Reichtum und Macht

Der dritte und vierte Kreuzzug als Beispiel für die Rolle der europäischen Hochfinanz im 12. und 13. Jahrhundert


Dossier / Travail, 2008

20 Pages, Note: 2+


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Aufstieg reicher Finanzmänner in Europa
2.1. Der Aufschwung des Handels
2.1.1. Hochfinanz am Beispiel Venedigs
2.1.2. Hochfinanz nördlich der Alpen
2.2. Politische Einflussnahme

3. Der Mittelmeerhandel
3.1. Der Mittelmeerhandel vor dem dritten Kreuzzug
3.2. Die Auswirkungen des dritten Kreuzzuges auf den Mittelmeerhandel

4. Einflussnahme der Hochfinanz auf die Kreuzzüge
4.1. Der dritte Kreuzzug
4.2. Venedig und der vierte Kreuzzug

5. Wechselseitige Beeinflussung von Reichtum und Macht

Quellen

1. Einleitung

Das Zeitalter der Kreuzzüge ist geprägt von einem wirtschaftlichen Aufschwung in Europa, von der Konsolidierung der Städte, der Etablierung der Geldwirtschaft, der Zunahme des Fernhandels und der Entstehung eines neuen und größeren Luxusbedürfnisses der herrschenden Adelsschichten. Es stellt sich die Frage, inwiefern sich die Interessen des von der wirtschaftlichen Entwicklung besonders profitierenden Handelsbürgertums und die Kreuzzüge wechselseitig beeinflussten.

In einem ersten Schritt soll herausgearbeitet werden, ob in der Zeit des dritten und vierten Kreuzzuges eine Hochfinanz existierte, die Einfluss auf politische Prozesse und Entscheidungen hatte. Hierzu wird sowohl die italienische als auch die oberdeutsche Hochfinanz untersucht, insbesondere auf der Grundlage der Arbeit von Natalie Fryde und Wolfgang von Stromer[1], die umfangreiches Quellenmaterial und zahlreiche Indizien auswertet[2] und deren Analyse das Bild von einem wirtschaftlichen Süd – Nord - Gefälle revidiert[3].

Weiterhin soll der Einfluss der Kreuzzüge, insbesondere des dritten Kreuzzuges, auf den Mittelmeerhandel, auf Handelsrouten und Handelsprivilegien der italienischen Städte untersucht und deren anschließende Entwicklung bis zum vierten Kreuzzug verfolgt werden. Das hierzu notwendige Quellenmaterial in Form von Urkunden, städtischen Chroniken und Ähnlichem, haben insbesondere Gerald W. Day[4] und Luise Buenger Robbert[5] zusammengetragen und ausgewertet.

Ausgehend von den Ergebnissen soll schlussendlich die Frage geklärt werden, ob die Hochfinanz Einfluss auf die politische und militärische Entwicklung hatte, ob es sogar konkrete Möglichkeiten der Einflussname auf Route und Ziel der Kreuzzüge gab und welche politischen Versprechen mit der Unterstützung der Kreuzfahrer verbunden waren. Hierfür sind die wichtigsten Quellen die Augenzeugenberichte von Ansbert für den dritten Kreuzzug[6] und die von Geoffroy de Villehardouin[7] für den vierten Kreuzzug. Sie beide hatten Kontakt zur Führungsschicht des Kreuzzuges und hatten somit nicht nur den Überblick über die großen Ereignisse sondern auch einen Einblick in politische Entscheidungen.

Grundsätzliches Anliegen der Arbeit ist die Untersuchung der gegenseitigen Beeinflussung von Reichtum und Macht. Sie soll am Beispiel der Entwicklung und Rolle der Hochfinanz während der Zeit des dritten und vierten Kreuzzuges beleuchtet werden.

