Regionale Lösungsstrategien zur Sicherstellung der Versorgungsstruktur im Gesundheitswesen im Kontext des demografischen Wandels

Fachrichtungen Frauen- und Geburtshilfe und Neonatologie im Land Brandenburg


Tesis, 2008

99 Páginas, Calificación: 2,3


Extracto


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

Einleitung

1. Demografische Struktur und Entwicklung in Brandenburg
1.1. Betrachtung der Gesamtbevölkerung
1.1.1 Familienstrukturen und Geburtsentscheidung im historischen Kontext
1.1.2. Sterbe- und Geburtenverhältnis heute
1.1.3 Zu erwartende Wanderung
1.1.4 Gegensatz Peripherie/Verflechtungsraum Berlin
1.2. Prognosen für das Geburtsverhalten im Betrachtungszeitraum bis 2020
1.2.1 Datengrundlage für Prognosen
1.2.2 Soziologische Einflussgrößen auf die Fertilitätsentwicklung
1.2.3 Berechnung des Fallvolumens im Betrachtungszeitraum
Prognose kreisfreie Stadt Potsdam
Prognose kreisfreie Stadt Frankfurt (Oder)
Prognose kreisfreie Stadt Cottbus
Prognose kreisfreie Stadt Brandenburg (Havel)
Prognose engerer Verflechtungsraum
Prognose äußerer Entwicklungsraum

2. Quantitative Situation der Frauen- und Geburtshilfe und Qualitative Anforderungen
2.1 Quantitative Beschreibung und strukturbestimmende Parameter
2.1.1 Struktur der Leistungserbringung
2.1.2 Wissenschaftliche Ansätze zur Versorgungsplanung
2.1.3 Verantwortliche Stellen und Entscheidungswege für die
Versorgungsplanung im stationären Bereich
2.1.4 Aktuelle landespolitische Vorhaben zur Strukturanpassung
2.2 Qualitätsanforderungen in der Frauen- und Geburtshilfe sowie der
Neonatologie
2.2.1 Rechtlicher Rahmen und Entscheidungswege für Qualitätsrichtlinien
2.2.2 Medizinische Leitlinien und Indikatoren zur Versorgung und deren
Ergebnisse für das Land Brandenburg
Versorgungsstufen
Qualitätssicherung durch Indikatoren
Mindestmengenplanung
Versorgungsergebnisse in der amtlichen Statistik

3. Die Zukunft der Frauen- und Geburtshilfe und Perinatologie aus Sicht der beteiligten Akteure
3.1 Administration und Selbstverwaltung
3.1.1. Landesregierung Brandenburg
3.1.2 Kommunale Spitzenverbände
3.1.3 Kostenträger
3.1.4 Patientenvertreter
3.2 Gesundheitsdienstleister
3.2.1 Fachärzteschaft für Kinder- und Jugendmedizin
3.2.2 Landeskrankenhausgesellschaft
3.2.3 Hebammen
3.3 Auswertung und Gegenüberstellung der Befragungsergebnisse
3.3.1 Gemeinsamkeiten
3.3.2 Divergierende Standpunkte

4. Untersuchungsergebnisse

5. Handlungsbedarf zur Vermeidung von Defiziten und

Entwicklung eines Versorgungskonzeptes

6. Ergebnisse in Thesen

Quellenverzeichnis

Abbildungen und Tabellen

Abbildung I: Geburtszeitpunkte nach Alter der Mutter und Familiengröße

Abbildung II: Entwicklung des Durchschnittsalters in Brandenburg

Tabelle I: Geburten, Todesfälle, Wanderung im Land Brandenburg nach Landkreisen

Abbildung III: Bevölkerungsprognosen für Brandenburg im Vergleich

Tabelle II: Verteilung der Ärzte in den Fachgebieten Frauenheilkunde- und Geburtshilfe und Kinderheilkunde, Datenbasis Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik 2006

Abbildung IV: Versorgungsgebiete im Landeskrankenhausplan Brandenburg

Tabelle III: Häufigkeit ambulante Kinder- und Jugenduntersuchungen

Tabelle IV: Ambulante Leistungen zur Entbindung

Tabelle V: Durch Hebammen in Brandenburg betreute Geburten in Brandenburg und deren Verteilung

Tabelle VI: Komplikationen im Rahmen von ambulanten Entbindungen

Tabelle VII: Akteure und Zuständigkeiten

Tabelle VIII: Krankenhausbezogene Planungsgrundsätze der Landesregierung Brandenburg

Tabelle IX: Bettenzahl Frauen- und Geburtshilfe nach Krankenhäusern in Brandenburg

Abbildung V: Verteilung von Frühgeborenen auf gestufte Versorgungsangebote, aus LQS- Report Brandenburg 2007

Tabelle X: Aufnahmekriterien für Perinatalzentren LEVEL 1

Tabelle XI: Aufnahmekriterien für Perinatalzentren LEVEL 2

Tabelle XII: Aufnahmekriterien für perinatale Schwerpunkte

Tabelle XIII: Aufnahmekriterien für Geburtskliniken

Tabelle XIV: Wissenschaftliche Indikatoren zur Qualitätsmessung

Abbildung V: Frühsterblichkeit in Brandenburg

Abbildung VI: Perinatale Morbidität, aus LQS- Report Brandenburg 2007

Abbildung VII: Perinatale Mortalität, aus LQS- Report Brandenburg 2007

Abbildung VIII: Ablaufschema, eigene Darstellung

Abbildung IX: Finanzierungsschema, eigene Darstellung

Vorwort

Die vorliegende Diplomarbeit konnte innerhalb der letzten Monate nur dadurch entstehen, dass ich von vielen Seiten her Unterstützung erhielt. Durch finanzielle Zuwendungen meiner Eltern wurde mir das Studium überhaupt erst ermöglicht. Sie waren es auch, die mich nach meiner bereits abgeschlossenen Berufsausbildung und begonnener Berufstätigkeit zur Aufnahme eines Studiums bewegten.

Im Studium konnte ich meine eingeschlagene berufliche Orientierung auf das System der Sozialversicherung vertiefen und um viele interessante Aspekte ergänzen. Besonders hilfreich war dabei, dass ich während des kompletten Studiums in Teilzeit in meinem erlernten Beruf als Sozialversicherungsfachangestellter arbeiten konnte. Dadurch erhielt ich finanzielle Sicherheit und konnte auch fachlich am Ball bleiben. Ein Dank gilt hier der AOK Brandenburg - Die Gesundheitskasse.

Mein Arbeitgeber unterstützte dann auch tatkräftig diese Diplomarbeit. Auf meine Nachfrage wurde das vorliegende Thema auf Grund seiner Aktualität gemeinsam ausgewählt. Für die Organisation dieser Zusammenarbeit danke ich Frau Halkow, Frau Moskwyn und Herrn Pfeiffer. Als Betreuer erhielt ich mit Dr. Dieter Heß einen mit der Materie vertrauten, aber auch kritischen Ansprechpartner im Unternehmen. Daneben möchte ich die vielen anderen Kollegen, die mich mit Informationen versorgten, auch nicht vergessen. Ihnen allen sei recht herzlich hiermit gedankt. Ebenso erhielt ich Unterstützung durch Frau Sollmann vom WidO und den Mitarbeitern des AOK Bundesverbandes.

