Geschlechterdifferenzen im Ernährungsverhalten und seine Hintergründe


Hausarbeit (Hauptseminar), 2006

21 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Problemstellung

2. Geschlechtstypische Ernährungsgewohnheiten
2.1 Verzehrgewohnheiten
2.2 Nahrungspräferenzen und geschmackliche Vorlieben
2.3 Biologische Bedingtheiten
2.4 Einstellungen zum Essen

3. Erklärungsansätze
3.1 Überblick
3.2 Doing Gender - Konstruktion von Geschlecht
3.3 Doing Gender beim Essen und Trinken
3.4 Ernährungssozialisation
3.5 Geschlechterglaubensvorstellungen
3.6 Machtaspekt
3.7 Der absolute Mann, die absolute Frau

4. Nachwort

5. Bibliografie

1. Problemstellung

Ernährungssoziologie als Teildisziplin der Soziologie ist bis dato relativ unerforscht. Dies liegt nicht zuletzt daran, dass sie wegen vermeintlicher Gründe bislang nicht sonderlich Ernst genommen wurde. Jene Gründe basieren auf der Annahme, dass Ernährung ein trivialer Akt des Alltags sei, hauptsächlich aus der naturwissenschaftlich- medizinischen Perspektive Objekt von Forschungen und letztendlich „Frauensache“ war. Das Teilgebiet Geschlechterdifferenzen im Ernährungsverhalten ist dementsprechend mehr oder weniger ignoriert worden. Wenn es jedoch in Forschungen oder Publikationen behandelt wurde, dann war grundsätzlich eine Orientierung hinsichtlich Geschlechterforschung oder aber Ernährungsforschung zu sehen. So gibt es bis heute zahlreiche statistische Verzehrserhebungen, die sich zwar auf „männliche“ und „weibliche“ Essende konzentrieren, in denen aber ein potenzieller Unterschied zwischen dem Essverhalten der Geschlechter ignoriert wird. In anderen Publikationen wiederum wurde dieser Aspekt zwar betrachtet, aber lediglich deskriptiv behandelt und dargelegt. So wurde eine gewisse Ausgangsbasis geschaffen, aber weiter gedacht wurde nicht. In den letzten Dekaden ist es nun wenigen Wissenschaftlern gelungen, sowohl den Geschlechtsaspekt als auch die ernährungswissenschaftliche Komponente in einen mehr als deskriptiven Zusammenhang zu bringen. Diesen ist der Erfolg von eventuellen Klärungsansätzen zum geschlechterdifferenten Ernährungsverhalten zu verdanken, der seine Beachtung in dieser Hausarbeit finden soll. Schließlich umfasst dieses Thema nicht nur die Frage nach dem Wer und was?, sondern auch nach dem Wer und warum?, da Ernährung niemals eine bloße biologisch-körperliche Dimension besaß. Vielmehr sollte der soziokulturelle Aspekt, und somit auch die Auseinandersetzung mit dem Essverhalten der einzelnen Geschlechter, mitbedacht werden. Hier kommt das Konzept des Doing gender1 ins Spiel. Im Rahmen der Hohenheimer Beiträge zu Gender und Ernährung, schreibt Monika Setzwein, dass Geschlecht keine „voraussetzungslose, naturgegebene“, also biologisch-körperliche, „Konstante“2 ist, sondern als eine fundamentale soziale Institution betrachtet werden muss. Inwiefern sich diese soziale Kategorisierung von Geschlecht mit Ernährung in Zusammenhang bringen lässt, lässt sich vor dem Hintergrund der Geschlechterpräsentation erklären. Mittels Ernährung können sich die Geschlechter ausdrücken, reproduzieren, und in die duale Geschlechterordnung einreihen. In diesem Kontext muss sich demnach die Frage gestellt werden, ob und inwiefern unterschiedliche Ernährungsstile der einzelnen Geschlechter dazu genutzt werden können, Männlichkeit oder Weiblichkeit herzustellen.1 Hierbei soll auch der Machtaspekt von Nahrung berücksichtigt werden, der eine Einteilung in schwache und starke Nahrung thematisiert. Ein anderer Erklärungsansatz für Geschlechterdifferenzen im Ernährungsverhalten geht davon aus, dass Ernährung mit einer spezifisch „männlichen“ beziehungsweise „weiblichen“ Komponente bereits in der Sozialisation geprägt und längerfristig beibehalten wird.

Zuletzt wird sich diese Arbeit auch mit dem Aspekt der Geschlechterglaubensvorstellungen beschäftigen, nach dem bestimmte alte und neue Rollenmuster die Wahrnehmung von essenden Personen durch Andere beeinflussen.