2. Der Aufstieg reicher Finanzmänner in Europa

2.1. Der Aufschwung des Handels

Das Zeitalter der Kreuzzüge war unter anderem geprägt von einem wirtschaftlichen Aufschwung in Europa. Durch die Fortschritte in der Landwirtschaft wurde ein größerer Überschuss erwirtschaftet, der eine Belebung des Handels und des Handwerks bewirkte.[8] Der Aufstieg  von Gewerben wie der Wolltuchproduktion schaffte neue dauerhafte Bedürfnisse. Es entstanden Zentren, die sich auf die Produktion von bestimmten Waren spezialisierten, die verfeinerte Produkte herstellten, nach besserer Qualität strebten und infolgedessen neue Rohstoffe benötigten. So wurden zum Beispiel in der flämischen Wolltuchproduktion Farbstoffe wie Safran, Schildlaus, Purpur und Alaun als Beizmittel benutzt, welche man nur über den Fernhandel im Mittelmeer beschaffen konnte. Gleichzeitig entstanden neue Bedürfnisse nach Luxus bei den herrschenden Eliten, die durch höhere Grundrenten zu größerem Reichtum gelangten und sich von den einfachen Bauern absetzen wollten. Sie trachteten nach exotischen Waren wie Elfenbein, Seide und Gewürzen. Ein entscheidender Katalysator dieser Entstehung von neuen Bedürfnissen war der stärkere Kontakt der Europäer mit dem Orient, den sie durch Pilgerreisen, vor allem aber durch die Kreuzzüge erfuhren. Sie lernten dabei nicht nur exotische Waren kennen; die Eroberungen, die sie auf den Kreuzzügen machten, erleichterten auch den Zugang zu diesen Waren.[9] Da nun einmal neue Bedürfnisse geweckt waren, wurde es für Europa jedoch  unentbehrlich, diesen Zugang auch in Zukunft sicher zu stellen, wenn nötig auch militärisch.

So eröffneten sich durch die Eroberungen des ersten Kreuzzuges den Händlern Europas, vor allem denen der Mittelmeerstädte, neue Möglichkeiten. Die Kreuzzüge an sich waren bereits eine Einnahmequelle für die Mittelmeerstädte. Während die Kreuzfahrer anfangs noch die Landroute genommen hatten, um in den Nahen Osten zu gelangen, gingen einzelne Kreuzfahrer und später auch ganze Heere dazu über, sich in den Mittelmeerstädten einzuschiffen. Was für erstere hohe Kosten bedeutete, brachte letzteren zusätzliche Gewinne. Doch  kurbelten die Kreuzzüge vor allem den Handel Europas im Mittelmeerraum insgesamt an. In die Kreuzfahrerstaaten mussten Waren, militärisches Material und Menschen aus Europa gebracht werden, umgekehrt wurden Waren aus fernen Ländern nach Europa transportiert.

2.1.1. Hochfinanz am Beispiel Venedigs

In der Regel bereicherten sich in Venedig an den enormen Einkünften des Handels einige wenige große Kaufmannsfamilien und Patrizier, die gleichzeitig einen großen Privatbesitz an Immobilien sowohl in ihren Städten als auch in denen ihrer Handelspartner besaßen.

Zu ihnen gehörte der nach dem Dogen Ziani an liquiden Mitteln zweitreichste Mann Venedigs, Bernardus teotonicus. Neben seinem Barvermögen besaß er Leibeigene, einen Häuserblock in guter Lage in Venedig und ein Haus und Lehen in Aquilea. Er kam wahrscheinlich aus München nach Venedig, wo er bereits Bankier gewesen war, war aber Regensburger Abstammung. So brachte er schon ein gewisses Vermögen mit, zumal er auch vermutlich der Sohn des obersten Regensburger Zöllners war[10]. Er trieb in vielen Teilen Europas Handel. Er handelte mit deutschen und flämischen Kaufleuten, in Kärnten, Ungarn, Tirol, Regensburg, München, Burgund, Ypern, ebenso mit Byzanz und Tyrus. Über seine Partner besaß er außerdem Geschäftsbeziehungen in weiteren Städten so in Alexandria. Sein großer Reichtum gab ihm auch die Möglichkeit, sich als Bankier für zahlreiche weltliche und geistliche Herrscher zu betätigen, unter anderem für Barbarossa und den Dogen Ziani.[11]

Auch die Familie Ziani besaß immensen Reichtum. Diesen hatten sie erst seit ungefähr 1160 im Levantehandel und durch Geldgeschäfte erworben, wodurch sie von einer relativ bescheidenen Position in die Führungsschicht aufgestiegen waren[12]. Mit dem Höhepunkt ihres Reichtums erreichten sie auch den Höhepunkt ihres Einflusses in der Politik.

