Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit. Chance für die Zukunft oder Risiko für die Entwicklung?


Exposé Écrit pour un Séminaire / Cours, 2020

19 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Grundlagen zur Mehrsprachigkeit
2.1 Zum Begriff Mehrsprachigkeit
2.2 Der simultane Spracherwerb
2.3 Der sukzessive Spracherwerb
2.4 Die Phasen des Doppelspracherwerbs

3. Wichtige Einflussfaktoren
3.1 One Person - one Language
3.2 Positive emotionale Bindung
3.3 Qualität und Quantität des sprachlichen Angebots

4. Mehrsprachigkeit als Chance nutzen
4.1 Kognitive Vorteile
4.2 Interkulturelle Vorteile und Kommunikationsfähigkeit
4.3 Vorteile beim Lernen weiterer Sprachen
4.4 Bessere Chancen für Schule und Beruf

5. Mögliche Risiken der Mehrsprachigkeit
5.1 Reduzierter Wortschatz und Defizite in der altersgerechten Sprachentwicklung
5.2 Sprachverweigerung und Sprachverlust
5.3 Sprachmischung und Doppelte Halbsprachigkeit

6. Fazit

1. Einleitung

Mehrsprachigkeit ist aus unserer Gesellschaft nicht mehr wegzudenken. Alleine in Deutschland hat jede vierte Person einen Migrationshintergrund, das sind rund 20,8 Millionen Menschen. (Statistisches Bundesamt, 2019) Weltweit betrachtet ist Mehrsprachigkeit sogar der Normalfall und keineswegs eine Ausnahme. Für viele Kinder aus diesen Familien ist ein "lebensweltlich mehrsprachiges" Aufwachsen ganz selbstverständlich. Die Familiensprache unterscheidet sich in vielen Fällen von der Gesellschaftssprache. (vgl. Chilla; Rothweiler; Babur 2010, S. 7) Tracy (2008, S. 49) wirft die Frage auf, ob es Einsprachigkeit hinsichtlich der vielen Dialekte und Anglizismen überhaupt gibt.

Die zunehmende Globalisierung und aktuelle Ereignisse wie die Corona-Pandemie zwingen uns dazu, enger zusammenzuwachsen und machen Mehrsprachigkeit zu einer wichtigen Ressource. Sprache ist ein Türöffner und das wichtigste Mittel für eine gelungene Kommunikation und Verständigung.

Kriege und Armut zwingen Menschen oft dazu, ihre Heimat zu verlassen und in ein neues Land zu migrieren. Der Erwerb der Umgebungssprache ist ein notwendiger Bestandteil von Integration und Teilhabe. Gleichzeitig will man die Muttersprache, die für die eigene Kultur und Identität steht, nicht einfach aufgeben. Eltern mit Migrationshintergrund befinden sich oft in einem Zwiespalt. Sie haben Bedenken und sind unsicher, ob sie ihre Kinder bilingual erziehen sollen. (vgl. Soultanian 2012, S. 7)

Kritiker, wie z.B. der Sprachwissenschaftler Weisgerber, sorgen sich im Zusammenhang mit kindlicher Mehrsprachigkeit um deren sprachliche und kognitive Entwicklung. Sie befürchten negative Auswirkungen durch Überforderung. (vgl. Chilla; Rothweiler; Babur 2010, S. 24) (vgl. Lambeck 1984, S. 14) In der schulischen Praxis und in großen Teilen unserer Gesellschaft wird Bilingualismus tendenziell immer noch eher kritisch betrachtet. Ein Grund dafür mögen die ernüchternden Ergebnisse der PISA-Studie sein, die mehrsprachig aufwachsenden Kindern eine Bildungsbenachteiligung attestierten und sie somit zu "Problemkindern" abstempelten. (vgl. Chilla; Rothweiler; Babur 2010, S. 35)

Die Sprachwissenschaftlerin Rosemarie Tracy (2014) bezeichnet Mehrsprachigkeit in der Publikationen "Das mehrsprachige Klassenzimmer" jedoch als "Glücksfall".

Mit meiner Arbeit will ich mich dem komplexen Themenfeld "Kindliche Mehrsprachigkeit" nähern und einigen Fragen auf den Grund gehen: Was genau bedeutet eigentlich Mehrsprachigkeit und welche Rahmenbedingen braucht es, damit sie erfolgreich gelingt? Ist frühe Mehrsprachigkeit eine Chance für die Zukunft oder tatsächlich ein Risiko für die Entwicklung?

2. Grundlagen zur Mehrsprachigkeit

Mehrsprachigkeit ist nicht gleich Mehrsprachigkeit. In der Fachliteratur findet man ganz unterschiedliche Definitionen, was darunter zu verstehen ist. Die Begrifflichkeiten differenzieren auch nach Art und Zeitpunkt des Zweitspracherwerbs.

2.1 Zum Begriff Mehrsprachigkeit

Oberflächlich betrachtet bezeichnet dieser Begriff die Fähigkeit, zwei oder mehr Sprachen zu sprechen. Diskutiert wird lediglich, ab welchem Grad eine Sprache so gut beherrscht wird, dass der Sprecher sich als bilingual bezeichnen darf. Ist man bereits mehrsprachig, wenn man in Frankreich ein Croissant auf Französisch bestellen kann oder muss man in beiden Sprachen fließend in Wort und Schrift auf muttersprachlichem Niveau kommunizieren können? Selbst die Wissenschaft ist sich darüber uneinig.

Die Sprachwissenschaftlerin Rosemarie Tracy, Professorin an der Universität Mannheim, liefert in einem Interview 2014 eine ganz liberale Definition : "Als mehrsprachig gilt, wer in mehr als einer Sprache Alltagsgespräche führen kann." Man muss nicht alle lexikalischen Feinheiten beherrschen und von Geburt an zweisprachig sein.

Die Annahme, dass beide Sprachen auf gleichem Niveau gesprochen werden, ist eher unrealistisch. Die Personen verwenden die jeweiligen Sprachen meist in unterschiedlichen Lebenssituationen und sozialen Rollen. Oft ist eine Sprache dominanter, im Laufe des Lebens kann sich das aber immer wieder ändern. (vgl. Riehl 2013, S. 377)

Mehrsprachigkeit ist die Fähigkeit eines Individuums, hier und jetzt zwei oder mehr Sprachen als Kommunikationsmittel zu verwenden und ohne weiteres von der einen Sprache in die andere umzuschalten, wenn die Situation es erfordert. (vgl. Schnitzer 2020, S.29)

Andere Autoren, wie etwa Bloomfield (1935), bezeichnen eine Person erst dann als zweisprachig, wenn sie sich in beiden Sprachen wie ein "Native-Speaker" ausdrücken kann.

Im "Lexikon der Sprachwissenschaft" ist Zweisprachigkeit "die Fähigkeit, sich in zwei Sprachen ausdrücken zu können".

Intuitiv wissen wir, dass ein Kind Sprachen anders erwirbt, als ein Erwachsener. Der Zeitpunkt spielt eine wesentliche Rolle für Qualität und Ergebnis. "Um den Personen gerecht zu werden, die in einer zweisprachigen Situation aufgewachsen sind, sollte unterschieden werden zwischen dem impliziten Zweispracherwerb im Kindesalter und dem expliziten Spracherwerb im späteren Jugend- und Erwachsenenalter. Nur die im Kindesalter erworbenen Sprachen haben Muttersprachqualität" (Jenny 2008, S 16).

"Je früher, gleichzeitiger und vergleichbarer der Umfang der Konfrontation eines Kindes mit mehreren Sprachen verläuft, desto ausgewogener sollte das erreichte Niveau bei den Sprachen sein" (Kienbaum; Schuhrke; Ebersbach 2019, S. 120).

Die wissenschaftliche Literatur unterscheidet verschiedene Erwerbstypen. In dieser Arbeit werden der simultane und der sukzessive Erwerb zweier Sprachen näher betrachtet. Dabei wird von einem impliziten, unbewussten Lernvorgang ausgegangen.

2.2 Der simultane Spracherwerb

"Von simultanem Erwerb zweier Sprachen spricht man, wenn Kinder von Beginn ihres Spracherwerbs an mit zwei Sprachen gleichzeitig konfrontiert sind und beide Sprachen parallel erwerben. Dazu müssen nicht beide Sprachen in der Umgebung des Kindes von Geburt an präsent sein, sondern es reicht, wenn der Erwerb für beide Sprachen innerhalb der ersten beiden Lebensjahre beginnt" (Chilla; Rothweiler; Babur 2010, S. 23).

