Leseprobe
Inhaltsverzeichnis
1 Einleitende Worte
2 Begriffsbestimmungen
3 Lerntheorien
3.1 Behaviorismus
3.2 Kognitivismus
3.3 Konstruktivismus
4 Lernen und Spiel in Kindertageseinrichtungen
4.1 Merkmale des Spiels
4.2 Die Bedeutung des Spiels
5 Wygotskis Perspektive auf Entwicklung und Lernen
5.1 Grundlagen der psychischen Entwicklung nach Wygotski
5.2 Die Zone der nächsten Entwicklung
5.3 Spiel und Lernen im Vorschulalter
6 Die Bedeutung Wygotskis für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen
7 Kritische Anmerkungen
8 Fazit
Literaturverzeichnis
1 Einleitende Worte
Wissenschaftliche Paradigmen zu Entwicklung und Lernen bilden die Grundlage für die pädagogische Arbeit in Kindertageseinrichtungen und sie befinden sich in stetiger Veränderung und Weiterentwicklung. Galt im 20. Jahrhundert für lange Zeit der inzwischen sehr kritisch betrachtete „Behaviorismus“ als pädagogische „Hegemonialmacht“, wurde er doch schlussendlich vom „Thron“ gestoßen und von anderen Theorien abgelöst (vgl. Göhlich/Zirfas 2007, S. 19f.). Was heute als modern und fortschrittlich betrachtet wird, kann morgen schon „ganz alt“ aussehen. Das gilt in der Pädagogik genauso wie für unser Leben in einer schnelllebig-pluralistischen Gesellschaft. Andererseits gibt es in der frühpädagogischen Debatte Bezugsgrößen wie den im 19. Jahrhundert geborenen Schweizer Psychologen Jean Piaget, dessen Relevanz erst sukzessive von der Wissenschaft erkannt wurde, die ihn zwischenzeitlich zum „Übervater der Entwicklungspsychologie“ erkoren hatte (vgl. Spektrum der Wissenschaft, zitiert nach Ludwig 2019), jedoch seinen Aussagen nun wieder kritischer gegenüber steht (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 130f.). So stellt sich bei all diesen Umbrüchen die Frage, welche Theorien in der frühpädagogischen Diskussion heute den paradigmatischen „Thron“ erklommen haben?
Die in Deutschland geführte elementarpädagogische Debatte wurde zeitweise vom „missverständlichen“ Begriff der „Selbstbildung“ dominiert, da sie ein „quasi autonom“ handelndes Subjekt suggerierte, die durch Erkenntnisse der Gehirnforschung noch zusätzliche Unterstützung erfuhr. Wenn Cornelie Dietrich auf der anderen Seite dazu auffordert, Abstand zur verkürzten Betrachtung des Kindes in seiner „Akteursrolle“ zu nehmen und dieses auch als „Resonanzkörper“ seiner Umwelt wahrzunehmen, wird deutlich, dass diese Debatte längst nicht abgeschlossen ist und oftmals die Rolle der soziokulturellen Umwelt im Zentrum solcher Kontroversen steht, weswegen eine nähere Betrachtung der Thematik lohnenswert scheint (vgl. Brandes 2018b, S. 50f.).
Warum Brandes hier von einer „missverständlichen“ Annahme spricht, kann möglicherweise ein Zeitgenosse Piagets, der sich ebenfalls intensiv mit Entwicklung und Lernen im Kindesalter beschäftigte, beantworten: Lew Semjonowitsch Wygotski. Er ist verantwortlich für intensive fachliche Diskussionen in den USA, kratzte dabei an alten Paradigmen und erfreut sich inzwischen großer Popularität in der amerikanischen Pädagogik. Er richtete seinen Blick vom Individuum, wie gezeigt werden soll, weit mehr auf die Rolle der soziokulturellen Umwelt im Entwicklungsprozess und bietet dabei vielfältige Impulse für die pädagogische Theorie und Praxis (vgl. Textor 2000). Grund genug, sich mit seinem Werk auseinanderzusetzen.
Die vorliegende Arbeit soll also den Versuch unternehmen, das Werk Wygotskis mit Blick auf den frühpädagogischen Kontext zu analysieren und dabei die Frage zu beantworten, welche Be- deutung seine Perspektive auf Entwicklung und Lernen für die Arbeit in Kindertageseinrichtungen hat. Es wird zunächst nötig sein, die grundlegenden Begriffe „Entwicklung“ und „Lernen“ (2) zu definieren. Darauf aufbauend sollen Perspektiven eröffnet werden, die heute für die Pädagogik in Kindertageseinrichtungen bedeutsam erscheinen: Lerntheorien (3) sowie die Verbindung von Spiel und Lernen (4). Dieses Theoriekonstrukt bildet die Grundlage dafür, Wygotskis Perspektiven zu analysieren (5), deren Bedeutung auf den Kontext der Kindertageseinrichtungen zu übertragen (6), sie kritisch zu hinterfragen (7) und alle Erkenntnisse schließlich zu resümieren (8). Die Bearbeitung der Thematik wird mithilfe vielfältiger Literaturarbeit aus Primär- wie Sekundärquellen erfolgen.
2 Begriffsbestimmungen
Professionelle Arbeit in Kindertageseinrichtungen ist auf zwei Leitmotive reduzierbar: „development“ und „learning“, zu deutsch „Entwicklung“ und „Lernen“ (vgl. Liegle 2012, S. 32).
