In der Arbeit werden die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten und die jeweiligen Vor- und Nachteile der familieninternen Unternehmensnachfolge mit der familienexternen Unternehmensnachfolge verglichen und erörtert.
Früher oder später muss sich jedes Unternehmen mit dem Thema Nachfolge in der Unternehmensführung beschäftigen. Während jedoch bei großen Unternehmen und Konzernen ein Wechsel in der Unternehmensführung ein regelmäßig vollzogener Vorgang ist und mittelfristig sogar zur Unternehmensstrategie gehört, hat die Nachfolgeregelung bei kleinen und mittelständischen Familienunternehmen eine weitreichendere Bedeutung.
Für den Unternehmer eines solchen Familienunternehmens stellt dieses oftmals das persönliche Lebenswerk dar und somit wird der Prozess der Unternehmensnachfolge in vielen Fällen erst im hohen Alter ins Auge gefasst. Dieser Prozess der Unternehmensübergabe oder Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen stellt die Protagonisten oftmals vor eine große Herausforderung.
Inhaltsverzeichnis
Abkürzungsverzeichnis
Abbildungsverzeichnis
1. Einleitung
1.1 Problemstellung
1.2 Forschungsfragen
1.3 Aufbau und Methodik
2. Definitionen und Einordnungen
2.1 Mittelstand
2.2 Familienunternehmen
2.3 Unternehmensnachfolge
3. Charakteristika von Familienunternehmen
3.1 Besonderheiten von Familienunternehmen
3.2 Stellenwert und volkswirtschaftliche Bedeutung von Familienunternehmen in Deutschland
3.2.1 Daten und Fakten zu familienkontrollierten Unternehmen
3.2.2 Daten und Fakten zu eigentümergeführten Unternehmen
3.2.3 Das Steueraufkommen von Familienunternehmen
3.2.4 Die Beschäftigtenklassen von Familienunternehmen
4. Unternehmensübergabe in Familienunternehmen
5. Familieninterne Unternehmensübergabe
5.1 Situationsanalyse der familieninternen Unternehmensübergabe
5.1.1 Die Unternehmensübergabe aus der Sicht des Seniors
5.1.2 Die Unternehmensübergabe aus der Sicht des Juniors
5.1.3 Die Unternehmensübergabe aus der Sicht der übrigen Familienmitglieder
5.1.4 Der zeitliche Ablauf der Unternehmensübergabe
5.1.5 Die Tandemführung als Übernahmestrategie
5.1.6 Das Konfliktpotenzial zwischen Senior und Junior
5.2 Die Gestaltungsmöglichkeiten der familieninternen Nachfolge
5.2.1 Verkauf des Unternehmens an die Nachfahren
5.2.1.1 Ermittlung des Unternehmenswertes
5.2.1.2 Verkauf gegen Einmalzahlung
5.2.1.3 Verkauf gegen Ratenzahlungen
5.2.1.4 Verkauf gegen Rentenzahlungen
5.2.2 Schenkung und Erbschaft
6 Familienexterne Unternehmensübergabe
6.1 Situationsanalyse der familienexternen Unternehmensübergabe
6.2 Die Gestaltungsmöglichkeiten der familienexternen Nachfolge
6.2.1 Management-Buy-Out
6.2.2 Management-Buy-In
6.2.3 Verkauf an einen strategischen Investor
6.2.4 Verkauf an einen Finanzinvestor
6.2.5 Einbringung des Unternehmens in eine Stiftung
7 Liquidation
8 Fallbeispiel einer Unternehmensnachfolge
9 Zusammenfassung
10 Sind Nachfahren die besseren Nachfolger?
11 Ausblick
Literaturverzeichnis
Die Verwendung des Maskulinums in dieser Arbeit dient einzig und allein der besseren Lesbarkeit des Textes. Eine inhaltliche Differenzierung zwischen den Geschlechtern ist nicht beabsichtigt.