Dieses Szenario findet man häufig in Familien vor, in denen sich die Herkunftssprachen beider Elternteile unterscheiden. Der Idealfall wäre, dass jeder mit dem Kind von klein auf in seiner jeweiligen Muttersprache spricht. Auf diese Weise kann sich eine vollständige Sprachkompetenz in beiden Sprachen entwickeln. Dieser "doppelte Erstspracherwerb" kann auch gelingen, wenn in der Familie eine andere Sprache gesprochen wird, als in der allgemeinen Gesellschaft. Das Kind muss dafür aber bereits vor dem 3. Lebensjahr regelmäßig mit der Umgebungssprache in Kontakt kommen, da bis zu diesem Zeitpunkt der Erwerb der ersten Sprache längst noch nicht abgeschlossen ist. (vgl. Chilla; Rothweiler; Babur 2010, S. 23f.) Diese Konstellation kommt gerade in deutschen Ballungsräumen und Großstädten häufig vor. In Familien mit Migrationshintergrund bekommen Kinder oft erst mit Eintritt in eine Kindertagesstätte die ersten Wörter ihrer zweiten Sprache zu hören. (vgl. Priebst 2013, S. 6)

"Ein annähernder Gleichstand - man spricht hier auch von ausbalanciertem Erwerb - liegt nur dann im Bereich des Möglichen, wenn ein Kind in allen Sprachen gleiche Erfahrungen sammeln kann" (Tracy 2014, S. 22).

Simultaner Zweispracherwerb bedeutet aber nicht zwangsläufig, dass sich der lexikalische Umfang und die Grammatik beider Sprachen exakt parallel und zeitgleich entwickeln. Tempo und Umfang können sich gerade zu Beginn unterscheiden und balancieren sich mit der Zeit wieder aus. Der Spracherwerb verläuft in den gleichen Variationen wie bei einsprachigen Kindern, obwohl sich die Sprachen in getrennten Systemen weitgehend unabhängig voneinander entwickeln. (vgl. Chilla; Rothweiler; Babur 2010, S. 24)

2.3 Der sukzessive Spracherwerb

Die sukzessive Mehrsprachigkeit wird genauso wie die simultane Mehrsprachigkeit von Kindern erworben, ohne dass gezielte didaktische Maßnahmen verwendet werden. Allein das Vorhandensein mehrerer Sprachen in der kindlichen Umgebung reicht aus, um die Motivation und Basis für den Erwerb einer zweiten Sprache zu schaffen. Der Unterschied liegt im Zeitpunkt des Erwerbs. Man spricht von sukzessivem Spracherwerb, wenn zum Spracherwerbsbeginn bereits grundlegende Kenntnisse in der Erstsprache vorhanden sind, also etwa nach Vollendung des dritten Lebensjahres. Während der Erwerb der Muttersprache meistens im häuslichen Umfeld stattfindet, wird die Zweitsprache durch den Eintritt in eine Bildungseinrichtung erlernt. (vgl. Rörig 2016, S. 49)

Ob eine Zweitsprache in diesem Alter noch auf muttersprachlichem Niveau erlernt werden kann, hängt von diversen Faktoren ab. Entscheidend ist neben der Häufigkeit, Intensität und Qualität des Sprachinputs auch die Notwendigkeit, die zweite Sprache zu erlernen. Spricht die Mehrheit in der kindlichen Umgebung in der Zweitsprache, ist die Motivation diese Sprache zu erlernen, wahrscheinlich sehr groß. Chilla; Rothweiler; Babur (2010) sprechen in diesem Fall von "echter Immersion" und betonen die große Relevanz einer solchen Erwerbssituation für den sukzessiven Spracherfolg. In vielen Wohngebieten deutscher Großstädte haben die Kinder nur wenig deutsch-sprachigen Input und bleiben so auf Grund ihrer sozialen Verhältnisse hinter ihren sprachlichen Möglichkeiten. (vgl. S. 34f. und S. 36f.)

Da die neuronale Plastizität des Kindes noch voll gegeben ist, ist der vollständige Erwerb einer zweiten Sprache auch zwischen dem dritten und siebten Lebensjahr noch möglich. Nach dieser optimalen Phase verändert sich die Spracherwerbsfähigkeit. (vgl. ebd., S. 50)

Das individuelle Potential eines Kindes, eine Zweitsprache zu erlernen, spielt natürlich auch eine nicht unwesentliche Rolle für das Ergebnis. Der lexikalische Erwerb verläuft bei sukzessiv bilingualen Kindern anders als bei Kindern im Erstspracherwerb. Gewisse Strukturen können von der Erst- in die Zweitsprache übernommen werden, aber nicht alles kann unmittelbar transferiert werden. (vgl. ebd., S. 37-39)

" [...] bis zu welchem Alter und Reifungsgrad des Gehirns neue Sprachen noch so erworben werden können, als ob es Erstsprachen wären [...] auch im Erwachsenenalter noch Sprachen mit passablem Ergebnis aneignen kann" (Tracy 2014, S. 24).

