Das Theaterstück "Luces de Bohemia" von Ramón del Valle-Inclán. Esperpento als Dritter Raum


Dossier / Travail de Séminaire, 2018

29 Pages, Note: 1,0


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Begriffsklärungen
2.1 Mimikry und Hybridisierung – Abbild und Vermischung
2.2 Das Dritte – Der Dritte Raum
2.3 Esperpento

3. Valle-Inclán und sein Esperpento Luces de Bohemia
3.1 Einordnung der Esperpentos in Leben und Schaffensphase Valle-Incláns
3.2 Luces de Bohemia – Aufbau, Besonderheiten und Handlung
3.3 Esperpentische Züge in Luces de Bohemia
3.3.1 Das Bühnenbild
3.3.2 Hybridisierung von Figuren, Tieren und Dingen
3.3.3 Hybridisierung von Charakteren, Moral und Werten

4. Zusammenfassung

5. Literaturverzeichnis
5.1 Primärliteratur
5.2 Sekundärliteratur

1. Einleitung

Im Übergang zum 19. Jahrhundert durchlebte Spanien seine erste große Krise: die Unabhängigkeitsbestrebungen Kubas gipfelten, nach von Spanien nicht berücksichtigten Angeboten und Ultimaten der USA sowie dem Beschuss von US-Panzerkreuzern im Hafen von La Habana im Februar 1898, schließlich im Krieg zwischen Spanien und den USA. In diesem musste Spanien den Verlust seiner gesamten Kriegsflotte wie auch der letzten Überseekolonien hinnehmen. Das einstige Weltreich war zerfallen. Diese Krise markierte einen Tiefpunkt in der spanischen Geschichte und führte bei Intellektuellen zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Situation Spaniens und des hispanischen Menschen innerhalb Europas.1

Als Vertreter der generación del 98 und zugleich Hauptvertreter des modernismo setzte sich auch Ramón María del Valle-Inclán – neben weiteren bedeutenden Autoren wie Azorín, Unamuno und Machado – intensiv mit der Krise Spaniens auseinander. Auf der Suche nach literarischen Möglichkeiten, sich dem sogenannten „Spanienproblem“ anzunehmen und Denk- wie Lebensweisen der herrschenden Klasse zu denunzieren, übte er mit seinen avantgardistisch-experimentellen Dramen massive Kritik an der Gesellschaft seiner Zeit. Weiterhin brach er vehement mit den Traditionen des bis dahin bürgerlich geprägten Theaterestablishments.2 So vollzog Valle-Inclán in seinem literarischen Schaffen eine Entwicklung aus einer modernistischen Phase, in der er sich mit der ästhetizistisch dargestellten Welt einer dekadenten Aristokratie befasste, hin zu einer esperpentischen Phase unter Verwendung der neuen literarischen Gattungsform des Esperpento.3 Im Esperpento war es ihm möglich, das zu Inszenierende in einer bis dahin noch nicht da gewesenen Weise zu verformen und zu verzerren. Bedeutend wirkungsvoller als im gewöhnlichen grotesken Theater konnte er mit Mitteln der esperpentischen Ästhetik intensive Kritik an der Gesellschaft und der spanischen Politik üben. Dabei verwischte er in seinen Stücken unter anderem klare Hierarchien, Strukturen und Grenzen, und erzeugte damit verzerrte Personen- wie Tierdarstellungen. Dies gelang ihm beispielsweise durch Illustration animalisierten Verhaltens bei menschlichen Bühnenfiguren oder menschlichen Verhaltens bei Tieren. Die wichtigste Ebene der Personendegradierung im Esperpento war allerdings die sprachliche.4 So beschrieb Valle-Inclán gewissermaßen neue Formen von Figuren, die weder ganz dem einen Extrem, noch ganz dem anderen Extrem zugeordnet werden konnten, und neue Mischformen entstanden.