Abkürzungsverzeichnis
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Gewählte Nachfolgelösungen (Seite 4)
Abbildung 2: KMU-Definition des IfM Bonn (Seite 7)
Abbildung 3: KMU-Definition der Europäischen Kommission (Seite 8)
Abbildung 4: Handelsgesetzbuch § 267 und 267a (Seite 8)
Abbildung 5: Wirtschaften Familienunternehmen anders? (Seite 13)
Abbildung 6: Anteil Familienunternehmen nach Beschäftigtenklas sen (Seite 18)
Abbildung 7: Wurde die Nachfolge in Ihrem Unternehmen bereits geregelt? (Seite 26)
Abbildung 8: Freibeträge der Erbschaft- und Schenkungsteuer (Seite 36)
Abbildung 9: Steuersätze der Erbschaft- und Schenkungsteuer (Seite 37)
Abbildung 10: Durchschnittsalter der Bevölkerung in den wichtigsten Industrie- und Schwellenländern im Jahr 2020 (Altersmedian in Jahren) (Seite 39)
Abbildung 11: Motive für strategische Übernahmen (Seite 45)
Abbildung 12: Gewerbliche Existenzgründungen, Liquidationen und deren Saldo 2015 bis 2019 in Deutschland (Seite 49)
1 Einleitung
Früher oder später muss sich jedes Unternehmen mit dem Thema Nachfolge in der Unternehmensführung beschäftigen. Während jedoch bei großen Unternehmen und Konzernen ein Wechsel in der Unternehmensführung ein regelmäßig vollzogener Vorgang ist und mittelfristig sogar zur Unternehmensstrategie gehört, um alteingesessene Strukturen aufzubrechen und Platz für neue Impulse und Innovation zu schaffen, hat die Nachfolgeregelung bei kleinen und mittelständischen Familienunternehmen eine weitreichendere Be- deutung.1 Für den Unternehmer eines solchen Familienunternehmens stellt dieses oftmals das persönliche Lebenswerk dar und somit wird der Prozess der Unternehmensnachfolge in vielen Fällen erst im hohen Alter ins Auge gefasst.2 Dieser Prozess der Unternehmensübergabe oder Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen stellt die Protagonisten oftmals vor eine große Herausforderung. Denn neben strategischen, rechtlichen und steuerlichen Dingen spielen vor allem emotionale und persönliche Aspekte eine wichtige Rolle. Bevor es jedoch überhaupt soweit ist, setzt eine familieninterne Lösung voraus, dass ein Familienmitglied verfügbar, hinreichend qualifiziert und zur Übernahme des Unternehmens bereit ist.3 Steht solch ein potenzieller Nachfolger aus dem Familienkreis nicht zur Verfügung, besteht noch die Möglichkeit einer familienexternen Lösung. Entweder durch eine unternehmensinterne Regelung, bei der ein Mitarbeiter bzw. eine interne Führungskraft das Unternehmen übernimmt (Management-Buy-Out), oder durch den Verkauf des Betriebes an eine externe Person (Management-Buy-in).4 Letztendlich hat der Unternehmer abzuwägen, welche die beste Lösung für sein Unternehmen und auch für alle Beteiligten ist. Denn nicht nur der Unternehmer ist an der erfolgreichen Fortführung seines Unternehmens interessiert, sondern auch die Angestellten, deren Familien und auch die jeweiligen Geschäftspartner.5
1.1 Problemstellung
Neun von zehn Unternehmen in Deutschland sind Familienunternehmen, in denen mehr als die Hälfte aller privatwirtschaftlich Beschäftigten tätig sind.6 Somit prägen sie wesentlich den Wirtschaftsstandort Deutschland und sind nicht umsonst immer wieder Thema in politischen oder wissenschaftlichen Debatten.7 Neben ihrer quantitativen Bedeutung gelten Familienunternehmen als forschungsstark und übernehmen oftmals Verantwortung in ihrem sozialen Umfeld.8
Die Gründe für den Erfolg der Familienunternehmen sind vielseitig. Zwei wichtige Faktoren sind sicherlich die langfristige Unternehmensstrategie und die, im Gegensatz zu vielen nicht familiengeführten Unternehmen, mit Werten verbundene Unternehmensführung.
