Entberuflichung und Altern als Übergang

Für einen gelingenden Alltag im Alter(n)


Hausarbeit, 2019

14 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Das Lebenslaufregime als Sozialintegratives Element
1.1 Unterscheidung von Biografie und Lebenslauf
1.2 Normbiografische Übergänge am Beispiel von Erwerbsarbeit
1.3 Altersbilder als Beispiel für Normbiografien

2. Möglichkeiten der Sozialen Arbeit beim Übergang ins Alter(n)
2.1 Der Stressansatz als Werkzeug der Sozialen Arbeit
2.2 Die Bewältigungstatsache und ihre Forderung an die Soziale Arbeit
2.3 Empowerment
2.4 Das Kompetenzmodell als Haltung Sozialer Arbeit

Fazit

Reflexion

Quellenverzeichnis

Einleitung

Der soziale Wandel, der in den letzten Jahrzehnten in Industrieländern vonstatten ging und stetig geht, sorgt dafür, dass sich gewohnte Rahmenbedingungen für das soziale Leben radikal verändern (vgl. Engelke et al. 2008:462). Veränderungen wie die fortschreitende Globalisierung, die Arbeitsteilung, die Mobilität, die Ökonomisierung aller Lebensbereiche und der damit einhergehende Wertewandel führen zu Schwierigkeiten im Zusammenleben (vgl. ebd. 462f.). Ulrich Beck hat diese in seinem 1986 erschienenen Buch „Risikogesellschaft - Auf dem Weg in eine andere Gesellschaft“ bereits zusammengefasst. Er verweist auf die Ungewissheit als Merkmal der Moderne (vgl. ebd.). Die Individualisierung einer Vielzahl an Lebensbereichen und Lebenswelten, sowie deren stetig wachsende Differenzierung nimmt er als Anlass, die Gesellschaft der Moderne als „Risikogesellschaft“ zu bezeichnen (vgl. ebd.). In dieser sehen der*die Einzelne sich immer mehr Risiken ausgesetzt, die zuvor bestehende Rahmenbedingungen bedingt auffangen konnten.

In Zeiten, in denen der*die Einzelne größeren Risiken für die eigene Lebensbewältigung ausgesetzt ist, sind Leitlinien erforderlich, welche Orientierung für das gesellschaftliche Leben bieten. Aufgabe des Sozialstaates ist es neben der Gewährleistung sozialer Sicherheit und einer gerechten Verteilungspolitik auch, soziale Integration zu ermöglichen, um „die Stabilität der Gesellschaft trotz sozialen Wandels [zu wahren]“ (Böhnisch 2013:3).

Die Institution des Lebenslaufregimes bildet in Industriestaaten einen Versuch des Sozialstaates ab, solch eine Leitlinie zu bieten. Hierbei sollen Differenzierungen, soziale Konflikte und Aufspaltungen der Lebensbereiche „jeweils neu aufeinander bezogen und wieder zusammengeführt, eben integriert“ werden“ (ebd.). Mit anderen Worten bedeutet das, dass Umbrüche und Verwerfungen aus Sicht des Individuums bewältigt werden wollen. „Der Einzelne muss aus seiner Lebenswelt heraus der Gesellschaft einen Sinn abgewinnen können“, also sozialen Anschluss finden in einer individualisierten und pluralisierten Gesellschaft (ebd.). Dies soll anhand der Leitlinie Lebenslauf oder vielmehr der Norm bewirkt werden, eine „an das Lebensalter gebundene Abfolge typischer, sozial definierter Zustände, [...] mit bestimmten Handlungserwartungen (Rollen)“ zu durchschreiten (Scherger 2009:532). Es herrscht also die Vorstellung, dass bestimmte Lebensphasen zwangsläufig durchschritten werden. Diese sind häufig an Altersphasen geknüpft wie beispielsweise der Besuch von Bildungseinrichtungen, die Berufsphase im Erwachsenenalter, die Familienplanung oder auch das Rentenalter. Dabei hat die biografische Aneignung des Lebenslaufes eine zentrale Rolle inne. Der Lebenslauf bildet den Leitfaden, anhand dessen Individuen vergesellschaftet werden, indem sie sich an Normbiografien orientieren und so ihren eigenen Lebenslauf gestalten. Dazu brauchen Individuen allerdings Aneignungsmöglichkeiten, um Lebensphasen beschreiten zu können und damit dem Lebenslaufregime und damit der staatlichen Forderung nach sozialer Integration gerecht werden können.

Gerade die Übergänge zwischen Lebensphasen gestalten sich je nach zur Verfügung stehenden Ressourcen und Kompetenzen, häufig schwierig. Dabei spielt die subjektive Bewertung von Stress in neueren Theorien der Übergangsforschung eine wichtige Rolle (vgl. ebd.). Die subjektive Bewertung von Stress beeinflusst auch die Bewältigung von Übergängen im Lebenslauf. Im Folgenden wird der Übergang ins (Renten-)Alter exemplarisch dargelegt. Dabei wird aufgezeigt, wie divers sich diese Übergänge gestalten (können), sowohl im Hinblick auf die Phase vor dem Alter(n), als auch auf die gesellschaftlich vorherrschenden Altersbilder. Die Komplexität von Übergängen abseits der Normbiografie wird exemplarisch an der Dichotomie Erwerbsarbeit gegenüber (Renten-)Alter aufgezeigt. Im weiteren Verlauf soll der gesellschaftliche Versuch einer Kategorisierung des Alter(n)s anhand von stereotypen Altersbildern verdeutlicht werden. Alter(n) soll kategorisiert werden, um Herausforderungen für die Soziale Arbeit beim Übergang und im Alter(n) zu vereinfachen. Jedoch legt eine Betrachtung von Altersbilders nahe, dass die Gruppe der „alten Menschen“ komplexer und diverser ist, als die Soziale Arbeit bisher angenommen hat.

Die Aufgabe der Sozialen Arbeit muss darin bestehen, diese Diversität (anzu)erkennen, Möglichkeiten zum Aufschließen von individuellen Biografien zu finden und damit diverse Bilder vom Alter(n) zu etablieren. Der Stressansatz nach Lazarus (1995) betont dabei die verschiedenen Voraussetzungen dafür, Überforderung gerade bei Übergängen im Lebenslauf zu empfinden.

Anhand des Ansatzes der Lebensweltorientierung nach Thiersch soll ein theoretischer Rahmen für die Soziale Arbeit geschaffen werden, der im Hinblick auf das Alet(n), Menschen als handlungsfähige Individuen betrachtet und im Sinne des Empowerments auch im Alter(n) als kompetent angesehen werden. Alter(n) soll weniger als Defizit- als vielmehr als Kompetenzmodell erfasst werden, um (weiterhin) als biografisch handelnde Subjekte im gesellschaftlichen Wandel selbstwirksam leben zu können.

1. Das Lebenslaufregime als sozialintegratives Element

1.1 Unterscheidung von Biografie und Lebenslauf

Obwohl die Begriffe Lebenslauf und Biografie im Alltag häufig synonym verwendet werden, sind sie aus soziologischer Sicht verschieden. Biografie meint im Gegensatz zum Lebenslauf, die subjektive Aneignung desselben, also die subjektive Identitätsarbeit über die Zeit hinweg betrachtet (Parson 1976: 27). Kollektiv betrachtet, lassen sich also Lebensphasen erkennen, welche Menschen durchlaufen, die Gestaltung, der Zeitpunkt von Veränderungen, sowie Verschränkungen von Phasen sind jedoch Ausdruck individueller biografischer Aneignung des Lebenslaufes. Dieser dient als „Stichwortgeber“ für die Biografie (vgl. ebd.). Hier wird deutlich, dass das Lebenslaufregime einen Vergesellschaftungsprozess vorantreibt, in dem sich Individuen an Lebensläufen, welche Normbiografien hervorbringen, orientieren (vgl. ebd.). Biografie und Lebenslauf sind reziprok, d.h. sie bedingen sich wechselseitig.

Besonders an den Übergängen zwischen Lebensphasen ist dies zu beobachten, wenn Erwerbstätige beispielsweise durch den Übergang von der Erwerbsarbeit in den Ruhstand einen Positionswechsel bzw. einen Rollenwechsel erleben und diesen bewältigen müssen. Damit sich ein Mensch auch im Ruhestand sozial integrieren kann, müssen biografische Anknüpfungspunkte gegeben sein (vgl. Parson 1976: 28). Diese Übergänge können verschieden gestaltet werden, machen also deutlich, dass die biografische Aneignung des Lebenslaufs divers ist.

1.2 Normbiografische Übergänge am Beispiel von Erwerbsarbeit

Die Notwendigkeit Lebensphasen zu durchschreiten, bringt auch die Auseinandersetzung mit der Gestaltung von Übergängen mit sich. Positionswechsel bzw. Rollenwechseln müssen bewältigt werden. Dabei wird deutlich, dass institutionalisierte Übergänge sich an einer Normbiografie orientieren: Typische Übergänge im Lebenslauf sind Übergänge im Bildungssystem, Übergänge in Elternschaft, in die Erwerbsarbeit und eben auch ins Alter(n). Normbiografisch betrachtet, erfolgt der Übergang ins Alter(n) von der Erwerbsarbeit hin zur Rente (vgl. Böhnisch 2018:228). Im Zuge dieser Transition wandelt sich der soziale Status, die Erlebensgrammatik des Alltags ändert sich und erfordert dadurch eine Veränderung der biografischen Relevanzsetzung (vgl. Frank/ Glinka 2013: 765f). Hier stellt sich die Frage der Konstruktion subjektiver Identität und Lebensgeschichte, mit der sich vor allem die Biografie-Forschung auseinandersetzt. Die Frage nach neuer Relevanzsetzung erfolgt auf individueller Ebene und steht exemplarisch für die individuelle Vermittlung zwischen institutionellem Lebenslauf und biografischem Handeln (vgl. Evans/ Heinz 1994:64ff).

Daten zeigen jedoch, dass die Situation der 66-71-Jährigen vor Beginn der Altersrente von 1996 bis 2014 wesentlich differenzierter zu betrachten ist (Engstler/ Gordo 2017:71). Während 1996 noch 62 Prozent der Ziel gruppe vor der Altersrente einer aktiven Erwerbsarbeit nachgingen, waren es 2014 nur noch 46,6 Prozent (vgl. ebd.). Die verbliebenen Prozent befanden sich in Altersteilzeit, waren arbeitslos, im Vorruhestand, erwerbsunfähig oder gingen einer Haushaltstätigkeit nach (vgl. ebd.). Vor allem die Zahl der Arbeitslosen und die derjenigen, welche sich in Altersteilzeit befanden, stiegen in den berücksichtigten Jahren an (vgl. ebd.). Dass Menschen im Alter(n) nach wie vor einer Erwerbstätigkeit nachgehen, auch über das jeweilige Rentenalter hinaus, kann u.A. mit der sozialintegrativen Funktion von Erwerbsarbeit erklärt werden. Dazu zählen u.A. die Kontrolle der eigenen Lebensbedingungen, die Möglichkeit, Fähigkeiten weiter zu entwickeln, die Abwechslung und Chance auf neue Erfahrungen und die Vorhersehbarkeit und Durchschaubarkeit von Ereignissen. Auch die finanziellen Mittel, die physische Sicherheit, soziale Kontakte und der Statuserhalt sind solche Funktionen (vgl. Stimmer 2000: 46 zit. n. Warr o.J.). Es spricht also aus soziopsychologischer Perspektive einiges dafür, nach Möglichkeit über das Renteneintrittsalter hinaus einer (Erwerbs-)Arbeit nachzugehen. Dies setzt allerdings voraus, dass dies gesundheitlich möglich ist, um weiter über Erwerbsarbeit auch sozial teilhaben zu können. Erwerbsarbeit dient damit u.A. der sozialen Integration: Wodurch sind Menschen sozial integriert bzw. können sich sozial integrieren, wenn die Erwerbsarbeit ausgehend von der Normbiografie mit dem Renteneintritt entfällt? Welche Aufgabe hat die Soziale Arbeit im Bezug auf die Gestaltung vom Übergang ins Alter(n)?

