Die Heidelberger-Sammlung und Hans Prinzhorns Bildnerei der Geisteskranken im historischen Kontext


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

27 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Historischer Überblick
2.1. Geschichte der Psychiatrie
2.2. Geschichte der Kunsttherapie

3. Hans Prinzhorn
3.1. Die Heidelberger-Sammlung
3.1.1. Das Sammeln und Archivieren
3.1.2. Die Patienten und Ihre Werke
3.1.3. Die Sammlung in der Öffentlichkeit
3.2. Das Buch „ Bildnerei der Geisteskranken“
3.2.1. Teil A und B
3.2.2. Teil C
3.2.2.1. Was ist Schizophrenie ?
3.2.2.2. Die Einteilung der Bildwerke ( Beispiele )

4. Schlusswort

5. Bibliographie

1.Vorwort

In der folgenden Arbeit möchte ich auf das Leben und vor allem auf das Werk Hans Prinzhorns eingehen .Hauptthema und Gegenstand sind die von ihm mitbegründete Heidelberger-Sammlung und das von ihm verfasste Buch „ Bildnerei der Geisteskranken “ .

Um dieses Werk besser im historischen Kontext sehen zu können , stelle ich einen Überblick zur Geschichte der Psychiatrie bzw. der Kunsttherapie voran . Hieran anknüpfend gehe ich auf die Geschichte der Heidelberger-Sammlung und auf Hans Prinzhorns Veröffentlichung ein . Ich werde versuchen aufzuzeigen , welche Bedeutung dieses Werk für die damalige Zeit hatte , wen es beeinflusst hat etc. . Der Schwerpunkt der Buchbearbeitung liegt besonders bei Teil B und Teil C , der das vorangegangene Referat wiederspiegeln soll .Einige Bildbeispiele sollen Inhalt und Aufbau dieses Teils verdeutlichen .

Abschließend werde ich das Werk zusammenfassend kritisch beleuchten und es aus meiner eigenen Sicht interpretieren und bewerten .

2. Historischer Überblick

Im Mittelalter und zu Beginn der Neuzeit wurden Geisteskranke noch nicht ausgegrenzt , sie waren in das Alltagsleben zum größten Teil integriert . In der Mitte des 17. Jahrhunderts änderte sich diese Haltung und man fühlte sich von den Kranken bedroht . Es wurden Asyle geschaffen, in denen die psychisch Kranken verschwanden.

2.1. Geschichte der Psychiatrie

Schaut man auf die Geschichte der Psychiatrie , so sind deren Anfänge aus heutiger Sicht doch erschreckend . Es ist eine Geschichte der Inhumanität , der Illusionen und Irrtümer .

Bis ins 19. Jahrhundert hinein waren Peitschen und Ketten ganz „ normale“ Behandlungsmethoden . Im Zuge der französischen Revolution befreite der Arzt Philippe Pinel die Kranken von ihren Ketten und veröffentlichte Regeln , nach denen man künftig moderne Irrenanstalten organisieren und leiten sollte . Schlagen und Anketten war verboten . Pinel bestand auf eine „ moralische Behandlung der Irren “. Rechtzeitige Isolierung von der Familie , Arbeitstherapie , kalte Duschen und Zwangsjacken hielt er für nutzbringend .

Anfang des 19. Jahrhunderts wurden viele neue Methoden und Zwangsmittel erfunden, die die Verbotenen ersetzen sollten ; wie z.B. das Drehbett , der Drehstuhl , das hohle Rad und der fixe Badewannendeckel . Aber viel schlimmer war die moralische Zensur , die von nun an auf die Kranken ausgeübt wurde . Zur „ psychischen Behandlung “ wurden jegliche Arten von Demütigungen , Strafen und Nahrungsmittelentzug angewendet . Die Geisteskrankheit wurde als Schuld angesehen und konnte nur durch Sühne geheilt werden . Der Wahnsinn ist zum ersten Mal in der westlichen Kulturgeschichte psychologisch geworden . Diese Psychologisierung ist eine Folge der Moralisierung .

In der Mitte des 19. Jahrhunderts setzte eine andere Entwicklung mit weitreichenden Folgen ein . Es kam die Erkenntnis auf , dass die seelischen Störungen ihre Ursache in körperlichen Krankheiten hätten . 1845 erschien Wilhelm Griesingers Buch „ Die Pathologie und Therapie der psychischen Krankheiten “. Hierin beschreibt er das Irresein als ein Symptom und man müsste das erkrankte Organ lokalisieren . Nach Griesinger war stets das Gehirn erkrankt ; begründet auf physiologischen und pathologischen Tatsachen . Die naturwissenschaftliche Psychiatrie stand an ihrem Anfang .

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts machten die Hirnanatomie und –physiologie große Entdeckungen . 1861 wurde von P. Broca das sog. Sprachzentrum entdeckt . Andere psychische Funktionen wurden lokalisiert . Man glaubte die Theorie bestätigt , dass geistige Störungen Gehirnkrankheiten seien . Bei der Mehrzahl der psychischen Störungen konnten , die zugrundeliegenden Gehirnerkrankungen nicht nachgewiesen werden . Hiezu gehören die Neurosen , die eine Vielzahl von leichteren seelischen Störungen bilden , die manisch-depressiven Krankheiten und die Gruppe der Schizophrenien .

Den Begriff der Schizophrenie prägte 1911 Eugen Bleuler. Für ihn war für diese Psychose, eine eigentümliche Trennung der seelischen Vorgänge kennzeichnend , die den Eindruck einer Persönlichkeitsspaltung erweckte . Auch er nahm , als Ursache eine noch unbekannte Körperkrankheit an ; schloss eine reine seelische Erkrankung aber auch nicht aus . Er ging von einem Zusammenspiel körperlicher und seelischer Vorgänge aus und , dass Erlebnisse den Krankheitsverlauf beeinflussen könnten . Für seinen Sohn , Manfred Bleuler , war die Schizophrenie eine seelische Störung , die ihre Ursache in einer ungünstigen Wechselwirkung zwischen Veranlagung und des umgebenden Milieus hatte . Er schloss eine körperliche Erkrankung aus .

Für Emil Kraepelin und seine weit verbreitete Schule , war die Schizophrenie die Folge einer organischen Erkrankung des Gehirns ( „ Dementia praecox “ ) , ein sog. „ Verblödungsprozess “ .

Im 20.Jahrhundert wurden viele neue Methoden zur Behandlung hervorgebracht . 1928 kam die Cardiazolschock- , 1933 die Insulinschock- und 1938 die Elektroschockbehandlung in die Psychiatrie . Die Elektroschockbehandlung wurde bei akuten Psychosen eingesetzt , besonders bei Depressionen und war weit verbreitet .

Ab der Mitte des 20. Jahrhunderts entstand die „ Psychopharmakologie “, die langsam die Schockbehandlungen verdrängte . Es wurden zum erstenmal Neuroleptica , Thymoleptica oder Antidrepressiva in der Psychiatrie angewendet . Dies sind chemische Stoffe , die eine antipsychotische bzw. antidrepressive Wirkung haben . Seither können schwere Angst- und Erregungszustände , Sinnestäuschungen und Wahnideen medikamentös gemildert oder beseitigt werden . Durch diese „Ruhigstellung“ kann auf Isolierung und mechanische Beschränkungsmaßnahmen verzichtet werden . Viele Psychiater wurden in ihrer Hoffnung bestärkt , dass psychische Störungen doch körperlicher Natur waren und durch Medikamente geheilt werden könnten .

2.2. Geschichte der Kunsttherapie

Die Anfänge der Kunsttherapie entstanden im 19. Jahrhunderts . Man beobachtete , dass Patienten , die sich völlig selbst überlassen waren , spontan zu zeichnen anfingen. Sie benutzten dazu alle möglichen Arten von Papier , die sie finden konnten ( Zeitungs- , Pack- oder Toilettenpapier ) oder sie kneteten aus Brot Figuren , schnitzten aus Holz Gegenstände .

Zwei französische Psychiater , Ambroise Tardieu und Max Simon, publizierten 1870 Bücher, in denen sie die diagnostische Bedeutung der Kunst der Geisteskranken aufzeigten .

Simon bezog sich nicht nur auf die Zeichnungen ; er versuchte , eine Beziehung zwischen der Krankheit und dem kreativen Ausdruck zu finden. Er ging vom Inhalt der Bilder aus und versuchte aufzuzeigen , dass der Wahn sich in den Bildern wiederspiegele. Patienten mit Verfolgungswahn symbolisierten exzessiv und Patienten mit Größenwahn stellten große Plätze, große Gärten oder große Häuser da .

1907 veröffentlichte Marcel Réjà sein Buch „ L`art chez les Fous “. Erstmals wurde der künstlerische Aspekt der Bilder betont . Von den herabsetzenden Wertungen früherer Autoren distanziert sich Réjà . Der Verlust der rationalen Kontrolle begünstige die schöpferische Tätigkeit – es sei eine „ embryonale“ Form der Kunst . Der Gesunde habe hier die Chance , das Wesentliche , in ihrer nackten Ursprünglichkeit , klar zu erkennen .

Anfang des 20. Jahrhunderts brachte der italienische Psychiater Cesare Lombroso, den Irrsinn in Verbindung mit dem Begriff des Genies . Ihm war aufgefallen , dass der „ Irre “in ähnlicher Weise , wie das Genie produziere . Gemeinsam waren ihnen das Überschäumen von Inspiration , Träumen und Bewegungsdrang .

Sigmund Freud hat den ersten entscheidenden Vorstoß gegen die somatisch orientierte Seelenheilkunde unternommen . Er war der erste , der es wagte die Psychosen psychologisch zu deuten . Für ihn war die Schizophrenie nicht nur eine Krankheit , sie war zugleich der Versuch einer Heilung . Der Kranke flüchte sich aus seiner unerträglichen Wirklichkeit in die des Wahns . Der Wahn sei Verzweiflung , Trost und Selbstheilung zugleich .