Nicht selten werden mittelständische Familienunternehmen jahrzehntelang von ein und derselben Unternehmerfamilie geführt und geprägt. Was oft zur Folge hat, dass es ihnen des Öfteren an Rücktrittsbereitschaft mangelt. „Bei keinem anderen Muß-Thema im Leben eines Unternehmers spielen die Emotionen, Ängste, Ungewißheiten und eventuell auch Rivalitäten eine so große Rolle wie gerade bei der Frage der eigenen Nachfolge.“9 Vor allem für Charaktere, die ihre eigene Person im Unternehmen als unentbehrlich erachten, ist es besonders schwierig loszulassen und Verantwortung und Aufgaben an ihre Nachfolger abzugeben.10 Jedoch ist die freiwillige Übergabe des Unternehmens, der erzwungenen Übergabe, zu der es spätestens mit dem Tod des Unternehmers kommt, vorzuziehen. Letztendlich gibt es für den Alteigentümer (Senior) keine Alternative, als dass er früher oder später sein Unternehmen loslassen muss.11
Auch aus der Sicht der potenziellen Nachfolger (Junior) ist der Weg zur Unternehmensübergabe und auch die Übergabe an sich ein komplexer und herausfordernder Schritt. Als erstes müssen sie nämlich die Bereitschaft signalisieren in das Unternehmen einsteigen zu wollen. Oftmals wollen oder können die Kinder der Unternehmer gar nicht in die Fußstapfen des Vaters oder der Mutter treten.12 Das kann verschiedene Gründe haben. „Manchmal bieten sich ihnen andere Karrierepfade außerhalb des Familienbetriebes an, teilweise fehlt ihnen das Interesse oder die geeignete Qualifikation, andere möchten nicht an den Erfolgen der Eltern gemessen werden oder können sich nicht mit dem Unternehmen identifizieren.“13
Sollte kein potenzieller Nachfolger im Familienkreis vorhanden sein, oder sollten diese, wie erwähnt, kein Interesse an der Übernahme des Familienunternehmens haben, so bleiben dem Unternehmer nur die Möglichkeiten der familienexternen Übergabe. Auch in diesem Szenario gibt es einige schwierige Entscheidungen zu treffen: Zu wem habe ich so viel Vertrauen, dass ich ihm mein Lebenswerk anvertraue? Hat diese Person auch die nötigen Qualifikationen, um das Unternehmen zu führen? Gibt es vielleicht einen potenziellen Nachfolger, der bereits im Unternehmen arbeitet, oder suche ich mir einen externen Käufer?
1.2 Forschungsfragen
Wie bereits in der Einleitung und in der Problemstellung beschrieben, spielen Familienunternehmen, als weitverbreitetster Unternehmenstyp, eine tragende Rolle im Wirtschaftsstandort Deutschland. Laut dem Institut für Mittelstandsforschung in Bonn stehen in dem Zeitraum von 2018 bis 2022 zirka 150.000 Unternehmen, mit insgesamt 2,4 Millionen Beschäftigten, vor einer Unter- nehmensübergabe.14 15 Die Erfahrungswerte des IfM aus den letzten Jahren zeigen, dass zirka 53% der betroffenen Familienunternehmen ihren Betrieb familienintern weitergeben. Etwa 18% der Familienunternehmen werden von Mitarbeitern oder Angestellten übernommen und die restlichen 29% werden an externe Interessenten verkauft (siehe Abbildung 1).
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Letzteres ist des Öfteren die Folge von gescheiterten Übergabeprozessen innerhalb der Unternehmerfamilie. Deswegen ist es besonders wichtig, frühzeitig mit der Nachfolgeplanung zu beginnen, sodass diese auch erfolgreich gestaltet werden kann.
Aufgrund dieser Tatsachen liegt der Fokus meiner wissenschaftlichen Arbeit auf der Beantwortung der folgenden Forschungsfragen:
1.) Was macht den Prozess der Unternehmensnachfolge bei Familienun ternehmen so besonders?
2.) Welche Gestaltungsmöglichkeiten gibt es für Familienunternehmen in Bezug auf die Unternehmensnachfolge und welche Chancen und Risiken bieten diese?
3.) Sind Nachfahren die besseren Nachfolger?
1.3 Aufbau und Methodik
Die wissenschaftliche Arbeit „Unternehmensübergabe in mittelständischen Familienunternehmen - Sind Nachfahren die besseren Nachfolger?“ basiert auf der Methode der wissenschaftlichen Literaturrecherche und -analyse und zielt darauf ab, die theoretischen Rahmenbedingungen und Grundlagen zum Thema zu untersuchen und aufzuarbeiten. Die Arbeit beginnt mit der Erläuterung der Problemstellung und der Formulierung der zu beantwortenden Forschungsfragen.
