regulierung des Lern- und Gedächtnisprozesses.42 Das limbische System weist eine V-förmige Struktur auf, die sich aus dem Hippocampus, dem Amygdala und dem limbischen Cortex zusammensetzt. Es wird davon ausgegangen, dass das limbische System einen entscheidenden Einfluss auf das Kaufverhalten des Menschen ausübt. Gerade aus diesem Grund wird es oftmals als die tatsächliche Macht- und Entscheidungszentrale des menschlichen Gehirns bezeichnet.43
Das Zwischenhirn, welches vorwiegend durch das Großhirn verdeckt ist, wird aus dem Thalamus und dem Hypothalamus gebildet. Der Thalamus ist zuständig, die Informationen an die Großhirnrinde weiter zu leiten. Er dient als Filter und entscheidet darüber, welche Informationen die Wichtigkeit besitzen bewusst wahrgenommen werden zu dürfen. Häufig wird er deshalb auch mit dem Namen Tor zum Bewusstsein bezeichnet. Die Steuerung erfolgt über die Thalamuskerne, die in unspezifische Kerne und spezifische Kerne unterschieden werden. Die spezifischen Thalamuskerne sind mit bestimmten Bereichen der Großhirnrinde verbunden. Sie tragen die Verantwortung, Impulse aus der Peripherie an die verantwortlichen Bereiche der Großhirnrinde weiterzuleiten. Die unspezifischen Thalamuskerne besitzen nur wenige Verbindungen zum Großhirn, die sich nicht auf spezielle Bereiche beziehen. Sie sind jedoch mit den spezifischen Thalamuskernen verbunden und steuern diese an. Der Hypothalamus befindet sich unter dem Thalamus und wird von diesem begrenzt. Er bildet die Steuerungszentrale des vegetativen Nervensystems und ist zuständig für die Regulation des Appetits und der Verdauungsfunktionen, der Flüssigkeitsaufnahme, der Körpertemperatur und der Sexualfunktionen.44
Das Mittelhirn (Mesencephalon) ist dem Zwischenhirn angeschlossen und kann als oberster Teil des Hirnstamms bezeichnet werden. Der Hirnstamm selbst setzt sich aus dem Mittelhirn, der Brücke und dem verlängerten Mark zusammen. Das Mittelhirn ist verantwortlich Impulse aus dem Auge, dem Ohr und sonstigen Oberflächenrezeptoren kommend an andere Hirnbereiche weiterzuleiten und gibt uns die Möglichkeit der Orientierung. Es wird dabei in 3 Bereiche gegliedert. Das — Dach (Tectum), die Haube (Tegmentum) und die Großhirnschenkel (Cruca cerebri). Das Dach wird vom Großhirn bedeckt. Hier befinden sich die Umschaltstellen für die Seh- und Hörbahnen. Die Haube ist zwischen dem Dach und dem Großhirnschenkel angesiedelt. In ihr befinden sich wichtige Gebiete, die den Ablauf automatischer Bewegungen, wie beispielsweise die Steuerung der Augenbewegung und den Pupillenreflex ermöglichen. Die Großhirnschenkel weisen eine Länge von 1,5 cm auf und enthalten die Nervenfasern vom Großhirn zum Kleinhirn.34
Das Kleinhirn (Cerebellum) ist hinter dem Hirnstamm angesiedelt und besteht aus dem Wurm und zwei Kleinhirnhemisphären. Es ist im Gegensatz zum Großhirn recht klein, weißt jedoch eine fast identische Anzahl an Nervenzellen wie das Großhirn auf. Die Hauptaufgabe des Kleinhirns ist es, das Gleichgewichtsystem und damit den Bewegungsapparat zu kontrollieren. Dabei erfolgt die Tätigkeit des Kleinhirns unbewusst ohne willentliche Beeinflussung der Handlungen. Neben der Koordination von Bewegungen ist es des Weiteren für die Vorgänge des motorischen Lernens und des Sprechens verantwortlich. Über das Kleinhirn erfolgt die Weiterleitung der Erregungen von oder zu den motorischen Zentren der Großhirnrinde. Neben dieser Verbindung ist es zusätzlich mit dem Hirnstamm und dem Rückenmark verbunden. Das Kleinhirn