Der gesetzliche Mindestlohn

Argumente und Erfahrungen


Dossier / Travail, 2008

17 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhalt

1. Einleitung
1.1 Ziele, Normen und Historie eines gesetzlichen Mindestlohns

2. Argumente für einen gesetzlichen Mindestlohn
2.1 Zunehmende Niedrig- und Armutslöhne, abnehmende Tarifbindung
2.2 Beschäftigungseffekte von gesetzlichen Mindestlöhnen
2.3 Positive Mindestlohneffekte

3. Internationale Erfahrungen mit gesetzlichen Mindestlöhnen
3.2 Erfahrungen mit dem „National Minimum Wage“ in Großbritannien
3.2.1 Der Einführungsprozess und die institutionelle Einbettung
3.2.2 Mindestlohneffekte in Großbritannien

4. Höhe von gesetzlichen Mindestlöhnen
4.1 Internationale Mindestlohnhöhen
4.2 Welche Höhe für einen deutschen Mindestlohn?

5. Zusammenfassung

1. Einleitung

Vor dem Hintergrund sinkender Löhne und wachsender Einkommensungleichheit ist es nicht unbedingt überraschend (vgl. Andreß / Kronauer 2006: 38-44), dass 60 Prozent der Deutschen die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns befürworten (vgl. Infratest Dimap: online). Die momentane Situation in Deutschland ist geprägt durch eine Zunahme prekärer Beschäftigungsverhältnisse, eine steigende Zahl der „working poor“, und eine Zunahme von Armut und sozialer Ausgrenzung (vgl. Ludwig / Dietz 2007: 6-16). Insgesamt ist festzustellen, dass sich die Einkommensschere zwischen Arm und Reich immer weiter öffnet (vgl. Andreß / Kronauer 2006: 42-44), während sich Niedrig- und Niedrigstlöhne in Deutschland ausbreiten (vgl. Schäfer 2006: 45). Als mögliche Gegenstrategie wird die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns diskutiert. So fordert die Gewerkschaftsseite die Einführung eines gesetzlichen Bruttomindestlohns von 7,50 Euro pro Stunde. Die Arbeitgeberverbände und die Wirtschaftsforschungsinstitute stehen Forderungen nach einem gesetzlichen Mindestlohn skeptisch gegenüber und warnen vor dem Abbau von Arbeitsplätzen (vgl. Bosch / Weinkopf 2006a: 4-8). Der Leiter des Ifo Instituts Hans Werner Sinn lehnt die Einführung eines Mindestlohns strikt ab und spricht in diesem Zusammenhang von „einem wirtschaftspolitischen Spiel mit dem Feuer“ (vgl. Faigle, Philip 2008: Zeit online). Ob Deutschland einen gesetzlichen Mindestlohn braucht, wird aktuell heftig und kontrovers diskutiert. Der gesetzliche Mindestlohn polarisiert und wirft Fragen auf. Von großem Interesse ist, ob die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns per se Arbeitsplätze vernichtet. Weiterhin muss geklärt werden, welche positiven oder negativen Folgen die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns mit sich bringt und welche Höhe ein gesetzlicher Mindestlohn haben sollte. Die vorliegende Arbeit gliedert sich in fünf Abschnitte, in denen die vorab formulierten Fragen bearbeitet werden. Im ersten Abschnitt dieser Arbeit geht es zur Einführung in die Thematik um die Historie gesetzlicher Mindestlöhne, um Mindestlohnnormen und um traditionelle Mindestlohnziele. Im zweiten Teil der Arbeit wird beschrieben, welche ökonomischen und sozialen Hintergründe für die Einführung eines gesetzlichen Mindestlohns sprechen. Weiterhin werden die Auswirkungen gesetzlicher Mindestlöhne auf die Beschäftigung beschrieben und es werden Mindestlohneffekte beleuchtet. Im dritten Abschnitt geht es um die internationalen Erfahrungen mit Mindestlöhnen, wobei insbesondere auf das Beispiel Großbritannien eingegangen wird. Im vierten Abschnitt werden internationale und mögliche Mindestlohnhöhen für Deutschland beschrieben und im letzten Abschnitt werden die Ergebnisse dieser Arbeit kurz zusammengefasst.