Das erste Stück, in dem Valle-Inclán die Techniken des Esperpento verwendete, das Drama Luces de Bohemia, welches er außerdem mit dem Untertitel Esperpento versah, zählt zu seinen bedeutendsten Werken. Das Drama wurde 1920 in der Zeitschrift Espa ña publiziert und erschien 1924 in einer um drei Szenen erweiterten Neuauflage in Buchform. In der vorliegenden Hausarbeit bildet die Fassung des Jahres 1924 die Textgrundlage zur Untersuchung des Stückes hinsichtlich charakteristischer Merkmale eines Esperpentos. Besonderes Augenmerk gilt hierbei der Frage, ob zum einen das Esperpento allgemein ein geeignetes Werkzeug zur Bildung eines Dritten Raums ist und ob diese Bildung bereits in Valle-Incláns erstem Esperpento Luces de Bohemia gelingt. Zur Beantwortung dieser Frage werden zunächst Erkenntnisse Homi K. Bhabhas zu den Begriffen Hybridität und Mimikry sowie des Konzepts des Dritten Raums, welche er in seinem Hauptwerk Die Verortung der Kultur anhand postkolonialer Räume erklärt, vorgestellt und schließlich auf die Literatur angewendet werden. Der Untersuchung des Theaterstücks Luces de Bohemia steht daher ein Kapitel zur Klärung einiger Fachtermini und Konzepte voran. Der Hauptteil beginnt mit einer Einordnung des Stücks in die literarische Schaffensphase Valle-Incláns und kurzer Begründung seines literarischen Wandels zur esperpentischen Ausdrucksform anhand einiger einschneidender Ereignisse in seiner Biografie. Darauf folgt eine knappe Darstellung von Aufbau, Besonderheiten und Handlung des zu untersuchenden Dramas sowie die Untersuchung des Werks Luces de Bohemia bezüglich charakteristischer Merkmale eines Esperpentos. In der Zusammenfassung erfolgt anhand der im Hauptteil gewonnenen Ergebnisse eine umfangreiche Bewertung und zugleich Auswertung der anfangs aufgestellten These, ob das Esperpento als Werkzeug zur Bildung eines sogenannten Dritten Raums dienen kann, und der Bewertung, ob dies bereits mit Valle-Incláns erstem esperpentischen Text vollumfänglich gelingt.

2. Begriffsklärungen

In vorliegendem Kapitel erläutere ich einige bedeutsame Begrifflichkeiten, die im weiteren Verlauf dieser Hausarbeit wiederholt verwendet werden. Ich beginne mit den Begriffen Mimikry und Hybridisierung, um daran anknüpfend die Bezeichnung des Dritten beziehungsweise des Dritten Raums zu erläutern, welche wesentlich für die Untersuchung des Theaterstücks Luces de Bohemia sein wird. Hauptsächlich werde ich mich in meinen Ausführungen auf Homi K. Bhabhas Erkenntnisse beziehen, die er hinsichtlich genannter Konzepte bei der Untersuchung postkolonialer Räume gewonnen hat. Schließlich werde ich auch den Gattungsbegriff des Esperpento genauer beleuchten und charakteristische Merkmale beziehungsweise unverzichtbare Elemente eines Esperpento benennen und erläutern.