besitzt die Möglichkeit zuvor durchgeführte Abläufe zu speichern, sodass nach einiger Zeit eine automatische Ausführung bekannter Bewegungen möglich ist. Dabei ist es nicht verantwortlich Bewegungsimpulse zu geben, vielmehr ist es für die Abstimmung und Koordination der Bewegungen zuständig. Kommt es beispielsweise aufgrund krankhafter Prozesse zu Einschränkungen der Funktionen des Kleinhirns, so ist der Mensch trotz dessen in der Lage sich zu bewegen. Aufgrund fehlender Koordination kann er seine Bewegungsabläufe jedoch nicht steuern. Das Kleinhirn übt damit einen bedeutenden Einfluss auf die motorischen Bewegungen des Menschen aus.35 Es ist des Weiteren über die Brücke (Pons) mit dem Großhirn verbunden, wodurch eine zusätzliche Feinabstimmung der Bewegungen zwischen den beiden Gehirnarealen ermöglicht wird.36
Die Medulla oblongata, häufig auch unter der deutschen Übersetzung verlängertes Mark bekannt, bildet abschließend den Übergang zwischen Gehirn und Rückenmark. Auch sie besteht aus grauer und weißer Substanz. Die weiße Substanz enthält sowohl somatosensorische Bahnen, die eine sensorische Übermittlung von Informationen an das Gehirn ermöglichen, als auch corticospinale Bahnen, die für die Weiterleitung von Informationen an das Rückenmark zuständig sind. Dabei liegt die Wahrscheinlichkeit einer Kreuzung der corticospinalen Bahnen in der Medulla oblongata bei 90%. Dies hat zur Folge, dass eine Hirnhemisphäre die jeweils auf der anderen Seite liegende Körperhälfte kontrolliert. In der grauen Substanz der Medulla oblongata sind die Kerne angesiedelt, die für eine Vielzahl von autonomen Funktionen, wie beispielsweise Blutdruck, Schlucken oder Atmung, verantwortlich sind.37
Bei abschließender Betrachtung kann das menschliche Gehirn mit seinen Hirnregionen und dessen Funktionen mit der nachfolgend aufgeführten Darstellung zusammengefasst werden.
Tabelle 1: Funktionen des Gehirns
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
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1 Vgl. Reimann/Weber (2011), S. 5.
2 Französischer Mathematiker und Philosoph (1623-1662).
3 Vgl. Hubert/Kenning (2009), S. 44.
4 Vgl. Reimann/Weber (2011), S. 5.
5 Vgl. Häusel (2013), S. 14.
6 Vgl. Riedel (2010), S. 3.
7 Vgl. Zichy (2011), S. 317-321.
8 Vgl. Wie wir denken - Das Gehirn: Intelligenz, Gefühl, Bewusstsein (2008), S. 7.
9 Vgl. Bruhn/Köhler (2010), S. 4.
10 Vgl. Reimann/Weber (2011), S. 5- 6.
11 Vgl. Sigg (2009), S. 40.
12 Vgl. Reimann/Weber (2011), S. 6.
13 Vgl. Bruhn/Köhler (2010), S. 4.
14 Vgl. Bruhn/Köhler (2010), S. 4.
15 Original Zitatvon Karl Sigmund; Ernst Fehr; Martin A. Nowak (2006).
16 Vgl. Gabler Wirtschaftslexikon (2013).
17 Vgl. Singer(0.J.), S. 5.
18 Vgl. Bruhn/Köhler (2010), S. 5.
19 Vgl. Gernsheimer et al. (2009), S. 6 - 8.
20 Vgl. Weining (2009), S. 11.
21 Vgl. Held/Scheier (2013), S. 17.
22 Alan G. Lafley (Vorstandsvorsitzender von Procter & Gamble).
23 Vgl. Held/Scheier (2013), S. 18.
24 Vgl. Giersch (2009).
25 Vgl. Trebsdorf (2006), S. 335.
26 Vgl. Neuburger/Tiefenbacher (2010), S. 6.
27 Vgl. Mainzer (1997), S. 15.
28 Vgl. Derouiche (2011), S. 13-16.
29 Vgl. Beck (2007).
30 Vgl. Trebsdorf (2006), S. 335 - 336.
31 Vgl. Silverthorn (2009), S. 448.
32 Vgl. Silverthorn (2009), S. 448 - 451.
33 Vgl. Trebsdorf (2006), S. 339 - 340.
34 Vgl. Trebsdorf (2006), S. 342.
35 Vgl. Gesundheitsportal Onmeda (2013).
36 Vgl. Gassmann et al. (2006), S. 211.
37 Vgl. Silverthorn (2009), S. 446.
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