Strategien der Manipulation und der Emotionalisierung in der arabisch politischen Rhetorik am Beispiel ausgewählter Reden Usama bin Ladens


Research Paper (undergraduate), 2006

26 Pages, Grade: 1,3


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Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Geschichte der Rhetorik
1.2. Die antike Rhetorik
1.3. Die arabische Rhetorik
1.3.1. Der Begriff Balāġa بلاغة („Sprachkunst“).
1.4. Ziel der Hausarbeit

2. Biographie bin Ladens.

3. Die Rede vom 27.04.2006.
3.1. Themen der Rede
3.2. Rhetorische Mittel als Manipulations- und Emotionalisierungsstrategie
3.2.1. Göttliches Wort und sakrale Rhetorik
3.2.2. Funktion der sakralen Rhetorik
3.2.3. Irreführende Logik
3.2.4. Die Balāġa بلاغة („Sprachkunst“) bin Ladens

4. Die Rede „Mit Gottes Erlaubnis nehmen wir Rache“ (19.01.2006)
4.1. Thema der Rede
4.2. Rhetorische Mittel als Manipulations- und Emotionalisierungsstrategie
4.2.1. Irreführende Logik
4.2.2. Schwarz-Weiß Darstellungen
4.2.3. Halbwahrheiten
4.2.4. Sakrale Rhetorik
4.2.5. Die Balāġa بلاغة („Sprachkunst“)

5. Zusammenfassung

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

1.1. Geschichte der Rhetorik

Wie Aristoteles einst schon der Meinung war, dient die Rhetorik und die mit ihr verbundenen Strategien und Mittel zur emotionalen Beeinflussung des Zuhörers.[1] Historiker sind sich einig, dass die Rhetorik als Redekunst mit der Entwicklung der Demokratie im 5. Jh. v. Chr. in Athen entstand. Dank der freien Meinungsäußerung, konnte der Bürger nun seine Interessen öffentlich vorstellen und vortragen. In den politischen Reden wurde sie zu einem politischen Instrument um die Aufmerksamkeit des Zuhörers auf sich zu lenken und um ihn zu überzeugen.

Schon im 2. Jh. v. Chr. erschienen in Rom wichtige Abhandlungen über die Rhetorik z.B. Ciceros Orator. Bis zur Renaissance galt dieser Text und andere Arbeiten als wichtige und vorbildliche Werke der Rhetorik, besonders was die politische Rede betrifft, die mit der Entwicklung der republikanischen Amtsgewalten durch Augustus ihren Stellenwert verloren. Ab dem 1. Jh. n. Chr. wandelt sich die Rhetorik der Redekunst zur Rhetorik der Schreibkunst und wird vermehrt in der Dichtung gebraucht. Während des Mittelalters und bis zur Aufklärung ist die Rhetorik nicht von der Dichtung zu trennen.

Darüber hinaus wurde die Rhetorik ebenfalls im sakralen Bereich genutzt. Die Predigtkunst in den Kirchen und in Königshöfen gewinnt an großer Bedeutung und verdrängt die Redekunst politischer Rhetorik.

Während der Zeit der Klassik und des Humanismus und sogar bis zum 18. Jh. galt die Rhetorik als unentbehrliche Disziplin und als Teil der literarischen Bildung.

Durch die Entwicklung der Medien und der gesellschaftlichen Bedingungen in den 80er und 90er Jahren des 20. Jh. verlor die Rhetorik an Bedeutung und wurde zu einer Disziplin, die nur von Sprach- und Literaturwissenschaftlern analysiert und verstanden wird.[2]

1.2. Die antike Rhetorik

Seit Aristoteles unterscheidet man drei Arten der Rede (genera dicendi): Die Gerichtsrede (genus iudiciale); die politische Rede (genus deliberativum); und die Lob- oder Tadelrede (genus demonstrativum).

Das Erstellen einer Rede basiert auf fünf Arbeitsphasen: In der ersten Phase muss der Redner Argumente und Inhalte für seine Rede finden (inventio). In der zweiten Phase muss er seine Argumente ordnen und gliedern (dispositio) und sprachlich formulieren (elocutio). Hier müssen vier Stilqualitäten überprüft werden: Die grammatische Korrektheit (puritas), die Klarheit (perspicuitas) und Schönheit (ornatus) der Sprache und die Übereinstimmung des Redestils mit dem Inhalt und Thema (aptum) der Rede. Die beiden letzten Arbeitsphasen beinhalten das Auswendiglernen (memoria) und das Vorbereiten der genauen Vortragsweise (pronuntiatio).

