Das Spannungsfeld geschriebener und gesprochener Sprache in Bezug auf die zwischenmenschliche Kommunikation


Hausarbeit, 2020

17 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Über den Begriff ,Sprache‘

3. Das Modell konzeptueller Mündlichkeit und Schriftlichkeit von Koch und Oesterreicher
3.1.1 Geschriebene Sprache
3.1.2 Gesprochene Sprache
3.1.3 Gesprochene und geschriebene Sprache: eine Gegenüberstellung
3.2 Internetbasierte Kommunikation in Hinblick auf gesprochene und geschriebene Sprache
3.3 Zwischenmenschliche Kommunikation in Hinblick auf gesprochene und geschriebene Sprache

4. Fazit

5. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Im Zeitalter der digitalen Vernetzung scheint die Kommunikation über das Internet so fest in das alltägliche Leben integriert zu sein, dass das Bestreiten des Alltags ohne eine solche Verbindung nicht mehr denkbar ist. Die Hinwendung zu technischen Hilfsmitteln erleichtert dabei die Kommunikation in der Gesellschaft, indes steigt jedoch die Gefahr, ausschließlich auf ebendiese Werkzeuge zurückzugreifen. Wird dieses Phänomen in Bezug auf die gesprochene und geschriebene Sprache betrachtet, fällt auf, dass insbesondere Merkmale der gesprochenen Sprache in den neuen Medien wie bspw. des Chats auftauchen. Das zunehmende Verwischen der Grenze von gesprochener und geschriebener Sprache wirft unter anderem die Frage auf, wie die zwischenmenschliche Kommunikation im Rahmen eines solchen neuzeitlichen Phänomens betrachtet werden kann. Die Leitfrage dieser Ausarbeitung betrifft somit das Spannungsfeld von Mündlichkeit und Schriftlichkeit im Zeitalter der digitalen Vernetzung und das Herstellen zwischenmenschlicher Nähe in der Kommunikation. Beachtet werden muss, dass die Begriffe aufgrund der weitreichenden Fragestellung nur mit solchen Definitionen unterlegt werden, die für diese Arbeit als Werkzeug tauglich sind. Obwohl differenzierte Deutungsebenen der Begriffe ,Mündlichkeit‘ und .gesprochene Sprache‘ sowie ,Schriftlichkeit‘ und .geschriebene Sprache‘ vorliegen, erfolgt die Verwendung der Begrifflichkeiten im Rahmen dieser Arbeit synonym.

Eine grundlegende Definition des Begriffes ,Sprache‘ leitet in die Thematik ein. Daraufhin erfolgt das Herausarbeiten der grundlegenden Unterschiede von Mündlichkeit und Schriftlichkeit anhand des Modells von Koch und Oesterreicher. Anschließend wird die geschriebene sowie die gesprochene Sprache betrachtet, um eine Gegenüberstellung beider Begrifflichkeiten im Kontext der digitalen Kommunikation zu ermöglichen. Die zwischenmenschliche Kommunikation wird im Anschluss in ebenjenem Zusammenhang beleuchtet. Abschließend wird ein Fazit auf Basis der aufgeführten Definitionen und der Auseinandersetzung mit den Begriffen gezogen.

2. Über den Begriff ,Sprache‘

Wird der Begriff ,Sprache‘ betrachtet, ist festzustellen, dass der Mensch „von der ersten Stunde [seiner] Existenz in der An-Sprache [seiner] Umwelt, auf die [er] von Anfang an Ant-Wort“1 gibt, lebt. Demnach erfolgt der Spracherwerb des Menschen zu aller erst durch die „Interaktion mit den Menschen, die [ihn] aufziehen“.2 Wilhelm von Humboldt charakterisiert die Sprache als die ,Arbeit des Geistes‘, was im Anschluss an die vorangestellte Überlegung des Sprachwissenschaftlers Jürgen Trabant bedeutet, dass sich Sprache „immer angesichts des Anderen, auf ein Du hörend“, herausbildet.3 Wichtige Begrifflichkeiten zur Definition der Sprache sind demzufolge das Denken und die Kommunikation.4 Als beachtlicher Hinweis dient dabei, dass die Kommunikation in der Gesellschaft als „wesentlicher Zweck von Sprache“ eingestuft wird.5 Da eine Gesellschaft durch verschiedene Personengruppen gekennzeichnet ist, sprechen diese nicht alle dieselbe Sprache. Sie machen deshalb von Varietäten Gebrauch.6 Hierunter fallen „Sprachausprägungen in Abhängigkeit von geographischen Variablen (Dialekte) oder sozialen Variablen (Soziolekte)“.7

3. Das Modell konzeptueller Mündlichkeit und Schriftlichkeit von Koch und Oesterreicher

Ein bekanntes Modell der Definition von geschriebener und gesprochener Sprache stammt von den Linguisten Koch und Oesterreicher, welche die Begriffe ,Mündlichkeit‘ und ,Schriftlichkeit‘ im Rahmen von Medium und Konzept betrachten. Die beiden Begriffe werden hierbei einer doppelten Bedeutung unterlegt:

Einerseits kann man im Bereich des Mediums den phonischen und den graphischen Kode als die beiden Realisierungsformen für sprachliche Äußerungen unterscheiden. Andererseits lassen sich hinsichtlich der kommunikativen Strategie, der Konzeption sprachlicher Äußerungen, idealtypisch die beiden Modi gesprochen und geschrieben unterscheiden.8

Während sie sich auf der einen Seite „auf das Medium der Realisierung sprachlicher Äußerungen, wo ,mündlich‘ = ,phonisch‘ und ,schriftlich‘ = ,graphisch‘“ meint, stützen, beziehen sie sich auf der anderen Seite auf die „Modalität der Äußerungen sowie die verwendeten Varietäten, kurz: die Konzeption, die die Äußerungen prägt“.9 Diese Konzeption eröffnet die Möglichkeit, in einem Kontinuum zu variieren, „das zahlreiche Zwischenstufen zulässt“.10 Hieraus geht ein Schema hervor, welches vier Zuordnungsmöglichkeiten von Medium und Konzeption bereitstellt. Das Medium ist dabei durch jenen graphischen und phonetischen Kode realisierbar, während die Konzeption durch die gesprochene oder geschriebene Sprache erfolgt. Typisch „sind zweifelsohne die Kombinationen .gesprochen + phonisch‘ (Beispiel: vertrautes Gespräch) und .geschrieben + graphisch‘ (Beispiel: Verwaltungsvorschrift)“.11 Eine ebenso beliebte Kommunikationsform ist der Vortrag, dessen Konzeption zwar geschrieben erfolgt, jedoch durch sein Medium phonisch realisiert wird. Koch und Oesterreicher gehen anhand dieser zweifachen Unterscheidung von einer „strikten Dichotomie“ aus, „während die Polarität von ,gesprochen‘ und , g e s c hr i eb e n ‘ für ein Kontinuum von Konzeptionsmöglichkeiten mit zahlreichen Abstufungen steht“.12 Hierzu geben sie an, dass „die Abstufungen zwischen Äußerungsformen, wie [jene in einem] familiäre[n] Gespräch', [einem] ,Privatbrief^, [oder einem] ,Gesetzestext‘ etc.“ variieren kann.13 Überdies wird der Begriff der „konzeptionelle[n] Mündlichkeit [sowie der] Schriftlichkeit“ vorgegeben, wobei hiermit „Aspekte der sprachlichen Variation, die in der Forschung häufig unscharf als ,Umgangssprache/ Schriftsprache4, ,informell/formell‘, ,Grade der Elaboriertheit‘ usw. erfaßt werden“, gemeint sind.14 So kann in einigen Fällen von konzeptioneller Schriftlichkeit ausgegangen werden, wo die Realisierung durch das phonetische Medium erfolgt - ein wissenschaftlicher Vortrag gilt als Beispiel hierfür. Ein privater Brief hingegen wird zwar durch das graphische Medium realisiert, steht jedoch der konzeptionellen Mündlichkeit näher.15

