Diese Arbeit geht der Frage nach, inwiefern Studierende an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg auf den Umgang mit digitalen Medien für den Einsatz in der Grundschule vorbereitet werden. Anhand einer quantitativen Datenanalyse soll aufgezeigt werden, wie sich angehende Lehrkräfte im Umgang mit digitalen Medien einschätzen, inwiefern das Studium auf diesem Gebiet einen Kompetenzzuwachs ermöglicht und welche Erfahrungen die Studierenden bereits im Umgang mit digitalen Unterrichtsmedien gemacht haben. Da die Zufriedenheit zu einem großen Teil die Studienleistung beeinflusst, wird auch dieser Frage im Fragebogen nachgegangen.
Beginnend mit einer ausführlichen Definition des Medienbegriffs und einer Einordnung in den LehrplanPLUS – Grundschule in Bayern und dem Lehrplan für die bayerische Grundschule, soll darüber hinaus das Strategiepapier der Kultusministerkonferenz (im Folgenden „KMK“ genannt) zur Bildung in einer digitalisierten Welt (2017) vorgestellt werden. Durch den technologischen Wandel ist es darüber hinaus von Interesse, die Rolle der Lehrkraft in digitalen Lernumgebungen zu skizzieren.
Im modernen Unterricht ist es die Aufgabe der Lehrkraft, den eigenen Unterricht an den Voraussetzungen der Schüler auszurichten. Im Zuge des technologischen Wandel ist es von großem Interesse, über das Medienverhalten von Kindern Bescheid zu wissen. Dafür werden die Daten der KIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest von 1999 bis 2018 ausgewertet und vorgestellt. Daraus können didaktische Konsequenzen für die Hoch-schullehre und die unterrichtliche Praxis gezogen werden. Dafür werden Studienergebnisse und Empfehlungen von Experten herangezogen, um den theoretischen Teil abzuschließen.
Der Praxisteil stellt die Forschungsfragen und das methodische Vorgehen vor. Im Anschluss daran werden die Auswertungen der Ergebnisse dargestellt und diskutiert. Nach einer anschließenden Reflexion des Untersuchungsdesigns können aus den Ergebnissen Implikationen für die Forschung und die Praxis entworfen werden.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung
Abbildungsverzeichnis
Tabellenverzeichnis
1. Einleitung und Zielsetzung
2. „Medien“: Definition und Einordnung des Begriffs
2.1 Definitionen
2.1.1 Definition „Medien“
2.1.2 Definition „Mediensozialisation“
2.1.3 Definition „Medienbildung“
2.1.4 Definition „Medienerziehung“
2.1.5 Definition „Mediendidaktik“
2.1.6 Definition „Medienkompetenz“
2.2 Einordnung der (digitalen) Medien im LehrplanPLUS und im Lehrplan für die bayerische Grundschule
2.2.1 Vorstellung der Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ der Kultusministerkonferenz
2.3 Die Rolle der Lehrkraft im Umgang mit Medien im Unterricht Zwischenfazit
3. Ergebnisvorstellung der KIM-Studien von 1999 bis 2018
3.1 Ergebnisvorstellung der KIM-Studien: Freizeitaktivitäten
3.2 Ergebnisvorstellung der KIM-Studien: Themeninteressen
3.3 Ergebnisvorstellung der KIM-Studien: Medienausstattung
3.4 Ergebnisvorstellung der KIM-Studien: Medienbindung
3.5 Ergebnisvorstellung der KIM-Studien: Computernutzung in der Schule
4. Didaktische Konsequenzen für die Hochschullehre und unterrichtliche Praxis
4.1 Konsequenzen für die digitale Lehre an der Hochschule – Bestandsaufnahme
4.2 Konsequenzen für die digitale Lehre an der Hochschule – Digitale Kompetenzen angehender Lehrkräfte im Vergleich zu Studierenden anderer Fächer
4.3 Konsequenzen für die digitale Lehre an der Hochschule – Kernkompetenzen von Lehrkräften für das Unterrichten in einer digitalisierten Welt
5. Fragestellung
6. Methode
6.1 Untersuchungsdesign
6.2 Instrument
6.3 Stichprobenkonstruktion
6.4 Untersuchungsdurchführung
6.5 Datenanalyse
7. Ergebnisse
7.1 Stichprobenschreibung
7.2 Auswertung der Ergebnisse
7.2.1 Ergebnisse der Fragestellung 1
7.2.2 Ergebnisse der Fragestellung 2
7.2.3 Ergebnisse der Fragestellung 3
7.2.4 Ergebnisse der Fragestellung 4
7.3 Diskussion der Ergebnisse
7.3.1 Einschätzung digitaler Kompetenzen bezüglich der Nutzung digitaler Unterrichtsmedien
7.3.2 Qualitätskriterien einer sachgemäßen Auseinandersetzung mit digitalen Unterrichtsmedien
7.3.3 Erfahrungen im Umgang mit digitalen Unterrichtsmedien
7.3.4 Zufriedenheit und Wünsche bezüglich des Einbezugs digitaler Unterrichtsmedien im Studium
7.4 Reflexion des Untersuchungsdesigns
7.5 Implikationen für Forschung und Praxis
8. Zusammenfassung und Ausblick
Literaturverzeichnis
Internetlinks
Anhang
Um die Lesbarkeit der Zulassungsarbeit zu erleichtern, wird im Folgenden an manchen Stellen das üblicherweise verwendete generische Maskulinum („der Schüler“, „der Student“ etc.) verwendet, das gleichermaßen männliche, weibliche und diverse Personen umfasst. Die Entscheidung für diese Schreibweise beruht also auf rein praktischen und nicht auf inhaltsbezogenen Erwägungen.
Danksagung
Ein herzlicher Dank gilt insbesondere folgenden Personen:
Frau Prof. Dr. Bärbel Kopp für die Genehmigung der Umfrage in den laufenden Kursen im Sommersemester 2020.
Frau Dr. Eva-Maria Kirschhock für die Betreuung der Zulassungsarbeit, sowie für die vielen hilfreichen Anregungen.
Frau Dr. Miriam Hess, Frau Dr. Eva-Maria Kirschhock und Frau Ingrid Hoyer sowie Herrn Simon Meyer, Frau Miriam Grüning und Frau Sabrina Wittmann für die Bereitstellung des Fragebogens in ihren Kursen und die Motivierung der Studierenden zur Teilhabe an der Umfrage.
Ein herzlicher Dank geht auch an Valerie Giering und Dr. Hartwig Mumperow für das Korrekturlesen, sowie Tim de Lange für die gegenseitige Hilfe und Unterstützung.
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Zeichen als triadische Relation. Eigene Darstellung nach Tulodziecki & Herzig, 2004, S. 20.
Abbildung 2: Objekte, Handlungsanregungen und Lernhandlungen. Pirnay-Dummer & Spengler, 2019, S. 486.
Abbildung 3: Vergleich von Medienkompetenz und ICT Literacy-Rahmenkonzeptionen in NEPS. Quelle: Senkbeil et al., 2020, S. 5.
Abbildung 4: Verteilung des Geschlechts.
Abbildung 5: Verteilung des Alters.
Abbildung 6: Wie zufrieden bist du mit dem Einbezug digitaler Unterrichtsmedien im Studium?
Abbildung 7: Das Angebot-Nutzungs-Modell zur Erklärung der Studienzufriedenheit. Vereinfachte Darstellung von Bernholt et al., 2018, S. 28.
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1: Definition "Medienkompetenz". Eigene Darstellung nach Baacke, 1996, S. 120.
Tabelle 2: Ausgewählte Freizeitaktivitäten der KIM-Studien von 1999 bis 2018. Eigene Darstellung nach mpfs, 2000-2019.
Tabelle 3: Ausgewählte Medienausstattung in den Haushalten der KIM-Studien von 1999 bis 2018. Eigene Darstellung nach mpfs, 2000-2019.
Tabelle 4: Mittelwerte der ICT-Literacy von angehenden und fortgeschrittenen Studierenden getrennt nach Studiengruppe und Fächerkombination. Eigene Darstellung nach Senkbeil et al., 2020, S. 12.
Tabelle 5: Verteilung der angehenden und fortgeschrittenen Studierenden nach Studiengang auf die Kompetenzniveaus, Angaben in Prozent. Eigene Darstellung nach Senkbeil et al., 2020, S. 14.
Tabelle 6: Handlungskomponente medienbezogener Lehrkompetenzen von Lehrkräften. Eigene Darstellung nach Schultz-Pernice et al., 2017, S. 71.
Tabelle 7: Verteilung der Semesterzahl.
Tabelle 8: Verteilung der Hauptfächer.
Tabelle 9: Ich kann auf Grundlage meiner Suchinteressen relevante Quellen in digitalen Umgebungen für den Grundschulunterricht identifizieren und nutzen. Nach Rubach & Lazaridis, 2019, S. 359. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 10: Ich kann Informationen und Daten analysieren, interpretieren und kritisch bewerten. Nach Rubach & Lazaridis, 2019, S. 359. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 11: Ich kenne Verhaltensregeln bei digitalen Interaktionen und Kooperationen und kann diese meinen zukünftigen Schülerinnen und Schülern weitergeben. Nach Rubach & Lazaridis, 2019, S. 359. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 12: Ich kenne mehrere Apps und Programme und kann diese bedarfsgerecht anwenden (z.B. worksheet crafter). Nach Rubach & Lazaridis, 2019, S. 359. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 13: Ich kenne die Bedeutung von Urheberrechten und geistigem Eigentum und berücsichtige diese (DSGVO; keine Fotografien ohne Einverständnis der Eltern). Nach Rubach & Lazaridis, 2019, S. 359. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 14: Ich kenne die Gefahren und Risiken in digitalen Umgebungen, berücksichtige und reflektiere diese. Nach Rubach & Lazaridis, 2019, S. 359. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 15: Ich kann Tools für Lernmöglichkeiten bewerten und selbstständig nutzen. Nach Rubach & Lazaridis, 2019, S. 360. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 16: Ich kann diese Tools kindgerecht anleiten. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 17: Ich kenne eine Vielzahl digitaler Werkzeuge und kann diese bedarfsgerecht einsetzen (z.B. Google Docs, digitale Mindmaps, Prezi). Nach Rubach & Lazaridis, 2019, S. 360. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 18: Ich kenne die Vielfalt der digitalen Medienlandschaft (Lernapps, Suchmaschinen für Kinder, wie z.B. Blinde Kuh, Lernvideoportale). Nach Rubach & Lazaridis, 2019, S. 360. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 19: Ich erkenne die Potenziale der Nutzung digitaler Medien für die Vermittlung von Unterrichtsinhalten. Nach Rubach & Lazaridis, 2019, S. 360. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 20: Ich erkenne die Potenziale der Nutzung digitaler Medien für die Unterrichtsgestaltung. Nach Rubach & Lazaridis, 2019, S. 360. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 21: Ich habe im Studium Kriterien kennen gelernt, um die Qualität der digitalen Lernumgebung wie Schülerlernsoftware im Hinblick auf kognitive Aktivierung zu beurteilen (z.B. herausfordernde Denkaufgaben). (Single-Choice-Frage).