2.1 Mimikry und Hybridisierung – Abbild und Vermischung

Bhabha beschreibt das Konzept der Mimikry in Bezug auf das Phänomen der Kolonisation: Die Kolonialherren haben zum Ziel, die Kultur der zu Kolonisierenden derart zu beeinflussen, dass sich diese an Sprache, Umgangsformen, Werte und Kultur der Kolonisten anpassen und diese adaptieren, um ein treffendes Abbild der Kultur der Machthaber zu formen.5 Allerdings gelingt das Nachahmen, die Mimikry, nur unvollständig und auf unbeständige Weise. Sie repräsentiert gewissermaßen einen ironischen Kompromiss: Entgegen der eigenen Identität wird in der Mimikry das Andere nachgeahmt und so die Differenz zwischen dem Eigenen und dem Anderen reduziert. Das Maß, in dem das gelingt, ist nicht konkret bestimmbar. Einerseits entsteht die Mimikry als eine Repräsentation der Differenz, andererseits durch die Verleugnung des Eigenen. Damit bedeutet die Mimikry für die Autorität zugleich Ähnlichkeit und Bedrohung: Die Doppelung der Kolonisierenden, auch wenn sie nur eine partielle Imitation der Kolonialherren darstellt, wirkt zunehmend bedrohlich auf die Machthaber. Durch Verzerrung und Ironisierung stellt der Kolonist den Kontrollverlust über die eigene Identität fest, die üblichen Machtverhältnisse werden tiefgehend erschüttert. Das hervorgebrachte koloniale Subjekt ist wie der Kolonist selbst und doch anders. Bhabha stellt sogar fest, dass die so gewonnene Kopie immer nur eine ungenügende Doppelung des Originals, eine Verzerrung der Vorlage, sein kann.6 Einige Einzelheiten des Originals werden übertrieben hervorgehoben, so dass eine Disproportionierung stattfindet, die eine deutliche Unterscheidung der Kopie vom Original ermöglicht. Durch laufende Variation der Überzeichnungen treten immer wieder andere Einzelheiten des Objekts ins Zentrum des Blickfeldes beziehungsweise in den Hintergrund.7 In diesem betrachteten Prozess der Kolonisation entwickelt sich mit der Zeit eine Mischform beider Kulturen. Schließlich wird jede Kultur von ihrem ursprünglichen Zustand bestimmt, wie auch durch den Einfluss der anderen Kultur in Teilen verändert. Die Autorität der Kolonialherren wird in diesem Prozess durch die verfremdende Aneignung ihrer Kultur durch die kolonisierten Gruppen untergraben. „Im Aufeinandertreffen der Kulturen entsteht ein Zwischenraum, der Widerstand und Intervention ermöglicht.“8 Es kommt zur Hybridisierung: Binaritäten lösen sich auf, indem zwei zuvor gänzlich getrennte Systeme durch gegenseitige Beeinflussung eine neue Mischform bilden. Das neue hybride System kann dabei weder dem ersten noch dem anderen System eindeutig zugeordnet werden. Aus diesem Grund verwendet Bhabha für das Hybride häufig Darstellungen eines metaphorischen Zwischenraums. Für ihn ist Hybridität bereits der Dritte Raum, durch den die Entstehung anderer Positionen überhaupt erst möglich wird.9 Dennoch wird in struktureller Hinsicht das Dritte weiter von zwei vorhergehenden Momenten bestimmt mit der Gefahr, dass das Dritte zu einer eigenen Kategorie wird.10

Bhabha betrachtet das Phänomen der Hybridisierung vornehmlich auf Grundlage der Kolonisation. Jedoch kann es auf eine Vielzahl von Kontexten und Zusammenhängen angewendet werden, wie dies im Hauptteil der vorliegenden Hausarbeit bei der Untersuchung des Theaterstücks Luces de Bohemia deutlich werden wird.

2.2 Das Dritte – Der Dritte Raum

Das Bild des Dritten begegnet uns schon im Alltag in bekannten Sprichwörtern, zum Beispiel „Wenn zwei sich streiten, freut sich der Dritte“ oder „Aller guten Dinge sind drei“. Auch im gewöhnlichen Gespräch mag es zur Erwähnung eines „lachenden Dritten“ kommen. Selbst im sportlichen Kontext findet sich die Figur des Schiedsrichters als Dritter beziehungsweise Mittler zwischen zwei sich messenden Mannschaften.11 Ebenso finden wir in weiteren Kontexten eine tertiäre Beziehung: Wir unterscheiden in der Zeit die Intervalle Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, oder in der Gewaltenteilung zwischen Legislative, Exekutive und Judikative. Allen Verbindungen gemeinsam ist die Tatsache, dass die Existenz des (ersten) Einen wie auch die des (zweiten) Anderen gewährleistet sein muss, damit überhaupt von einem weiteren Anderen, dem Dritten, gesprochen werden kann. Fischer konkretisiert weiter: „Die Funktionen dieses weiteren Anderen lassen sich nicht auf den ersten Anderen zurückführen, insofern ist er also neben dem Ersten (ego) und dem Anderen (alter) in einem nichttrivialen Sinn der Dritte.“12 Dieser Dritte beschreibt also ein neues Element in der zuvor binären Beziehung.