In Bezug auf die Rollenverteilung in einer mündlichen Kommunikation wird angeführt, dass diese im Kontext der Dialogizität spontan erfolgt, wohingegen die geschriebene Sprache von einer „feste[n] Rollenverteilung bis hin zur totalen Monologizität“ ausgeht.16 Mit der Spontanität geht eine „stärkere Expressivität und affektive Teilnahme“17 einher, weshalb die Besonderheit der persönlichen Interaktion in Bezug auf Mimik und Gestik nicht außer Acht gelassen werden sollte. Die physische Nähe der Gesprächspartner - und daraus resultierend das gemeinsame Handeln - stellen weitere Merkmale der Mündlichkeit dar. Die Kombination aus diesen und weiteren Merkmalen, wie bspw. Dialogizität, Vertrautheit der Partner und keine Öffentlichkeit, charakterisieren nach Koch und Oesterreicher den Pol ,gesprochen‘.18 Die ihm entsprechende Kommunikationsform läßt sich am besten durch den Begriff „Sprache der Nähe“ charakterisieren.19 Analog charakterisiert die Kombination von ,Monolog‘, ,kein Sprecherwechsel‘, ,Fremdheit der Partner‘, ,räumliche und zeitliche Trennung4, festes Thema‘, ,völlige Öffentlichkeit', ,Reflektiertheit‘, ,geringes Beteiligtseins4, ,Situationsentbindung‘ etc. den Pol geschrieben4.20 Die ihm entsprechende Kommunikationsform wird als „Sprache der Distanz“ eingeordnet.21

3.1.1 Geschriebene Sprache

Der Alltagsgegenstand des Begriffs ,Schrift‘ umfasst folgende Grundbedeutungen:

(1) die Menge der graphischen Zeichen, mit denen die gesprochene Sprache festgehalten wird (vgl. die chinesische, griechische Schrift)
(2) die Gestalt bzw. Form der Schriftzeichen (vgl. eine schöne, unordentliche, erhabene Schrift)
(3) das Produkt der Verwendung von Schriftzeichen, d. h. das Schriftstück oder der Text (vgl. Luthers Schriften, eine wichtige Schrift Lessings, die (Heilige) Schrift)22

Aus diesem Grund wird in der wissenschaftlichen Literatur von einer „systematische[n] Mehrdeutigkeit des Wortes Schrift“ gesprochen.23 Generell ist es so, dass unter dem Oberbegriff der Schriftlichkeit all jenes subsumiert werden kann, das dem „Attribut schriftlich zukommt“.24 Das umfasst unter anderem Texte, Personen die über die Fähigkeit zu schreiben verfügen, gesellschaftliche Zustände, die durch schriftliche Kommunikation geprägt sind sowie Kulturen, in denen sich das Lesen und Schreiben auf das Denken und Handeln des Menschen auswirkt.25

Der Sprachwissenschaftler Helmut Glück unterscheidet Schriftlichkeit „von Schriftbeherrschung im technischen Sinn, die Alphabetisiertheit genannt werden soll“.26 Dieser Definition nach unterliegen dem Begriff der Schriftlichkeit zweierlei Ausprägungen: zum einen handelt es sich dabei um einen „gesellschaftliche[n] Zustand, der durch die Analyse eines Kanons und der ihn begründenden Wert- und Normvorstellungen beschreibbar ist“, zum anderen um eine Fähigkeit, die dem Individuum zugehörig ist und dazu dient, dass der Einzelne sich durch den „Prozeß der Schriftlichkeit funktional mehr oder weniger angemessen zu bewegen [und] sich literal zu verhalten“ weiß.27 Von einer Schriftkultur kann laut Glück gesprochen werden, wenn die „elementare Kommunikationsform“ in einer Gesellschaft durch die Schriftlichkeit „sozial realisiert“ ist.28 Hierfür benötigt es die Fähigkeit eines großen Teils dieser Gesellschaft, lesen und schreiben zu können, und dass „in der Regel eine Mehrheit [...] mit geschriebenen Texten funktional adäquat umgehen kann“.29