Tabelle 22: Ich habe im Studium Kriterien kennen gelernt, um die Qualität der digitalen Lernumgebung wie Schülerlernsoftware im Hinblick auf Strukturiertheit zu beurteilen (z.B. wichtige Inhalte hervorgehoben, Zusammenfassungen). (Single-Choice-Frage).
Tabelle 23: Ich habe im Studium Kriterien kennen gelernt, um die Qualität der digitalen Lernumgebung wie Schülerlernsoftware im Hinblick auf Schülerorientierung zu beurteilen (z.B. Anpassung der Aufgaben an verschiedene Schwierigkeitsgrade, Lerntempi…). (Single-Choice-Frage).
Tabelle 24: Ich habe im Studium Kriterien kennen gelernt, um die Qualität der digitalen Lernumgebung wie Schülerlernsoftware im Hinblick auf fachliche Qualität zu beurteilen (z.B. im Bereich Schriftspracherwerb die Beachtung schriftsprachlicher Entwicklungsphasen…). (Single-Choice-Frage).
Tabelle 25: Erfahrungen im Umgang mit digitalen Unterrichtsmedien im Studium. (Single-Choice-Frage).
Tabelle 26: Welche Erfahrungen hast du mit der Anwendung und Analyse von digitalen Unterrichtsmedien im Praktikum gesammelt? (Multiple-Choice-Frage).
Tabelle 27: Ich habe im Seminar aktiv den Umgang mit digitalen Möglichkeiten für den Unterricht gelernt. (Multiple-Choice-Frage).
Tabelle 28: Zusammenfassung der Begründungen der bezüglich der Zufriedenheit des Einbezugs digitaler Unterrichtsmedien im Studium. Kategorisierung anhand einer quantitativen Inhaltsanalyse.
Tabelle 29: Richtlinie zur Interpretation von Cronbach Alpha. Eigene Darstellung nach George & Mallery, 2003, S. 231. Eigene Darstellung.
1. Einleitung und Zielsetzung
Der Einsatz von digitalen Medien im Unterricht ist seit Jahren ein Themenbereich, der großflächig erforscht und breit diskutiert wird. Die sich rasch wandelnden Technologien verlangen von den Schulen, Schulleiter/innen und Lehrkräften eine tiefgehende Auseinandersetzung. Denn die Schüler von heute fangen bereits in jungen Jahren an, sich mit digitalen Medien, wie z.B. Videos, Internetsuchmaschinen oder Social-Media-Kanälen zu beschäftigen. Dadurch kommen Schüler mit einem Vorwissen in die Grundschule, welches dort allerdings nur bedingt weiterentwickelt werden kann. Dies hat verschiedene Gründe. Zum einen hinkt Deutschland schon seit Jahren den infrastrukturellen Standards hinterher, die es dringend benötigt, um mit digitalen Medien lehren und lernen zu können. Dies ist 2018 von der IEA in der International Computer and Information Literacy Study (ICILS 2018) bestätigt worden. Zwar nutzen mittlerweile deutlich mehr Lehrkräfte digitale Medien, jedoch wurde im Rahmen dieser Studie herausgefunden, dass nur 23% der Lehrer/innen während ihres Unterrichts Gebrauch davon machen (Fraillon et al., 2019, S. 179). Ein Grund hierfür liegt darin, dass nach Kammerl & Ostmann (2010) die medienpädagogische Ausbildung einem Teufelskreis gleicht (S. 50). So verfügen Lehramtsstudienanfänger/innen am Ende ihrer Schullaufbahn über unzureichende Kompetenzen, mit denen sie den universitären Bildungsweg beginnen, in welchem eine tiefergehende Erweiterung eben dieser Kompetenzen des medienpädagogischen Bereichs häufig jedoch nur aufgrund eigener Neigung, nicht aber durch allgemein festgelegte Seminare geschieht. Im anschließenden Vorbereitungsdienst wird nicht untersucht, ob Medienkompetenz wirklich vorliegt, was letztendlich dazu führt, dass die jeweiligen Schüler nur mäßig ausgebildet werden und diesen Kreis fortführen.
Die Bertelsmann Stiftung führte 2017 eine Studie mit dem Arbeitstitel „Monitor Digitale Medien“ durch, in der sie auf empirischer Basis den „Stand des digitalisierten Lernens in den verschiedenen Bildungssektoren in Deutschland“ (S. 5) erhob. Dabei wurde herausgefunden, dass Schulen das pädagogische Potenzial der Digitalisierung verkennen, keine Strategien aufweisen können, wie der digitale Wandel vollzogen werden kann und fast 50% der Lehrkräfte mit der technischen Ausstattung in ihren Schulen nicht zufrieden sind. Schüler nutzen in ihrer Freizeit beispielsweise zu 76% Videos und wünschen sich einen häufigeren Gebrauch von diesen im Unterricht, da Videos einen höheren Motivationscharakter besitzen. Lehrkräfte sind dahingehend zurückhaltender. Ein weiterer Punkt der Studie besagt, dass Lehrkräfte vor allem dann digitale Lernmaterialien nutzen, wenn diese für sie kostenfrei sind (ebd., S. 6 f.).
Durch die weltweite COVID-19 Pandemie hat sich in Deutschland der Unterricht gezwungenermaßen selbstständig digitalisiert. Nach den ersten Meldungen von Infizierten im Januar 2020 kam es zwei Monate später zur Schließung aller Bildungseinrichtungen. Der Unterricht fiel zunächst aus und wurde dann in digitaler Form fortgeführt, wodurch sich jedoch infrastrukturelle Probleme auftaten, die durch den, von der Bundesregierung und den Ländern verabschiedeten „DigitalPakt Schule“, noch nicht aufgefangen werden konnten. Von den versprochenen fünf Milliarden Euro, die in den Ausbau des Internetzugangs sowie Anschaffungen neuer Endgeräte für den Unterricht investiert werden sollten, wurden, Stand Januar 2020 (Der Tagesspiegel, 2020), erst insgesamt 20 Millionen Euro bewilligt. Während in Sachsen bereits über acht Millionen Euro bereitgestellt wurden, ist in Hessen, Saarland, Sachsen-Anhalt, Schleswig-Holstein und Thüringen bislang noch kein Geld eingesetzt worden.
Natürlich ist hinlänglich bekannt, dass reine Investitionen den Unterricht nicht direkt verbessern werden. Doch es muss ein Umdenken von Seiten der Lehrkräfte und Schulleitern, aber auch im Rahmen der Strukturen in den Hochschulen und Universitäten stattfinden, um den digitalen Anschluss nicht zu verlieren. Gleichzeitig ist es wichtig, dass die neue Generation der Lehrer durch universitäre Ausbildung zu einem Erwerb eines breiten Repertoires an medienpädagogischen Möglichkeiten qualifiziert wird.
In diesem Problemfeld siedelt sich diese Zulassungsarbeit für das 1. Staatsexamen für das Lehramt an Grundschulen im Freistaat Bayern an und geht der Frage nach, inwiefern Studierende an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg auf den Umgang mit digitalen Medien für den Einsatz in der Grundschule vorbereitet werden. Anhand einer quantitativen Datenanalyse soll aufgezeigt werden, wie sich angehende Lehrkräfte im Umgang mit digitalen Medien einschätzen, inwiefern das Studium auf diesem Gebiet einen Kompetenzzuwachs ermöglicht und welche Erfahrungen die Studierenden bereits im Umgang mit digitalen Unterrichtsmedien gemacht haben. Da die Zufriedenheit zu einem großen Teil die Studienleistung beeinflusst (Blüthmann, 2012; Bernholt et al., 2018), wird auch dieser Frage im Fragebogen nachgegangen.
Beginnend mit einer ausführlichen Definition des Medienbegriffs und einer Einordnung in den LehrplanPLUS – Grundschule in Bayern und dem Lehrplan für die bayerische Grundschule, soll darüber hinaus das Strategiepapier der Kultusministerkonferenz (im Folgenden „KMK“ genannt) zur Bildung in einer digitalisierten Welt (2017) vorgestellt werden. Durch den technologischen Wandel ist es darüber hinaus von Interesse, die Rolle der Lehrkraft in digitalen Lernumgebungen zu skizzieren.
Im modernen Unterricht ist es die Aufgabe der Lehrkraft, den eigenen Unterricht an den Voraussetzungen der Schüler auszurichten. Im Zuge des technologischen Wandel ist es von großem Interesse, über das Medienverhalten von Kindern Bescheid zu wissen. Dafür werden die Daten der KIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest von 1999 bis 2018 ausgewertet und vorgestellt. Daraus können didaktische Konsequenzen für die Hochschullehre und die unterrichtliche Praxis gezogen werden. Dafür werden Studienergebnisse und Empfehlungen von Experten herangezogen, um den theoretischen Teil abzuschließen.
Der Praxisteil stellt die Forschungsfragen und das methodische Vorgehen vor. Im Anschluss daran werden die Auswertungen der Ergebnisse dargestellt und diskutiert. Nach einer anschließenden Reflexion des Untersuchungsdesigns können aus den Ergebnissen Implikationen für die Forschung und die Praxis entworfen werden.
2. „Medien“: Definition und Einordnung des Begriffs
2.1 Definitionen
In der Umgangssprache wird der Begriff Medien in verschiedenen Zusammenhängen genutzt. Mal stehen Medien in direkter Korrelation zu Fernsehgeräten und Werbung, mal wird mit Medium ein spiritueller Mensch gemeint, der Dinge vorhersagen oder in Bewegung versetzen kann. In pädagogischen Diskussionen reichen die Argumentationen von Medien als heimliche Erzieher bis hin zu der Lehrkraft, die weiterhin das wichtigste Medium für Schüler bleibt. Wichtigste Teilbereiche der Medienpädagogik sind die Mediensozialisation, Medienbildung und -erziehung, Mediendidaktik sowie die Medienkompetenz. Beginnend mit einer Definition von Medien, erfolgt in den nächsten Kapiteln eine kurze Vorstellung der Ansätze, um ein umfangreiches theoretisches Grundverständnis anzubahnen. Dabei sei bereits im Voraus angemerkt, dass sich die Suche nach einer eindeutigen Definition als schwierig darstellt.