Mit der Arbeit an seiner Traumdeutung , schrieb er dem Traum die psychische Erfüllung unterdrückter und verdrängter Wünsche zu .

Es war eine Zeit , in der auch die Wissenschaft erkannte ,dass es neben dem Bewussten und dem Körperlichen noch etwas anderes geben musste – das Unbewusste.

1891 schrieb der Arzt Panizza für diesen Sachverhalt folgendes Gleichnis :

„Die Klarheit dieser Flüssigkeit entspricht dem normalen Zustand eines Menschen . Bei normaler Geistesverfassung fühlen wir unsere Gedanken nicht als solche. Unser Geist ist klar. Sobald aber dieser Stöpsel Luft bekommt , beginnt das Perlen und Sich-Trüben der Flüssigkeit . Der Stöpsel also repräsentiert den kontrollierenden Druck unseres bewussten Aufmerkens , unseres Verstandes . Die aufsteigenden Perlen sind aber das Freiwerden der Imagination , die Bilder der Phantasie . In diesem Zustand befinden wir uns etwa im Schlaf . Unsere Aufmerksamkeit erlischt , und unsere Phantasie , die stets bereit ist , wie die Kohlensäure , sobald der Druck von ihr genommen , emporzusteigen, beginnt ihre Tätigkeit im Traum . Im Traum selbst sind wir kritiklose und naive Zuschauer . Sobald wir aber wieder erwachen , erblicken wir den Wirrwarr und wundern uns über unseren eigenen Zustand ! Mit dem bewussten Aufmerken , mit dem fester Draufdrücken des Stöpsels , hört der ganze Spuk wieder auf , die Perlen bleiben aus , die Flüssigkeit wird wieder klar . “[1]

D. h. , wenn wir den Stöpsel lösen bzw. unsere rationale Verstandeskraft hinten anstellen , bekommen wir Zugang zu unserer Phantasie , unserem kreativen Potential . Beim Prozess des Malens oder Zeichnens geschieht dies . Wir kommen in Kontakt mit unserem Unterbewussten und die produzierten Bilder sind eine Spiegelung dessen .

Dieser Kontakt zum Unbewussten wird in den Bildern der „ Geisteskranken “ besonders deutlich . Sie haben einen direkten Zugang , da die kontrollierende Instanz zeitweise oder völlig ausgeschaltet ist .

In dem Buch von Walter Morgenthaler „ Ein Geisteskranker als Künstler “ (1921) und in Hans Prinzhorns Buch „ Bildnerei der Geisteskranken “ (1922) , wird deutlich, dass diese verborgenen Seiten klar zum Vorschein kommen .

In der Zeit dieser Publikationen , war die wissenschaftliche Psychiatrie fest davon überzeugt, dass das krankhaft-destruktive seelische Geschehen sich nur negativ auf die schöpferischen Fähigkeiten auswirken könne . Morgenthalers Erhebung der Kranken vom Patienten zum Künstler , erschien den damaligen „ Irrenärzten “ wie ein Wahnsinn . Er hoffte aber , mit seiner Monographie „ Bausteine zu liefern für ein Fundament , auf dem sich eine Psychologie der Kunst aufbauen lassen wird “ ( Morgenthaler,1921) . Was natürlich kritisch und misstrauisch von der Psychiatrie verfolgt wurde .

3. Hans Prinzhorn

Hans Prinzhorn ist am 8.Juni 1886 als Fabrikantensohn in Hermer / Westfalen geboren. Zunächst studierte er Kunstgeschichte in Wien und promovierte in diesem Fach . Erst nach einer Gesangsausbildung in London studierte er Medizin . Er wandte sich der Psychiatrie zu und beschäftigte sich eingehend mit der Psychoanalyse Sigmund Freuds , die der Medizin und vor allem der Psychiatrie neue Dimensionen eröffnen sollte .

[...]


[1] Esther Dreifuss-Kattan : Praxis der Klinischen Kunsttherapie . Hans Huber Verlag 1986 . S. 44 .

Ende der Leseprobe aus 27 Seiten

Details

Titel
Die Heidelberger-Sammlung und Hans Prinzhorns Bildnerei der Geisteskranken im historischen Kontext
Hochschule
Universität Bremen  (Kunstgeschichte)
Veranstaltung
SS 2002
Note
1,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
27
Katalognummer
V9424
ISBN (eBook)
9783638161336
Dateigröße
2892 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heidelberger-Sammlung, Hans, Prinzhorns, Bildnerei, Geisteskranken, Kontext
Arbeit zitieren
Bettina Winkler (Autor:in), 2002, Die Heidelberger-Sammlung und Hans Prinzhorns Bildnerei der Geisteskranken im historischen Kontext, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/9424

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Die Heidelberger-Sammlung und Hans Prinzhorns  Bildnerei der Geisteskranken  im historischen Kontext



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden