Festung Europa? Die europäische Migrationspolitik im Kontext der Securitization-Theorie

Die Grenzschutzagentur Frontex und das Drittstaatenabkommen "EU Border Mission Ukraine and Moldova" (EUBAM)


Dossier / Travail de Séminaire, 2016

28 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theorie und Methode
2.1. Forschungsstand
2.2 Theorie der Securitization
2.2.1 Die Bedeutung des Speech Act
2.3 Methodisches Vorgehen
2.3.1 Einführung in die qualitative Inhaltsanalyse
2.3.2 Auswahl des Falls

3 Vorstellung der Migrations-und Grenzpolitik der EU
3.1 Stockholmer Programm (2010-2014)
3.1.1 Begriffsbehandlung der irregulären Migration
3.1.2 Bedeutung der Nachbarschaftspolitik und des Außengrenzschutzes
3.2 Integrated Border Management
3.2.1 Die Gründung der Grenzschutzagentur Frontex
3.2.2 Die Gründung von EUBAM

4 Analyse
4.1 Das Stockholmer Programm als Speech Act
4.2 Integriertes Grenzmanagement als Versicherheitlichung
4.3 Zur Rolle von Normen und Identitäten

5 Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Der moderne Nationalstaat ist ohne Grenzen nicht denkbar. Grenzen definieren das Einflussgebiet eines Staates: an den Grenzen enden die staatliche Souveränität und die Reichweite der staatlichen Rechtsordnung. Damit einher geht unmittelbar, dass außerhalb eines staatlichen Gebietes eine Rechtsordnung für Migranten, die sich in Transitzonen zwischen Staaten befinden, nicht mehr gilt. Das bedeutet, dass mit Grenzregimen die Entrechtung von Migranten einhergeht. Doch wie konnte die Öffentlichkeit diese Form von Grenzregeminen und die Entrechtung von Migranten zulassen? Eine Antwort darauf soll mit Hilfe der Securitization- Theorie (zu dt. Versicherheitlichung) nach Barry Buzan, Jaap de Wilde und Ole Waever (1998) am Beispiel der Europäischen Union versucht werden.

Seit die westlichen Industrieländer einen Anwerbestopp für Arbeitsmigranten in den frühen siebziger Jahren verhängten, wird an europäischen Grenzen offiziell zwischen legalen und illegalen Einwanderern unterschieden. Seitdem hat sich die sogenannte irreguläre Migration nach Europa zu einem zentralen Thema der politischen Agenda der EU entwickelt (Baumer 2014: 8). Demokratische Staaten sehen sich durch irreguläre Migration in ihren Grundprinzipien herausgefordert. Die Anerkennung der Menschenrechte als jedem Individuum innewohnendes Grundrecht ist die Legitimationsbasis liberaler Demokratien. Das steht aber im Spannungsverhältnis zum Grundprinzip der staatlichen Souveränität, die auch die Kontrolle über den Zugang und Verbleib im jeweiligen Staatsgebiet regelt, wie an den jüngsten Ereignissen im Mittelmeerraum zu sehen ist (vgl. Baumer 2014: 13). Während die Europäische Union die Kontrolle an den Außengrenzen ausweitet, sterben Menschen bei dem Versuch, das Mittelmeer auf dem Weg nach Europa zu überqueren. Hinzu kommen Abkommen mit Drittstaaten, die mit der Einrichtung von Grenzregimen das Problem nach dort auslagern sollten.

Ermöglicht wurde diese Entwicklung auch dadurch, dass Migration in der EU öffentlich als Sicherheitsproblem kommuniziert werden konnte. Die Securitization-Theorie erklärt diesen Prozess. In Internationalen Beziehungen untersucht sie folgende Fragen: Was zählt als Sicherheitsproblem? Wieso werden manche Themen zu Sicherheitsproblemen und andere nicht? Wie nutzt die Politik Bilder der Bedrohung (vgl. Balzacq 2011: 1)? Von besonderer Bedeutung ist hier, dass Wahrnehmung subjektiv ist, daher auch eine sozialkonstruktivistische Theorie als Analyserahmen. Der Fokus liegt auf dem Sprechakt (Buzan, de Wilde, Waever 1998: 31) als Kernstück der Theorie. Als Analysegrundlage dient das Stockholm-Programm, welches von 2010 bis 2014 die politische Agenda für innere Sicherheit und damit auch für Migrationskontrollpolitiken in der EU setzte.

Die Arbeit gliedert sich in fünf Abschnitte. Der erste Abschnitt nach der Einleitung gibt einen kurzen Überblick über den Forschungsstand zu Sicherheitstheorien bezüglich Internationaler Migration. Der zweite Abschnitt stellt die Theorie der Versicherheitlichung dar. Eine Erläuterung des methodischen Vorgehens schließt diesen zweiten Teil ab. Er gründet sich darauf, Versicherheitlichung anhand der qualitativen Inhaltsanalyse zu untersuchen, wie von Buzan, Waever und deWilde vorgeschlagen. Da diese Arbeit den Fokus auf den aktiven Prozess der Versicherheitlichung erweitern soll, bezieht sich die Arbeit auch auf die Kategorienbildung von Philippe Bourbeau. Er stellte sie erstmals 2012 in seinem Buch „The Securitization of Migration“ vor. In diesem untersucht er die Versicherheitlichung in Frankreich und Kanada. Der Bezug auf die Kategorien Bourbeaus wird fragmentarisch erfolgen, denn mit seiner Hilfe soll nur untersucht werden, welche Rolle Frontex und EUBAM1 bei der Versicherheitlichung spielen.

Der dritte Teil enthält eine qualitative Inhaltsanalyse des Stockholmer Programms. Daran anschließend wird der Prozess der Securitization am Beispiel der Grenzschutzagentur Frontex und dem Drittstaatenabkommen „EU Border Mission Ukraine and Moldova“ (EUBAM) aufgezeigt. Im vierten Teil steht im Mittelpunkt, wie Migration als Sicherheitsproblem in der europäischen Gesellschaft dargestellt werden konnte und wie das Abkommen EUBAM im Kontext der Versicherheitlichung von Migration nach Europa zu verstehen ist. Hier spielt auch die Rolle von Identitäten eine Rolle. Im fünften Teil werden Fazit und Ausblick gegeben.

Relevante Literatur stammt unter anderem von Juliane Seehase und Stephanie Deimel über Frontex und EUBAM. Thierry Balzacq und Philippe Bourbeau geben einen tieferen Einblick in die Theorie der Versicherheitlichung. Jef Huysmans erläutert die Relevanz von Normen und Identitäten für die Konstruktion von Sicherheitsproblemen.

2 Theorie und Methode

2.1. Forschungsstand

Seit den achtziger Jahren rückt die Frage nach der Verbindung zwischen internationaler Migration und Weltpolitik in das Zentrum der Forschung über die Internationalen Beziehungen. Im Folgenden werden die wichtigsten Theorien zu internationaler Migration kurz vorgestellt. Dabei ist die Auslegung des Sicherheitsbegriffs entscheidend für die Hypothesen über die wichtigsten Akteure. So bringt der Realismus allein das Militär und Regierungen in Zusammenhang mit dem Sicherheitsbegriff, während der Konstruktivismus von einer viel größeren Anzahl an Akteuren ausgeht. Je nach Auslegung des Sicherheitsbegriffes gehen die Meinungen über irreguläre Migration auseinander: die einen fordern eine Verschärfung von Grenzkontrollen, die anderen weisen dies zurück und bestehen auf einem universalen Recht der Migration.

Zu den wichtigsten Theorien zählt die sogenannte „gap-hypothesis“, die Mitte der 1990er Jahre das Dilemma der Migration aus staatlicher Perspektive untersuchte: Dadurch, dass das Ergebnis staatlicher Migrationskontrollpolitiken nur selten dem formulierten Ziel entspreche, entstehe ein „policy-gap“ zwischen Intention und Implementierung politischer Entscheidungen von Migrationskontrolle. Dies führte zu der Frage, ob der Staat überhaupt irreguläre Migration kontrollieren könne (Bourbeau 2011: 34).

Forscher wie Huntington (2004) oder Kaplan (1994) heben wiederum die negativen Effekte irregulärer Migration vor. Im Sinne des Realismus gehen sie von der Annahme aus, dass sich der Westen durch sogenannte „mass migration“ der Gefahr der Anarchie aussetzt (vgl. Bourbeau 2011: 30). Der die kritischen Sicherheitsstudien vertretende Didier Bigo argumentiert, dass Securitization vor allem routinierte Handlungen umfasse „of professionals of security and the transformation of technologies they use“ (Bourbeau 2011: 30). Er zeigt ein bürokratisches System in der EU auf, das sich im Laufe der Zeit verselbstständigt hat und nun außerhalb der Kontrolle von individuellen Akteuren und Organisationen steht. Er kritisiert damit die autonome Funktionsweise europäischer Sicherheitsinstitutionen, die versicherheitlichende Akteure aus dem System heraus reproduzieren (Huysmans 2000: 750).