Abschließend ist zum sukzessiven Erwerb zweier Sprachen festzustellen: " [...]bei einem möglichst frühen Beginn des Zweitspracherwerbs die Wahrscheinlichkeit einer größtmöglichen Annäherung an muttersprachliche Kompetenzen über alle sprachlichen Ebenen hinweg, von Aussprache bis zur Grammatik, am größten ist" (Tracy 2014, S. 22).

2.4 Die Phasen des Doppelspracherwerbs

Kinder, die von Geburt an zweisprachig erzogen werden (Doppelspracherwerb), durchlaufen in der Regel drei typische Entwicklungsstufen, in denen die beiden Sprachen allmählich als zwei eigenständige Systeme begriffen werden. (vgl. Heuchert 1989, S. 23f)

Phase 1: Vermischung der beiden Sprachen (bis zum Alter von etwa 3 Jahren)

Kinder können die beiden Sprachen noch nicht unterscheiden und können Wortschatz und Grammatik nicht differenzieren. Die Sprachen verschmelzen. Eltern sollten trotzdem nicht ständig korrigieren, damit die Freude am Spracherwerb nicht verloren geht. Besser und erfolgsversprechender ist es, das Kind in beiden Sprachen gleichermaßen zu schulen. Damit ist kein didaktisches Lernen gemeint, sondern ein ansprechender und qualitativer Sprachinput. Eine konsequente personale Trennung der beiden Sprachen hat sich als sinnvoll erwiesen. Das Kind kann die beiden Sprachsysteme so besser unterscheiden.

Phase 2: Differenzierung (ab etwa 2 Jahren)

Das Kind hat noch Schwierigkeiten mit der Grammatik. Grammatikalische Phänomene der einen Sprache werden auf die andere Sprache übertragen oder es kommt zu einer grammatikalischen Mischkultur. Diese ist nur vorübergehend und verschwindet mit zunehmender Sprachkompetenz.

Phase 3: Trennung (etwa ab 3 Jahren)

Das Kind hat gelernt beide Sprachsysteme zu unterscheiden und es zeigt sich ein metasprachliches Bewusstsein.

Sprachmischungen sind oftmals negativ behaftet. Dieser typische Entwicklungsverlauf macht deutlich, dass das Vermischen der Sprache durchaus Bestandteil des Erwerbsprozesses ist.

3. Wichtige Einflussfaktoren

Es gibt Faktoren, die sich auf den Erfolg von Mehrsprachigkeit günstig auswirken können. In der Fachliteratur stößt man dabei immer wieder auf drei wesentliche Aspekte, die für eine gelungene mehrsprachige Entwicklung ausschlaggebend sind: Trennung der Sprachen nach dem Prinzip "eine Person - eine Sprache", eine positive emotionale Bindung und die Qualität und Quantität des sprachlichen Angebots.

3.1 One Person - One Language

Die in der Familie gesprochenen Sprachen haben einen großen Einfluss auf die zukünftige Sprachentwicklung und dienen als Basis, für alle weitern sprachlichen Kompetenzen.

Eine Sprachtrennung ist ein wichtiger Faktor beim Erlernen zweier Sprachen. Bei einer bilingualen Erziehung ist die Sprachkompetenz der Eltern häufig unterschiedlich und jeder Elternteil sollte konsequent in seiner jeweiligen Muttersprache mit dem Kind kommunizieren. Ansonsten ist die Gefahr groß, dass das Kind in beiden Sprachen Defizite entwickelt und es zu einer ungewollten Mischsprache kommt. Das Kind lernt implizit und kann die Sprache nur anhand der Person differenzieren. (vgl. Jenny 2008, S. 23)

"Das Kind lernt die Sprachen nur zu trennen, wenn es die Sprachen einem Sprecher zuordnen kann. Indem das Kind jeden Sprecher in seiner Sprache anspricht, lernt es rasch von einer Sprache in die andere zu wechseln" (Jenny 2008, S. 23).

3.2 Positive Emotionale Bindung

Die neurobiologischen Prozesse des Lernens werden durch Emotionen beeinflusst. Lernen unter Einbeziehung positiver Gefühle fällt den Menschen leichter . "Eine positive emotionale Beziehung zum Kind und ein ermutigender Erziehungsstil sind für Lernprozesse und den Spracherwerb unabdingbar" ( Küls 2003, online).

Die Entfaltung der sprachlichen Kompetenzen ist auf eine günstige Rahmenbedingung angewiesen. Kinder brauchen Erwachsene, die mit ihnen liebevoll in Kontakt treten. Sprache trägt zu einer emotionalen Bindung bei. Ein Kind, dass sich mit einem geliebten Menschen verständigen will, verspürt ein hohes Maß an Motivation, die Sprache zu erwerben. Der Spracherwerb ist ein Prozess und verläuft nicht fehlerfrei.

Ein Kind, das über Resilienz und Geborgenheit verfügt, wird mutiger sein sich und seine Sprachen auszuprobieren.

Im Umkehrschluss bedeutet das natürlich, dass eine schlechte emotionale Beziehung negative Folgen im Spracherwerb nach sich ziehen kann. Das muss nicht zwangsläufig die Beziehung zu den unmittelbaren Bezugspersonen betreffen. Auch die Akzeptanz der Sprache in der Gesellschaft spielt eine entscheidende Rolle. Nicht jede Sprache genießt das gleiche Ansehen und Kinder sind sehr feinfühlig.

"In Deutschland erleben Migrantenkinder dagegen häufig eine subtraktive Bilingualität, bei der Kindergarten oder Schule sich vollständig auf den Erwerb der Zweitsprache (hier Deutsch!) konzentrieren und die Erstsprache nicht wertgeschätzt wird" (Kienbaum; Schuhrke; Ebersbach 2019, S. 120f.). In so einem Fall konkurrieren beide Sprachen miteinander und das Kind erlebt eine innere emotionale Krise. Schlimmstenfalls führt das zur Verstummung oder Sprachverlust. (vgl. ebd., S. 121)

3.3 Qualität und Quantität des sprachlichen Angebots

Das Erlernen von Sprache ist ein angeborener Prozess, der zumindest in der frühen Kindheit automatisch und implizit verläuft. Die kognitiven Voraussetzungen sind also gegeben.

Die Umwelt kann auf das Ergebnis dieses Prozesses positiv von außen einwirken. Dabei kommt es darauf an, dem Kind einen qualitativ hochwertigen Sprachinput zu liefern. Wächst das Kind zwei- oder mehrsprachig auf, braucht es einen regelmäßige Kontakt mit allen Sprachen.

Wird z.B. die Herkunftssprache nicht systematisch gefördert, erlangen viele Kinder aus Einwanderer-Familien kein muttersprachliches Niveau und dieses wertvolle Potential geht verloren. Die Bildungseinrichtungen und die Politik müssen zu einer Wertschätzung aller Sprachen beitragen und Bildungsangebote schaffen, die die nötige Qualität und Quantität des sprachlichen Angebots sicherstellen. (vgl. verband binationaler familien und partnerschaften e.v., online)

Spracherwerb und soziale Interaktion hängen eng zusammen. Es reicht nicht aus, Kinder vor dem Fernseher zu "parken". "Für den Spracherwerb ist sprachlicher Input in der Interaktion mit realen Personen unerlässlich" (Kienbaum; Schuhrke; Ebersbach 2019, S. 115). Das Kind muss also mit anderen Menschen in Dialog treten. Findet es diese Möglichkeiten in den ersten Lebensjahren nicht ausreichend vor, wird es sein sprachliches Potential nie vollkommen ausschöpfen können. (vgl. ebd., S, 115)

[...]

Fin de l'extrait de 19 pages

Résumé des informations

Titre
Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit. Chance für die Zukunft oder Risiko für die Entwicklung?
Université
Catholic University Eichstätt-Ingolstadt  (Fakultät für Soziale Arbeit)
Cours
Sprachliche Bildung
Note
1,3
Auteur
Année
2020
Pages
19
N° de catalogue
V946275
ISBN (ebook)
9783346284433
ISBN (Livre)
9783346284440
Langue
allemand
Mots clés
Mehrsprachigkeit, Bilingual, Zweisprachig, Sprachliche Bildung, Chancen, Risiken, Kindheitspädagogik, frühe Kindheit
Citation du texte
Simone Albert (Auteur), 2020, Mehrsprachigkeit in der frühen Kindheit. Chance für die Zukunft oder Risiko für die Entwicklung?, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/946275

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