Der Hauptteil befasst sich zunächst mit den Definitionen und der Einordnung von zentralen Begriffen. So wird der Begriff des Familienunternehmens in seinen verschiedenen, möglichen Facetten definiert und vom ebenfalls gern zitierten Begriff „Mittelstand“ abgegrenzt. Des Weiteren wird der Begriff „Unternehmensnachfolge“ beleuchtet. Dies geschieht auf Basis einer vertiefenden Literaturrecherche und der Begutachtung von Fachzeitschriften, Veröffentlichungen von Institutionen und der einschlägigen Fachliteratur.
In dem zweiten Abschnitt des Hauptteils werden die Besonderheiten, sowie die volkswirtschaftliche Bedeutung der Familienunternehmen in Deutschland verdeutlicht. Im weiteren Verlauf werden die verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten der familieninternen, sowie der familienexternen Nachfolgemöglichkeiten und deren Chancen und Risiken verglichen und gegenübergestellt. Des Weiteren wird die Komplexität der Unternehmensnachfolge in Familienunternehmen am Beispiel eines bekannten deutschen Unternehmens veranschaulicht.
Abschließend wird anhand der Erkenntnisse der vorherigen Untersuchungen ein Fazit gezogen, ein Ausblick in die Zukunft gewagt und die Forschungsfrage beantwortet:
Sind Nachfahren die besseren Nachfolger?
2 Definitionen und Einordnungen
2.1 Mittelstand
Wer sich bei der Literaturrecherche mit dem Begriff „Mittelstand“ auseinandersetzt und diesen genauer untersucht, findet zwangsläufig Aussagen wie: Der Mittelstand ist das „Rückgrat der deutschen Wirtschaft“16 oder „Unbestritten gilt der deutsche Mittelstand als zentrales Element der sozialen Markwirtschaft [...].“17
Aber wie ist der Begriff „Mittelstand“ definiert und wieso ist er so hoch angesehen? Im Folgenden werden mittelständische Unternehmen quantitativ und qualitativ abgegrenzt.
Der Duden beschreibt den Mittelstand als „Gesamtheit der kleinen und mittleren Unternehmen [...].“18 19 Für die kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) und somit auch für den Mittelstand gibt es verschiedene Ansätze um sie quantitativ von den Großunternehmen abzugrenzen. Das IfM in Bonn zählt zu den KMU alle Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten und einem Jahresumsatz von weniger als 50 Millionen Euro. Die Kategorisierung des IfM dient u. a. als Kriterium für Studien und Statistiken.
Abbildung 2: KMU-Definition des IfM Bonn
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: in Anlehnung an Förderberatung des Bundes20
Auch für die Zwecke der handelsrechtlichen Rechnungslegung werden KMU in verschiedene Größenklassen eingeteilt. Denn für kleine Kapitalgesellschaften gelten beispielsweise andere Regelungen, als für mittelgroße und große. Die beiden Letztgenannten sind prüfungspflichtig nach § 316 HGB und unter Umständen auch zur Offenlegung des Jahresabschlusses verpflichtet gemäß § 325 ff. HGB. Die Kategorisierung wird im HGB in den §§ 267 und 267a geregelt und wie folgt dargelegt:20
Abbildung 4: KMU-Definition des Handelsgesetzbuchs
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: in Anlehnung an §267 und §267a Handelsgesetzbuch.
Im HGB ist jedoch zu beachten, dass die Rechtsfolgen der neuen Größenklassen nur eintreten, wenn mindestens zwei der drei Merkmale aus der Tabelle, in zwei aufeinander folgenden Jahren, über- oder unterschritten werden.
Mittelständische Unternehmen lassen sich jedoch nicht nur nach quantitativen Merkmalen von Großunternehmen abgrenzen, sondern auch nach qualitativen. Während managergeführte Großunternehmen weitgehend auf den kurzfristigen Erfolg fixiert sind, haben für eigentümergeführte mittelständische Unternehmen die langfristige Bestands- und Zukunftssicherung oberste Priorität.21 Denn die wirtschaftliche Existenz des Unternehmens ist häufig eins mit der wirtschaftlichen Existenz der Eigentümer und verbindet somit das berufliche mit dem privaten Risiko. Diese Verbindung hat oftmals einen großen Einfluss auf die Entscheidungsfindung in KMU.22
Zudem wird die Unternehmenskultur der Mittelständler oftmals geprägt durch persönliche Beziehungen zwischen Mitarbeitern und Firmenleitung, was zu einer besonderen Identifikation mit dem Unternehmen führt. Dies spiegelt sich in einer größeren Flexibilität, besserer Kundenorientierung, sowie einer höheren Innovationsbereitschaft wider.23
Auch international hat sich der deutsche Mittelstand zur Marke entwickelt.
Das Siegel Made in Germany liegt im Made-in-Country-Index auf Platz eins vor der Schweiz und der Europäischen Union.24 Dies liegt nicht zuletzt daran, dass überproportional viele deutsche KMU „Hidden Champions“ sind, also (unbekannte bzw. heimliche) Weltmarktführer in ihrer Branche.25 Diese KMU verfolgen in der Regel die Nischen-Marktführerschaft. „Rund 1300 mittelständische Weltmarktführer haben mit ihren Produkten erfolgreich internationale Nischen besetzt.“26 Ein Beispiel ist das Unternehmen Gerriets aus Umkirch. Das Unternehmen wurde 1946 als Textilgroßhandel gegrün- det27 und ist heute der weltweit führende Hersteller für Bühnentextilien. So sind die Bühnenvorhänge der Mailänder Scala, der New Yorker Metropolitan Opera oder des Londoner Royal Opera House allesamt von einem deutschen KMU.28
2.2 Familienunternehmen
Der Begriff „Familienunternehmen“ lässt sich hingegen nicht so einfach bestimmen. Hier gibt es in der Literatur verschiedene Ansichten und keine allgemeingültige Definition. Für Habig und Berninghaus ist der Kapitaleinfluss ausschlaggebend, den eine Familie bzw. eine Familiengruppe auf das Unternehmen hat. Dass Familienmitglieder in der operativen Geschäftsführung tätig sind, ist nach Aussage der beiden, nicht notwendig. Wichtig ist nur, dass die Familie effektiv willens ist, die grundsätzlichen Entscheidungen der Unternehmenspolitik zu bestimmen.29
Kay, Suprinovic, Schlömer-Laufen und Rauch definieren Familienunternehmen so, dass die Einheit aus Eigentum und Leitung das zentrale Merkmal von Familienunternehmen sind und die Unternehmen nicht nur den Familien gehören, sondern auch von diesen geführt werden.30 So argumentiert auch Kem- pert: „Die Einheit von Eigentum und Leitung und damit die enge Verbindung von wirtschaftlicher Existenz der Unternehmensleitung und des Unternehmens unterscheiden Familienunternehmen grundsätzlich von managementgeführten Großunternehmen.“31
Die Stiftung Familienunternehmen teilt Familienunternehmen in familienkontrollierte und in eigentümergeführte Unternehmen auf. Während familienkontrollierte Unternehmen von einer überschaubaren Anzahl von natürlichen Einzelpersonen kontrolliert wird, Eigentum und Leitung jedoch nicht übereinstimmen müssen, werden eigentümergeführte Unternehmen so definiert, dass sie nicht nur von einer überschaubaren Anzahl von natürlichen Einzelpersonen kontrolliert werden, sondern auch mindestens einer der Eigentümer in der operativen Führung tätig sein muss.32
Es herrscht also Einigung darüber, dass das Eigentum an einem Unternehmen innerhalb einer Familie liegen muss, oder diese zumindest mehrheitlich am Unternehmen beteiligt ist. Eine allgemeingültige Definition, ob das Unternehmen auch von Mitgliedern der Familie geführt werden muss, gibt es bis heute nicht.
Die hier vorliegende Arbeit orientiert sich an der Definition von Kay, Supri- novic, Schlömer-Laufen und Rauch, wonach das Unternehmen nicht nur Eigentum einer Familie ist, sondern auch von mindestens einem Mitglied dieser Familie geführt wird.