Während der Recherche knüpfte ich Kontakte zu den verschiedenen Akteuren, die mit diesem Thema verbunden sind. Ihnen danke ich für die Bereitschaft zur Teilnahme an den Interviews. Die Herren Lahm-Benoit und Müller-Senftleben vom Ministerium für Arbeit, Soziales, Gesundheit und Familie gehören hierzu, wie auch der sehr engagierte Professor Radke vom Klinikum Ernst von Bergmann in Potsdam. Frau Wagner von der unabhängigen Patientenberatung Potsdam verschaffte den Benachteiligten innerhalb der bisherigen Versorgungsstruktur Gehör. Sie kann Betroffenen als Ansprechpartner im Land Brandenburg nur empfohlen werden. Für die Befragung stellte sich ebenfalls der Verband der Hebammen in Brandenburg zur Verfügung.

Ebenso danken möchte ich den Damen Holgerd und Löthe vom Landesamt für Datenverarbeitung und Statistik, die mich mit Informationen zur Bevölkerungsprognose und darüber hinausgehendem Datenmaterial versorgten, welches die Grundlage meiner Berechnungen bildete.

Das Kommunalwissenschaftliche Institut der Universität Potsdam (KWI) steht fast am Ende dieser Aufzählung. Hieraus soll sich jedoch keine Wertung ableiten - eher im Gegenteil. Durch die Betreuung der Diplomarbeit von Frau Dr. Christiane Büchner am KWI erhielt ich die Möglichkeit zum Abschluss meines Studiums in engem Bezug zu meiner Berufstätigkeit. Die vorbereitenden Seminare im Hauptstudium bei Frau Dr. Büchner bildeten eine solide Grundlage für diese Arbeit. Ihr regelmäßiges Feedback zu meinen Ausarbeitungen förderte die weitere Recherche. Vielen Dank dafür!

Abschließender Dank gilt natürlich allen Freunden, die während dieser Diplomphase für die nötige Ablenkung sorgten.

Potsdam, im Januar 2008

Einleitung

Diese Arbeit soll die Themen Versorgungsplanung und demografische Entwicklung im Land Brandenburg zusammenführen. Als Fachrichtungen werden in dieser Arbeit beispielhaft die Frauen- und Geburtshilfe, sowie die Neonatologie betrachtet. Zum einen ist dies in der originären Abhängigkeit der Demografie vom Geburtsverhalten wissenschaftlich interessant, zum anderen aber sind die Versorgungsstrukturen von Kontinuität geprägt, d. h. entsprechende Einrichtungen sind nicht erst mit der modernen Medizin entstanden und somit auch im historischen Abriss zu bewerten. Anlass und Anknüpfungspunkt für die Recherche dieses Themas bilden aktuelle Landespolitische Vorhaben zur Verabschiedung eines neuen Landeskrankenhausplanes auf der Grundlage eines neuen Landeskrankenhausgesetzes. Beides ist momentan in den Fachgremien in Beratung und eine Vorlage ist für das erste Halbjahr 2008 geplant. Im Rahmen dieser Arbeit möchte ich versuchen, die demografische Nachhaltigkeit des zukünftigen Landeskrankenhausplanes zu überprüfen.

Beginnend von der Beschreibung der Familienplanung in der jüngeren Vergangenheit, möchte ich im ersten Teil der Arbeit Einflussfaktoren auf die Fertilitätsentwicklung aufzeigen und mögliche Prognosen für eine Entwicklung des Versorgungsbedarfs diskutieren. Wie sich bei den Recherchen gezeigt hat, werden zukünftige Geburtenzahlen maßgeblich durch demografische Echoeffekte aus bereits vergangenen Jahren determiniert und stellen somit ein unabänderliches Faktum dar. Grundlage dieser Ausarbeitungen bildet die Bevölkerungsprognose für das Land Brandenburg und die Recherche soziologischer Fachliteratur.

Ausgehend von den unterschiedlichen Ergebnissen der Geburtenentwicklung zwischen engerem Verflechtungsraum und Entwicklungsraum folgt im weiteren Verlauf als zweiter Schritt eine Darstellung der bisherigen Versorgungsstruktur im Spannungsfeld zwischen Qualität und Quantität. Dieses wird unter anderem auch durch die föderale Aufgabenverteilung in der Bundesrepublik bedingt. Die Zuständigkeit des Bundes für die Sozialgesetzgebung, die Planungshoheit des Landes bei den stationären Einrichtungen, die Selbstverwaltung im Bereich der niedergelassenen Ärzte und die kommunale Zuständigkeit für das Rettungswesen zeigen, dass alle Ebenen der öffentlichen Verwaltung in diesem Zusammenhang betrachtet werden müssen. Deshalb sollen in dieser Arbeit Rechtsgrundlagen,

Planungskriterien, Finanzierung und politische Einflüsse aufgezeigt und verdeutlicht werden. Eine kritische Betrachtung der Entscheidungswege und der zersplitterten Finanzierungsstruktur soll nicht unterbleiben. Dieser Teil der Arbeit basiert im Gegensatz zum ersten Teil der Arbeit weniger auf Fachliteratur als auf öffentlichen Dokumenten der Verwaltung und der amtlichen Statistik.

In einem dritten Schritt erfolgt eine Untersuchung der Einstellungen und Erwartungen der beteiligten Akteure aus Verwaltung, Krankenhäusern, Ärzteschaft und Hebammen etc. Die Selbsteinschätzung, sowie die Fremdeinschätzung der beteiligten Akteure im derzeitigen System und die Vorbereitung bzw. Einschätzung der zukünftigen Situation hinsichtlich der zu erwartenden demografischen Veränderungen werden durch die Auswertung halbstandardisierter Experteninterviews vorgenommen. Dazu werden Auswertungen zunächst nach Gruppen vorgenommen und danach Gemeinsamkeiten und gegenläufige Entwicklungen aufgezeigt.

Am Ende dieser Diplomarbeit möchte ich die Handlungsoptionen für das Land Brandenburg in den Fachrichtungen Frauenheilkunde- und Geburtshilfe und Neonatologie darstellen und ein eigenes Konzept zur Umsetzung vorschlagen. Dieses soll den bestehenden rechtlichen Rahmen ausnutzen und Brandenburg im besten Falle bei einer Umsetzung eine Vorreiterrolle auf diesem Gebiet verschaffen. Im Rahmen dieser Diplomarbeit können jedoch nur Finanzierungsansätze vorgeschlagen werden. Eine wirtschaftswissenschaftliche Berechnung der Finanzierung müsste dafür noch durchgeführt werden.