Die wissenschaftliche Literatur hingegen eröffnet durch fünf Ansätze die Möglichkeit, den Begriff der Schriftlichkeit differenzierter zu betrachten.30 Hierbei wird mitunter die „schriftliche Sprache als sprachliche Gestaltung von Texten“ angesehen.31 Weitere Aspekte werden beleuchtet: so spielen Varietäten, Sprachstile und Register eine relevante Rolle in Hinblick auf die sprachlichen Mittel.32 Dabei „geht es nicht um Eigenschaften von Texten, sondern um die in schriftlichen Äußerungen/Texten verwendeten sprachlichen Mittel (morphologische, syntaktische, lexikalische, pragmatische)“.33 Die schriftliche Sprache wird außerdem als die „schriftliche Form einer Sprache (glossematisches Konzept)“ betrachtet, da davon ausgegangen wird, dass Sprachen grundsätzlich in zwei Formen vorliegen: der mündlichen und der schriftlichen Ausdrucksform.34

3.1.2 Gesprochene Sprache

Der Professor für Sprachwissenschaft Reinhard Fiehler charakterisiert die gesprochene Sprache als einen flüchtigen Gegenstand, welcher aufgrund dieser Eigenschaft im Unterschied zur geschriebenen Sprache eine eingeschränkte Untersuchbarkeit aufweist: „Entweder ist man auf die Erinnerung angewiesen, oder aber es bedarf technischer Möglichkeiten der Konservierung von Äußerungen und Gesprächen“.35 Hieraus geht hervor, dass das Erfassen der gesprochenen Sprache nur über die Schriftlichkeit gelingt. Es müssen also beispielsweise Transkripte für die Untersuchung angefertigt werden. Weitere Eigenschaften der gesprochenen Sprache werden von Christa Dürscheid aufgegriffen. Nach dieser unterliegen solche „den Bedingungen von Zeit und Raum“, weisen „deiktische Ausdrücke“ auf und „tr[etten] im Verbund mit weiteren Informationsträgern auf (Intonation, Mimik, Gestik)“.36

[...]


1 Trabant (2008), S. 13.

2 Ebd., S. 13.

3 Ebd., S. 13.

4 Vgl. ebd., S. 13.

5 Meibauer / Demske / Geilfuß-Wolfgang / Pafel / Ramers / Rothweiler / Steinbach (2015), S. 3.

6 Vgl. ebd., S. 3.

7 Ebd., S. 3.

8 Koch / Oesterreicher (2016), S. 17.

9 Ebd., S. 17.

10 Dürscheid (2002), S. 48.

11 Koch / Oesterreicher (2016), S. 17.

12 Ebd., S. 17.

13 Ebd., S. 17.

14 Ebd., S. 17.

15 Vgl. ebd., S. 18.

16 Ebd., S. 19.

17 Ebd., S. 19.

18 Vgl. ebd., S. 21.

19 Ebd., S. 21.

20 Vgl. ebd., S. 21.

21 Ebd., S. 21.

22 Günther / Ludwig (1994), S. 8

23 Ebd., S. 8.

24 Ebd., S. 8.

25 Vgl. ebd., S. 9.

26 Glück (1987), S. 12.

27 Ebd., S. 13.

28 Ebd., S. 13.

29 Ebd., S. 13.

30 Vgl. ebd., S. 9.

31 Ebd., S. 9.

32 Vgl. ebd., S. 9.

33 Ebd., S. 9.

34 Vgl. ebd., S. 9.

35 Fiehler (2003), S. 22.

36 Dürscheid (2002), S. 29.

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Das Spannungsfeld geschriebener und gesprochener Sprache in Bezug auf die zwischenmenschliche Kommunikation
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Germanistik)
Note
1,7
Autor
Jahr
2020
Seiten
17
Katalognummer
V944653
ISBN (eBook)
9783346282484
ISBN (Buch)
9783346282491
Sprache
Deutsch
Arbeit zitieren
Julia Kleemayr (Autor:in), 2020, Das Spannungsfeld geschriebener und gesprochener Sprache in Bezug auf die zwischenmenschliche Kommunikation, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/944653

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