2.1.1 Definition „Medien“
Eberle (2013) definiert Medien zunächst grundlegend als „Informations- und Kommunikationsmittel“ (S. 178 f.). Weitet man den Medienbegriff aus, so besitzt „jede Interaktion und Kommunikation eine mediale Komponente“ (ebd, S. 179). Spanhel (2006) sieht in einem engen Definitionsbegriff Medien als Übermittler von Botschaften von einem Sender zu einem Empfänger mittels eines Zeichen- und Symbolsystems (S. 72). Speziell für die Medienpädagogik muss die Definition des Medienbegriffs präzisiert werden, denn mediale Erfahrungen weisen Merkmale auf, die andere Erfahrungen nicht leisten können. Durch einen genauen Blick auf die Formen der Erfahrung ist es möglich, einen Unterschied darzustellen und einen wissenschaftlich tragbaren Medienbegriff zu entwickeln.
Beim Lernen eines neuen Sachverhaltes bzw. neuer Inhalte macht jeder Mensch Erfahrungen. Diese sind individuell und stark davon abhängig, in welcher Form der Sachverhalt oder der Inhalt erfahren wird. Ein Kind, welches einen Elefanten nur auf Bildern sieht, kann sich wahrscheinlich nicht angemessen vorstellen, wie groß das Tier in der Realität ist. Die Lerntheorie unterstützt dabei das Wunschdenken, dass Vorstellungen an realistischen Beispielen entstehen. Für den Unterricht bedeutet dies allerdings nicht, dass jedes neue Thema mit einer direkten Konfrontation aus der Lebenswelt einhergehen muss. Liegen einem neuen Unterrichtsthema bereits Vorerfahrungen zugrunde, so kann mit angemessenen Darstellungen gelernt werden. Es kann sich auch anbieten, eine Thematik der Überschaubarkeit wegen per Skizze einzuführen, beispielsweise beim Ablauf einer Produktionskette in der Industrie. Tulodziecki und Herzig (2004) definieren vier verschiedene Formen der Erfahrungen eines bestimmten Sachverhaltes bzw. Inhaltes:
- reale Form, diese ist z.B. beim Handeln oder bei Beobachtungen in der Wirklichkeit, bei der personalen Begegnung mit Menschen oder beim realen Umgang mit Sachen gegeben,
- modellhafte Form, diese liegt z.B. beim Umgang mit Modellen oder beim simulierten Handeln im Rollenspiel und entsprechenden Beobachtungen vor,
- abbildhafte Form, diese ergibt sich z.B. bei der Information mit Hilfe realgetreuer oder schematischer bzw. typisierender Darstellungen,
- symbolische Form, diese besteht z.B. in der Aufnahme von Informationen aus verbalen Darstellungen oder nicht-verbalen Zeichen (S. 15).
Durch die Art und Weise, wie die Lehrkraft einen Inhalt vorträgt, kann es auch zu einer Kombination verschiedener Erfahrungsformen kommen.
Im medienpädagogischen Kontext bietet es sich nun an, den Medienbegriff auf technisch vermittelte Erfahrungsformen einzugrenzen. Das beinhaltet ausschließlich Formen, „in denen Menschen nicht mit einem Gegenstandsbereich selbst, sondern mit Repräsentanten dieses Gegenstands […] in Verbindung treten“ (Tulodziecki & Herzig, 2004, S. 18). Zentral ist hierfür der Zeichenbegriff nach Charles Sanders Peirce, dem Gründer der Semiotik, zu nennen. Er definiert die Semiotik als „action, or influence, which is, or involves, a cooperation of three subjects, such as a sign, its object, and its interpretant, this tri-relative influence not being in any way resolvable into actions between pairs“ (Peirce, 1998, S. 411).
Das Zeichen ist eine triadische Relation (vgl. Abbildung 1), bestehend aus einem Repräsentamen, einem Objekt und einem Interpretanten. Vergleichend dazu trifft er folgende Beschreibung: „Das Repräsentamen stellt den Zeichenträger, das wahrnehmbare Mittel der Repräsentation des Objekts dar; das Objekt ist das, wofür das Zeichen steht; und der Interpretant bezeichnet das, was durch das Zeichen beim Interpreten […] erzeugt wird“ (Peirce, 1966, S. 2228). An folgendem Beispiel und in Anlehnung an Tulodziecki (1992) soll die triadische Relation genauer erklärt werden: Das Wort „Erde“ in geschriebener Form, ist ein Zeichen, das für etwas steht, was es selbst nicht ist. Denn die einzelnen Buchstaben ergeben keine Erde. Das Repräsentamen ist in diesem Fall das geschriebene Wort „Erde“ und der Interpretant eine, beim Leser hervorgerufene Vorstellung von „Erde“. Das Objekt kann, je nachdem welchen Blickwinkel man einnimmt, den Planeten oder den obersten, belebten Teil der Erdkruste bezeichnen. Wichtig ist, dass die gesendeten Informationen einerseits nicht per se objektiv sind und der subjektiven Sicht des Senders unterliegen. Andererseits benötigt ein Zeichen erst einen Interpreten, der dieses als solches erkennt und ihm eine entsprechende Bedeutung zuweisen kann. Für den mediendidaktischen Kontext ist es außerdem wichtig zwischen den zwei Beziehungsarten ikonisch und symbolisch zu unterscheiden, die je nach Beziehung zwischen Repräsentamen und Objekt etwas Unterschiedliches meinen. Das ikonische Zeichen definiert sich durch eine starke Ähnlichkeit zwischen Zeichen und dem repräsentativen Objekt. Das symbolische Zeichen hingegen unterliegt den gesellschaftlichen Konventionen und wird durch sie zum Objekt in Verbindung gesetzt. Hierfür ist ein Verständnis der Konventionen beim Empfänger erforderlich (Tulodziecki & Herzig, 2004, S. 19).
Das eingangs erwähnte Verständnis von Medien als Übermittler von Botschaften vom Sender zum Empfänger mittels eines Zeichensystems ist durch die Schriften Peirces bekräftigt worden. Im Zuge der Technologisierung werden Botschaften heute oft über technische Medien wie Film, Fernsehen, Tonmedien, Computer und Projektionen gesendet. Dies birgt die Gefahr der Subjektivität der Botschaften, durch die, neben Emotionen und Meinungen, auch Fehlinformationen und manipulative Elemente gesendet werden können. Schüler müssen in diesem Bereich Kompetenzen entwickeln, die sie dazu befähigen, Medien selbstständig nach Kriterien auszuwählen und gefährdende Inhalte kritisch zu behandeln.
2.1.2 Definition „Mediensozialisation“
Eine Sozialisation durch Medien kann bis weit in die Antike zurückverfolgt werden. Durch die Frage der Wirkung von Theaterstücken entwickelten Platon und Aristoteles unterschiedliche Perspektiven. Doch erst elektronische Medien führten zu gesellschaftlichen Diskussionen, insbesondere um den Einfluss von Massenmedien. Besonders dem Internet und Endgeräten mit einem Internetzugang werden große Sozialisationseffekte in den Bereichen Gewalt, Werbung und politische Ideologisierung zugesprochen. Doch spart diese Diskussion wesentliche Erkenntnisse der Sozialisationsforschung aus und lässt den Paradigmenwechsel, weg von der normativen – hin zu einer interaktionistischen Sichtweise unbeachtet. Hurrelmann (2002) versteht die Sozialisation als jenen „Prozess, in dessen Verlauf sich der mit einer biologischen Ausstattung versehene menschliche Organismus zu einer sozial handlungsfähigen Persönlichkeit bildet, die sich über den Lebenslauf hinweg in Auseinandersetzung mit den Lebensbedingungen weiterentwickelt“ (S. 15). Daraus wird ersichtlich, dass Mediensozialisation ein sehr viel komplexerer Prozess ist als in gesellschaftlicher Diskussion verstanden (Aufenanger, 2008, S. 87).
Um Mediensozialisation zu klassifizieren, bietet es sich an, eine rezipientenzentrierte und eine medienzentrierte Perspektive zu unterscheiden. Dabei geht die rezipientenzentrierte Perspektive der Frage nach, was Menschen mit Medien machen, während die medienzentrierte Perspektive die Frage andersherum stellt. Aufenanger (2008) klassifiziert daher im Folgenden drei Ansätze. Der erste Ansatz besagt, dass Medien auf Menschen einwirken. Aus traditioneller und alltäglicher Sicht bedeutet dies, dass Medien ein besonderes, wenn auch negativ konnotiertes, Potenzial aufweisen. Im zweiten Punkt hebt er die Kompetenz der Menschen hervor, Medien selektieren zu können. Diesen Ansatz stellt er als bewusste Abgrenzung zum Vorherigen dar. Im dritten Punkt zeigt er die gegenseitige Interaktion zwischen Medium und Mensch auf und erinnert daran, dass Einflüsse in diesem Gefüge, unter Beachtung gewisser Bedingungen und in Kombination mit anderen Faktoren, gesehen werden müssen (S. 87 f.). Dieser Ansatz lässt sich in das neuere Verständnis nach Hurrelmann einordnen, wenn man bedenkt, dass sich das Subjekt aktiv mit der mediengeprägten Umwelt auseinandersetzt und die „Fähigkeit zur aktiven, selbstbestimmten und sozial-verantwortlichen Auseinandersetzung mit Medien“ (Aufenanger, 2008, S. 88) erlernt. Ob es eine allgemeine Theorie der Mediensozialisation gibt, kann aufgrund der strukturellen Unterschiede von Medien nicht eindeutig festgelegt werden. Wichtige Studien, die insbesondere das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen untersuchen, sind die JIM- und KIM-Studien des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest. Diese untersuchen in der FIM-Studie auch die Mediennutzung in der Familie. Die Ergebnisse aller bisherigen KIM-Studien werden in Kapitel 3 vorgestellt.
2.1.3 Definition „Medienbildung“
Wird in der öffentlichen Diskussion von Bildung gesprochen, zeigt sich ein doppelseitiges Bild auf. Zum einen wird der Begriff im Kontext von Ausbildung und dem Erwerb von Fähigkeiten und Kompetenzen genutzt. In politischen Diskussionen werden ungerechte Bildungschancen, Gelder im Bildungssektor oder die durch den PISA-Schock von 2000 aufgedeckte Bildungsmisere thematisiert. Auf der anderen Seite wird der Bildungsbegriff im alltäglichen Sprachgebrauch mit einem soliden Grundwissen in Verbindung gebracht. Es fällt auf, dass die beiden Begriffe wenig miteinander gemeinsam haben. Während der Ausbildungsbegriff vom erziehungswissenschaftlichen Standpunkt her dem Lernen zugeordnet wird, ist der Alltagsbegriff im Anhäufen von Wissen verortet. Darüber hinaus „fungiert die solchermaßen verstandene Bildung als eine Art soziale Erkennungsmarke, mit der man unter ‚Gebildeten‘ beweisen kann, dass man ‚dazugehört‘“ (Jörissen & Marotzki, 2009, S. 9). Der moderne Bildungsbegriff hat wenig mit der Aneignung klassischer Inhalte gemein. Bildungsprozesse sind heute durch „Kontextualisierung, Flexibilisierung, Dezentrierung [und] Pluralisierung von Wissen- und Erfahrungsmustern“ (Marotzki & Jörissen, 2008, S. 100) gekennzeichnet. Für dieses Verständnis ist das Bildungskonzept nach Wolfgang Klafki (1985) zentral. Dafür nennt er drei zentrale Fähigkeiten:
- Die „Fähigkeit zur Selbstbestimmung über die eigenen, persönlichen Lebensbeziehungen und Sinndeutungen zwischenmenschlicher, beruflicher, ethischer, religiöser Art“ (S. 17),
- „Mitbestimmungsfähigkeit, insofern jeder Anspruch, Möglichkeit und Verantwortung für die Gestaltung unserer gemeinsamen gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse hat“ (ebd.) und
- „Solidaritätsfähigkeit, insofern der eigene Anspruch auf Selbst- und Mitbestimmung nur gerechtfertigt werden kann, wenn er nicht nur mit der Anerkennung, sondern mit dem Einsatz für diejenigen verbunden ist, denen sich solche Selbst- und Mitbestimmungsmöglichkeiten auf Grund gesellschaftlicher Verhältnisse, Unterprivilegierung, politischer Einschränkungen oder Unterdrückungen vorenthalten oder begrenzt werden“ (ebd.).
In Deutschland arbeitet ein Großteil der Erwerbstätigen in sich zunehmend digitalisierenden Dienstleistungsbereichen. So ergab eine Studie von Niebel (2010), „dass sich die Anzahl der Erwerbstätigen in diesem Sektor zwischen den Jahren 1970 und 2005 auf 28 Millionen fast verdoppelt hat“ (S. 3). Ende der 1990er Jahre trat der Begriff der „Wissensgesellschaft“ auf und wurde populär. Eine Berechtigung besitzt dieser Begriff nach Stehr (1994) insofern, als „daß [sic] wissenschaftliches Wissen auf fast allen Gebieten des Lebens eine einflußreiche [sic] Rolle spielt“ (S. 16). Hinzu kommt ein sich immer schneller vermehrendes Wissen, welches in viele Bereiche des öffentlichen und privaten Lebens Einzug hält. Dies führt dazu, dass sich das Qualifikationsniveau anhebt und das lebenslange Lernen einen immer höheren Stellenwert erhält (Jörissen & Marotzki, 2009, S. 28).
Dieser Aufgabe muss sich die Bildungstheorie stellen, um zu gewährleisten, dass die Menschen „angesichts der medial vermittelten Informationsvielfalt (information overload) Wissen für sich aufbauen, um handeln und um sich in einer komplexer werdenden Welt orientieren zu können“ (ebd., S. 29). Hier schließt die Medienbildung an, die die reflexiven Potenziale einerseits und die medialen Artikulationsformen andererseits auf ihren Bildungswert einzuschätzen versucht (Marotzki & Jörissen, 2008, S. 103). Medienbildung als Ziel der schulischen Medienerziehung eröffnet letztendlich die Möglichkeiten, das lernförderliche Potenzial von digitalen Medien auszuschöpfen (Herzig, 2008, S. 499).
2.1.4 Definition „Medienerziehung“
Das diverse Bild der Medienlandschaft und die vielfältige Nutzung durch Kinder, Jugendliche und Erwachsene wirft die Frage auf, welche Erziehungsaufträge sich dadurch ergeben. Alle Überlegungen zu diesem Thema lassen sich mit dem Oberbegriff „Medienerziehung“ zusammenfassen. Ziel ist es, ein verantwortliches, selbstbestimmtes und sicheres Handeln im Umgang mit Medien zu entwickeln. Der Begriff kann sowohl in der wissenschaftlichen Theorie als auch in der Praxis verwendet werden. Dabei kann der Zusatz „Erziehung“ mit Recht in Frage gestellt werden, da er, je nach Blickwinkel, entweder als zu stark normativ angesehen wird oder weil die Erziehung für die Altersgruppe der Erwachsenen als unangemessen erscheint. In der wissenschaftlichen Literatur wird daher oft auch der in Kapitel 2.1.3 vorgestellte Begriff der „Medienbildung“ genutzt. In dieser Definition wird mit dem Erziehungsbegriff gearbeitet, im Verständnis des selbsttätigen Handelns (Tulodziecki, 2008, S.110).
Bis in die 1950er Jahre wurde der Versuch unternommen, mit ausgewählter Literatur und gezielt ausgewählten Filmen Kinder und Jugendliche an besonders wertvolle Inhalte heranzuführen. Durch spezielle Konzepte wurden beispielsweise in Filmgesprächen Fragen zu Moral und technischer Umsetzung thematisiert; Gefahren wurden jedoch, als „Pflege des Wohlwollens“ (Tulodziecki, 2008, S.110), absichtlich außer Acht gelassen. Ein selbstständiges Auswählen von medialen Inhalten blieb den Schülern dadurch verwehrt. In den kommenden Jahren wurde dieses Konzept jedoch überworfen und das Verständnis wechselte hin zu einem kritisch-wertschätzenden. Auch die Verbreitung des Fernsehens ließ der Medienerziehung die Aufgabe zukommen, den Rezipienten zu einem verständnisvollen, selbstständig beurteilenden und nutzenden Individuum auszubilden. Dabei wurden Einsichten „in die Struktur von Medienbotschaften, in Bedingungen der Medienproduktion und Medienrezeption sowie in die gesellschaftliche Relevanz der öffentlichen Kommunikation“ (ebd., S. 111) verlangt. In den Studentenbewegungen Westdeutschlands der 1960er Jahre wurde ein bis dahin unbeachteter und dennoch wichtiger Teilbereich der Medienerziehung untersucht: Die Möglichkeiten der Manipulation durch Medien. Der Ansatz verfolgte das Ziel, alle Gesellschaftsmitglieder dazu zu befähigen, Medien kritisch zu analysieren und auszuwählen.
Durch einen international vollzogenen Konzeptwandel, weg von der Frage „Was machen Medien mit dem Menschen?“, hin zu der Frage „Was machen Menschen mit den Medien?“, entwickelte sich das bis heute dominante handlungs- und interaktionsorientierte Konzept nach Baacke (1979). Dieser charakterisiert wie folgt:
Gefragt wird hier nach der Entstehung und der Absicht von Handlungen, deren Sinn mit den Handelnden zu rekonstruieren wäre. Auch ‚Rezeption von Medienaussagen‘ ist eine soziale Handlung, deren subjektiver Sinngehalt zu explizieren wäre – mit dem Ziel, die aus einzelnen subjektiven Handlungselementen konstituierten objektivierten Zusammenhänge regelgeleiteten institutionalisierten Handelns zu verstehen. Interaktionistische Theorie ist insofern radikal, als sie ihre Inhalte und Ziele nicht vorgibt, sondern selbst erst in der kommunikativen Interaktion aufweist. (S. 62)
In diesem Sinne sind Handlung und Interaktion zentrale Leitideen der Medienerziehung.
Zusammengefasst ergeben sich für die Medienerziehung folgende fünf zentrale Aufgabenbereiche, aufgeteilt in zwei Handlung- und drei Inhalts- und Reflexionsfelder (Tulodziecki, 2007):
- Auswählen und Nutzen von Medienangeboten (Handlungsfeld)
- Gestalten und Verbreiten von eigenen Medienbeiträgen (Handlungsfeld)
- Verstehen und Bewerten von Mediengestaltungen (Inhalts-/Reflexionsfeld)
- Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen (Inhalts-/Reflexionsfeld)
- Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung (Inhalts-/Reflexionsfeld) (S. 28).
Heute sind in den Lehrplänen der Bundesländer bereits medienerzieherische Voraussetzungen installiert worden, die die Wichtigkeit der Medienerziehung hervorheben (vgl. Kapitel 2.2). Eine gezielte Strategie zur Umsetzung der KMK kann dazu in Kapitel 2.2.1 nachgelesen werden.
2.1.5 Definition „Mediendidaktik“
Folgt man einer Zusammenfassung Tulodzieckis (1992), so ist die Mediendidaktik der „Bereich der Didaktik, in dem alle Überlegungen zusammengefaßt [sic] sind, bei denen es um die Frage geht, wie Medien zur Erreichung pädagogisch gerechtfertigter Ziele gestaltet und verwendet werden können bzw. sollen“ (S. 17). Neben der spezifischen Positionierung der Mediendidaktik im Kontext der Schule, erweitert Kerres (2008) diesen Bezugsrahmen um den „Medieneinsatz in der Erwachsenenbildung und betrieblichen Bildungsarbeit sowie das nicht-institutionalisierte, informelle Lernen im Kontext von Arbeit und Freizeit“ (S. 116). Grundlage dafür ist die zunehmende Entwicklung und Verbreitung digitaler Medien in der Gesellschaft. Das Stichwort „informelles Lernen“ ist in diesem Zusammenhang besonders hervorzuheben, ist es doch ein anerkannter Bereich der Pädagogik geworden und geschieht besonders durch die Nutzung analoger und digitaler Medien. Die Mediendidaktik besetzt hier einen besonders wichtigen Bereich, denn das informelle Lernen geschieht meistens ohne eine lehrende Instanz und lässt sich daher kaum gestalten, anleiten und überwachen.
Als eine in den 1970er Jahren durch die erste bildungstechnologische Welle entstandene noch recht junge Disziplin, besteht die Aufgabe der Mediendidaktik heute aus der Organisation von mediengestützten Lernarrangements. Dabei ist der Einsatz neuer Medien ohne Einführung eines mediendidaktischen Konzepts sowie Kenntnisse über die Rahmenbedingungen der jeweiligen Lernsituation nicht zielführend (Kerres, 2008, S. 118 f.).
2.1.6 Definition „Medienkompetenz“
Tabelle 1 : Definition "Medienkompetenz". Eigene Darstellung nach Baacke, 1996, S. 120.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Seit den 1990er Jahren wurde dem deutschen Bildungssystem ein Nachholbedarf in der technologischen Ausstattung und der Medienpädagogik attestiert. Besonders in den Schulen wurde ersichtlich, dass das wesentliche Ziel von Lehr-Lernsituationen, der Kompetenzerwerb, nicht ausreichend geleistet werden konnte. Den komplexen Kompetenzbegriff definiert Weinert (2003) als „die bei Individuen verfügbaren oder durch sie erlernbaren kognitiven Fähigkeiten und Fertigkeiten, um bestimmte Probleme zu lösen, sowie die damit verbundenen motivationalen, volitionalen und sozialen Bereitschaften und Fähigkeiten, um die Problemlösungen in variablen Situationen erfolgreich und verantwortungsvoll nutzen zu können“ (S. 27 f.). Die Aufgabe des medienpädagogischen Diskurses ist es, die Medienkompetenz des Menschen zu definieren und empirisch zu erfassen. Diese Kompetenz umfasst Wissensbeständen über Medien, die Fähigkeit, Medien souverän zu bedienen, zu kritisieren und kreativ gestalten zu können sowie die Förderung dieser Kompetenz in formalen und non-formalen Bildungssettings (Hugger, 2008, S. 93). Für Baacke (1996) differenziert sich Medienkompetenz in einem vierdimensionalen Verständnis. Im Sinne der Überschaubarkeit wird Baackes Definition folgend in tabellarischer Form dargestellt:
In der Diskussion um das Konzept der Medienkompetenz, insbesondere nach Baackes Vorschlag, geht es um die Frage der Präzisierung. Speziell für die Institution Schule konkretisiert Tulodziecki (1998) die Medienkompetenz als Erziehungs- und Bildungsaufgabe. Darunter fallen fünf Aufgabenbereiche: 1) „Auswählen und Nutzung von Medienangeboten unter Beachtung von Handlungsalternativen“, 2) „Eigenes Gestalten und Verbreiten von Medienbeiträgen“, 3) „Verstehen und Bewerten von Mediengestaltungen“, 4) „Erkennen und Aufarbeiten von Medieneinflüssen“ und 5) „Durchschauen und Beurteilen von Bedingungen der Medienproduktion und Medienverbreitung“ (S. 702 ff.).
Nachdem nun eine ausführliche Definition der verschiedenen Bereiche der Medienpädagogik vorgestellt wurde, erfolgt im nächsten Kapitel eine Einordnung in den LehrplanPLUS und in den Lehrplan für die bayerische Grundschule. Die einzelnen Bereiche der Medienpädagogik wurden bereits zu großen Teilen in die Lehrpläne aufgenommen.
2.2 Einordnung der (digitalen) Medien im LehrplanPLUS und im Lehrplan für die bayerische Grundschule
Die Medienerziehung ist sowohl im LehrplanPLUS als auch im Lehrplan für die bayerische Grundschule ein Schulart- bzw. fächerübergreifendes Bildungs- und Erziehungsziel. Im digitalen Zeitalter erhält die Medienbildung bereits in der Grundschule in Bayern einen hohen Stellenwert. Besonders großen Einsatz finden digitale Medien im Heimat- und Sachunterricht. Hier bieten sich die geographischen Themen an, die so trotz ihrer Komplexität und Unerreichbarkeit in den Klassenraum geholt werden können, um eine direkte Erfahrung zu ermöglichen. Weitere Fächer, in denen Medienbildung geschieht, sind Deutsch, Englisch, Kunst, Mathematik und Musik. Besonders im Deutsch- und Mathematikunterricht leistet die Medienbildung durch die intensive Interpretation von Tabellen und Texten, sowie der Auseinandersetzung mit Inhalten und Medien einen Beitrag zu den übergreifenden Bildungs- und Erziehungszielen. Neben Medien wie Büchern, Zeitschriften, Radio und Film beeinflussen mittlerweile zunehmend Videos, Fernsehen und Smartphones die Lebens- und Erfahrungswelt der Schüler. Diese bringen ungeahnte Gefahren mit sich, auf die sich die Lehrkräfte vorbereiten müssen. Dabei ist es wichtig, dass die Thematik nicht nur an Projekttagen oder in Gesprächen aufkommt, sondern kontinuierlich aufgegriffen und fester Bestandteil des Unterrichts wird. Nur dadurch kann sichergestellt werden, dass die Schüler dazu befähigt werden, Medien selbstständig und kriteriengeleitet auszuwählen und zu bewerten zu können. Ziel muss es sein, „ein dynamisches, am Dialog mit anderen orientiertes Weltbild aufbauen“ (ISB, 2009, S. 17) zu können. Die Medienerziehung benötigt dafür kein eigenes Unterrichtsfach, sondern kann fächerübergreifend eingesetzt werden. Die einzelnen Unterrichtsinhalte können dabei stets mit digitalen Medien verbunden werden, wodurch die Kinder erfahren, dass Medien für Unterhaltung, Vergnügen, Information, Kommunikation, dem Erwerb von Kenntnissen und der Entwicklung von Lernstrategien stehen (ebd.).
Die Möglichkeiten zur Gestaltung von Lehr-Lernsituationen erkannte auch die KMK und konzipierte 2016 die Strategie „Bildung in der digitalen Welt“. Durch die Verabschiedung des Papiers wurde der Bildungsauftrag in den Ländern noch einmal erweitert. Im Anschluss an die Einordnung der Medienbildung erfolgt im nächsten Kapitel die Vorstellung der Strategie der KMK in der Fassung vom 07. Dezember 2017.
2.2.1 Vorstellung der Strategie „Bildung in der digitalen Welt“ der Kultusministerkonferenz
Unter dem Stichwort „Digitale Revolution“, in Anlehnung an die im 19. Jahrhundert stattgefundene „industrielle Revolution“, benennt die KMK Handlungsfelder, „in denen im Bildungsbereich angesichts dieser Chancen und Herausforderungen Entscheidungen zu treffen und Lösungen zu erarbeiten sind“ (KMK, 2017, S. 8). Durch die Digitalisierung und ihre Auswirkungen auf alle Lebensbereiche, eröffnen sich eine große Menge an Chancen, wie die schulische und hochschulische Bildung in Abstimmung mit den geltenden Rechtsgrundlagen und Bildungsaufträgen, angepasst werden kann. Für diese Arbeit ist es ausreichend, den Fokus auf den schulischen Bereich zu lenken. Hier soll die Digitalität die Bildungs- und Erziehungsziele nicht ersetzen, sondern ergänzen und Individualität und Selbstständigkeit fördern und stärken.
Der allgemein gültige Bildungs- und Erziehungsauftrag besteht darin, die Schüler zu mündigen Bürgerinnen und Bürgern in den Bereichen Kultur, Gesellschaft, Politik, Beruf und Wirtschaft zu befähigen. Um diesen Auftrag zu erfüllen, greifen innovative Schulen von sich aus technologische Veränderungen auf (vgl. Bertelsmann Stiftung, 2017). Dadurch, dass digitale Medien in allen Altersstufen auch außerhalb der Schule genutzt werden, ist eine frühzeitige Schulung der Kompetenzen anzustreben. Hierfür benötigt es die Unterstützung der Landesregierungen, die durch eine stetige Überarbeitung der Bildungslehrpläne mit immer genaueren Anforderungen verbindliche Anforderungen formulieren. In den Lehrplänen ist dies auch zum Teil bereits nachlesbar (vgl. Kapitel 2.2).
Ziel der Strategie ist es darüber hinaus, dass bis 2021 möglichst „jeder Schüler jederzeit, wenn es aus pädagogischer Sicht im Unterrichtsverlauf sinnvoll ist, eine digitale Lernumgebung und einen Zugang zum Internet nutzen können sollte“ (KMK, 2017, S. 11). Dafür benötigt es Investitionen in die Infrastruktur der Schulen, sowie rechtliche Absicherung in Sachen des Datenschutzes und Urheberrechtes. Hierzu stellte die Bundesregierung den „DigitalPakt Schule“ mit fünf Milliarden Euro, über eine Laufzeit von fünf Jahren, bereit (vgl. Kapitel 1).
Für eine konkrete Durchführung wurden zwei Ziele formuliert. Das erste Ziel ist die Erweiterung der Kompetenzen in den Rahmenplänen der einzelnen Länder. Dabei wird kein neues Curriculum für ein eigenes Fach entwickelt, sondern der fächerübergreifende Charakter genutzt, der einen Lernzuwachs in jedem Fach garantiert. „Die Entwicklung der Kompetenzen findet auf diese Weise (analog zum Lesen und Schreiben) in vielfältigen Erfahrungs- und Lernmöglichkeiten statt“ (ebd., S. 12). Das zweite Ziel befasst sich mit den Möglichkeiten der Unterrichtsgestaltung. Neben sich anbietenden Chancen gibt es auch eine Reihe an Veränderungen, die bei der Unterrichtsplanung beachtet werden müssen.
Die bestehenden Kulturtechniken Lesen, Schreiben und Rechnen müssen um eine weitere Kulturtechnik – die des kompetenten Umgangs mit digitalen Medien – erweitert werden. Gleichzeitig verändert diese die bestehenden Techniken. Durch die Fülle an digitalen Bildungsinhalten erhalten die Schüler eine größere Verantwortung bei der Planung und Gestaltung individueller Lernziele. Dadurch kann der Zuwachs an grundlegenden Kompetenzen, die für das lebenslange Lernen relevant sind, gesichert werden.
Auch das Lernen selbst muss sich einem Wandel unterziehen, indem die Prozess- und Ergebnisorientierung mehr in den Mittelpunkt tritt. Verknüpftes Wissen sowie die Bewertung der Fakten wird durch den Einsatz von digitalen Medien eine neue Unterrichtsqualität erreichen. So muss auch die Lehrkraft ihre Rolle in der neuen Umgebung anpassen. Wird das Potenzial erkannt, ergeben sich im Hinblick auf Inklusion, heterogene Klassenverbände und Individualität große Chancen für jeden Schüler. Im Klassenzimmer 2.0 können Informations-, Kommunikations- und Organisationsstrukturen dazu beitragen, Arbeitsprozesse effektiver zu gestalten und Lerngruppen, unabhängig ihrer physischen Präsenz im Klassenzimmer, miteinander arbeiten zu lassen. Dies schließt auch Schüler ein, die durch eine wiederkehrende oder langanhaltende Krankheit dem Präsenzunterricht nicht folgen können. Durch digitale Lernumgebungen oder Live-Schaltungen in das Klassenzimmer per Videokamera können sie ihre sozialen Kontakte pflegen und in der Klassengemeinschaft lernen. Für alle an der Schule Beteiligten ist es grundsätzlich erforderlich, im Falle einer Digitalisierung des Unterrichts gewisse Kommunikations- und Verhaltensregeln festzulegen und in einem stetigen Diskurs zu pflegen. Von digitalen Informations- und Kommunikationsstrukturen profitiert auch der Austausch zwischen Schule und Eltern und trägt zur Teilhabe und Mitbestimmung des Schullebens bei.