Das Phänomen der Auflösung von dichotomen13 Räumen behandelt auch Homi K. Bhabha in seinem Werk Die Verortung der Kultur. Als Beispiel seiner Erläuterungen wählt er die Struktur der postkolonialen Gesellschaft Indiens. Er skizziert das Bild einer hybriden, post-kolonialen Gesellschaft und vertritt die Annahme, dass in postkolonialer Zeit durch hybride Prozesse Räume, sogenannte Zwischen- beziehungsweise Dritte Räume, entstanden sind, die schließlich eine eindeutige Zuordnung oder Identifikation zwischen Rand und Zentrum verhindern.14 Im Dritten Raum können kulturelle Symbole neu verhandelt, also mit neuen Bedeutungen belegt und damit neu interpretiert werden. „Der Dritte Raum der Äußerung“, so Bhabha, „zerstört [den] Spiegel der Repräsentation, der kulturelles Wissen […] als integrierten, offenen, sich ausdehnenden Code zeigt.“15 Nach seiner Interpretation gilt, dass dieser neue Dritte Raum „nie außerhalb oder jenseits von uns verortet ist, sondern seine Stelle einnimmt innerhalb eines jeden kulturellen Systems und des durch dieses System bedingten Diskurses.“16 Folglich findet die Hybridisierung als steter Austausch und Vermischung der beiden Extreme im Dritten Raum statt. Bhabha führt ebenfalls einige mögliche Metaphern für diesen Zwischenraum an, beispielsweise die des Treppenhauses nach Green oder die einer Brücke zwischen zwei Ufern nach Heidegger.17 Ferner verwendet er in seinen Ausführungen Begriffe wie Spalten, Spaltungen und Spiegelungen und nutzt diese zur Beschreibung von Prozessen, wie sie in postkolonialen Gesellschaften zu beobachten sind. In Schlüsselbegriffen wie zum Beispiel Entortung, De-Plazierung, Ambivalenz, Verwandlung und Verfremdung 18 lassen sich bereits Analogien zum Esperpento ausmachen.

2.3 Esperpento

Seit dem 19. Jahrhundert ist der Begriff esperpento mit Umschreibungen wie „das Tragikomische, die groteske Farce, sarkastische Satire oder Schauergroteske“19 versehen. Vorrangig wird mit esperpento eine Person, ein Gegenstand oder ein Gedanke umschrieben, in dem sich Hässlich-Abstoßendes mit Komisch-Lächerlichem mischt. Der literarische Begriff des Esperpento, auch als Schauerposse bezeichnet, bezieht sich auf dramatische Texte. Allerdings lassen sich Techniken der esperpentización auch auf andere Gattungen übertragen. Grundlage eines esperpentischen Textes ist der intensive und überzeichnete Einsatz grotesker Stilmittel, die für eine willkürlich verzerrte Darstellung von Figuren und ihren Interaktionen sorgen. Somit ist das Esperpento als ästhetisches Konzept als spanische Sonderform des Grotesken zu sehen.20 Während im grotesken Theater die Figuren auf den Betrachter lächerlich und absurd wirken und häufig zur selben Zeit das Gefühl von Abscheu und Mitleid erzeugen, verhält sich dies in esperpentischen Stücken wesentlich anders. Durch den intensiven Einsatz grotesker Stilmittel kommt es zu einer außerordentlichen Deformation von Figuren und Tieren, Werten und Moral. Die Ästhetik des Esperpento basiert Valle-Inclán zufolge gerade auf dieser Inkongruenz zwischen Esperpentofigur und ihrer klassischen Vorlage, also dem Einsatz von Mimikry.21

Ein Gegenstand, der die Verzerrung beziehungsweise ungewöhnliche Verformung des Dargestellten bewirkt, ist der sogenannte Zerrspiegel. Dieser macht die groteske Verzerrung klassischer Helden sichtbar und führt zugleich zu einer verzerrten und ins Absurde deformierten Darstellung Spaniens. Die Figuren werden als Hampelmänner oder Tiere charakterisiert; weiterhin treten sprachliche Automatismen auf.22 Anschauliche Beispiele des Blicks durch einen Zerrspiegel finden sich in einigen Werken Goyas23 der Jahre 1797-98 und damit deutlich vor der Nennung des Begriffs esperpento. Darauf verweist Valle-Inclán, der auch kunstgeschichtlich sehr interessiert war,24 und legt seiner Hauptfigur des Stücks Luces de Bohemia folgende Worte in den Mund: „El esperpentismo lo ha inventado Goya. Los héroes clásicos han ido a pasearse en el callejón del Gato.“25