2. Geschlechtstypische Ernährungsgewohnheiten

2.1 Verzehrgewohnheiten

In statistischen Verzehrserhebungen zeigte sich, dass Frauen vorwiegend leichte Produkte, wie Gemüse, Milchprodukte, Quark, Joghurt, Vollwertkost und Lightprodukte verzehren, wohingegen bei Männern ein höherer und häufigerer Konsum von Alkohol und ein höherer Verzehr von energiereichen, zumeist fleischhaltigen, schweren Speisen, zu erkennen ist. Männer nehmen pro Tag pro Person zum Beispiel etwa 29,5 Gramm an Fleisch und Wurstwaren zu sich. Weniger als ¼ der Frauen konsumieren überhaupt täglich Fleisch. Dies zeigt sich auch an der Tatsache, dass gerade einmal jeder fünfte Vegetarier männlich ist. Die Frauen dominieren nicht nur unter den Vegetariern, sondern überwiegen auch hinsichtlich des Obstverzehrs. Laut einer jüngsten Studie des Robert-Koch-Instituts2 nehmen 66% der befragten Frauen täglich frisches Obst zu sich. Bei den befragten Männern lag der Wert gerade einmal bei 45%.

Die nachfolgende Abbildung 2 dokumentiert, was täglich von deutschen Frauen und Männern gegessen wird, und berücksichtigt ebenfalls die Ergebnisse einer ähnlichen Studie aus dem Jahre 1991. Die erhobenen Daten basieren auf einer Umfrage von 1998. Ersichtlich ist, wie bereits beschrieben, dass Männer einen höheren Verzehr von Fleischwaren, Frauen dagegen einen höheren Verzehr von Milchprodukten, Obst und Gemüse, und einen geringeren Verzehr von tierischen Fetten aufweisen.

Abb. 1 - Quelle: Robert-Koch-Institut

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ähnlich verhalten sich die typisch „männlichen“ und „weiblichen“ Tendenzen auch bei Alkohol: Nur etwa 40% der Frauen lassen sich als gelegentliche beziehungsweise regelmäßige Konsumenten von Alkohol bezeichnen, wobei der Wert der Männer bei rund 75% liegt. Die Masse des konsumierten Alkohols bewegt sich ebenfalls in unterschiedlichen Dimensionen: 27% der Männer, ein Drittel sogar bei 18-24jährigen, konsumieren mehr als drei Liter Bier pro Woche. Dieses Maß erreichen gerade einmal 3,4 % der Frauen. Sie bleiben zu drei Viertel unterhalb der Grenze von einem Liter pro Woche.

Männer trinken zudem am häufigsten Bier und hochprozentige Spirituosen, Frauen hingegen mehr Sekt und Wein, aber auch süßere Spirituosen, wie Likör.

Dass es einen eklatanten Unterschied zwischen den Geschlechtern hinsichtlich gesunder Ernährung gibt, hat sich bislang nicht nur in zahlreichen Verzehrserhebungen offenbart, sondern wird auch gerne von Werbeproduzenten ausgenutzt. Selten wird man einen Mann im Fernsehen sehen, der Lightprodukte oder probiotische Nahrungsmittel anpreist, da Frauen im Durchschnitt ihre Ernährung „gesünder“ gestalten und gerade das, was als gesund „gilt“ und „propagandiert“ wird, auf Frauen mehr wirkt, als auf Männer. Frauen, so Setzwein, „stellen ihr Ernährungswissen und ihr so genanntes Gesundheitsbewusstsein in den Dienst einer Modellierung des Körpers“1. Dies bedeutet, dass Gesundheitsorientierung bei Frauen auch immer eine gewisse Attraktivitätsorientierung gleichsetzt. Überdurchschnittlich gesundheitsbewusst verhalten sich etwa 47% der weiblichen Bevölkerung, aber nur etwa 25% der Männer.2

Aber auch international zeigt sich die Gültigkeit dieser Werte (siehe Abb. 3). Im Fall von Kanada konzentrierte sich 2002 eine Studie des National Institute of Nutrition, in Zusammenarbeit mit Health Canada und eine Reihe anderer Partnerorganisationen, auf das Konsumverhalten und Ernährungsbewusstsein erwachsener Kanadier.3 Die erhobenen Daten sollten Aufschluss über die Rolle der Ernährung in der Gesundheit geben.