1.3 Altersbilder als Beispiel für Normbiografien

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) definiert auch für das Alter verschiedene Phasen: Vom 60. bis zum 65. Lebensjahr findet der Übergang ins Alter statt, bis 74 Jahre gehören Menschen zu den „jungen Alten“, bis 89 Jahre zu den „Betagten“ und „Hochbetagten“ und bis 99 Jahre zu den „Höchstbetagten“ (WHO 2002:o.S.). Diese Kategorien ergeben aus gesundheitlicher Sicht Sinn, da Menschen im Alter physisch und psychisch tendenziell Fähigkeiten verlieren. Allerdings kann die Lebenswelt von Individuen im selben Alter völlig verschieden aussehen: Nicht nur physische und psychische Konstitutionen sind divers, auch die Biografie mit allen errungenen Kompetenzen (und Defiziten) spielt eine Rolle bei der Einschätzung „der Alten“. Die angeführten Kategorien sollen aus gesundheitlicher Sicht Orientierung für Maßnahmen bieten (vgl. ebd.). Auch können sie sowohl für Individuen als auch für Sozialarbeitende ein Ausblick sein.

Die Bedeutung des Alter(n)s bleibt jedoch subjektiv bemessen. Versuche, diese für Kollektive zu pauschalisieren, sind schwierig. Gesellschaftliche und individuelle Bilder vom Alter(n) sind im Hinblick auf die Lebensrealität von Individuen generalisiert und zeichnen einseitige Bilder vom Alter(n): In Pflege und Medizin wird häufig die Pflegebedürftigkeit von Menschen betont, mögliche kommunikativ-soziale Unterstützung ist unterrepräsentiert (vgl. BMFSF 2019:15). Der Fokus der Kirche liegt dagegen bei der theologischen Nähe zum Thema Tod, jedoch bleiben auch hier oft die Kompetenzen der älteren Menschen ungenutzt (vgl. ebd.). In den Medien und der Gesellschaft nehmen kompetenzorientierte und differenzierte Darstellungen zu, Altersrollen werden in verschiedenen Räumen (z.B. der Werbung) ausprobiert (vgl. BMFSFJ 2019:19.). Altersbilder sind soziale Konstrukte, welche sowohl kollektiv- gesellschaftlich, als auch individuell gebildet werden: Auf der individuellen Ebene wirken Altersstereotype sich auf das Altersselbstbild aus (vgl. INQA 2017:22f.). Fügt sich das Selbstbild in die gesellschaftlich bzw. kollektiv bestehenden Altersbilder ein, wird von guten Bedingungen für die Gesundheit bzw. die Lebensqualität gesprochen (vgl. ebd.).

Die Weltgesundheitsorganisation spricht davon, dass Menschen „würdig altern“ können als Bewertung des „aktiven Alterns“.

„Unter Aktiv Altern versteht man den Prozess der Optimierung von Möglichkeiten von Menschen, im zunehmenden Alter ihre Gesundheit zu wahren, am Leben ihrer sozialen Umgebung teilzunehmen und ihre Sicherheit zu gewährleisten und derart ihre Lebensqualität zu verbessern.“ (WHO 2002: o.S.)

So definiert die WHO ihre Forderung zum einen an Individuen, ihr Leben im Alter zu gestalten, zum anderen auch an Institutionen wie die Soziale Arbeit, diese Möglichkeiten zu fördern. Die Schwierigkeit besteht darin, (anzu)erkennen, dass sich die biografischen, persönlichen, kulturellen, ökonomischen Voraussetzungen usw. von Individuen divers gestalten. Dazu trägt auch die unterschiedliche subjektive Bewertung von Veränderungen bei, die bestimmt, ob und inwiefern Menschen Unterstützung benötigen oder wollen. Der Stressansatz nach Lazarus liefert einen Ansatz zur Erklärung von Belastungsreaktionen.

[...]

Ende der Leseprobe aus 14 Seiten

Details

Titel
Entberuflichung und Altern als Übergang
Untertitel
Für einen gelingenden Alltag im Alter(n)
Hochschule
HAWK Hochschule für angewandte Wissenschaft und Kunst - Fachhochschule Hildesheim, Holzminden, Göttingen
Note
1,3
Autor
Jahr
2019
Seiten
14
Katalognummer
V941491
ISBN (eBook)
9783346270221
ISBN (Buch)
9783346270238
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Übergänge Lebenslauf Biographie Entberuflichung
Arbeit zitieren
Britta Hofmann (Autor:in), 2019, Entberuflichung und Altern als Übergang, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/941491

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Entberuflichung und Altern als Übergang



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden