Der Tugendbegriff von Aristoteles und seine Rezeption bei Thomas von Aquin


Seminar Paper, 2008

17 Pages, Grade: 1,0


Excerpt


Gliederung

1 Einleitung
1.1 Der Tugendbegriff im Allgemeinen

2 Tugenden bei Aristoteles
2.1 Verstandestugenden
2.2 Sittliche/ Ethische Tugenden

3 Die Bedeutung der „Mitte“ bei Aristoteles

4 Der Habitus
4.1 Lust und Unlust

5 Die Tugend bei Thomas von Aquin

6 Zur Rezeption der aristotelischen Tugendlehre bei Thomas von Aquin

7 Schlusskommentar

8 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

Im Rahmen des Seminars „Das Gute Leben – nachgefragt bei den alten Griechen“ sind wir auf die Schrift von Aristoteles „Die Tugend“, seines Werkes Nikomachische Ethik gestoßen. Im Rahmen dieser Arbeit soll der Tugendbegriff genauer betrachtet werden. Dazu wird zunächst mit Hilfe eines Historischen Wörterbuches der Philosophie der Begriff im Allgemeinen thematisiert, bevor der Tugendbegriff bei Aristoteles dargestellt wird. An dieser Stelle soll unter anderem der Unterschied zwischen Verstandestugenden und sittlichen Tugenden geklärt werden. Auch die Begriffe des „Habitus“ und der „Mitte“ sollen thematisiert werden.

Im Anschluss an die Darstellung der Tugendlehre von Aristoteles soll Thomas’ Sichtweise erläutert werden. Er übernimmt einige Ansichten von Aristoteles, bringt aber die theologische Bedeutung von Tugend mit ein.

Anschließend soll die Rezeption des Tugendbegriffs von Aristoteles bei Thomas von Aquin genauer betrachtet werden.

Zum Abschluss dieser Seminararbeit möchte ich selbst Stellung beziehen, indem ich für mich wichtige Punkte noch einmal kurz aufgreife und meinen Standpunkt darstelle.

1.1 Der Tugendbegriff im Allgemeinen

Zum Einstieg in das Thema soll ein Blick auf die Bedeutung des Begriffs „Tugend“ im Allgemeinen dienen. Dazu wird sich im Folgenden hauptsächlich auf Ausführungen des Historischen Wörterbuches der Philosophie bezogen.

In der Antike wurde das Wort „Tugend“ in der Philosophie zur Übersetzung des griechischen Wortes „Arete“ benutzt. Diese Übersetzung ist zwar häufig als irreführend bezeichnet worden, hat sich aber trotzdem durchgesetzt. Die Bedeutung von „Arete“ ist bei den Griechen so zu verstehen, dass ein Mensch, der „Arete“ besitzt, gut ist. „Gutsein“ ist demnach die exakte Übersetzung von „Arete“. Doch der Tugendbegriff hat sich weit etabliert und meint somit nichts anderes. Es stellt sich jedoch die Frage, was einen guten Menschen ausmacht. Dessen Eigenschaften zu definieren ist nicht ganz unstrittig. Es gibt mehrere Ansichten, was einen Menschen zu einem guten Menschen macht. Beispielsweise mache seine Moralität ihn aus. Tugend scheint für ein moralisches Verständnis sehr anfällig zu sein, immer wieder tauchen Übersetzungen auf, die im Sinne von Moralität und Sittlichkeit verstanden werden. Doch neben dem moralischen Verständnis von Tugend, tritt der ursprüngliche, weitere Sprachgebrauch auf, demnach es ganz natürlich erscheint, z.B. von Tugenden eines Dirigenten oder der Tugend der Nachdenklichkeit zu sprechen. Wer also den Sinn von „Arete“ im antiken, philosophischen Denken der Griechen verstehen will, muss sich zunächst von moralischen Denkweisen frei machen. Die Alten Griechen waren sich darüber einig, dass, „Arete“ zu haben, ein Mittel zum Glück oder sogar Glück selbst bedeute.[1]

Das früheste Bild von „Arete“ zeigt Homer auf. Er geht von einer Vielzahl von Tugenden aus, wobei er die „Arete“ des Mannes in den Vordergrund stellt. „In Taten und ihren Ergebnissen erweist sich die Arete“, jedoch ist dauerhaftes Glück nicht garantiert, „auch den Guten kann Unheil treffen“.[2]