Für den Begriff „Kompetenzen in der digitalen Welt“, welcher durch den Titel bereits auf die fortlaufenden technischen Entwicklungen verweist, bezieht sich die KMK (2017) auf drei bekannte Kompetenzmodelle (S. 15):
1. Das Kompetenzmodell „DigComp“; von der EU-Kommission in Auftrag gegeben und vom Institute for Propective Technologies Studies, JRC-IPTS (Ferrari, 2013),
2. das „Kompetenzorientierte Konzept für die schulische Medienbildung“ der Länderkonferenz MedienBildung (2015), sowie
3. das der ICILS-Studie von 2013 „Computer- und informationsbezogene Kompetenzen von Schülerinnen und Schülern in der 8. Jahrgangsstufe im internationalen Vergleich“ zugrundeliegende Modell „computer- und informationsbezogene Kompetenzen“ (vgl. Bos et al., 2014).
Aus diesen drei Modellen wurden sechs Kompetenzbereiche bestimmt, die die Mündigkeit, Individualität und Identität stärken, individuelles und selbstgesteuertes Lernen fördern und die Teilhabe in unterschiedlichen gesellschaftlichen Bereichen ermöglichen sollen. Dabei wurde das Ziel festgelegt, dass eben diese Förderung der genannten Komponenten durch jedes Unterrichtsfach geleistet werden soll (KMK, 2017, S. 15). Um einen genauen Überblick zu bieten, können alle sechs Kompetenzbereiche in tabellarischer Form in Anhang 3 eingesehen werden.
Aufgrund unterschiedlicher Voraussetzungen in den Bundesländern wird die Überarbeitung der Curricula einige Zeit in Anspruch nehmen. Eine Verpflichtung, ab dem Schuljahr 2018/2019 die Kompetenzen bis zum Ende der Pflichtschulzeit anzustreben, wurde vereinbart.
Die Strategie der KMK stellt eine Reihe an Ansatzpunkten der Verbesserung vor. Den Chancen, die sich durch die fortschreitende Digitalisierung ergeben, wurde in diesem Konzept Beachtung geschenkt. Breit aufgestellte Kompetenzbereiche stehen den Lehrkräften als Orientierung zur Verfügung und der fächerübergreifende Charakter bietet jeder Lehrkraft die Möglichkeit, einen Zugang zu digitalen Medien in jedem Fach zu schaffen. Das Strategiepapier lässt allerdings offen, bis zu welchem Zeitpunkt der technisch-infrastrukturelle Ausbau der Schulen abgeschlossen sein soll. Dies bemängelt der Bundesverband Informationswissenschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (BITKOM, 2016) in einer Stellungnahme zur Strategie der KMK. Auch fordern sie, dass das Unterrichtsfach Englisch spätestens ab der 1. Klasse unterrichtet wird, um die Schüler auf die wichtige Sprache der digitalen Welt vorzubereiten. Ähnlich formuliert es auch Torsten Brinda (o. J.), Sprecher des Fachbereichs „Informatik und Ausbildung/Didaktik der Informatik“ der Gesellschaft für Informatik e.V. In seiner Stellungnahme fordert er die Einrichtung des Faches Informatik als allgemeinbildendes Fach und kritisiert den Widerspruch, den die KMK in ihrer Argumentation vorbringt (S. 3). So wurde in den ländergemeinsamen inhaltlichen Anforderungen für die Fachwissenschaften und Fachdidaktiken in der Lehrerbildung der KMK (2008 i. d. F. vom 16.05.2019) festgehalten, dass die Informatik als allgemeinbildendes Fach gilt. Gleichzeitig möchte die KMK, wie bereits in diesem Kapitel erwähnt, nichts an den Curricula ändern, sondern setzt auf den fächerübergreifenden Charakter des Faches. Brinda kritisiert dies mit dem Argument, dass der digitale Wandel von Personen gestaltet wird, welche durch ein Studium, eine Ausbildung oder durch Autodidaktik Kompetenzen entwickelt haben, die sie zur Entwicklung digitaler Anwendungen und Software qualifizieren (S. 2). Gestützt wird das Argument Brindas von der Studie „Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst“ der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft pwc (2018). Diese prognostiziert einen Mangel an IT-Fachkräften für das Jahr 2030 von insgesamt 15,4%, gemessen an der Gesamtmenge der unbesetzten Stellen (S. 27). Sollte sich an der Strategie der KMK nichts ändern, so ist es umso wichtiger, dass sich die Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte neu orientiert, um diesen Wandel bestreiten zu können.
Nach Vorstellung der Strategie der Kultusministerkonferenz und der beanstandeten Kritik nach Brinda und BITKOM, soll im folgenden Kapitel ein Blick auf die Rolle der Lehrkraft geworfen werden.
2.3 Die Rolle der Lehrkraft im Umgang mit Medien im Unterricht
Das Potenzial digitaler Medien im unterrichtlichen Kontext ist äußerst vielfältig. Insofern ist die Auswahl passender Medien, die didaktische Reduktion sowie methodische Integration eben dieser in den Unterricht eine immer wichtiger werdende Aufgabe der Lehrkraft. Eine allgemeine Formel, wie eine Präsentation oder eine Internetrecherche zu integrieren sei, gibt es nicht. Der technische Wandel bringt „Medien aller Art, als Träger von Angeboten unterschiedlicher und oftmals in Widerspruch stehender Normen- und Wertsysteme“ (Pirnay-Dummer & Spengler, 2019, S. 484) hervor, denen sich Lehrer und Schulen als Bildungsinstitutionen mit Erziehungsauftrag durch eine ständige Selbstreflexion stellen müssen. Passend dazu gilt das Credo: „[…] mit modernen Menschen muss man auch über moderne Dinge reden“ (ebd.).
Für die Gestaltung von Lehr-Lernsituationen ist die Beachtung der Sozialisationstheorie, die Hurrelmann und Bauer (2015) als „Persönlichkeitsentwicklung eines Menschen, die sich aus der produktiven Verarbeitung der inneren und äußeren Realität ergibt“ (S. 97) definieren, sowie die Beachtung der Medienbildung, als Teil der Medienpädagogik (vgl. Kapitel 2.1.3) wichtig. Die erzieherischen Handlungen bewegen sich dabei immer zwischen den Polen „Unterstützung der Lernenden im adäquaten Umgang mit Medien“ und „Lernen durch die Lernenden“. Dadurch wird der Kern der Sozialisation gekennzeichnet, der „die Persönlichkeitsentwicklung als eine ständige Interaktion zwischen individueller Entwicklung und den umgebenden sozialen Strukturen“ (Hurrelmann & Bauer, 2015, S. 15) ansieht.
Für die Gestaltung des Lernarrangements ist es nun Aufgabe der Lehrkraft, mit einer medienpädagogischen Brille einen Unterricht zu entwickeln, der die Voraussetzungen der Schüler eingehend analysiert und daraufhin ausreichend differenziert. Dabei muss bewusst sein, dass Medien auch eine Störfunktion innehaben. Daher ist der Gestaltungsprozess mehr als nur ein ästhetischer. „Er konstituiert vielmehr ein Organisations-, Erlebnis- und Erkenntnisangebot auf der Wissens- und Erfahrungsgrundlage der Lernenden“ (Pirnay-Dummer & Spengler, 2019, S. 485). Die Gestaltung einer ansprechenden Lernumgebung besitzt dabei einen hohen Stellenwert. Pirnay-Dummer und Spengler (2019) skizzieren in Abbildung 2, welche Wichtigkeit der Auswahl des Lerngegenstandes zukommt und unter welchen affektiven und kognitiven Bedingungen ein Objekt eine Chance erhält, zu einer Auseinandersetzung mit eben diesem zu führen. Gleichzeitig zeigt die Abbildung auch auf, wie wichtig eine Orientierung an der Didaktik ist, damit Medien ihren eskapistischen Charakter bei den Schülern entfalten können.
Es gilt sich die gleichen methodisch-didaktischen Fragen zu stellen wie bei einer Unterrichtsstunde ohne Medieneinsatz. Der Gestaltung der Lernumgebung unter medienpädagogischen Gesichtspunkten kommt hierbei eine besonders wichtige Rolle zu. Tulodziecki und Herzig (2004) unternahmen den Versuch, die Anwendungsanlässe von Medien auf methodischer Ebene zu klassifizieren. Orientierung ihrer Kategorisierung gab ihnen die Unterscheidung nach dem Grad der Steuerung des Lernprozesses bzw. nach dem Grad der Offenheit des Zugriffs auf Lerninhalte. Dadurch sind insgesamt acht Kategorien entstanden, die im Kontext von Lernen bedeutsam sind (S. 72 ff.):
- Lehrprogramme. Sie vermitteln durch eine eng gestrickte Programmführung neue Inhalte. Sie dienen ausschließlich dem Selbststudium.
- Übungsprogramme. Sie helfen dabei, an bereits gelernte Inhalte anzuknüpfen und diese zu üben, zu festigen und zu automatisieren.
- Offene Lehrsysteme. Im Gegensatz zu Lehr- und Übungsprogrammen steht bei offenen Lehrsystemen nicht der Stoff, sondern die Information im Mittelpunkt. Der Lernende hat die Möglichkeit, sich selbsttätig in einer didaktisch und hypermedial aufbereiteten Lernumgebung neue Inhalte anzueignen.
- Lernspiele. Sie zielen nicht direkt auf den Wissenserwerb oder die Aneignung von Lösungsstrategien ab, sondern verfolgen die Anwendung dieser Kompetenzen in pädagogisch sinnvollen Aufgaben in einer problemorientierten Situation.
- Experimentier - und Simulationsumgebungen. In realen oder fiktiven Modellen mit veränderbaren Parametern können Lernende Hypothesen prüfen und Veränderungen beobachten.
- Kommunikations- und Kooperationsumgebungen. Mittels einer Infrastruktur kann in diesen Umgebungen ein Austausch von Informationen, Erfahrungen und Meinungen geschehen. So kann eine gemeinsame Bearbeitung eines Produktes über räumliche Distanzen ermöglicht werden.
- Datenbestände. Egal ob online (z.B. im Internet) oder offline (z.B. auf einer CD-ROM) werden Daten gesammelt und zur Verfügung gestellt.
- Werkzeuge. Mithilfe dieser themenneutralen Programme lassen sich visuelle, auditive und audiovisuelle Dateien bearbeiten und teilen.
Die Autoren verweisen an dieser Stelle darauf, „dass die praktisch vorfindbaren Produkte im konkreten Einzelfall aufgrund ihrer Komplexität nicht immer einem Typus eindeutig zuzuordnen sind“ (Tulodziecki & Herzig, 2004, S. 72). Im Zuge der Unterrichtsvorbereitung muss sich außerdem die Frage gestellt werden, welches lernförderliche Potenzial die ausgewählte Anwendung besitzt. Dazu definierte Herzig (2008) Kategorien wie die Entlastung von Routinefähigkeiten, die Möglichkeiten des Feedbacks, Adaptivität oder der Dezentralisierung und Deregulierung von Lernorten (S. 499 f.).
Inwiefern Lehrer an deutschen Schulen technische Anwendungen im Unterricht nutzen, soll im Folgenden mithilfe der Studie „Monitor Digitale Bildung“ der Bertelsmann Stiftung (2017) untersucht werden. Diese Frage ist insofern interessant, als dass Ergebnisse einer Studie von Höhnle, Schubert und Uphues (2012) zum Einsatz von Geographischen Informationssystemen im Unterricht ergab, dass der Einsatz von digitalen Medien oftmals an fehlenden Kompetenzen, einer fehlenden Offenheit gegenüber den neuen Technologien sowie fehlenden Implementierungsstrategien scheitert.
Die Bertelsmann-Studie unterscheidet die einzelnen Items in die Bereiche „Nutze ich im Unterricht“, „Nutze ich zur Unterrichtsvorbereitung“ und „Nutze ich zur Kommunikation mit Schülern oder Kollegen“. So fällt z.B. für die Unterrichtsplanung auf, dass 77% der befragten Lehrkräfte (n=542) Officeprogramme wie z.B. Word oder Excel nutzen, gleichzeitig aber auch in 72% der Fälle auf Wikipedia oder andere Wikis zurückgreifen, um Informationen für den Unterricht zu sammeln. Diese Informationen werden zu 76% in Präsentationsprogrammen wie Power Point zusammengestellt. Dicht gefolgt in der Unterrichtspraxis sind Officeprogramme (73%) und Videoangebote wie YouTube (72%). Lern-Apps (19%), Lernplattformen (17%) oder Clouddienste (17%), die für den Austausch von Dokumenten einsetzbar wären, werden im Unterricht ebenfalls nur selten genutzt (S. 25). Darüber hinaus fällt auf, dass Lehrkräfte sehr häufig dann digitale Lernanwendungen nutzen, wenn diese kostenfrei sind. So werden Lern-Apps (66%), Angebote zu Online-Nachhilfe (90%) sowie Lernplattformen wie Moodle (64%), bei denen Kosten auftreten, nicht genutzt. Um nun aber das Ziel zu erreichen, digitale Medien als eine Selbstverständlichkeit anzusehen und dadurch einen häufigeren Gebrauch anzustoßen, schlägt die Bertelsmann Stiftung verschiedene Möglichkeiten vor: Neben externen Coachings für eine gelingende Schulentwicklung, einem erhöhten Fortbildungsbudget für Lehrkräfte sowie einer verbesserten Struktur die es ermöglicht, aus den vielfältigen Lernangeboten das passende Medium auszuwählen, verweisen die Autoren auch auf eine verbesserte Ausbildung zukünftiger Lehrkräfte (Bertelsmann Stiftung, 2017, S. 47 f.). Hier sehen sie die Möglichkeit eines Pflichtprogrammes an den Universitäten, in denen angehende Lehrer methodische, didaktische und pädagogische Möglichkeiten der medialen Unterrichtsgestaltung erlernen und eine Beurteilungskompetenz anbahnen, die ihnen im Umgang mit den verschiedenen Medien hilft.
Zwischenfazit
Im bisherigen Verlauf dieser Arbeit wurde versucht, ein möglichst genaues Bild der Medienpädagogik zu zeichnen. Die vielen verschiedenen Teilbereiche der Disziplin wurden ausführlich definiert und es wurde ersichtlich, dass sich die einzelnen Bereiche interdependent zueinander verhalten. Dies ist für das Verständnis der Medienpädagogik, insbesondere für die Planung und Gestaltung von Lehr-Lernsituationen, aber auch für Innovationen im Bereich der Digitalisierung an Schulen, wichtig. Zu großen Teilen hat die Medienbildung in den LehrplanPLUS – Grundschule in Bayern und in den Lehrplan für die bayerische Grundschule Einzug gehalten. Begrüßenswert ist auch das Strategiepapier der KMK von 2017, in welchem explizite Möglichkeiten der Umsetzung der Digitalität an Schulen und Hochschulen thematisiert werden. Das Papier behandelt darüber hinaus Möglichkeiten begleitender Maßnahmen sowie Konzepte der digitalen Weiterbildung. Dennoch muss berechtigte Kritik geübt werden, denn weder wird ein Datum für den Abschluss des infrastrukturellen Ausbaus genannt, noch ist die KMK dazu bereit, die Curricula dahingehend zu ändern, dass der Informationstechnologie ein eigenes Fach zuteilwird. Zuletzt wurde ein Blick auf die Rolle der Lehrkraft in einem mediengestützten Unterricht geworfen. Dabei fiel auf, dass das Lernen mit Medien von der Lehrkraft ein stetiges Reflektieren und Up-to-date-bleiben erfordert. Für die Planung ist es wichtig, ein „Organisations-, Erlebnis- und Erkenntnisangebot auf der Wissens- und Erfahrungsgrundlage der Lernenden“ (Pirnay-Dummer & Spengler, 2019, S. 485) zu schaffen, welches zu möglichst keinen Störanlässen führt. Dazu teilten Tulodziecki und Herzig (2004) die Anwendungsanlässe von Medien in acht Kategorien ein. Herzig (2008) definierte anschließend lernförderliche Potenziale.
Mithilfe der Bertelsmann Stiftung konnte ein direkter Praxisbezug gewonnen werden. Hierbei wurde deutlich, dass Lehrkräfte zwar Medien in ihren Unterricht implementieren, diese sich allerdings meist auf Videos, Präsentationen oder den Einsatz von Officeprogrammen beschränken. Auch wird der Einsatz von kostenpflichtigen Tools meist vermieden. Im Rahmen der Studie wurden letztendlich Möglichkeiten einer verbesserten Lehrerausbildung durch Pflichtprogramme an den Hochschulen vorgeschlagen. Für die Schulentwicklung sind externe Coachings, ein erhöhtes Budget für Fortbildungen und ein verbesserter Ausbau der Infrastruktur vorgesehen.
Die Wichtigkeit des Fortschritts, insbesondere durch die Fortbildung und Selbstreflexion durch den Lehrer, wurde nun vermehrt angesprochen. Ersichtlich wurde, dass es einer besonderen Wichtigkeit unterliegt, über das Medienverhalten von Kindern und Jugendlichen Bescheid zu wissen, um das eigene Lernangebot daraufhin anschlussfähig gestalten zu können. Speziell für angehende Grundschullehrkräfte soll hierzu im folgenden Kapitel eine empirisch fundierte Grundlage geboten werden. Die Ergebnisse der seit 1999 durchgeführten Studie „Kinder und Medien“ (kurz „KIM“), sollen Aufschluss über das Medienverhalten geben und zu Prognosen anregen, in welche Richtung sich die Mediennutzung der Kinder entwickelt und an welchen Punkten Lehrer anknüpfen können.
3. Ergebnisvorstellung der KIM-Studien von 1999 bis 2018
Seit 1999 veröffentlich der Medienpädagogische Forschungsverbund Südwest (kurz „mpfs“), eine Forschungskooperation aus der Landesanstalt für Kommunikation Baden-Württemberg (LfK), der Landeszentrale für private Rundfunkveranstalter Rheinland-Pfalz (LPR) und dem Südwestrundfunk (SWR), im Abstand von einem bis zwei Jahren eine Studie zum Medienumgang der Sechs- bis 13-Jährigen. Die Ergebnisse dienen nicht nur einer Standortbestimmung, sondern sollen über die sich im ständigen Wandel befindlichen Rahmenbedingungen der Medienangebote informieren (mpfs, 2020). Neben den Interviews mit ausgewählten Kindern werden auch die Eltern mittels eines Selbstausfüllerfragebogen dazu aufgefordert, die Mediennutzung des eigenen Kindes, das eigene Medienverhalten und die Einstellungen gegenüber Medienthemen einzuschätzen. In diesem Kapitel werden, gemäß der thematischen Linie, insbesondere die Daten der Kinder behandelt, die für die unterrichtliche Praxis einen hohen Mehrwert besitzen.
Zwischen den Jahren 1999 und 2018 lag der Durchschnitt der teilnehmenden Kinder bei 1204, wobei sich die Geschlechterverteilung konstant in der Waage (51% Jungen, 49% Mädchen) hielt. Seit 2015 werden auch Kindergartenkinder in die Befragungen mit einbezogen, sofern diese sechs Jahre alt sind; den Hauptteil der Befragten machen im Durchschnitt jedoch Grundschulkinder aus (54%). In den ersten zwei Befragungen 1999 und 2000 wurden Schüler in Grund-, Haupt- und Realschulen, sowie an Gymnasien befragt. Von 2002 bis 2014 wurde zudem die Kategorie „Sonstige Schulen“ als eine weitere Kategorie aufgeführt. 2016 war bislang der einzige Jahrgang, in dem auch Schüler an Förderschulen interviewt wurden. Seit diesem Jahr werden außerdem Kindertagesstätten berücksichtigt und alle Schulen nach der Grundschule als „weiterführende Schulen“ zusammengefasst. Anhang 4 zeigt eine gebündelte Darstellung der Soziodemographie der zwölf bisherigen Jahrgänge. Der überwiegende Teil der befragten Kinder wohnt in Westdeutschland, während nur knapp jedes fünfte Kind in Ost-Deutschland wohnt (17%).
Zentral für jeden Jahrgang sind Kernfragen, die Bereiche wie Freizeitaktivitäten, Themeninteressen, Medienausstattung und weitere Gebiete abdecken. Da in den Jahren verschiedene Themen durch z.B. den Wandel der Technologien hinzukamen und gleichzeitig das Interesse für andere Themenbereiche nachließ, werden im Folgenden die Bereiche „Freizeitaktivitäten“, „Themeninteressen“, „Medienausstattung“, „Medienbindung“ und „Computernutzung in der Schule“ detailliert vorgestellt. Dabei wird, aufgrund der Datenmenge, eine Auswahl getroffen, die ihren Blick auf besonders interessante Items in dem jeweiligen Bereich der kindlichen Lebenswelt wirft. Diese Auswahl ist subjektiv und besitzt daher keinen Anspruch auf Korrektheit oder Wahrheit.
3.1 Ergebnisvorstellung der KIM-Studien: Freizeitaktivitäten
Tabelle 2: Ausgewählte Freizeitaktivitäten der KIM-Studien von 1999 bis 2018. Eigene Darstellung nach mpfs, 2000-2019.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Der Bereich „Freizeitaktivitäten“ umfasst in der ersten Fassung von 1999 insgesamt 20 Items (mpfs, 2000, S. 8); die Liste mit Auswahlmöglichkeiten wurde in den darauffolgenden Jahren kontinuierlich erweitert. Aus den zahlreichen verschiedenen Items wurden Beschäftigungen gewählt, die zum einen damals wie heute zu einer ausgewogenen Kindheit gehören („draußen spielen“, „drinnen spielen“ „Freunde treffen“ und „Fernsehen“), zum anderen fiel die Wahl auf die allgemeine Pflicht der Hausaufgaben bzw. des Lernens, sowie der Computernutzung (1999 bis 2008 reine Offline-Nutzung; ab 2010 dann auch Online) und dem Handygebrauch (a 2010) (vgl. Tabelle 2).
Die Probanden durften dabei maximal drei Items aus einer ihnen vorgelegten Listen mit Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung auswählen. Die berechneten Mittelwerte ergaben, dass 97% der Kinder mindestens einmal in der Woche fernsehen. Der Trend ist seit 1999 ungebrochen und wird derzeit auch noch nicht durch andere digitale Medien abgelöst. 96% der Kinder machen mindestens einmal die Woche ihre Hausarbeiten. Die Zahlen sind jedoch rückläufig. 1999, 2000 sowie 2008 gaben 81% der Kinder an, täglich bzw. fast täglich ihre Hausaufgaben zu erledigen. 2018 lag diese Zahl nur noch bei 68%. Ein weiterer Rückgang der Zahlen kann im Bereich „Freunde treffen“ verzeichnet werden, möglicherweise hervorgerufen durch den gleichzeitigen Anstieg der seit 2010 erhobenen Daten zur Smartphone-Nutzung. Diese nimmt seit zehn Jahren tendenziell zu. Das Spielen im Haus oder im Freien ist ungebrochen eine der Lieblingsaktivitäten von Kindern und ließ im Vergleich der Jahre nie nach. Die offline Computernutzung zeigte sich zuletzt permanent rückläufig und wird seit zehn Jahren kontinuierlich von Online-Spielen auf einer Spielkonsole oder dem PC abgelöst (2018: 60% der Kinder spielen mindestens einmal in der Woche ein Onlinespiel; nur 53% der Kinder nutzen den PC mindestens einmal in der Woche offline).
3.2 Ergebnisvorstellung der KIM-Studien: Themeninteressen
Den Kindern wurde für den Bereich „Themeninteressen“ eine Liste aus durchschnittlich 16 Themen aus verschiedenen Lebensbereichen vorgelegt. Mittels einer 4er-Skala konnten die Kinder angeben, inwiefern sie sich für diese interessieren. Für die Auswahl der hier vorgestellten Ergebnisse wurden Themen gewählt, die zum einen repräsentativ für die Gestaltung einer durchschnittlichen Freizeit eines Kindes sind, zum anderen wurden explizit Themen gewählt, die für einen medienorientierten Unterricht besonders interessant sind. Die Auswahl umfasst folgende Bereiche: „Freunde/Freundschaft“, „Handy/Smartphone“, „Bücher/Lesen“, „Internet“, „Computerspiele“, „Sport“ und „Schule“ (siehe Anhang 5).
Die Schule ist bei Jungen grundsätzlich wenig beliebt (Höchstwert 2005 mit 22%); Mädchen sind hier leicht interessierter. Nur jedes fünfte Kind gibt an, sehr an der Schule interessiert zu sein. Demgegenüber stehen 54% an Kinder, die die Schule zumindest interessant finden. Tendenziell nimmt das Interesse an Schule seit 2012 wieder zu, was bei den Geschlechtern insbesondere durch das Entwickeln und Pflegen von Freundschaften begründbar ist. Dieser Bereich der Freizeit ist ununterbrochen Spitzenführer bei den Kindern.
Einen großen Aufschwung kann man in den Bereichen „Smartphone“ und „Sport“ sehen. Das Interesse an einem Smartphone kann seit 2006 mit einer steigenden Tendenz beobachtet werden. Das Augenmerk kann hierbei insbesondere auf das Wechseln der Kategorie „interessiert“ zu „sehr interessiert“ gelegt werden. 2014 war der erste Jahrgang, in dem offen von einem großen Interesse an einem Smartphone gesprochen wurde (33% sehr interessiert; 32% interessiert) (mpfs, 2015, S. 6). Der Sport wird traditionell von den Jungen favorisiert, jedoch kann ein Anstieg der Zahlen bei den Mädchen beobachtet werden (2018: 54% der Jungen und 24% der Mädchen sind an Sport interessiert).
Neben dem stetig wachsenden Interesse am Internet bleibt das Lesen durchgehend eine starke Konstante in der Freizeitgestaltung der Kinder. Besonders bei den Jungen konnte dieses Themengebiet vom Jahr 2018 um drei Prozentpunkte anwachsen.
Grundsätzlich kann zusammenfassend gesagt werden, dass Mädchen den tradierten Interessen wie „Tiere“, „Freundschaft“, „Kleidung/Mode“, „Umwelt/Natur“ und „Bücher/Lesen“ folgen, während die Jungen eine starke Affinität zu den Bereichen „Sport“, „Computerspiele“ und „Technik“ aufweisen. Inwiefern diesen Interessensbereichen durch häusliche Ausstattung nachgegangen werden kann, soll im folgenden Kapitel thematisiert werden.
3.3 Ergebnisvorstellung der KIM-Studien: Medienausstattung
Die Geräteausstattung in den befragten Haushalten ist ein zentraler Punkt in den wiederkehrenden Interviews. Für die Ergebnisvorstellung in diesem Kapitel wurde folgende Auswahl getroffen: „Fernseher“, „Fernseher mit Internetzugang“, „Festnetztelefon“, „Handy/Smartphone“, „Smartphone“, Internetzugang“, „Computer/Laptop“, „Spielkonsole“, „Abo-Tageszeitung“ und „Streaming-Dienste“.
Tabelle 3: Ausgewählte Medienausstattung in den Haushalten der KIM-Studien von 1999 bis 2018. Eigene Darstellung nach mpfs, 2000-2019.
Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten
Die Auswahl begründet sich darin, dass mobile Endgeräte für die Zukunft eine weit höhere Aussagekraft besitzen als heute bereits als alt geltende Medien, wie z.B. ein Radio, ein MP3-Player oder ein Videorekorder. In Tabelle 3 kann nachvollzogen werden, wie die Digitalität, allen voran der flächendeckende Internetzugang, die steigenden Zahlen der Smartphones in den Haushalten Einzug hält und inwiefern die Zahlen im Bereich der Tageszeitungs-Abonnements fallen. Festnetzanschlüsse werden seit 2012 nicht mehr gezählt. Dafür haben sich die Streaming-Dienst-Abonnements von 2016 auf 2018 um 100% verdoppelt.
3.4 Ergebnisvorstellung der KIM-Studien: Medienbindung
Im Bereich der Medienbindung wird nachfragt, für wie unverzichtbar verschiedene Medien in der subjektiven Wahrnehmung der Kinder sind. Mit den gesammelten Daten kann ein gutes Bild über den Stellenwert, den diese Medien für Kinder besitzen, gezeichnet werden. Seit 2000 werden hierzu in den Bereichen „Fernsehen“, „Computer“, „Zeitschriften“ und „Radio“ Daten erhoben. 2002 wurde die Kategorie „Bücher“ hinzugefügt, 2005 die Kategorie „Internet“ sowie 2006 schließlich die letzte Kategorie „MP3-Player“. 2008 wurde der Fokus auf Medienkompetenzen gelegt, die von da an Teil jedes Jahrgangs wurden. Seit 2010 sind die Kategorien „Computer“ und „Internet“ zusammengefasst.
Für die Thematik dieser Hausarbeit sind vor allem die jahrgangsspezifischen Daten von großem Interesse, die von 2003 bis 2014 erhoben wurden. Anhand der Frage „Am wenigsten verzichten kann ich auf…“ mussten die Probanden aus einer Liste der vorgestellten Kategorien entscheiden, auf welches Medium sie generell am wenigsten verzichten könnten. Dabei sticht klar der Fernseher als ununterbrochener Favorit heraus. Besonders bei den sechs bis siebenjährigen Kindern genießt dieses Medium eine durchschnittliche Bestätigung von rund 79%. Bei den 12 bis 13 Jahre alten Kindern ist diese Zahl nur noch bei 51%, Tendenz weiter sinkend. Dafür sind in dieser Altersklasse das Internet bzw. der Computer besonders interessant. 2014 lag die Zustimmungsrate bei 51%, was ein Plus von sechs Prozentpunkten zum vorherigen Test 2012 ist. Bücher und Zeitschriften verlieren seit Jahren an Ansehen und werden von den meisten Kindern nicht mehr als wichtig erachtet. So geben nur noch 2% der 12- bis 13-Jährigen an, auf Zeitschriften verzichten zu können. Bücher sind bei den acht bis Neunjährigen mit durchschnittlich 7,4% am beliebtesten. Das Radio spielt mittlerweile keine signifikante Rolle mehr und auch der MP3-Player konnte sich nach der ersten Datenerhebung 2006 nie groß durchsetzen (im Durchschnitt: 6-7 Jahre: 2%; 8-9 Jahre: 3,5%; 10-11 Jahre: 3,25%; 12-13 Jahre: 4,5%) (siehe Anhang 6).
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- Arbeit zitieren
- Jonas Mumperow (Autor:in), 2020, Der Umgang mit digitalen Medien in der Schule. Kompetenzen und Erfahrungen von Grundschullehramtsstudierenden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/945525
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