Da diese Arbeit aus Sicht der Verwaltungsstrukturen erfolgt, bleibt oftmals der medizinische Aspekt außer Betracht. Bei einer weiteren Vertiefung des Themas ist die Zusammenarbeit in einem interdisziplinären Team mit medizinischen Fachleuten unerlässlich und verspräche interessante Forschungsergebnisse. Gerade die empirische Erhebung des Outcome bei Frühgeborenen, welches jenseits der Todesfälle gänzlich undokumentiert ist, stellt- nicht nur in Brandenburg- in meinen Augen eine wichtige Aufgabe dar.

1. Demografische Struktur und Entwicklung in Brandenburg

1.1. Betrachtung der Gesamtbevölkerung

1.1.1 Familienstrukturen und Geburtsentscheidung im historischen Kontext

Das Land Brandenburg weicht mit seiner Entwicklung von der Geschichte der alten Bundesrepublik ab und befindet sich damit mit den ebenfalls 1990 neugegründeten ostdeutschen Bundesländern in einer ähnlichen Situation. Wesentliche Faktoren für diesen Umstand liegen in den mehrfachen Veränderungen der Staatsstruktur seit Beginn des 20. Jahrhunderts. Durch die damit einhergehenden Veränderungen im Bereich der Absicherung von jungen Müttern und Familien, liegen wesentliche Einflussfaktoren auf das Geburtsverhalten, die wiederum ausschlaggebendes Moment für die Entwicklung der Gesamtbevölkerung sind. (siehe 1.2.2)

Das Geburtsverhalten in der DDR war durch die zentralstaatliche Gesellschaftsorganisation und Planwirtschaft geprägt. Während in der Bundesrepublik die klassische Familienstruktur mit dem Mann als Alleinverdiener und der Frau als Hausfrau und Mutter bis in die 1980er Jahre favorisiert wurde, bestand in der DDR ein gänzlich anderes Familienbild.[1]

Die westdeutsche Struktur wurde durch das Steuersystem mit Splittingvorteilen für nichterwerbstätige Frauen, kostenfreier Mitversicherung aller Angehörigen über den verdienenden Vater in der Krankenversicherung sowie Ansprüche auf Hinterbliebenenversorgung über die Rentenversicherung staatlich unterstützt. Indirekt implizierte diese Struktur eine Unvereinbarkeit von Familie und Erwerbstätigkeit der Frau. Dieses Dogma wird derzeit immer noch diskutiert und muss als noch nicht überwunden eingeschätzt werden.[2]

Im Gegensatz dazu gehörte die Berufstätigkeit von Frauen zum etablierten Gesellschaftsverständnis der DDR. Staatliche Förderung wurde während der Existenz der DDR sukzessive ausgebaut. Sowohl Mutterschutzzeiten, als auch das

Babyjahr[3] wurden über die Jahre angepasst. Ebenso die finanzielle Absicherung der Mütter/Familien während dieser Zeiten wurde verbessert. So richtete sich zum Beispiel das Schwangerschafts- und Wochengeld nach dem Nettodurchschnittsverdienst. Der Paragraph 244 des Arbeitsgesetzbuches der DDR sah eine Arbeitsfreistellung von 6 Wochen vor und 20 Wochen nach der Entbindung vor.[4] Gleichzeitig wurde darauf verwiesen, dass während dieser Zeit eine Zahlung durch die Sozialversicherung der DDR erfolgt.

Ausgehend von der absoluten höchsten Fruchtbarkeit (TFR) im Jahr 1964 mit 2507,5 Geburten je 1000 Frauen gingen die Geburtenzahlen fortan kontinuierlich zurück. Der Tiefstwert wurde 1974 mit nur 1539,7 Geburten je 1000 Frauen erreicht.[5] Neben den Leistungen, die direkt mit Schwanger- und Mutterschaft verbunden sind, wurden zu Beginn der 1970er Jahre familienpolitische Maßnahmen wie Ehestandsdarlehen eingeführt. Diese mussten bei nachfolgend geborenen Kindern nur teilweise, bzw. ab dem 3. Kind nicht mehr zurück gezahlt werden.[6] Ein wichtiges Anliegen verband die Staatsführung mit der Einführung dieser Maßnahmen: Ein Bevölkerungsrückgang, der durch die rückläufigen Reproduktionsraten zu erwarten war (siehe 1.1.2 bzw. 1.2.1), sollte vermieden werden. Als Ursache für diesen Geburtenrückgang können dabei- neben der auch in der DDR einsetzenden Individualisierung- auch die Liberalisierung der Schwangerschaftsunterbrechung und die kostenfreie Abgabe von oralen Kontrazeptiva zur Empfängnisverhütung gesehen werden. Wesentlich mehr prägte diese Situation aber das Fehlen einer potentiellen Elterngeneration durch die Geburtenausfälle nach dem Zweiten Weltkrieg (Demografisches Echo). Mit kurzfristig erkennbaren Zuwächsen schien ein Ausgleich dieser Rückgänge auch mit zunehmenden Geburtenzahlen zum Ende der 1970er Jahre erreicht zu werden, jedoch muss man bei einer langfristigen Bewertung bis zum Ende der DDR ein nicht erreichtes Ziel festhalten, nachdem die Geburtenzahlen in den 1980er Jahren wieder rückläufig waren.[7] Auch hier ist der prägendste Einfluss wohl auch im Demografischen Echo zu sehen, das sich durch stärkere Geburtenzahlen der Elterngeneration zu Beginn der 1950er Jahre zeigt. Bereits 1981 wurden wieder 1,2 Prozent weniger Kinder geboren als für eine einfache Reproduktion notwendig gewesen wären. Bis 1985 wurden Werte von ca. 85 Prozent der einfachen Reproduktion erreicht. Danach ist eine stark abfallende Tendenz festzustellen.[8]

Neben den Einstellungen zur Berufstätigkeit von Frauen unterschied sich auch die Angebotsituation auf dem Gebiet der Kinderbetreuung. In der Bundesrepublik wurden kaum Ressourcen für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren aufgebaut und Angebote für ältere Kinder standen in geringem Maße und mit zeitlich begrenztem Angebot zur Verfügung. Daraus resultiert, dass der Zugang für Frauen zum Arbeitsmarkt zusätzlich erschwert wurde und eine Beschäftigung nicht einmal in Teilzeit in Betracht kommen konnte.

In der DDR entwickelte sich ein umfassendes Betreuungsangebot mit flexiblen Angeboten auch für die Kinder von Schichtarbeitern, Nachmittagsbetreuung und Ferienangeboten.

Auch nach der politischen Wende von 1990 und der Neugründung des Landes Brandenburg bestehen diese Strukturunterschiede zwischen Ost und West fort, das heißt, in Brandenburg ist die Versorgungsstruktur bezüglich Krippen- und Kindertagesstätten trotz Reduktion besser ausgebaut. Lediglich die staatlich gewollte Flexibilität der Angebote wurde aufgegeben, so dass ebenso wie in der alten Bundesrepublik Schichtarbeit, Ferien oder Nachmittagsbetreuung für berufstätige Eltern zum Problem werden können.