Dank der Arbeiten von Buzan, de Wilde und Waever (1998; 2005) aus dieser Zeit konnte diese sehr breit angelegte Forschungsfrage in den Rahmen der Securitization-Theorie gestellt werden. Sie fragt danach, wie und ob die Versicherheitlichung eines issues stattfindet. Dabei erweitert sie das Konzept des Nationalstaates, so dass Faktoren aus dem sozialkonstruktivistischen Ansatz hinzugezogen werden können. Denn im 21. Jahrhundert kann nicht mehr nur auf den Umgang mit Sicherheit innerhalb eines einzelnen Staates geschaut werden. Hier bietet die Europäische Union aus zwei Gründen die geeignetste Analyseebene: Zunächst ist der Zusammenschluss der europäischen Staaten ein relativ junges Ereignis, weshalb auch die Frage der europäischen Territorialität hinsichtlich europäischer Außengrenzen noch nicht völlig geklärt ist. In dem Fall, dass von einer europäischen Territorialität ausgegangen wird, bietet der Umgang mit Drittstaaten hinsichtlich Grenzschutz aus konstruktivistischer Perspektive ein spannendes Untersuchungsfeld.

2.2 Theorie der Securitization

Im Folgenden werden die Theorie der Securitization und das methodische Vorgehen von Teil Drei erläutert.

Die Theorie der Securitization geht auf Barry Buzan, Ole Waever und Jaap de Wilde zurück, die mit dem 1998 veröffentlichten Buch „Security: A New Framework Analysis“ den Denkanstoß für eine neue Herangehensweise an den Begriff der Sicherheit gaben. Sie entwickelten sie vor dem Hintergrund der Unzufriedenheit mit dem vorherrschenden Sicherheitsbegriff, um Strukturen und Prozesse offenzulegen, die zur Formulierung von Sicherheitsproblemen verursacht durch politische Akteure führen (Balzacq 2011: 9). Untersucht wird, wie politische Akteure, insbesondere Eliten, Versicherheitlichung instrumentalisieren, um Kontrolle über ein issue2 zu erreichen. (Waever 1995: 54).

Versicherheitlichung ist damit eine „more extreme version of politicization“ (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 23). Der Sicherheitsbegriff wird als Ergebnis sozialer Prozesse gesehen, was auch die Zuordnung der Theorie zur Kopenhagener Schule erklärt, die dem Sozialkonstruktivismus entstammt. Sie unterscheidet sich von anderen Ideen des Sozialkonstruktivismus durch die Sprechakttheorie, mit der Waever die Versicherheitlichung erklärt. Hiernach bestimmt das gesprochene Wort die Realität. Der Wahrheitsgehalt ist subjektiv, denn: „It is not interesting as a sign referring to something more real; it is the utterance itself that is the act. By saying the words, something is done“ (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 26). Die wahre sicherheitspolitische Relevanz ist hierbei nicht von Bedeutung:

„Security is thus a self-referential practice, because it is in this practice that the issue becomes a security issue - not necessarily because a real existential threat exists but because the issue is resented as such a threat“ (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 24).

Der Kernbegriff der Theorie ist die sogenannte existenzielle Bedrohung (vgl. Buzan, Waever, de Wilde 1998: 21), der klassische Sicherheitsbegriff wird hierbei um nicht­militärische Bedrohungen erweitert: „Existential threat can only be understood in relation to the particular character of the referent object in question“ (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 21). Als referent object gilt dasjenige Objekt, welches in seiner Existenz bedroht ist und ein legitimes Recht auf Überleben hat (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 36). Ist ein Thema erfolgreich versicherheitlicht worden, kann der Versicherheitlicher Notfallmaßnahmen durchsetzen, die andernfalls nicht von der breiten Öffentlichkeit akzeptiert worden wären. Wie ihm dies gelingt soll im folgenden Teil anhand des Sprechaktes erläutert werden.

2.2.1 Die Bedeutung des Speech Act

Eine erfolgreiche Versicherheitlichung hat dann stattgefunden, wenn die vom Securitizing Actor3 produzierte Angst vor dem existential threat dazu geführt hat, dass er während der Verteidigung des referent objects Regeln, die normalerweise gelten würden, aussetzen beziehungsweise brechen kann (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 25). Dies ist ihm jedoch nur möglich, wenn im politischen Diskurs der existential threat von der Öffentlichkeit auch anerkannt wurde. Andernfalls würde es sich um einen securitization move handeln (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 25) . Der securitization act hingegen zeichnet sich durch einen Regelbruch aus, der ohne die Anerkennung des existential threat durch die Gesellschaft nicht möglich wäre und in seiner extremsten Form zu Krieg führen kann (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 26):

„Successful securitization is not decided by the securitizer but by the audience of the security speech act: Does the audience accept that something is a threat to a shared value?“ (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 31)

Die Bedeutung des speech act ist also zentral. Durch ihn wird die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf das Thema gelenkt . Von einer successful securitization (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 31) spricht man nur bei Akzeptanz von Notfallmaßnahmen durch die Gesellschaft sowie bei Anerkennung des politisierten issues als sicherheitspolitische Bedrohung. Wie funktioniert der Sprechakt also?

Der Hauptakteur kann die Überzeugung der Bevölkerung von einer Bedrohung nur mittels besonderer rhetorischer Fähigkeiten erreichen. Die Autoren benennen zwei Gruppen von Bedingungen für den Erfolg einer Rede. Die erste ist „the internal, linguistic- grammatical [category]“ (Buzan, Waever de Wilde 1998: 32). Es gelingt vor allem durch ausdrucksstarke Substantive und Adjektive, sowie klare Freund-Feind Abgrenzung. Der Gebrauch des Wortes Sicherheit selbst ist von untergeordneter Bedeutung.

„It is important to note that the security speech act is not defined by uttering the word security. What is essential is the designation of an existential threat requiring emergency action or special measures and the acceptance of that designation by a significant audience. There will be instances in which the word security appears without this logic and other cases that operate according to that logic with only a metaphorical security reference“ (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 27).

Die Autoren sprechen dabei von der „grammar of security" (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 33), dem Vokabular für ein Gelingen von Versicherheitlichung also. Es gehe vor allem darum die Lage als ausweglos darzustellen. Vermeintliche emergency actions müssen als alternativlos präsentiert werden. Die zweite Kategorie der „facilitating conditions" (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 32) ist „the external, contextual and social [category]" (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 32). Hier spielt die Identität des Publikums eine zentrale Rolle, denn Securitization ist als „essentially intersubjective proccess“ (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 30) zu verstehen.

Zudem ist das soziale Kapital des Redners entscheidend: „[...] the possibility for successful securitization will vary dramatically with the position held by the actor" (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 31 & 33). Nur herausragende Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens sind fähig, die Mehrheit einer Gesellschaft von einer Bedrohung zu überzeugen und Notfallmaßnahmen zu rechtfertigen. Entscheidend ist, dass das Publikum sich mit dem Akteur identifizieren kann, seine Meinung und Position als wichtig erachtet und sein Verhalten danach ausrichten wird. Je enger die Bindung zwischen Redner und Publikum und je höher das Vertrauen, desto wahrscheinlicher ist der Erfolg der Securitization.

Der versicherheitlichende Akteur steht also in starker Abhängigkeit von der Gesellschaft und ist auf gute Beziehung angewiesen. Das Publikum (audience) sollte im Idealfall ein we feeling (Buzan, Waever, de Wilde 1998: 37) ausbilden. Zusammengehörigkeitsgefühl und Identifikation in der Gesellschaft sind dafür von hoher Wichtigkeit. Je höher der Identifikationsgrad und Zusammenhalt eines Volkes, desto leichter ist es für den Akteur, einen existential threat für diese Gemeinschaft zu konstruieren. Das heißt, es ist leichter, issues, die außerhalb dieses Kreises liegen, zu versicherheitlichen.

Zusammenfassend sei also noch einmal auf die besondere Rolle des speech act in der Securitization-Theorie hingewiesen. Mittels angemessener Rhetorik vermag ein politischer Akteur nahezu jedes Thema als Sicherheitsbedrohung darzustellen. Wichtig ist, dass eine Wahrheit konstruiert wird und die Darstellung eines issues als existential threat nicht zwangsläufig bedeutet, dass dieses issues auch wirklich eine Bedrohung für das referent object ist.

2.3 Methodisches Vorgehen

Die Erläuterung der Methode muss entlang zweier Aspekte erfolgen, die sowohl die Untersuchung des Stockholmer Programms umfasst, als auch die Versicherheitlichung durch Frontex und EUBAM. Ersteres ergibt sich aus der Anwendung des Sprechakts der Securitization-Theorie, letzteres aus der Weiterentwicklung der Theorie durch Philippe Bourbeau im Jahr 2011. Zunächst soll erläutert werden, inwiefern Bourbeaus Theorie angewandt wird, bevor sie im vierten Teil dieser Arbeit wieder aufgegriffen wird.

Bourbeau entwickelte anhand der Securitization-Theorie zwei Kategorien, um Indizien für versicherheitlichte Migration zu untersuchen. Indizien von Kategorie I enthalten institutionelle Rahmenbedingungen wie Zuwanderungsgesetze und sonstige Bestimmungen zu Migration sowie die auf Migration bezogene Außen- und Sicherheitspolitik, wozu auch die Gründung von Frontex gehört Die zweite Kategorie untersucht die Prozesse der Versicherheitlichung anhand der nationalen Sicherheitsmaßnahmen, beispielsweise die Verhaftung von Migranten. Anhand dieser Kategorien wurden die Fälle für diese Arbeit ausgesucht.

Für die Theorie der Versicherheitlichung eignet sich als Methode die qualitative Inhaltsanalyse. Sie beruht auf der sozialwissenschaftlichen Erkenntnis, dass menschliche Wirklichkeit vielfältig und komplex konstituiert wird (Mayring 2015: 20; zitiert hier Schön 1979: 29). Denn mit der qualitativen Inhaltsanalyse wird eine Technik angewendet, die systematisch, intersubjektiv überprüfbar ist und gleichzeitig die Interpretation sprachlichen Materials erlaubt (Mayring 2015: 10). Im Folgenden soll die qualitative Inhaltsanalyse in ihren Grundzügen erläutert werden. Dabei wird sich auf die Methode für Sozialwissenschaften von Philip Mayring bezogen.

2.3.1 Einführung in die qualitative Inhaltsanalyse

Zunächst muss kurz auf die Unterscheidung zwischen qualitativer und quantitativer Analyse eingegangen werden. Philip Mayring führt als wichtigstes Unterscheidungskriterium auf, dass quantitative Analyse da ansetzt, wo Zahlbegriffe verwendet und in Beziehung zueinander gesetzt werden. Qualitative Analyse greife dagegen bei „allen anderen Fällen“ (Mayring 2015: 17). Zusammengefasst ist die quantitative Analyse eine erklärende Wissenschaft, die in einem deduktiven Vorgehen an allgemeinen Prinzipien, an Gesetzen oder gesetzesähnlichen Aussagen ansetzt. Dagegen will die qualitative Vorgehensweise durch den Ansatz am Individuellen die Komplexität ihrer Gegenstände verstehen und kann der induktiven Methode zugeordnet werden (Mayring 2015: 19). Dabei steht die qualitative Analyse an jedem Anfang wissenschaftlichen Arbeitens, da erst auf ihrer Basis die quantitative Analyse beginnen kann (Mayring 2015: 21). Die qualitative Inhaltsanalyse kann jegliche Form von Kommunikation analysieren. Sie arbeitet mit symbolischem Material der fixierten Kommunikation wie beispielsweise Texten und Bildern. Die Analyse erfolgt systematisch, also nach expliziten Regeln, um später intersubjektive Nachvollziehbarkeit zu gewährleisten (Mayring 205: 12). Da die Theorie eine schlussfolgernde ist, ist eine theoretisch ausgewiesene Fragestellung für eine gute Inhaltsanalyse unerlässlich. Hier zeigt sich auch die sehr gute Anwendbarkeit der Analyse mit Hilfe von Speech Act und Audience in der Securitization-Theorie: Denn sie will durch Aussagen über das zu analysierende Material Rückschlüsse ziehen und damit Aussagen über den sogenannten Sender und dessen Absichten und über die Wirkungen beim sogenannten Empfänger machen (Mayring 2015: 13).

[...]


1 Im Verlauf dieser Arbeit ist mit EUBAM das Abkommen zwischen der EU und der Ukraine und Moldavien gemeint. Abkommen mit anderen Ländern werden durch die Länderbezeichnung gekennzeichnet sein.

2 Issue kann im Deutschen sowohl mit Problem als auch mit Thema übersetzt werden. Deshalb wird hier von der deutschen Übersetzung im Text abgesehen.

3 Wird in 2.1.1 mit Versicherheitlicher übersetzt.

Fin de l'extrait de 28 pages

Résumé des informations

Titre
Festung Europa? Die europäische Migrationspolitik im Kontext der Securitization-Theorie
Sous-titre
Die Grenzschutzagentur Frontex und das Drittstaatenabkommen "EU Border Mission Ukraine and Moldova" (EUBAM)
Université
University of Freiburg  (Wissenschaftliche Politik)
Cours
Internationale Migration
Note
1,3
Auteur
Année
2016
Pages
28
N° de catalogue
V934091
ISBN (ebook)
9783346274571
ISBN (Livre)
9783346274588
Langue
allemand
Mots clés
Frontex Eubam Migrationspolitik Grenzschutz Europa Securitization-Theorie
Citation du texte
Johanna Rall (Auteur), 2016, Festung Europa? Die europäische Migrationspolitik im Kontext der Securitization-Theorie, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/934091

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