Ein zweites Charakteristikum des Esperpento ist die Wahl einer besonderen Perspektive des Autors auf das Geschehen. Nach Valle-Inclán lassen sich drei Perspektiven unterscheiden, die er in einem Interview aus dem Jahr 1928 benannte: „... creo que hay tres modos de ver el mundo, artística o ésteticamente: de rodilla, en pie o levantado en el aire.“26 Die beiden erstgenannten Perspektiven beschreiben solche, die zu einer Glorifizierung der Figuren (wie etwa in Homer) oder zu einer direkten Identifikation auf Augenhöhe und Entwicklung einer emotionalen Bindung mit den Figuren (wie zum Beispiel bei Shakespeare) führen.27 Für den esperpentischen Charakter eines Theaterstücks ist jedoch die letztgenannte Perspektive levantado en el aire unverzichtbar:28 Durch Wahl dieser Perspektive erhebt sich der Autor deutlich über das dargestellte Geschehen. Es kommt zu einem maximal distanzierten Blick auf die Szenerie und eine Identifikation mit den Handlungsfiguren ist nicht mehr möglich. Ihr Schicksal wird auf gleichgültige Weise wahrgenommen und eine emotionale Bindung zur Figur entsteht unterdessen nicht, so dass weder Mitleid noch Sympathie für die dargestellten Charaktere empfunden werden.29

Infolge eines überzeichneten Einsatzes grotesker Stilmittel wandelt sich die Perspektive des Autors somit von einer visión irónica eines grotesken Stücks hin zu einer visión degradadora eines esperpentischen Stücks, denn er betrachtet die Figuren nun desde las estrellas.30 Unter Verwendung dieser Perspektive vollziehen sich gerade die benötigten Transformationen eines lediglich grotesk verzerrten Stückes hin zu einem Esperpento: es kommt zur Auflösung binärer Strukturen, das Objekt der Wahrnehmung wird stark verfremdet. Die erhobene Position gestattet einen distanzierten Blick auf das Objekt und das bei Bhabha als evil eye bezeichnete böse blickende Auge verwischt die Existenz des Objekts.31

Zusammenfassend erfordert ein Esperpento also folgende Punkte: die Wirklichkeit wird, durch übertriebenen Einsatz grotesker Stilmittel, in einer extrem deformierten und verzerrten Weise dargestellt, die zur Auflösung von Binaritäten führt. Es sind Züge von Mimikry wie auch Hybridisierung hinsichtlich Aktion und Interaktion der Bühnenfiguren deutlich zu erkennen. Der Blick auf das Geschehen aus der erhobenen Perspektive levantado en el aire ist zwingend nötig, um dem Betrachter die Möglichkeit zu verwehren, zu Figuren und Geschehen eine mitfühlende oder mitleidende Haltung einzunehmen. So beabsichtigt der Autor eines solchen Textes, die Diskrepanz zwischen dargebotener Illusion und gelebter Realität besonders herauszustellen und den Zuschauer zu verunsichern, so dass dieser schließlich zu einer kritischen Hinterfragung der eigenen Alltagswelt gelangt.32

[...]


1 Vgl. Walther L. Bernecker. Spanische Geschichte: Von der Reconquista bis heute. 2. Auflage, Sonderausgabe, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 2012, S. 141.

2 Vgl. Marina Ortrud M. Hertrampf. Bohème und nihilistische Subversion: Ramón del Valle-Incláns Luces de Bohemia (1920/24). Universität Passau/Regensburg: April 2012, S. 1.

3 Vgl. Cerstin Bauer-Funke. Spanische Literatur des 20. Jahrhunderts. 1. Auflage, Stuttgart: Klett, 2006, S. 25f.

4 Vgl. Wilfried Floeck. Parodie und Gattungsbildung. Bemerkungen zu Valle-Incláns Esperpentos. In: Spanisches Theater im 20. Jahrhundert – Gestalten und Tendenzen. Tübingen: Francke Verlag, 1990, S. 118-121.

5 Vgl. Homi K. Bhabha. Die Verortung der Kultur. Tübingen: Stauffenburg Verlag, 2000, S. 104.

6 Ebd., S. 125-136.

7 Vgl. Christiane Maria Collorio. Espejo cóncavo und Third space – Valle-Incláns Esperpentoästhetik unter den Vorzeichen hybrider Raumpoetologie. Hildesheim/Zürich/New York: Georg Olms Verlag, 2010, S. 30f. Diesen steten Wechsel bezeichnet Bhabha als Ambivalenz oder auch slippage.

8 Vgl. Dieter Burdorf (Hrsg.). Metzler Lexikon Literatur – Begriffe und Definitionen. 3. Auflage, Stuttgart: Metzler, 2007, Stichwort: Postkolonialismus, S. 602.