Nicht nur hinsichtlich der Einbindung der Frauen in den Arbeitsmarkt und der Struktur der Kinderbetreuung ist in Brandenburg von einer anderen Basis als im westlichen Bundesgebiet auszugehen. Ebenso ist das Alter der Frauen bei der Geburt sehr unterschiedlich. Bei gleicher Ausgangslage entwickelten sich unterschiedliche Zeitfenster für die Familienplanung. Unter Familienplanung soll hierbei das Erreichen der gewünschten Kinderzahl/Familiengröße verstanden werden. Grundsätzlich gilt, dass in der DDR die Familienplanung wesentlich zeitiger, in der Regel zwischen dem 20. und 25. Lebensjahr, abgeschlossen wurde. Der Zeitraum bis zur Geburt eines zweiten Kindes ist fast gleich, liegt aber ebenfalls wesentlich früher. Die Entscheidung für ein drittes Kind wurde in der DDR häufiger getroffen, während hingegen in den alten Bundesländern mehr Frauen kinderlos blieben.

Die linke Grafik verdeutlicht diese Entwicklung an Hand des durchschnittlichen Alters der Frau bei der ersten Geburt. (Ost: 22 Jahre; West: 28 Jahre)

Die rechte Grafik zeigt die beschriebenen Strukturgegensätze hinsichtlich der Familiengröße, indem die Gruppe von Frauen am Ende der fertilen Phase im Bezug auf ihre Kinderzahl/Familiengröße dargestellt wird.[9]

Neben den gesellschaftspolitischen Unterschieden bestimmten den Unterschied in der Geburtenentwicklung zwischen Ost und West ab 1989 maßgebend eine Abwanderung von Einwohnern der DDR/späteren neue Bundesländer. Gerade die Kombination von politisch und ökonomisch unsicherer Zukunft bewegte junge Familien entweder zur Abwanderung in die alten Bundesländer, bzw. veranlasste sie beim Verbleiben im Osten oftmals zur Verschiebung des Kinderwunsches, maßgeblich der Geburt des ersten Kindes oder zum Verzicht auf diesen. Vielfach erwartete Nachholeffekte bei einer unterstellten Verschiebung des Kinderwunsches (Tempo- Verschiebung) wurden nicht beobachtet.[10] Eine Veränderung der grundsätzlichen Einstellung zum Kinderwunsch ist nicht feststellbar und vollzieht sich, wenn überhaupt, in zeitlich längeren Dimensionen. Die Verschiebung der ersten Geburt in höhere Altersjahre bringt jedoch mit sich, dass eventuelle Zweit- und Drittgeburten unterbleiben, da das fertile Alter der Frau begrenzt ist bzw. ab dem 35. Lebensjahr grundsätzlich ein höheres Geburtsrisiko angenommen wird, welches dann gegen eine weitere Geburt spricht.

Diese Entwicklungstendenzen, die heute auch medial diskutiert werden, waren bereits im Vorfeld erkennbar und vorhersehbar. Bereits 1992 wurde eine Angleichung des Geburtenniveaus an das Westniveau und eine Verschiebung der Geburtengipfel auf ältere Jahrgänge vorhergesagt. Veränderte Bedürfnis strukturen und andere Ausbildungsmuster dienten bereits damals als Erklärungsansätze, die aus heutiger Sicht zu bestätigen sind.[11]

Ausgehend von den dargestellten Entwicklungen und Ursachen ist eine nicht erreichte Reproduktion der Bevölkerung seit Beginn der 1970er Jahre im Betrachtungsgebiet Brandenburg festzustellen. Diese verursacht eine Alterung der Bevölkerung, die sich mit einer weiteren Verringerung des Geburtenniveaus verstärkt. Diese Alterung ist kein endloser Prozess, wird aber oftmals so dargestellt und wahrgenommen. Ursächlich ist die Erstreckung dieses Prozesses über mehrere Generationen. Bei einer unterstellten anhaltenden niedrigen Geburtenhäufigkeit und ebenfalls gleichbleibender Sterblichkeit wird dieser Prozess in den Augen einiger Wissenschaftler nach circa 75 Jahren zu einer stabilen Altersstruktur führen.[12] Diese Aussage ist jedoch nicht unumstritten, denn sowohl die anhaltende Konstanz der Bedingungen als auch die Entwicklung einer stabilen Bevölkerung sind aufgrund des demografischen Echos eher unwahrscheinlich.

Der Alterungsprozess einer Gesellschaft lässt sich unter anderem an der Entwicklung des Durchschnittsalters ablesen. Dessen Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung ist jedoch nicht so entscheidend. Trotzdem lassen sich daran grundlegende Entwicklungen darstellen. Der Durchsschnittsbrandenburger war im Jahr 2005 43,58 Jahre alt. (Männer 41,88/Frauen 45,26)[13] Aus der folgenden Grafik ist ein Anstieg des Durchschnittsalters sowohl bei Frauen als auch bei Männern ablesbar, woraus sich ein kontinuierlicher Anstieg des Durchschnittsalters insgesamt ergibt. Es überrascht dabei die scheinbare Linearität.

Abbildung II: Entwicklung des Durchschnittsalters in Brandenburg

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bevölkerungsprognose auf Basis des Jahres 2004 geht von einer Entwicklung des Durchschnittsalters aus, die den in der oberen Grafik deutlich werdenden Trend bestätigt. Auf dieser Grundlage ergibt sich folgendes Szenario: Im Jahr 2020 wird das durchschnittliche Alter der Brandenburger 48,5 Jahre betragen, wobei Frauen durchschnittlich 50,1 Jahre und Männer durchschnittlich 46, 9 Jahre alt sein werden.[14]

1.1.2. Sterbe- und Geburtenverhältnis heute

Die quantitative Beschreibung der natürlichen Bevölkerungsbewegung basiert auf Daten der amtlichen Statistik. Dazu werden Geburtenzahlen verwendet und Sterbetafeln berechnet, deren Daten sich aus den Verwaltungsdaten der Melderegister ergeben[15]. Die Kennzahlen und Mechanismen dieser Verzeichnisse werden im Kapitel 1.2.1 nochmals aufgegriffen.

Die durchschnittliche Brandenburgerin bring derzeit 1,284 (2004) Kinder zur Welt.[16] Dies ist weit unter dem Wert, der für eine einfache Reproduktion der Bevölkerung notwendig ist. Letztmalig wurden entsprechende Werte, wie bereits beschrieben, in Brandenburg (entsprechendes Gebiet der DDR) Anfang der 1970er Jahre erreicht. Seitdem ist die Bevölkerungszahl bis auf wenige Ausnahmen rückläufig. Seit 1991 war die Geburtenziffernsumme in Brandenburg rückläufig und lag unter 1 000. (Definition siehe unten) Im Jahr 1994 betrug die Anzahl der Geburten in den neuen Bundesländern nur noch 39,2 Prozent des Niveaus von 1989.[17] Seit dem Jahr 1994 steigt die Zahl der Geburten kontinuierlich (Ausnahme 2001), unterschreitet aber die Rate im Vergleich zu den alten Bundesländern. Derzeit ist eine Angleichung an westedeutsches Niveau festzuhalten.[18] Zu beachten ist dabei, dass auch in den alten Bundesländern eine abnehmende Geburtenhäufigkeit zu beobachten ist, d. h. die Annäherung der Regionen auf ein einheitliches Niveau von zwei Seiten erfolgt.