2.3 Unternehmensnachfolge
Ähnlich wie bei dem Begriff „Familienunternehmen“ gibt es auch bei dem Begriff „Unternehmensnachfolge“ keine einheitliche Definition. Weit gefasst bedeutet Unternehmensnachfolge, dass ein bereits bestehendes Unternehmen unter individuellen Konditionen in den Besitz und oftmals auch in die Führung einer dritten Person übergeht. Dies kann sowohl durch den Unternehmenskauf als auch durch eine Schenkung oder durch eine Erbschaft erfol- gen.33 Die Ursachen für Unternehmensnachfolgen können dabei sehr vielseitig sein. Häufig liegen die Gründe in den ersten alters- oder krankheitsbedingten Beeinträchtigungen im Leben und in der Tätigkeit des Unternehmers. Aber auch bei gesunden und tatkräftigen älteren Unternehmern drängen sich des Öfteren Nachfolgegedanken auf, wenn die eigenen Kinder zu potenziellen Unternehmerpersönlichkeiten heranwachsen.34
Unternehmensnachfolgen oder Unternehmensübertragungen können aber auch ganz andere Hintergründe haben. Auch ein Zerwürfnis zwischen den Gesellschaftern eines Unternehmens kann dazu führen, dass das Unternehmen oder Teile des Unternehmens an einen neuen Gesellschafter übertragen bzw. verkauft werden, weil eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zumutbar ist.35
Unabhängig von der Ursache, ist der Prozess der Unternehmensnachfolge eine der komplexesten Herausforderungen im Leben eines Unternehmers. „Für den Unternehmer stellt eine erfolgreiche Nachfolgeregelung die Krönung seines unternehmerischen Lebens dar.“36
Denn nicht nur ihm persönlich fällt es schwer, nach oftmals jahrelanger, wenn nicht sogar jahrzehntelanger unternehmirischer Tätigkeit, ins zweite Glied zu rücken und ggf. nur noch in beratender Tätigkeit zu fungieren, oder sogar komplett außen vor zu sein. Auch für den Nachfolger beginnt mit dem Prozess der Übernahme des Unternehmens eine große verantwortungsvolle Herausforderung. Hinzukommt die volkswirtschaftliche Bedeutung einer erfolgreichen Nachfolge. Denn nicht nur die Arbeitsplätze der Mitarbeiter bleiben bestehen, sondern auch das angesammelte Wissen und Know-how, das sich im Unternehmen entwickelt hat, wird weitergegeben.
3 Charakteristika von Familienunternehmen
3.1 Besonderheiten von Familienunternehmen
Die besonderen Eigenschaften der Familienunternehmen lassen sich am besten im Vergleich mit Nicht-Familienunternehmen darstellen. Bei genauerer Analyse dieser beiden Unternehmenstypen wird klar, dass es viele Unterschiede auf verschiedensten Ebenen gibt.
Ein wichtiger Unterschied ist beispielsweise die Ausrichtung der Unternehmensstrategie. Während für angestellte Geschäftsführer in Nicht-Familienunternehmen das Hier und Jetzt eine entscheidendere Rolle spielt und oftmals von Quartal zu Quartal gedacht wird, haben Familienunternehmen in der Regel eine langfristige und nachhaltige Unternehmensstrategie, sodass die Nachfolgegeneration ein gut aufgestelltes und unabhängiges Unternehmen übernehmen kann.37 38 Dies wird unter anderem durch eine Studie des Bundesverbandes der Deutschen Industrie bestätigt, bei der Familienunternehmer zu dieser Thematik befragt wurden (siehe Abbildung 5).
Abbildung 5: Wirtschaften Familienunternehmen anders?
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Quelle: Bundesverband der Deutschen Industrie e. V.38
Auch die Verbindung aus Eigentum und Führung in den Familienunternehmen hat positive, aber teils auch negative Nebenwirkungen zur Folge, die sich auf das Unternehmen, aber auch auf die Eigentümer nachhaltig auswirken.39 Die Einheit aus Entscheidungskompetenz und Besitz bietet dem Familienunternehmen beispielsweise die Möglichkeit, neue Unternehmensstrategien und Konzepte konsequent durchzuführen, ohne dass diese von irgendwelchen Gremien in Frage gestellt oder sogar rückgängig gemacht werden.40 Dies gilt jedoch nicht nur für wichtige Entscheidungen in der Führungsebene, sondern auch für Entscheidungen im Arbeitsalltag. Die schnellen und unbürokratischen Entscheidungswege, die Familienunternehmen auszeichnen, sorgen dafür, dass beispielsweise ausbaufähige oder sogar fehlerhafte Arbeitsprozesse angesprochen und zeitnah verbessert werden können. Durch die flachere Hierarchie in Familienunternehmen sind die Führungskräfte für die Mitarbeiter greifbarer und es entsteht eine engere Bindung zwischen den Beschäftigten und den Führungskräften in dem Unternehmen.41
Der Unternehmer erhält dadurch auch einen besseren Überblick über die Mitarbeiter und er kann menschlichere Entscheidungen treffen.42 Dabei kann auch eine vermeintliche Kleinigkeit wie die Anrede der einzelnen Personen eine nicht unerhebliche Rolle spielen. Dadurch, dass sich die geschäftsführenden Familienmitglieder mit dem Vornamen ansprechen und sie dies auch oft gegenüber den Mitarbeitern so handhaben, herrscht in Familienunternehmen ein anderes und oftmals offeneres Gesprächsklima.43 Dies hat nicht nur eine positive Auswirkung auf die zwischenmenschliche Vertrautheit im Unternehmen, sondern auch die Loyalität der Mitarbeiter wird durch die familiäre Stimmung im Betrieb gestärkt und die Beschäftigten fühlen sich der Betriebsfamilie zugehörig.44
Außerdem werden Betriebsgeheimnisse, wie beispielsweise das technische Know-how, in Familienunternehmen besser behütet als in Nicht-Familienunternehmen. Durch die familiäre Bindung der Unternehmer werden aus Unternehmensgeheimnissen Familiengeheimnisse.45
[...]
1 Vgl. Kluth(2018), S. 11.
2 Vgl. Kluth(2018), S. 11.
3 Vgl. Kay et al. (2018), S. 21.
4 Vgl. Kay et al. (2018), S. 21.
5 Vgl. Kempert (2008), S. 25.
6 Vgl. Gottschalk et al., (2019), S.1.
7 Vgl. Gottschalk et al., (2019), S. 1.
8 Vgl. Wenzler, Hariolf (2016), Geleitwort.
9 Habig und Berninghaus (2004), S. 45.
10 Vgl. Sobanski (Hrsg.), (1998), S. 6.
11 Vgl. Habig und Berninghaus (2004), S. 46.
12 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Hrsg.), (2015), S. 43.
13 Brückner (2011), S. 2.
14 Vgl. Kay et al. (2018), Zusammenfassung.
15 Kay et al., (2018), S. 23.
16 Dierig, (2017), S. 1.
17 Goeke, Manfred (2008), S. 9.
18 Duden online, (o. J.), S. 1.
19 Vgl. Institut für Mittelstandsforschung Bonn (Hrsg.), (2016), S. 1.
20 Förderberatung des Bundes (Hrsg.), (2020), S. 2.
21 Vgl. Goeke, Manfred (2008), S. 12.
22 Vgl. Kluth, (2018), S. 16.
23 Vgl. Goeke, Manfred (2008), S. 12.
24 Vgl. Schobelt, (2017), S. 3-4.
25 Vgl. Bundesministerium für Wirtschaft und Energie (Hrsg.), (2019), S. 6.
26 Junker und Griebsch, (2017), S. 20.
27 Vgl. Gerriets GmbH (Hrsg.), (o. J.), S. 14.
28 Vgl. Handelsblatt (Hrsg.), (2012), S. 1.
29 Vgl. Habig und Berninghaus, (2004), S. 8.
30 Vgl. Kay et al., (2018), S. 1.
31 Kempert, (2008), S. 15.
32 Vgl. Stiftung Familienunternehmen (Hrsg.), (2019), S. 3.
33 Vgl. Existenzgründer-Initiative Deutschland startet (Hrsg.), (2020), S. 3.
34 Vgl. Koch, (2016), S. 1.
35 Vgl. Koch, (2016), S. 1.
36 Koch, (2016), Vorwort.
37 Vgl. Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (Hrsg.), (2015), S. 8.
38 Bundesverband der Deutschen Industrie e.V. (Hrsg.), (2015), S. 8.
39 Vgl. LeMar, (2014), S. 6.
40 Vgl. Habig und Berninghaus, (2004), S. 9.
41 Vgl. Kempert, (2008), S. 16.
42 Vgl. Kempert, (2008), S. 16.
43 Vgl. LeMar, (2014), S. 6.
44 Vgl. LeMar, (2014), S. 18.
45 Vgl. LeMar, (2014), S. 18.
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