Abb. 2 - Quelle: National Institute of Nutrition, 2002

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Allgemein lässt sich feststellen, dass auch in Kanada mehr Frauen, als Männer, Ernährung für einen entscheidenden Faktor in der Auswahl von Speisen betrachten. Mehr als die Hälfte (59%) der Frauen und beinahe die Hälfte der Männer gab an, dass sie Ernährung für sehr wichtig erachten.

Ein ähnliches Ergebnis zeigte kürzlich eine Studie aus Großbritannien.1 Foods Standards Agency, in Zusammenarbeit mit dem Department of Health, führte 2000/2001 eine landesweite Umfrage durch, in der 2251 Briten exemplarisch zum Verzehr von Essen befragt wurden. Männer verzehrten allgemein mehr, und vor allen Dingen unterschiedliche Arten, Fleisch und Fleischprodukte als Frauen. Nur bei den Werten von Hühnchen und Pute näherten sich die Werte (Männer 82%, Frauen 77%) an, was eine allgemeine internationale Tendenz zu sein scheint.

Kritisch anzuführen ist, dass die bereits erwähnte Studie des Robert-Koch-Instituts erstaunlicherweise gerade bei Frauen deutliche Mangelerscheinungen aufdeckte, die auf Mangelernährung zurückgeführt werden. Zum Beispiel ist eine potenzielle Unterversorgung bei jüngeren Frauen hinsichtlich Eisen zu beobachten. Besonders 18- 24jährige Frauen wiesen einen erhöhten Mangel an Calcium auf. Demnach scheint das vermeintliche „weibliche“ Gesundheitsbewusstsein tatsächlich vorwiegend eine Attraktivitätsorientierung zu offenbaren.

Es lässt sich zu den Verzehrgewohnheiten noch hinzufügen, dass Frauen eher mehrere kleine Portionen pro Tag, anstatt drei klassische Mahlzeiten, zu sich nehmen, wohingegen Männer größere Mahlzeiten bevorzugen und gleichzeitig weniger auf die Qualität und Inhaltsstoffe der Nahrungsmittel achten.

2.2 Nahrungspräferenzen und geschmackliche Vorlieben

Das Ernährungsverhalten der Geschlechter unterscheidet sich weiterhin signifikant hinsichtlich Nahrungspräferenzen. Frauen essen lieber Reis-, Gemüse- und Nudelgerichte, süße Desserts und Liköre. Männer andererseits, wie bereits unter Punkt 2.1 angesprochen, Fleischgerichte, stark gewürzte, deftige Mahlzeiten, sowie herbe und scharfe Getränke.2

[...]


1 Dieser Begriff wurde erstmals 1987 von den SoziologInnen Candace West und Don H. Zimmermann geprägt.

2 Setzwein, In: Rückert-John 2004, S. 57

1 vgl Rückert - John 2004, 6

2 Der Ernährungsbericht der Deutschen Gesellschaft für Ernährung aus dem Jahr 2000 stützt sich auf verschiedene Verbrauchs- und Verzehrstudien, und liefert somit die aktuellsten Daten zum Ernährungsverhalten Erwachsener in Deutschland.

1 Setzwein, In: Rückert-John 2004, 51

2 vgl. Setzwein/Prahl 1999, 77

3 vgl. http://www.hc-sc.gc.ca/fn-an/alt_formats/hpfb-dgpsa/pdf/surveill/factsheet_canada_thinks- dossier_canada_pense_e.pdf, 2002

1 vgl, http://www.statistics.gov.uk/downloads/theme_health/NDNS.pdf (2002)

2 Eine Auswertung des Statistischen Bundesamtes hat gezeigt, dass diese Tendenz und die Tatsache, dass in 90% der Beziehungen Frauen das Essen nach den Nahrungsvorlieben der Männer zubereiten, Mitresultat für die Übergewichtigkeit von etwa 44% aller verheirateten Frauen sind. (vgl. www.onleben.t-online.de, Januar 2006)

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Geschlechterdifferenzen im Ernährungsverhalten und seine Hintergründe
Hochschule
Universität Potsdam
Veranstaltung
Sustainability Transition
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
21
Katalognummer
V94265
ISBN (eBook)
9783640100880
ISBN (Buch)
9783640133994
Dateigröße
637 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aufgrund der guten Gliederung, der sehr guten Darstellung und ausgewogenen Argumentation sowie dem Bearbeitungsstand der Literatur möchte ich Ihnen die Note 1,3 (sehr gut) geben.
Schlagworte
Geschlechterdifferenzen, Ernährungsverhalten, Hintergründe, Sustainability, Transition
Arbeit zitieren
Janett Menzel (Autor:in), 2006, Geschlechterdifferenzen im Ernährungsverhalten und seine Hintergründe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94265

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