An Hand des Statistischen Jahrbuches 2006 ist die Verteilung der Geburten (Lebendgeborene) auf die verschiedenen Regionen Brandenburgs erkennbar. (Tabelle) Insgesamt wurden im Jahr 2005 17910 Kinder in Brandenburg geboren. Dabei ist nicht bei jeder Geburt davon auszugehen, dass jedes in Brandenburg geborene Kind später auch Brandenburger sein wird, denn der Ort der Entbindung hat keinen Einfluss darauf und gerade in den Randregionen des Landes wird der Geburtsort oftmals nicht nach administrativen Grenzen gewählt. Ebenso erfolgt eine nicht unerhebliche Zahl von Entbindungen Brandenburgerinnen in Berlin, so wie auch Frauen aus anderen Ländern in Brandenburg entbinden. Allein durch die natürliche Bevölkerungsbewegung ergibt sich für Brandenburg im Jahr 2005 ein Saldo von -8159 Personen.[19]

Aus der Verteilung der Geburten ist ersichtlich, dass gerade jene Landkreise, die unmittelbare Verwaltungsgrenzen mit Berlin teilen, höhere Geburtenzahlen aufweisen. Dies kann unter anderem mit den höheren Einwohnerzahlen in Teilen dieser Landkreise zusammenhängen, die unter anderem die Großgemeinden mit Nähe zu Berlin aufweisen. Die höheren absoluten Zahlen bedeuten auf keinen Fall eine höhere Geburtenrate. Gleichzeitig sind in diesen Regionen die wirtschaftliche Situation und damit auch die Einkommenserwartung vieler Familien höher, so dass sich dieses begünstigend auf die Entscheidung zur Familiengründung auswirken kann. In den peripheren Räumen ist diese Sicherheit nicht gegeben, bzw. fehlen durch Migrationsverluste verstärkt Einwohnerinnen im fertilen Alter. Zur Diskrepanz
zwischen Peripherie und Verflechtungsraum siehe auch 1.1.4 Für die Bevölkerungsentwicklung in den Landkreisen ergibt sich auf der Datengrundlage 2005 derzeit folgendes Bild:[20]

Tabelle I: Geburten, Todesfälle, Wanderung im Land Brandenburg nach

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1.1.3 Zu erwartende Wanderung

Derzeitig sehen sich die ostdeutschen Länder einer ungebremsten Abwanderung einer aus Reproduktionsgesichtspunkten äußerst relevanten Zielgruppe gegenüber. Vor allem gut ausgebildete Fachkräfte und Frauen verlassen Brandenburg. Gründe hierfür werden in besseren Lebensbedingungen und Verdienstmöglichkeiten in den westlichen Landesteilen gesehen. Allgemein wird auch von besseren Zukunftschancen gesprochen. In Brandenburg ist die zentrale Metropole Berlin und deren Umland eine Ausnahme (siehe 1.1.4), so dass dieses Phänomen in Brandenburg vorrangig die Berlin fernen Regionen trifft. (Siehe Grafik unter 1.1.2 zur Bevölkerung 2005) Im Jahr 2005 ist so für den engeren Verflechtungsraum ein positives Wanderungssaldo von 13247 Personen festgestellt worden. Gerade die Hauptstadtentscheidung des Deutschen Bundestages verstärkt diesen Trend. Jedoch ist trotz des Zuzuges in die Randgebiete für Brandenburg insgesamt ein negatives Wanderungssaldo zu verzeichnen. Ursprünge dieser Abwanderung liegen historisch betrachtet bereits noch in der Fluchtbewegung aus der DDR, die sich seit 1990 in eine kontinuierliche Abwanderung umwandelte. Bereits in den Jahren von 1989 bis 1991 verlor Brandenburg durch Abwanderung in die alten Bundesländer 4,4 Prozent seiner Einwohner. Dabei war Brandenburg in geringerem Maße betroffen als die anderen ostdeutschen Länder.[21] Die Binnenwanderung in andere Bundesländer verlangsamte sich 1992, nahm aber danach bis 1994 wieder drastisch zu. Das Wanderungssaldo betrug in Brandenburg 1994 59353 Personen. Als Ursache werden hierfür der weitere ökonomische Abschwung und die damit schlechten Chancen am Arbeitsmarkt gesehen.[22]

Seit dem Jahr 2003 ist für Brandenburg ein Wanderungsgewinn festgestellt worden. Gründe für die Wanderungsgewinne bilden unter anderem die schon angesprochenen Verflechtungen im Berliner Umland, die sich in der stetig verlaufenden Wohnsuburbanisierung zeigen. Es profitieren davon vor allem die Landkreise Oberhavel, Barnim, Märkisch-Oderland und Havelland so wie die Landeshauptstadt Potsdam. Eine Stabilisierung auf einem geringerem als dem heutigen Niveau wird dabei erwartet.

Demgegenüber steht jedoch weiterhin ein Wanderungsverlust in andere Bundesländer, die jedoch derzeit als rückläufig eingeschätzt wird. Die größten Verluste sind an die Bundesländer Bayern, Baden-Württemberg, Nordrhein­Westfalen und Niedersachsen zu verzeichnen. Zukünftig wird jedoch eine Abschwächung dieses Trends erwartet, was jedoch nicht am Wegfall der Abwanderungsgründe liegt, sondern dem Umstand geschuldet ist dass die bisher vorrangig beteiligte Altersgruppe der 18- bis 30- jährigen zunehmend geringer wird.

Weiterhin werden die Wanderungsverluste wahrscheinlich durch junge Frauen verursacht werden.[23]

Die anhaltende Abwanderung führt dabei nicht nur an sich zu Bevölkerungsverlusten, sondern verursacht gleichzeitig eine verstärkte Alterung der Bevölkerung.[24]

Inzwischen entstanden Aktionspläne der Bundesregierung unter der Ägide des für den Aufbau Ost zuständigen Ministeriums, die diesem Trend mit Infrastruktur- und Ausbildungsmaßnahmen entgegenwirken wollen. Dem entgegen stehen politisch in den Medien diskutierte Instrumente wie „Wegzugsprämien“, welche eine gezielte Aufgabe bestimmter Siedlungsstrukturen im ländlichen Raum zum Ziel hat.

1.1.4 Gegensatz Peripherie/Verflechtungsraum Berlin

Brandenburg ist wegen der geografischen Lage und der gemeinsamen Geschichte eng mit Berlin verbunden, obwohl durch den föderalen Aufbau der Bundesrepublik eine verwaltungsbezogene Trennung vorliegt. Gerade auch auf dem Gebiet der Siedlungs- und Bevölkerungsdichte hat die Sogwirkung der Metropole Berlin inmitten des ländlich geprägten Brandenburg ausschlaggebende Wirkung. Daher spricht man in der Forschung zu diesem Themenfeld von dem engeren Verflechtungsraum (um Berlin) und der Peripherie (den Berlin fernen Regionen). Der Verflechtungsraum kennzeichnet sich durch die hohe wirtschaftliche und personenbezogene Interaktion mit Berlin, sowie einer höheren Siedlungsdichte. Die Abgrenzung des Verflechtungsraumes unterliegt der subjektiven Festlegung, wird aber oftmals mit dem Autobahnring um Berlin verknüpft. Prägende Begrifflichkeiten für die zunehmende Siedlungsdichte sind Suburbanisierung und Agglomerisierung, worunter die räumliche Ausdehnung des Ballungsraumes in umliegende Gemeinden verstanden wird. Dabei bleibt oftmals die politische administrative Unabhängigkeit bestehen.[25]

Gerade auch auf dem Bereich der medizinischen Versorgung ist Berlin in diesem Zusammenhang wichtig. Während in der DDR Ostberlin eine zentrale Versorgungsaufgabe für das Umland und die ganze Republik wahrnahm und damit eine entsprechend hohe Kapazität an Einrichtungen vorhielt, wurde im Westteil der Stadt ebenfalls eine hohe Versorgungsdichte erreicht. Dies ist aber nicht durch einen besonderen Versorgungsauftrag begründet, sondern spiegelt viel mehr politische Interessen wieder, die mit einer sehr guten (Gesundheits-) Versorgung die isolierte Stadt als Wohnort attraktiv machen wollten.[26]

Die Begründungen für die derzeitige Sogwirkung Berlins sind vielfältig. Einige definieren Berlin bereits als einzigen Standortvorteil der neuen Bundesländer.[27] Durch den Umzug aller wesentlichen politischen und wirtschaftlichen Spitzengremien nach Berlin, liegt ein Fokus auf den in Berlin getroffenen Entscheidungen. Auch internationales Interesse lenkt sich aus diesem Grund auf diese Stadt und deren Umland. Durch die Konzentration öffentlicher und privater Investitionen, bedingt durch Berlins administrative Funktion, entsteht ein günstiges Klima für sämtliche Wirtschaftszweige, Bildungseinrichtungen und Dienstleistungen,[28] die wiederum als Magnet auf die Bevölkerungszahlen wirken.

Die Bevölkerungsentwicklung ist zwischen Peripherie und Verflechtungsraum gegenläufig. Von einer Verstetigung dieser Entwicklung gehen auch aktuelle Prognosen aus.

Daher profitieren die an Berlin grenzenden Landkreise von dieser Entwicklung, wenngleich sich in ihrem Hoheitsgebiet dadurch eine sehr unterschiedliche Entwicklungstendenz zeigt. So entwickelt sich zum Beispiel der Landkreis Teltow­Fläming im Norden zu einem wichtigen Industrie- und Warenumschlagzentrum, während die südlichen Gebiete des Kreises mit Fördermitteln gestützt werden müssen. Der Anschluss der Berlin fernen Regionen des Landes durch Infrastruktur ist daher wichtig und auch in Teilen weit entwickelt. Diese Maßnahmen sichern die Möglichkeit zur Teilhabe dieser Regionen an der Entwicklung der Metropolenregion. Die unter 1.1.3 beschriebenen Migrationsverluste betreffen vorrangig die peripheren Regionen des Landes. Besonders betroffen sind dabei die größeren Städte, deren Einwohnerzahl zusätzlich durch Suburbanisierung abnimmt.[29]

Maßgeblich werden diese Veränderungen durch sogenannte pull- und push- Faktoren verursacht. Diese kennzeichnen Einflussgrößen, die in einer Region auf eine Zu­oder Wegzugsentscheidung begünstigend wirken.

Aktuelle Entwicklungen im Zusammenhang mit der neuen Bevölkerungsprognose, die wahrscheinlich 2008 auf Datenbasis des Jahres 2006 veröffentlicht wird, lassen jedoch vermuten, dass die besseren Entwicklungschancen des Verflechtungsraumes in der Vergangenheit zu optimistisch beurteilt wurden. Ursächlich kann dies eventuell auf eine einsetzende Rückwanderung nach Berlin zurück geführt werden. Es wird dabei unterstellt, dass junge Erwachsene, die in den letzten Jahren mit den Eltern in das Umland gezogen sind, sich zur Entwicklung ihrer eigenen Lebensgestaltung in Räume ihrer Ausbildung, freundschaftlichen Bindungen und beruflicher Chancen zurück begeben.[30]

1.2. Prognosen für das Geburtsverhalten im Betrachtungszeitraum bis 2020

1.2.1 Datengrundlage für Prognosen

Entscheidend für die Auseinandersetzung mit dem Thema der Demografischen Entwicklung sind Unterscheidung und Interpretation verschiedener Kennzahlen. Unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten finden dabei medizinische Definitionen Einfluss, wenn die Begriffe Geburt, Tod oder Krankheitshäufigkeit definiert werden. Daher sollen zunächst wichtige Kennziffern kurz erläutert werden und im Weiteren deren Bedeutung für Bevölkerungsprognosen erläutert werden. Wesentliches Merkmal ist dabei, dass sich sämtliche Fertilitätsindikatoren auf den weiblichen Anteil der Bevölkerung beziehen, denn die Geburtenzahl wird durch die Geburtenhäufigkeit junger Frauen determiniert.[31] Die amtliche Statistik unterscheidet dabei:[32]

Lebendgeborene (absolute Zahlen)

Als Lebendgeborene erfasst die amtliche Statistik die absolute Zahl der Kinder, bei denen nach der Geburt entweder das Herz geschlagen, die Nabelschnur pulsiert oder die natürliche Atmung eingesetzt hat. Im Jahr 2005 wurden in Brandenburg 17910 Lebendgeborene erfasst.

Allgemeine Fruchtbarkeitsziffer

Diese Kennziffer bezieht die gebärfähigen Frauen im Alter zwischen 15 und unter 45 Jahren ein. Die Bezugszahl für die altersspezifische Fertilität sind 1000 Frauen und die auf sie entfallenden Geburten innerhalb eines Betrachtungszeitraumes. Man spricht auch von totaler Fertilität. Für das Jahr 2005 wurde für Brandenburg eine allgemeine Fruchtbarkeitsziffer von 35,4 ermittelt.

Altersspezifische Geburtenrate

Die Bevölkerungsprognose des Landes Brandenburg nutzt zur Darstellung des Geburtenverhaltens auch altersspezifischen Geburtenziffern/Fertilitätsraten. Dabei werden die Lebendgeborenen von Müttern eines bestimmten Alters bezogen auf 1000 der durchschnittlichen Zahl der Frauen eines Alters betrachtet.

Altersspezifische Fertilität = Geborene eines Altersjahres fert. Frauen/Jahr x 1000

Anfangsbestand eines Altersjahres

Die altersspezifische Fertilitätsrate ergibt in der grafischen Darstellung eine Glockenkurve, wobei der Gipfel zwischen dem 27. und 30. Lebensjahr liegt.[33]

Zusammengefasste Geburtenziffernsumme

Ist eine hypothetische Maßzahl, die die Gebärfreudigkeit widerspiegelt. Sie ist die hypothetische durchschnittliche Kinderzahl; die angibt, wie viele Kinder 1 000 heute 15-jährige Frauen im Verlauf ihres Lebens lebend zur Welt bringen würden, wenn sie bis zum 45. Lebensjahr sich genauso verhalten würden, wie alle 15-jährigen bis unter 45-jährigen Frauen sich während eines Berichtsjahres verhalten haben, und wenn bis zum 45. Lebensjahr keine dieser Frauen sterben würde. Um eine Elterngeneration zu ersetzen, müssen 1 000 Frauen im Durchschnitt 2 100 Kinder bekommen

Nettoreproduktionsrate

Ist eine hypothetische Maßzahl der Mädchengeburten. Bei einer Nettoreproduktionsrate von 1 wird die Müttergeneration vollständig (zu 100 Prozent) ersetzt.

1.2.2 Soziologische Einflussgrößen auf die Fertilitätsentwicklung

Den massivsten Einfluss auf die Bevölkerungsentwicklung haben demografische Effekte, die im Wesentlichen durch Geburtenausfälle bedingt wurden. Kriege oder der Pillenknick prägten solche Ereignisse, deren Echo zukünftige Elterngenerationen ausfallen ließ oder dezimierte. Hinzu kommen in zweiter Linie soziale Merkmale, die ebenfalls die Geburtlichkeit beeinflussen können und hier im kurzen dargestellt werden sollen.

Die soziale Absicherung von Müttern und jungen Familien mit Kindern ist ein wesentliches Moment für die Entscheidung ein Kind zu bekommen. Neben der sozialen Absicherung steht die zunehmende (und gewollte) Berufstätigkeit von Frauen mit der Entscheidung für ein Kind im Zusammenhang. Während die klassische Rolle der Frau in der Familie keine Berufstätigkeit vorsah und ohnehin Mutterschaft und Versorgung der Familie vorsah, besteht dieser logische Zusammenhang in modernen Beziehungen in Industriegesellschaften nicht mehr. Auch ein klassisches Zusammenleben mehrerer Generationen, welches die Unterstützung im Familienverbund sicherte, wurde größtenteils aufgegeben.[34] Auch anhand der in der DDR im Rahmen der Familienpolitik geschaffenen Anreize für die Entscheidung für ein Kind erkennt man Ursachen für die höhere Geburtenzahl im Vergleich zur damaligen Bundesrepublik. (Siehe 1.1.1)

Die Diskussion des letzten Jahres um die Einführung des Elterngeldes zeigt die gesellschaftlichen Erwartungen in ein solches familienpolitisches Instrument. Innovativ muss dabei auch die Einbeziehung der Väter in diese Leistung genannt werden. Als sozialpolitische Faktoren, die auf die Fertilität einwirken, können schichtspezifische Unterschiede, die schulische und berufliche Ausbildung,

Frauenerwerbstätigkeit und Konfessionszugehörigkeit angesehen werden. [35] Politische Maßnahmen mit dem Ziel der Begünstigung des Reproduktionsniveaus sollten sich also zukünftig auf diese determinierenden Faktoren auswirken.

Schichtspezifische Unterschiede resultieren aus unterschiedlichen Einkommenssituationen. Für die einkommensspezifische Einteilung der Gesellschaft wurden in der Soziologie verschiedene Schichtmodelle, wie zum Beispiel die Goldthorpe- Skala entwickelt. Die Zugehörigkeit zu einer Schicht wird dabei aus der Art der Einkommenssicherung bestimmt, das heißt, Ansehen des Berufes in der Gesellschaft, Art der Tätigkeit und Einkommenshöhe schlagen sich darin nieder. Die Auswirkungen dieser Schichtzugehörigkeit variieren zwischen gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Gegebenheiten.[36] In dieser Arbeit soll eine Konstanz der gesellschaftlichen Rahmenbedingungen unterstellt werden, so dass maßgebliche Einflüsse alleinig durch die ökonomische Situation beeinflusst werden. Grundsätzlich gilt für moderne, sich wirtschaftlich entwickelnde Gesellschaften ein negativer Zusammenhang zwischen Einkommen und Kinderzahl. In hochentwickelten Gesellschaften ist allgemein eine niedrige Geburtenrate charakteristisch, wobei ein Zusammenhang mit dem Einkommen nicht unbeschränkt nachweisbar ist.[37] Die Einstufung Brandenburgs in diese Unterscheidungsmatrix soll hier nicht vorgenommen werden, da diese den Umfang dieser Arbeit unnötig ausweiten würde. Die Fragestellung sollte jedoch im Spannungsfeld politischer Interessen für eine Diskussion nicht uninteressant sein. Grundsätzlich ist in Europa das Modell der Kleinfamilie über alle Statusgruppen dominant. Somit ist eine Angleichung des Reproduktionsniveaus über die sozialen Schichten hinweg in Deutschland zu beobachten, die allgemein auf eine etablierte, effiziente Familienplanung zurück zu führen ist.[38] Für Bevölkerungsgruppen mit geringerem sozialem Status muss durch Arbeitslosigkeit oder soziale Segregation gegebenenfalls ein abweichendes Fazit gezogen werden.

Die schulische und berufliche Ausbildung haben in den Staaten Europas direkte und indirekte Auswirkungen auf die Kinderzahl von Frauen. Wesentlich sind dabei das

Ausbildungsniveau und die Dauer der Ausbildung. Durch Ausbildung verschiebt sich oftmals der Zeitpunkt der Familiengründung und durch ein höheres Ausbildungsniveau sind Frauen grundsätzlich zur besseren Steuerung des Kinderwunsches in der Lage. Ein weitgehend etabliertes emanzipiertes Rollenverständnis von Frauen sowie die Verfügbarkeit und Akzeptanz von Kontrazeptiva stehen mit dieser Entwicklung im Zusammenhang.[39] Ein höheres Ausbildungsniveau erhöht dabei gleichzeitig die potentiellen Chancen auf dem Arbeitsmarkt, die dann im Falle beruflicher Karriere der Familiengründung im Wege stehen. Im Ergebnis kommt es durch diese Faktoren zu einer hohen Zahl Kinderloser unter Akademikerinnen und Frauen in leitenden Funktionen. Durch ein höheres Alter bei einer Erstgeburt sinkt ebenfalls die Wahrscheinlichkeit von Folgegeburten.