Jede Rede hat eine Einleitung (exordium), einen Hauptteil (argumentatio) und einen Schluss (conclusio).[3]

Die sprachlichen und rhetorischen Mittel, die ein Redner in seinem Text einbaut, werden als Figuren (figurae) bezeichnet. Die wichtigsten Figuren werden wie folgt unterteilt:

- Klangfiguren: Die Onomatopoesie bezeichnet die Lautmalerei.
- Wortfiguren: Die Hyperbel ist die Übertreibung eines Ausdrucks
- Satzfiguren: Die Ellipse bezeichnet das Auslassen eines oder mehrerer Wörter in einem Satz, die in Gedanken von dem Zuhörer oder Leser ergänzt werden müssen.
Der Parallelismus meint die Wiederholung derselben Wortreihenfolge in mehreren Sätzen.
- Gedankenfiguren: Der Klimax bezeichnet den Höhepunkt einer Aussage sowohl aufsteigend als auch absteigend.
Die rhetorische Frage dient dazu eine Aussage zu bekräftigen und Bestätigung vom Zuhörer zu erlangen.
- Tropen: Sie bezeichnen die Bedeutungsveränderung eines Wortes in einem Satz oder Text. Beispiele für tropische Figuren sind folgende:

Die Metapher überträgt die eigentliche Bedeutung eines Wortes auf eine andere.

Diese Liste der Figuren ist länger als ich sie hier in dieser Arbeit dargestellt habe. Sie soll lediglich einen kleinen Überblick auf die rhetorischen Mittel verschaffen

1.3. Die arabische Rhetorik

Auf der arabischen Halbinsel wurden Dichtungen, Reden und Lebensweisheiten von den Nomaden ständig nur mündlich von Generation zu Generation weitergegeben. Erst 500 n. Chr. entwickelte sich eine Poesie und Reimprosa, die erst später von Philologen gesammelt und niedergeschrieben wurden. Bei Stammesauseinandersetzungen wurde das Wort als Waffe benutzt um Selbstlob und Schmähungen des Feindes auszusprechen.[4]

Der Marktplatz in ¹Ukāœ bei Mekka diente nicht nur als wirtschaftlicher Treffpunkt der Händler, die ihre Waren verkauft haben, sondern er war auch eine Gelegenheit die neusten Geschichten, Dichtungen und Weisheiten vorzutragen und auszutauschen. Somit entwickelte sich der Dialekt Mekkas zur Standard- und Vorbildsprache.

Durch das Erscheinen des islamischen Propheten Muhammads und des Korans, gewann die Sprache an Bedeutung und festigte sich. Die Sprache des Korans galt als unnachahmbar und diente als Grundlage für das Systematisieren und Analysieren der arabischen Sprache. Es sind nicht die altarabischen Dichtungen, die die Basis für eine einheitliche Regelung des Arabischen schufen, sondern es war der Koran, dessen Sprache und Syntax als heilig galten, so dass sie als Vorbild und Modell des richtigen Gebrauchs des Arabischen fungierten.

Nach dem Tod des Propheten entwickelten sich die ersten politischen Reden der Kalifen.

Der erste arabische Philologe, der sich mit der arabischen Sprache und Dichtung befasste war al-‘alīl Ibn A”mad al-Farā”īdī (gest. 791). Sein Schüler Abū Bišr ‛Amr Ibn ‛U–mān Sībawaih (gest. 793) schrieb die erste arabische Grammatik in arabischer Sprache und beschäftigte sich mit sprachlichen Phänomenen der Rhetorik, wie mit Ellipsen, Sprachbildern usw.[5]

Zusammenfassend kann man sagen, dass die schöne und bildliche Sprache des Korans und der altarabischen Dichtung die Dichter und Redner fasziniert und für ihre Texte inspiriert haben.

1.3.1. Der Begriff Balāġa بلاغة („Sprachkunst“)

In der Alltagssprache wird der Begriff „Sprachkunst“ für eine gehobene, stilvolle Hochsprache benutzt, die mit ästhetischen und gebildeten Formulierungen geschmückt ist. Ferner erreicht man mit diesem Begriff, dass die kunstvolle Sprache von der Alltags- und Fäkalsprache abgegrenzt wird. Jedoch ist diese Ansicht sehr subjektiv, da jeder Sprecher für sich selbst entscheidet welche Sprache kunstvoll ist.

In den politischen Reden führt die Sprachkunst, sofern sie in korrekter Weise angewendet wird, zu einer Emotionalisierung und Manipulation des Zuhörers. Obwohl sich die arabische Sprachkunst auf einige rhetorische Figuren der antiken Rhetorik, wie Metapher, Ellipse usw., beruht, entwickelte sie dennoch ein eigenes System. Dieses System wurde dann Balāġa genannt, auch als „der gute Stil“ bekannt. Dr. Kristina Stock übersetzt den Begriff wie folgt:

„Das Erreichen eines hohen Grades an Ausdrucksgewandtheit“[6].

Man kann die Balāġa allerdings nur einer Arbeitsphase der antiken Rhetorik zuordnen, dem elocutio.[7] Alle anderen Arbeitsphasen gehören vielmehr der Hatāba („Redekunst“).

Ein anderes wichtiges Sprachmittel der Balāġa ist die Onomatopoesie. Die rhythmischen Laute erzeugen eine große Ausstrahlungskraft der Sprache und emotionalisieren somit den Zuhörer. Dieses Stilmittel werde ich später anhand einer Rede darstellen.

1.4. Ziel der Hausarbeit

In dieser Arbeit werde ich zwei ausgewählte Reden Usama bin Ladens auf sprachlicher Ebene analysieren. Die erste Rede, die ich darstellen werde, hielt bin Laden am 27.04.06 und die zweite am 19.01.06. Da Usama bin Laden in den Reden zwei unterschiedliche Adressaten anspricht, ist der Aufbau beider Reden unterschiedlich. Nun gilt es diese Unterschiede zu untersuchen. Sind sie eher inhaltlicher oder sprachlicher Natur? Wie manipuliert bin Laden sein Publikum? Gibt es verschiedene Manipulationsstrategien je nach Publikum?

2. Biographie bin Ladens

Bin Laden wurde 1957 in Riad, Saudi Arabien geboren. Aufgrund der erfolgreichen Geschäfte seines Vaters wuchs bin Laden in wohlhabenden Verhältnissen auf. 1968 nahm sein Vater an dem Wiederaufbau der al-Aqsa Moschee, die zu jener Zeit von einem Brand zerstört wurde, teil. 1969 kam er bei einem Flugzeugabsturz ums Leben. Schon als Jugendlicher war bin Laden sehr religiös und engagierte sich für islamische Einrichtungen und für die ägyptischen Muslimbrüder. Er studierte in Djedda und promovierte an der saudischen Universität König Abd al-Aziz im Bereich Wirtschaftswissenschaften.

1979 nahm bin Laden mit afghanischen Mudjahidin zum ersten Mal am Djihad gegen die Russen teil. 1988 gründete er das al-Qaida Verzeichnis, das Informationen über alle Mudjahidin Bewegungen und deren Mitglieder, die sich zum heiligen Krieg bereit erklären, beinhaltet. So wurde al-Qaida immer mit bin Laden in Verbindung gebracht.

Nachdem Abzug der Russen aus Afghanistan, kehrte bin Laden nach Saudi Arabien zurück, wo er unter Arrest stand. 1992 verließ er dennoch Saudi Arabien, um von Afghanistan aus in den Sudan zu fliehen. Infolge dessen beschlagnahm die saudische Regierung sein Vermögen und er verlor 1994 seine saudische Nationalität.

Al-Qaida verübte sämtliche Anschläge in Somalia, Jemen und Riadh gegen amerikanische Stützpunkte aus. Die USA setzte aufgrund dieser Ereignisse den Sudan unter Druck bin Laden zu übergeben. Aus Angst in amerikanischer Gefangenschaft zu geraten, verließ er den Sudan und kehrte nach Afghanistan zurück. 1996 erklärte er den USA den Krieg. Ab dieser Zeit fanden zahlreiche Anschläge gegen amerikanische Behörden und Stützpunkten statt. Einer der dramatischsten Anschläge vollzog sich am 11.09.2001 in New York City und Washington, D.C.

Obwohl bis heute ein wirklicher Beweis für den Anschlag am 11.09. aussteht, gilt bin Laden dennoch als Drahtzieher und Verantwortlicher für Terrorangriffe auf die USA.

Seine Verantwortlichkeit ist allerdings zweifelhaft, da er nie in direkten Kontakt mit einigen Tätern steht.[8]

3. Die Rede vom 27.04.2006

3.1. Themen der Rede

Seit den Anschlägen auf das World Trade Center am 11.09.01 hält sich bin Laden versteckt.

In seiner Rede thematisiert er zunächst die Muhammad Karikaturen. Darüber hinaus spricht er über den Nahost-Konflikt, die Hamaz Regierung, den Irak und über die islamische Welt im Allgemeinen.

Es ist bemerkenswert, dass er zum ersten Mal in seinen Reden die Situation im Sudan anspricht. Außerdem erwähnt er auch die angebliche Bereitschaft zum europäisch islamischen Dialog seitens der westlichen Welt. Bin Laden ist der Ansicht, dass keine Dialoge zwischen den Kulturen existieren. Stattdessen herrschen nur Konflikte zwischen der islamischen und der westlichen Welt.

Ferner äußert er in seiner Rede seine Enttäuschungen gegenüber der islamischen Regierung und Staatsmänner und gegenüber den arabischen Journalisten, die er als Heuchler bezeichnet, da sie – seiner Meinung nach – die Karikaturen nicht bekämpfen.

Am Ende seiner Rede plädiert er an die islamische Gesellschaft für die islamischen Werte und Ziele zu kämpfen und sie zu bewahren.

3.2. Rhetorische Mittel als Manipulations- und Emotionalisierungsstrategie

3.2.1. Göttliches Wort und sakrale Rhetorik

Ein Text, der eine Kommunikation schaffen will, kann erst dann wirksam sein, wenn drei Aspekte gewährleistet sind. Der Text muss einen Sender und einen Empfänger haben. Damit eine Kommunikation zwischen beiden Instanzen entsteht, bedarf es einer Mitteilung, die der Sender dem Empfänger macht. In dieser Rede ist bin Laden als religiöser und islamischer Führer, der stark an die islamischen Werte und Normen glaubt, der Sender. Der Empfänger ist die „Islamische Umma“, da er sein Publikum schon am Anfang der Rede eingrenzt:

[9] „الى الأمة الاسلامية عامة

Infolge dessen erwartet man eine Mitteilung bzw. eine Rede, die durch häufige sakrale Formulierungen geprägt ist. Sakrale Formulierungen können entweder rein religiös sein oder religiöse Assoziationen auslösen. Primär sakrale Äußerungen können z.B. Wörter aus dem Koran oder aus den Hadithen sein. Sekundär sakrale Formulierungen sind jene Begriffe, die zwar nicht aus dem Koran oder aus den Aussprüchen des Propheten Muhammads stammen, die jedoch religiöse Assoziationen hervorrufen.

[...]


[1] vgl. J. Grimm. Einführung in die französische Literaturwissenschaft. S. 78

[2] s. ebd.

[3] s. ebd.

[4] vgl. Stock, Kristina. Arabische Stilistik. S. 1

[5] s. ebd. S.2

[6] Stock, Kristina. Sprache als ein Instrument der Macht. S.41

[7] s.o.

[8] vgl. www.ta7.de/txt/biografi/biog0020.htm

[9] vgl. Bin Laden, April 2006. S. 3

Excerpt out of 26 pages

Details

Title
Strategien der Manipulation und der Emotionalisierung in der arabisch politischen Rhetorik am Beispiel ausgewählter Reden Usama bin Ladens
College
University of Leipzig  (Orientalisches Institut)
Course
Die Macht arabischer politischer Rhetorik
Grade
1,3
Author
Year
2006
Pages
26
Catalog Number
V94322
ISBN (eBook)
9783640105908
ISBN (Book)
9783640113774
File size
519 KB
Language
German
Keywords
Strategien, Manipulation, Emotionalisierung, Rhetorik, Beispiel, Reden, Usama, Ladens, Macht, Rhetorik, arabische Rhetorik, arabische politische Rhetorik, Bin Laden Rede
Quote paper
Aness Yacoubi (Author), 2006, Strategien der Manipulation und der Emotionalisierung in der arabisch politischen Rhetorik am Beispiel ausgewählter Reden Usama bin Ladens, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94322

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