9 Vgl. Jonathan Rutherford. The Third Space. Interview with Homi Bhabha. In: Jonathan Rutherford (Hg.): Identity: Community, Culture, Difference, London: Lawrence and Wishart, 1990, S. 211.

10 Vgl. Gudrun Rath. ›Hybridität ‹ und ›Dritter Raum ‹- Displacements postkolonialer Modelle. In: Eßlinger, Eva (Hrsg.): Die Figur des Dritten – Ein kulturwissenschaftliches Paradigma. Berlin: Suhrkamp Verlag, 2010, S. 141.

11 Vgl. Joachim Fischer. Tertiarität / Der Dritte. Paderborn: Fink, 2010, S. 133.

12 Ebd., S. 131.

13 Vgl. Ursula Kraif. Duden – Das große Fremdwörterbuch. 4. Auflage, Mannheim: Dudenverlag, S. 332. Eine dichotome Einteilung fordert, dass zwei einander gegensätzliche Begriffe den ursprünglichen Begriff in Gänze darstellen. Ihre Vereinigung verweist also wieder auf den Ursprungsbegriff.

14 Vgl. Collorio, Espejo cóncavo und Third space. S. 34.

15 Vgl. Bhabha, Die Verortung der Kultur. S. 56.

16 Ebd., Vorwort von Elisabeth Bronfen, S. XI.

17 Ebd., S. 5-7.

18 Vgl. Bhabha, Die Verortung der Kultur. S. 167-172.

19 Vgl. Peter K. Klein. „El esperpentismo lo ha inventado Goya“. Valle-Inclán und die Goya-Rezeption seiner Zeit. In: Wentzlaff-Eggebert, Harald: Ramón del Valle-Inclán (1866-1936) – Akten des Bamberger Kolloquiums vom 6.-8. November 1986, Tübingen: Niemeyer Verlag, S. 23.

20 Vgl. Floeck, Parodie und Gattungsbildung. S. 111f.

21 Vgl. Collorio, Espejo cóncavo und Third space. S. 149. Die Aussage stammt aus einem Interview Valle-Incláns im El heraldo de México (México D.F.), 21.9.1921.

22 Vgl. Bauer-Funke, Spanische Literatur des 20. Jahrhunderts. S. 44.

23 Vgl. Collorio, Espejo cóncavo und Third space. S. 150. Hier sind folgende Werke zu nennen: Estudiante – rana: Das Spiegelbild des Studenten zeigt den Frosch; Alguacil – gato salvaje: Das Spiegelbild des Büttels zeigt den Kater; Dandy – Mono: Das Spiegelbild des Dandy zeigt den Affen. Damit wird jeweils das wahre Wesen des Betrachters sichtbar.

24 Vgl. Klein, „El esperpentismo lo ha inventado Goya“. S. 19.

25 Vgl. Ramón del Valle-Inclán. Luces de BohemiaEsperpento. Madrid: Renacimiento, 1924, Szene XII.

26 Vgl. John Lyon. The theatre of Valle-Inclán. New York: Cambridge University Press, 1983, S. 209.

27 Vgl. Floeck, Parodie und Gattungsbildung. S. 117.

28 Vgl. Collorio, Espejo cóncavo und Third space. S. 133.

29 Vgl. Floeck, Parodie und Gattungsbildung. S. 118f.

30 Vgl. Collorio, Espejo cóncavo und Third space. S. 137.

31 Ebd., S. 144f.

32 Ebd., S. 159f.

Fin de l'extrait de 29 pages

Résumé des informations

Titre
Das Theaterstück "Luces de Bohemia" von Ramón del Valle-Inclán. Esperpento als Dritter Raum
Université
University of Kassel  (Institut für Romanistik)
Cours
Ramón del Valle-Inclán und die Ästhetik des Esperpentos
Note
1,0
Auteur
Année
2018
Pages
29
N° de catalogue
V940961
ISBN (ebook)
9783346270696
ISBN (Livre)
9783346270702
Langue
allemand
Mots clés
Ramón del Valle-Inclán, Esperpento, Dritter Raum, Hybridität, Homi K. Bhabha, Luces de Bohemía, Max Estrella
Citation du texte
Franziska Kahler (Auteur), 2018, Das Theaterstück "Luces de Bohemia" von Ramón del Valle-Inclán. Esperpento als Dritter Raum, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/940961

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