Berufstätigkeit von Frauen wird in der Diskussion des Themas als einer der Gründe angeführt, weshalb zunehmend Frauen auf Kinder verzichten. Dies wird oftmals mit der mehrmals verschobenen Familiengründung aus beruflichen Gründen begründet. Eine grundsätzliche Entscheidung gegen Kinder ist oftmals nicht nachweisbar[40] und auch der unmittelbare Zusammenhang zwischen Berufstätigkeit von Frauen und der Geburtenhäufigkeit wird in der Literatur kritisch hinterfragt.[41] Der soziologische Nachweis soll an dieser Stelle nicht geführt werden, wohl aber Kontextmerkmale beschrieben werden. Die Geburt eines Kindes ist in der Regel mit einer Unterbrechung der Arbeitstätigkeit verbunden. Allein durch die Regelungen des Mutterschutzgesetzes beträgt die Unterbrechung mindestens 14 Wochen. Üblicherweise verlängert sich der Zeitraum durch die Inanspruchnahme der Elternzeit, die immer noch vorrangig von Müttern genutzt wird. Durch die Flexibilisierung von Arbeitszeitmodellen, die Ausweitung familienergänzender Kinderbetreuungsangebote und die allgemeine Akzeptanz der Berufstätigkeit von Frauen ist ein Rückgang des Einflusses dieser auf die Fertilität zu erkennen.[42]

Durch Konfessionszugehörigkeit ist reproduktives Verhalten oftmals normativ bestimmt. Traditionell haben auch in Deutschland die Kirchen versucht, auf die Familienplanung einzuwirken, indem Sie ethische und moralische Normen vorgaben.

In Brandenburg ergibt sich hierzu eine spezielle Situation, denn nur 573.432 Einwohner Brandenburgs sind religiös mit den etablierten Kirchen verbunden.[43] Zudem lassen sich inzwischen zum Beispiel kaum noch Unterschiede in der Kinderzahl zwischen katholischen und evangelischen Familien beobachten. Selbst das Verbot von Verhütungsmitteln der katholischen Kirche führt zu keinem diesbezüglich wahrnehmbaren Trend.[44] Die Frage der Religiosität sollte aber gerade im Hinblick auf zunehmende Multiethnizität und Religionsvielfalt im urbanen Ballungsraum Berlin nicht unbeobachtet bleiben.

Jegliche politischen Veränderungen, die auf diese Einflussgrößen einwirken, können grundsätzlich eine Veränderung der Bevölkerungsentwicklung beeinflussen. Für den Betrachtungshorizont dieser Arbeit bleiben sie in sofern ohne Bedeutung, da die Kohorten, die in den Jahren 2015 bis 2020 im fertilen Alter sind, bereits heute geboren sind. Lediglich deren Entscheidung für ein Kind kann dadurch beeinflusst werden.

1.2.3 Berechnung des Fallvolumens im Betrachtungszeitraum

Für das Land Brandenburg wurden durch die amtliche Statistik bereits mehrere Prognosen für die Bevölkerungsentwicklung angefertigt. Diese sind in der Betrachtung von Ihrem Erstellungszeitpunkt zu bewerten. Bereits mit der Wiedervereinigung wurde die demografische Zukunft der neuen Länder zum Interessenschwerpunkt.[45] Erkennbar ist bei einer ersten Analyse, dass die ersten Prognosen, die kurz nach dem politischen Umbruch von 1989/1990 angefertigt wurden, weniger zutreffend waren als jene, die in späteren Jahren angefertigt wurden. Eine Ursache dafür kann in der nicht einschätzbaren Anpassung der Brandenburger an die neuen, vor allem von ökonomischen Faktoren abhängigen, Lebenssituationen und damit verbundenen Entscheidungen für oder gegen ein Kind gesehen werden. Mit späteren Prognosen wurde dann zunehmend eine Angleichung des Verhaltens der Brandenburger an westdeutsches Niveau bestätigt, auf dessen

[...]


[1] Kreyenfeld, 2004.

[2] Höpflinger, 1997, Seite 63

[3] § 246 Abs. 1 Arbeitsgesetzbuch der DDR

[4] Förster, 1992, Seite 21

[5] Ebd. , Seite 14

[6] Kreyenfeld, 2004. Seite 280

[7] Ebd..

[8] Förster, 1992, Seite 10

[9] Kreyenfeld, 2004, Seite 228 bzw. 299

[10] Grundmann, 1998, Seite 228

[11] Förster, 1992, Seite 53 und Seite 75

[12] Müller, Ullrich; Nauck, Bernhard; Diekmann, Andreas (Hrsg), 2000 Seite 645

[13] Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik, 2006, Seite 38

[14] Ebd. Seite 41

[15] Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik, 2006, Seite 61

[16] Bevölkerungsprognose des Landes Brandenburg für den Zeitraum 2005 - 2030

[17] Grundmann, 1998, Seite 227

[18] Ebd.

[19] Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik, 2006, Seite 88

[20] Ebd., Seiten 75 ff.

[21] Grundmann, 1998, Seite 211

[22] Ebd. Seite221

[23] Bevölkerungsprognose des Landes Brandenburg für den Zeitraum 2005 - 2030, Seite 13 ff.

[24] Grundmann, 1998. Seite 215

[25] Höpflinger, 1997, Seite 111

[26] Unger, Gisela et. al: Steuerung der Krankenhausversorgung über Bedarfs- und Qualitätsrichtlinien - ein Fallbeispiel, in WIDO Krankenhausreport, Bonn, 2004, Seite 252

[27] Grundmann, 1998, Seite 224

[28] Ebd. Seite 225

[29] Bevölkerungsprognose des Landes Brandenburg für den Zeitraum 2005 - 2030, Seite 15

[30] Eigene Recherche, Telefoninterview 13.09.2007

[31] Höpflinger, 1997, Seite 10

[32] Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik, 2006, Seite 61

[33] Niehoff, 2006, Seite 46

[34] In Ländern mit traditionellen Familienstrukturen (z. B. Irland) ist die Geburtenhäufigkeit höher als in Deutschland.

[35] Höpflinger, 1997, Seite 56 ff.

[36] Ebd. Seite 57

[37] Ebd.

[38] Ebd., Seite 58

[39] Ebd., Seite 59

[40] Ebd., Seite 55

[41] Ebd. Seite 62

[42] Ebd.

[43] Landesbetrieb für Datenverarbeitung und Statistik, 2006, Seite 170

[44] Höpflinger, 1997, Seite 64

[45] Grundmann, 1998, Seite 216

Final del extracto de 99 páginas

Detalles

Título
Regionale Lösungsstrategien zur Sicherstellung der Versorgungsstruktur im Gesundheitswesen im Kontext des demografischen Wandels
Subtítulo
Fachrichtungen Frauen- und Geburtshilfe und Neonatologie im Land Brandenburg
Universidad
University of Potsdam  (Kommunalwissenschaftliches Institut)
Calificación
2,3
Autor
Año
2008
Páginas
99
No. de catálogo
V94576
ISBN (Ebook)
9783640119738
ISBN (Libro)
9783640119868
Tamaño de fichero
934 KB
Idioma
Alemán
Palabras clave
Regionale, Lösungsstrategien, Sicherstellung, Versorgungsstruktur, Gesundheitswesen, Kontext, Wandels
Citar trabajo
Mathias Schadly (Autor), 2008, Regionale Lösungsstrategien zur Sicherstellung der Versorgungsstruktur im Gesundheitswesen im Kontext des demografischen Wandels, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94576

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