Eine Meeresansicht, exakt mittig geteilt in Wasser und Himmel, die Zwillingstürme des World Trade Center schemenhaft in den Himmel ragend, der Innenraum eines Lichtspieltheaters, der von einer weißen Kinoleinwand erhellt wird – dass das verbindende Element der Fotoarbeiten Hiroshi Sugimotos die Zeit ist, erschließt sich nicht auf den ersten Blick. Der japanische Künstler, der seit 1970 in New York lebt, arbeitet in Fotoserien, die sich meist über Jahre hinstrecken. Seine Bilder sind vorwiegend in Schwarzweiß aufgenommen und zeichnen sich unter anderem durch ihre feine Abstufung der Grautöne aus. Erzielt wird dies durch die Verwendung einer alten Großbildkamera aus dem 19. Jahrhundert, die dem Künstler darüber hinaus noch besondere Möglichkeiten zur Einstellung von Schärfentiefe und Perspektive bietet.
Diese Arbeit geht anhand von vier exemplarisch ausgewählten Fotoserien, „Seascapes“, „Dioramas“, „Wax Museums“ und „Theaters“, den Zeitaspekten von Stillstand und Dauer in Hiroshi Sugimotos Werken nach unter Bezugnahme auf den vom französischen Philosophen Bergson geprägten Begriff „durée“.
Laut Gottfried Boehm ist das Medium Bild ein selbstständiges und vom verbalen unabhängiges System der Signaldarstellung mit eigenen Explikationsmöglichkeiten von Erkenntnis.
Hiroshi Sugimoto selbst gibt als übergeordnetes Thema drei seiner Fotoserien „Time Exposed“ an, also belichtete Zeit. Die Frage, die es zu klären gilt, lautet: Wie kann mittels belichteter Zeit erlebte Zeit erfahrbar gemacht werden?
Inhaltsverzeichnis
- 1. Einleitung
- 2. Seascapes: Zurück zu den Wurzeln
- 2.1. Seascapes
- 2.2. Zeitdauer
- 2.3. Erlebte Zeit
- 3. Dioramas und Wachsfiguren: Erinnerungen sichtbar gemacht und für die Ewigkeit konserviert
- 3.1. Dioramas
- 3.2. Wachsfiguren
- 3.3. Zeitdauer
- 4. Theaters: Ein ganzer Film auf einem Bild
- 5. Time Exposed - Durée: Erlebte Zeit als beleuchtete Zeit in den Fotografien Hiroshi Sugimotos
- 5.1. Time Exposed
- 5.2. Zeitdauer
Zielsetzung und Themenschwerpunkte
Die Arbeit befasst sich mit der Thematik von Stillstand und Dauer in den Fotografien Hiroshi Sugimotos. Sie analysiert, wie der Künstler mithilfe von Zeit und Raum in seinen Werken eine besondere Qualität von Zeit erfahrbar macht.
- Die Rolle von Zeit in der Fotografie
- Die Darstellung von Stillstand und Bewegung
- Das Konzept der Dauer und erlebten Zeit
- Die Verwendung historischer und zeitgenössischer Motive
- Der Einfluss philosophischer Konzepte auf Sugimotos Werk
Zusammenfassung der Kapitel
2. Seascapes: Zurück zu den Wurzeln
Sugimotos Seascapes-Serie zeigt das Meer als Urbild der Welt, das schon unsere Vorfahren erblickt haben. Die Bilder sind bewusst spartanisch gehalten, ohne Schiffe, Felsen oder Vögel, um dem Betrachter die Weite des Ozeans und die unberührte Natur zu vermitteln. Die Variationen in Wetter und Tageszeit spiegeln die dynamische Zeitlichkeit wider. Der zentrale Gedanke ist die Suche nach einem Bild der Welt in ihrer Urform, die uns an unsere eigene Ursprünglichkeit erinnert.
3. Dioramas und Wachsfiguren: Erinnerungen sichtbar gemacht und für die Ewigkeit konserviert
Die Dioramas und Wachsfiguren-Serien zeugen von Sugimotos Faszination für die illusionistischen Schaukästen naturhistorischer und wachsmusealer Sammlungen. Die dreidimensionalen Nachbildungen historischer Szenen und berühmter Persönlichkeiten sollen eine Lebensnähe vermitteln, die jedoch gleichzeitig eine gewisse Künstlichkeit und Starre in sich trägt. Sugimotos Schwarzweißaufnahmen betonen diese Gegensätze und vermitteln einen Eindruck von vergangener Zeit, die jedoch nicht nur konserviert, sondern auch in den Blickpunkt der Gegenwart gerückt wird.
4. Theaters: Ein ganzer Film auf einem Bild
Sugimotos Theaters-Serie widmet sich den leeren Innenräumen amerikanischer Lichtspielhäuser der 1920er und 1930er Jahre. Die Aufnahmen zeigen die weiße Leinwand im Bildzentrum, die von den Scheinwerfern angestrahlt wird. Die Kamera ist strategisch platziert, um die Perspektive des Filmprojektors einzufangen, wodurch die Perspektive des Zuschauers umgewandelt wird. Der Film selbst wird in ein statisches Bild transformiert, das die gesamte Dauer der Vorführung in sich vereint. Die Bilder unterstreichen so die Zeitlichkeit des Mediums Film und thematisieren zugleich die Vergänglichkeit der Lichtspielhäuser selbst.
Schlüsselwörter
Hiroshi Sugimoto, Fotografie, Zeit, Dauer, Stillstand, Bewegung, Erlebte Zeit, Diorama, Wachsfiguren, Theater, Film, Lichtspielhaus, Schwarzweißfotografie, Illusion, Erinnerung, Vergänglichkeit, Kunst, Philosophie, Henri Bergson, Durée.
- Arbeit zitieren
- Yvonne Joosten (Autor:in), 2009, Durée. Stillstand und Dauer in Hiroshi Sugimotos Fotogrammen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/942261