1.1 Ziele, Normen und Historie eines gesetzlichen Mindestlohns

Traditionell ist die Einführung gesetzlicher Mindestlöhne mit zwei Hauptzielen verbunden. Das erste Ziel ist der Schutz der Arbeitnehmer vor der Ausbeutung durch die Arbeitgeber. Das zweite Hauptziel ist die Armutsbekämpfung verbunden mit der Ermöglichung eines adäquaten Lebensstandards (vgl. Patzschke 2001: 3). Die britische Regierung reaktivierte 1999 den gesetzlichen Mindestlohn und ergänzte diese beiden Hauptziele um das Ziel Unternehmer vor unfairem Wettbewerb zu schützen (vgl. Bosch / Weinkopf 2006b: 125). Mindestlöhne sind eines der ältesten Themen von Sozialstaaten und sozialen Bewegungen (vgl. Schäfer 2006: 47). Die ersten Normen, die Mindestlöhne zur Ermöglichung eines adäquaten Lebensstandards für Arbeitnehmer vorschreiben, sind mehr als 100 Jahre alt (vgl. Patzschke 2001: 1). In Großbritannien wurde 1891 die Fair Wages Resolution verabschiedet, durch die öffentliche Aufträge an Mindestlöhne gebunden wurden, um so sozialen Unruhen entgegenzuwirken. Weitere Normen für einen gerechten Mindestlohn sind die Konventionen der International Labour Organisation von 1928, 1949 und 1970, die Europäische Sozialcharta des Europarats von 1961 und die EU Sozialcharta von 1989. Außerdem wurde 1993 von der Eu-Kommission und dem EU Parlament die Sicherstellung von angemessenen Arbeitsentgelten und Mindestlöhnen beschlossen. Von besonderer Bedeutung ist dabei die Europäische Sozialcharta von 1961, auf die im vierten Abschnitt dieser Arbeit verwiesen wird (vgl. Schäfer 2006: 48). Die Europäische Sozialcharta ist eine vom Europarat betriebene europäische Menschenrechtserklärung, die im Gegensatz zu anderen Mindestlohnnormen konkrete Bestimmungen zu einem gerechten Lohn enthält. Artikel 4 Absatz 1 der Europäischen Sozialcharta besagt, dass ein gerechter Lohn mindestens einer Höhe von 60 Prozent des durchschnittlichen nationalen Nettolohns entspricht. Weiterhin müssen Arbeitseinkommen ausreichen, dem Arbeitnehmer und seiner Familie einen angemessenen Lebensstandard zu sichern (vgl. Lörcher 2006: 222f). Löhne, die unter 60 Prozent des nationalen Nettolohns liegen, gelten als nicht akzeptabel. Derartige Verstöße gegen die Europäische Sozialcharta müssen alle 2 Jahre in einem Bericht der deutschen Bundesregierung an den Europarat geschildert werden. Bisher konnte noch keine deutsche Bundesregierung eine Verletzung der Lohnnorm der Europäischen Sozialcharta feststellen (vgl. Schäfer 2006: 48). Claus Schäfer attestiert den Bundesregierungen in diesem Zusammenhang ein fehlendes Problembewusstsein, dass mit empirischen Befunden bezüglich eines Niedriglohnsektors und dem Verhalten anderer nationaler Regierungen in der EU, die Niedriglöhne durch Mindestlöhne oder andere Mittel regulieren, kontrastiert (2006: 48).

2. Argumente für einen gesetzlichen Mindestlohn

2.1 Zunehmende Niedrig- und Armutslöhne, abnehmende Tarifbindung

Der Hauptgrund für die Forderung nach gesetzlichen Mindestlöhnen ist die Zunahme von Niedrig- und Armutslöhnen (vgl. Sterkel 2006: 23). Bedingt ist diese Zunahme von Armutslöhnen durch eine zunehmende Verteilung von „unten nach oben“. Es findet keine gleichgewichtige Verteilung der Produktivitätszuwächse zwischen Arbeitnehmer und Kapitaleinkommen mehr statt, sondern die Umverteilung erfolgt zugunsten der Kapitaleinkommen (vgl. Mönig-Raane 2006: 17). Claus Schäfer stellt fest, dass die ungleicher werdende Einkommens- und Vermögensverteilung nicht von Globalisierungszwängen verursacht wurde, sondern auf der Ebene nationaler Politik beschlossen wurde, um Arbeitslosigkeit, niedrigem Wachstum und öffentlichen Einnahmedefiziten entgegenzuwirken. Die umverteilenden Instrumente wie Steuerentlastungen bei Gewinn- und Kapitaleinkommen, Mehrbelastungen von Arbeitseinkommen im Zusammenhang mit den Hartz-Reformen und eine Zurückhaltung der Gewerkschaften bei Lohnerhöhungen haben die ökonomischen Probleme nicht lösen können, sondern verstärkt. Die Lohnquote sinkt seit Jahren, wodurch die Kaufkraft und damit die Binnennachfrage geschwächt wurde, während die Armutsquote in den letzten Jahren anstieg (vgl. Schäfer 2006: 35-36). Außerdem ist in Deutschland ein Niedriglohnsektor entstanden, wobei der Anteil der Niedriglohnbeschäftigung von 1995 bis 2000 um zwei Prozentpunkte gestiegen ist und mit einem Anteil von 15, 7 Prozent über dem EU Durchschnitt lag (vgl. Weinkopf 2006: 89). Im Jahr 2004 arbeiteten 32 Prozent der Vollzeitbeschäftigten in einem Niedriglohnjob, wobei die Hälfte dieser Beschäftigten mit Armutslöhnen von weniger als 50 Prozent des Durchschnittlohns auskommen musste (vgl. Mönig-Raane 2006: 11). Ein geringer Verdienst im Niedriglohnsektor ist nicht gerechtfertigt, da Niedriglohnbezieher in der Regel weder jung, noch unerfahren, noch unqualifiziert sind, noch verweilen sie nur eine gewisse Zeit im Niedriglohnsektor. Um die Niedriglohnproblematik und die damit verbundene Armut zu bewältigen, reicht das traditionelle Instrument der Lohnregulierung die Tarifautonomie offenbar nicht mehr aus (vgl. Schäfer 2006 44-47). Das früher durch Tarifverträge faktisch existente Mindestlohnsystem hat sich aufgelöst, da Machtverschiebungen am Arbeitsmarkt zu einer Verhandlungsschwäche der Gewerkschaften geführt haben und die Zahl tarifvertragsfreier Branchen zunimmt (vgl. Becker 2006: 61), während die noch vorhandenen Tariflöhne sehr niedrig sind (vgl. Sterkel 2006: 23). So sind in Westdeutschland 30 Prozent, und in Ostdeutschland 45 Prozent der Beschäftigten ohne Tarifbindung, während tarifliche Niedriglöhne zwischen 4 und 7 Euro, unter der Armutsschwelle zunehmen. Gleichzeitig treten immer mehr Arbeitgeber aus den Tarifgemeinschaften aus (vgl. Mönig-Raane 2006: 14). Aufgrund dieser Vorgänge ist es notwendig, einen gesetzlichen Mindestlohn zur Regulierung von Niedriglöhnen einzuführen (vgl. Schäfer 2006 47).

[...]

Fin de l'extrait de 17 pages

Résumé des informations

Titre
Der gesetzliche Mindestlohn
Sous-titre
Argumente und Erfahrungen
Université
Justus-Liebig-University Giessen  (Institut für Politikwissenschaft)
Cours
Soziale Ungleichheit im Wohlfahrtsstaat
Note
1,3
Auteur
Année
2008
Pages
17
N° de catalogue
V93519
ISBN (ebook)
9783638067539
ISBN (Livre)
9783638954396
Taille d'un fichier
408 KB
Langue
allemand
Mots clés
Mindestlohn, Soziale, Ungleichheit, Wohlfahrtsstaat, Thema Mindestlohn
Citation du texte
Arne Hellwig (Auteur), 2008, Der gesetzliche Mindestlohn, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93519

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