Während für die vorsokratischen Philosophen die „Arete“ von sehr geringer Bedeutung war, wird die Frage nach der „Arete“ in der Sophistik zu einem zentralen Thema der Philosophie. Die Sophisten nahmen an, dass der Besitz der „Arete“ notwendig sei als Voraussetzung des Glücks. Glücklichsein sei das, was man eigentlich und letztlich will. Gegen Geld boten sie sogar Unterricht im Gutsein an und traten als „Lehrer der Arete“ auf.[3]

Protagoras versteht die „Arete“ als politische „Arete“ an. Er sagt, ein guter Mensch sei ein guter Bürger, ausgezeichnet durch „Klugheit“.[4]

Ganz anders hingegen bestimmt Kallikles (aus Platons Gorgias) die „Arete“ des Menschen. Für ihn ist die „Arete“ darin zu verstehen, ungebunden und frei zu sein, seine Begierden auszuleben und die Macht zu haben, sich deren Objekte zu verschaffen. Gerechtigkeit und Besonnenheit seien widernatürliche Formen der Selbstbegrenzung.

Sokrates sieht im Gutsein des Menschen die „gute Verfassung der Seele, nicht die des Körpers“[5].

Sokrates spricht von einer Vielzahl von Tugenden, Gerechtigkeit und Tapferkeit eingeschlossen, wobei er der Frage nachgeht, was eine jede Tugend ausmacht. Außerdem geht er davon aus, dass eine Tugend im Wissen um diese bestehe. Unter Tugendwissen ist somit ein Wissen vom Guten und Schlechten zu verstehen, also davon, was für einen Menschen insgesamt gut oder schlecht ist. Gut zu sein, „Arete“ zu haben, ist das Wissen davon zu haben, was Glück ist und wie es erreicht werden kann. Das Glück wird auch als der Maßstab angesehen, an dem die Tugenden als solche erkannt werden. Die „Arete“ zu bestimmen, ist demnach auch immer damit verbunden, zu zeigen, dass sie glückszuträglich ist.

Platon vertritt die Ansicht, dass man durch richtige Gewöhnung und Übung die „Arete“ erlangen kann, vorausgesetzt, man bringt die notwendigen natürlichen Anlagen mit.

In der Stoa bezeichnet die Tugend (lateinisch virtus) das zugleich naturgemäße wie vernunftgeleitete Handeln.[6]

Im Alten und Neuen Testament ist der Tugendbegriff fremd. Das einzig richtige, weil Gott gefällige, ist das Befolgen der Gesetze und Gebote, die Gott den Menschen gegeben hat. Im AT findet sich kein dementsprechender Begriff, während man im NT viermal ein entsprechendes Wort findet. Zweimal davon ist auf die menschliche „Arete“ hingewiesen.[7]

Wo Paulus Glaube, Liebe und Hoffnung im Sinne der christlichen Tugenden predigt, verwendet er den Begriff nicht. Erst im Mittelalter setzen sich die Kirchenväter mit der antiken Tugendkonzeption auseinander. So ist Augustinus der Auffassung, dass alle Güter von Gott kommen und somit auch die Tugend eine Gabe Gottes ist. Die Tugend begründet das rechte und ehrenvolle Leben, indem er die traditionelle Unterteilung der Tugend in vier Kardinaltugenden (Weisheit, Besonnenheit, Tapferkeit und Gerechtigkeit) bestätigt.[8]

2 Tugenden bei Aristoteles

Nachdem nun ein kurzer Überblick über den doch sehr umfassenden Begriff der Tugend gegeben wurde, soll die Sichtweise Aristotels’ separat und ausführlicher dargeboten werden. Dazu wird ein Blick auf die „Nikomachische Ethik“ gerichtet, in der Aristoteles auf den Tugendbegriff eingeht.

Bei Aristoteles hängt das Glück des guten Lebens von der Verfassung der Polis ab, aber auch von Gesundheit und anderen Umständen. Die Tugend ist eine notwendige Bedingung des Glücks und des guten Lebens.

Aristoteles geht von zwei Gattungen von Tugend aus. Zum Einen spricht er von den dianoetischen oder auch Verstandestugenden, zum Anderen nennt er die ethischen oder auch sittlichen Tugenden.

„Wenn sonach die Tugend zweifach ist, eine Verstandestugend und eine sittliche Tugend, so entsteht und wächst die erstere hauptsächlich durch Belehrung und bedarf deshalb der Erfahrung und der Zeit; die sittliche dagegen wird uns zuteil durch Gewöhnung, davon hat sie auch den Namen erhalten, der nur wenig von dem Wort Gewohnheit verschieden ist.“[9]

Das vorangegangene Zitat zeigt, wie Aristoteles das zweite Buch der Nikomachischen Ethik beginnt. Er steigt sofort ins Thema ein und gliedert den Begriff Tugend in zwei Gattungen, welche im Folgenden näher erläutert werden sollen.

Vorab jedoch noch eine kurze Erklärung zur Denkweise Aristoteles. Er macht sich einer Sichtweise des Platon zunutze, die besagt, dass eine Gegenstandsklasse durch eine spezifische Hervorbringung bestimmt ist. Gut ist demzufolge beispielsweise ein Messer, wenn es gut schneidet oder ein Auge, wenn es gut sieht. Die entsprechende Hervorbringung muss nicht nur irgendwie, sondern gut realisiert werden. Folglich stellt sich dann die Frage, was die spezifische Hervorbringung des Menschen ist. Aristoteles antwortet darauf explizit, indem er sagt, dass „die Realisierung seiner Vernunftbegabung die dem Menschen eigene Hervorbringung ist.“ Wenn der Mensch diese Begabung nicht nur irgendwie, sondern gut realisiert, dann ist er als Mensch gut und besitzt somit die menschliche Arete.[10]

2.1 Verstandestugenden

Als Verstandestugenden/ dianoetischen Tugenden bezeichnet Aristoteles Weisheit und Klugheit, welche rein rational anzusehen sind.

Die Klugheit hat eine sehr wichtige Funktion für das Finden der „Mitte“. Sie geht der sittlichen Tugend voraus und gibt an, was dem Glück bzw. dem guten Leben zuträglich ist und was nicht.

Die Sophia, also die Weisheit besteht ausschließlich aus theoretischem Wissen.

[...]


[1] Vgl.: P.Stemmer: Tugend. in: Historisches Wörterbuch der Philosophie; Hrsg.: J.Ritter, K.Gründer; Band 10; Basel 1998; 1532-1533.

[2] P.Stemmer: Tugend. in: Historisches Wörterbuch der Philosophie; Hrsg.: J.Ritter, K.Gründer; Band 10; Basel 1998; 1533-1534.

[3] Ebd.

[4] Ebd.

[5] P.Stemmer: Tugend. in: Historisches Wörterbuch der Philosophie; Hrsg.: J.Ritter, K.Gründer; Band 10; Basel 1998; 1535.

[6] Vgl.: P.Stemmer: Tugend. in: Historisches Wörterbuch der Philosophie; Hrsg.: J.Ritter, K.Gründer; Band 10; Basel 1998; 1541-1542.

[7] Vgl.: P.Stemmer: Tugend. in: Historisches Wörterbuch der Philosophie; Hrsg.: J.Ritter, K.Gründer; Band 10; Basel 1998; 1544-1545.

[8] Vgl.: P.Stemmer: Tugend. in: Historisches Wörterbuch der Philosophie; Hrsg.: J.Ritter, K.Gründer; Band 10; Basel 1998; 1548.

[9] Aristoteles: Nikomachische Ethik, Buch II, Kapitel 1; in: Robert Spaemann, Walter Schweidler (Hg.): Ethik Lehr- und Lesebuch.Texte – Fragen – Antworten. Klett-Cotta 2006; S.55.

[10] Vgl.: P.Stemmer: Tugend. in: Historisches Wörterbuch der Philosophie; Hrsg.: J.Ritter, K.Gründer; Band 10; Basel 1998; 1548.

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Details

Title
Der Tugendbegriff von Aristoteles und seine Rezeption bei Thomas von Aquin
College
University of Koblenz-Landau  (Institut für Katholische Theologie)
Course
Das gute Leben. Nachgefragt bei den alten Griechen
Grade
1,0
Author
Year
2008
Pages
17
Catalog Number
V94145
ISBN (eBook)
9783640102839
File size
424 KB
Language
German
Keywords
Tugendbegriff, Aristoteles, Rezeption, Thomas, Aquin, Leben, Nachgefragt, Griechen
Quote paper
Martina Marmann (Author), 2008, Der Tugendbegriff von Aristoteles und seine Rezeption bei Thomas von Aquin, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94145

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