Der Hauptteil ihrer Handelstätigkeit war der Seehandel, dessen Ziele sich mit den Entwicklungen im Mittelmeer wandelten. Bis 1171 war fast ausnahmslos Konstantinopel Ziel der Handelsreisen. Später wurden andere Handelswege nach Akkon, Alexandria, Syrien, Damiette und Sizilien stärker genutzt. Mit ihrem Reichtum erwarben sie in Venedig ganze Häuserblocks und Areale und erreichten damit eine „in der Geschichte einer mittelalterlichen Großstadt einmalige Ballung von Vermögen“[13] Sie kauften auch einen großen Teil der Salinen in der Lagune, was dazu führte, dass in erster Linie die Familie Ziani von dem Salzmonopol Venedigs in der Adria profitierte.[14]

2.1.2. Hochfinanz nördlich der Alpen

Wie bereits erwähnt,  war es jedoch der Aufschwung des Handwerks vor allem im Europa nördlich der Alpen, der den Mittelmeerhandel mit Waren versorgte und eine positive Handelsbilanz Europas ermöglichte. Der Reichtum blieb also nicht auf die großen Handelsstädte des Mittelmeers beschränkt. Auch in Frankreich, Deutschland und England kamen einzelne Personen durch Handel und Geldgeschäfte zu bedeutendem Reichtum. Bald spannte sich ein Netz von Handelswegen von den Städten des byzantinischen Reichs, Palästinas, Syriens und Ägyptens über die europäischen Mittelmeerstädte nach Nordwesteuropa bis hin zu den britischen Inseln, Norwegen, Ungarn und Nowgorod. Beispielhaft für diese Geschäftsbeziehungen sind die Produktion und der Handel mit Wolltuchen. Die flämischen Webereien beschafften sich Wolle in England und Farbstoffe und Beizmittel aus dem Orient. Die italienischen Händler vertrieben das dort hergestellte Tuch im ganzen Mittelmeerraum.[15] So wuchs Europa zusammen.

Es gibt zahlreiche Hinweise dafür, dass es auch nördlich der Alpen große Finanzmänner gab, die ihren italienischen Kollegen in nichts nachstanden, ihnen in allen geschäftlichen Praktiken ebenbürtig waren und daher auf gleicher Basis zusammenarbeiten und konkurrieren konnten.[16]

So waren zum Beispiel Gerhard Unmaze und sein Bruder Dietrich, die aus einer alten Kölner Fernhändlerfamilie stammten[17], ähnlich wie die Familie Ziani und Bernardus teotonicus in Venedig, im Besitz zahlreicher Immobilien in Köln: einer Schiffslände am Rhein, Häusern an den Haupttoren, Markthallen und Backhäuser, ganzer Häuserblocks in zentraler Lage, Turmhäuser und einer Curia.  Die Unmazes waren damit die größten Grundbesitzer in Köln. Gerhard Unmaze erwarb seinen Reichtum als oberster Zöllner im Dienste des Kölner Erzbischofs. Er war dadurch beteiligt an den Rhein- und Stadtzöllen und konnte mit deren Anteil an Naturalien auch im Groß- und Fernhandel Profite erzielen.[18] Damit war er der bedeutendste Kölner Großkaufmann und steckte sein im Handel erworbenes Vermögen auch in Kreditgeschäfte. Außerdem war er Vorsteher der Bruderschaft der Richerzeche, was seinen enormen Reichtum bezeugte und ihn in eine Position brachte, die ihm eine große Kontrolle über Handel und Gewerbe verschaffte.[19]

Auch Terricus teotonicus de Colonia, der  eine zentrale Funktion im Silbereinkauf für die englische Hauptmünzstätte innehatte, stammte aus Köln. Er kaufte Grundbesitz in London und vor allem im ostenglischen Stamford, der Produktionsstätte der berühmten englischen Wolltuche. Hier erwarb er Haus- und Grundstückskomplexe mit Braurechten, Färbereien und Läden. Des Weiteren brachte er Liegenschaften im Umkreis der Stadt an sich, die er zu ganzen Gutsarealen zusammenfassen konnte. Er diente dem König Heinrich III. als Vogt der Messe in Stamford und besorgte für ihn den Großeinkauf von Tuchen und Kriegspferden, welchen er selber bevorschusste. Als Verleger der Tuche aus Stamford machte er mit einem einzigen Geschäft einen größeren Umsatz, als der Gesamtwert seiner Häuser und Grundstücke in Stamford betrug.[20]

[...]


[1] Natalie Fryde, Wolfgang von Stromer, Hochfinanz, Wirtschaft und Politik im Zeitalter der Kreuzzüge. In: Venedig und die Weltwirtschaft um 1200. S.21 – 52.

[2] Vgl. Wolfgang von Stromer, Hochfinanz, Wirtschaft und Politik im Mittelalter. In: Hochfinanz im Westen des Reiches 1150-1500. S.8.

[3] Vgl. Fryde/Stromer, Hochfinanz i. Z. d. Kreuzzüge, S.28.

[4] Gerald W. Day: The impact of the Third Crusade upon trade with the Levant, in: The international history review, 3:2, 1981, S.159 – 168.

[5] Louise Buenger Robbert, Venice and the Crusades. In: A history of the crusades. Volume V: The impact of the crusades on the near east, S.379 – 451.

[6] Ansbert, Die Geschichte des Feldzugs Kaiser Friedrichs. Arnold Bühler [Übers.] Der Kreuzzug Friedrich Barabrossas 1187 – 1190. Bericht eines Augenzeugen.

[7] Geoffroy de Villehardouin, Die Eroberung von Konstantinopel. Gerhard E. Sollbach [Übers.], Chroniken des Vierten Kreuzzugs. Die Augenzeugenberichte von Geofroy de Villehardouin und Robert Clari.

[8] Vgl. Jean Favier, Gold und Gewürze. Der Aufstieg des Kaufmanns im Mittelalter, S.25.

[9] Vgl. ebd., S.28f.

[10] Vgl. Stromer, Hochfinanz im Mittelalter, S.8.

[11] Vgl. Fryde/Stromer, Hochfinanz i. Z. d. Kreuzzüge, S.43ff.

[12] Vgl. Irmgard Fees, Die Geschäfte der venezianischen Dogenfamilie Ziani. In: Venedig und die Weltwirtschaft um 1200. S.53.

[13] Fryde/Stromer, Hochfinanz, S.37.

[14] Vgl. ebd.

[15] Vgl. Favier, Gold und Gewürze, S.28.

[16] Vgl. Stromer, Hochfinanz im Mittelalter, S.13; Fryde/ Stromer, Hochfinanz i. Z. d. Kreuzzüge, S.29ff.

[17] Vgl. Zöllner, Gerhard Unmaze von Köln. Ein Finanzier der Reichspolitik. In: Hochfinanz im Westen des Reiches1150-1500.

[18] Vgl. Fryde/Stromer, Hochfinanz i. Z. d. Kreuzzüge, S.40ff.

[19] Vgl. Zöllner, Gerhard Unmaze, S.102.

[20] Vgl. Fryde/Stromer, Hochfinanz i. Z. d. Kreuzzüge, S.42.

Fin de l'extrait de 20 pages

Résumé des informations

Titre
Reichtum und Macht
Sous-titre
Der dritte und vierte Kreuzzug als Beispiel für die Rolle der europäischen Hochfinanz im 12. und 13. Jahrhundert
Université
University of Duisburg-Essen
Cours
Proseminar
Note
2+
Auteur
Année
2008
Pages
20
N° de catalogue
V93796
ISBN (ebook)
9783638073202
ISBN (Livre)
9783638957328
Taille d'un fichier
469 KB
Langue
allemand
Annotations
Kommentar des Dozenten: Die Arbeit behandelt sprachlich und formal weitgehend sicher das gestellte Thema.
Mots clés
Reichtum, Macht, Proseminar, Kreuzzüge, Hochfinanz, Finanz, Handel, Venedig, Kaufleute, Barbarossa, Italien, Heilig, Land
Citation du texte
Niko Pankop (Auteur), 2008, Reichtum und Macht, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/93796

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