„Entwicklung bezieht sich im Allgemeinen auf die individuellen Veränderungen auf körperlicher, psychischer und sozialer Ebene sowie von Fähigkeiten und Fertigkeiten über die Zeit“ (Kleeberg-Niepage 2018, S. 3). Entwicklung ist also ein individueller und diskontinuierlicher Prozess, der sich in verschiedenen Domänen vollzieht und lebenslang sowie dauerhaft fortschreitet. Vorübergehende Veränderungen wie Erkrankungen werden nicht als Entwicklung betrachtet (vgl. Woolfolk 2014, S. 24-26). Die Entwicklungspsychologie befasst sich mit der Beschreibung, Erfassung und Vorhersage menschlicher Entwicklung und legt damit einen theoretischen Grundstein für die Pädagogik, so dass diese Entwicklung planen, initiieren und begleiten kann. Wissenschaftliche Erkenntnisse betonen disziplinübergreifend und wiederholt die hohe Bedeutung der Entwicklung in der frühen Kindheit für den weiteren Lebensverlauf (vgl. Klee- berg-Niepage 2018, S. 4).
Eng verwoben mit dem Begriff der Entwicklung ist der des Lernens. „Lernen ist die erfahrungsreflexive, auf den Lernenden sich auswirkende Gewinnung von spezifischem Wissen und Können.“ (Göhlich/Zirfas 2007, S. 17). „Erfahrungsreflexiv“ ist hier hervorzuheben, da es Lernen so von angeborenen Reflexen abgrenzt und erste Hinweise auf die Rolle der Umwelt im Lernprozess gibt. Hobmair ergänzt, dass Lernen stets einen nicht beobachtbaren Prozess darstellt, bei dem Erleben sowie Verhalten relativ dauerhaft verändert werden (vgl. Hobmair 2013, S. 78). Diese Definitionsversuche verdeutlichen die große Herausforderung, die durch die Auseinandersetzung mit Lernprozessen entsteht: etwas verstehen zu wollen, was nicht direkt beobachtbar ist und daher nur indirekt über Rückschlüsse aus Ursachen und daraus resultierenden Verhaltens-/ Erlebensmustern sichtbar gemacht werden kann. Folglich stellt sich die Frage, wie Lernprozesse generell und besonders in der frühen Kindheit ablaufen.
3 Lerntheorien
Lerntheorien sind für das Verständnis menschlicher Lernprozesse zentral. Sie gehen der Frage nach „wie“ gelernt wird und sind in der Literatur unterschiedlich kategorisiert. Woolfolk unterscheidet vier Formen (vgl. Woolfolk 2014, S. 383), Gudjons und Traub reduzieren auf zwei Bereiche (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 220), im nächsten Abschnitt soll jedoch der ebenso geläufigen Dreiteilung gefolgt werden (vgl. Raithel/Dollinger/Hörmann 2009, S. 68). Jede dieser drei Lerntheorien findet heute ihre Umsetzung in verschiedensten Formen im pädagogischen Alltag von Kindertageseinrichtungen, weswegen sie im Folgenden auf allgemeiner Ebene dargestellt werden sollen, um so später mit Wygotskis Perspektive abgeglichen werden zu können.
3.1 Behaviorismus
Grundannahme des Behaviorismus ist, dass Verhalten durch Reize von außen sowie Verstärkungen gesteuert werden kann. Dabei werden bei Tieren beobachtete Lernvorgänge direkt auf den Menschen übertragen und daraus Schlussfolgerungen für dessen Lernprozesse gezogen. Der Fokus beschränkt sich auf das tatsächlich zu beobachtende Verhalten. Unterschieden wird zumeist zwischen „klassischer“ und „operanter“ Konditionierung (vgl. ebd., S. 69). Behavioristisches Lernen geschieht in einem Reiz-Reaktions-Modell, wobei ein bestimmter Reiz („Stimulus“) eine bestimmte Reaktion („Response“) verursacht. Diese Reaktion bzw. dieses Verhalten kann durch die Umwelt negativ oder positiv verstärkt werden (in der Pädagogik präsent v.a. als „positive Verstärkung“), was deren Auftrittswahrscheinlichkeit abschwächen oder erhöhen kann (vgl. ebd.).
Das behavioristische Verständnis von Lernen wird heute sehr kritisch betrachtet und verliert zunehmend an Bedeutung (vgl. Woolfolk 2014, S. 242). Hauptkritikpunkt ist die Gefahr missbräuchlicher, unethischer Anwendung wie bei den bekannten Experimenten am neun Monate alten Albert (vgl. Göhlich/Zirfas 2007, S.20). Negative Auswirkungen sind zudem bei der Verwendung von Bestrafung häufig nicht auszuschließen (vgl. Woolfolk 2014, S. 271). Eine Gleichsetzung tierischen und menschlichen Verhaltens ist ebenfalls kritisch zu hinterfragen (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 224). Besonders bleibt pro-aktives, kreativ-schöpferisches, neues oder „unerwartetes“ Verhalten aus der Perspektive der Behavioristen unerklärlich (vgl. Göhlich/Zir- fas 2007, S. 23). Das Ausblenden des „Inneren“ (als „black box“) ließ sich letztlich nicht mehr halten. Psychosoziale Faktoren des Lernens konnten nicht ignoriert werden und so entwickelten sich neue Theorien des kognitiven Lernens (vgl. ebd., S. 21f.).
3.2 Kognitivismus
Im Gegensatz zum Behaviorismus gilt der Kognitivismus heute als eine „allgemein vertretene, übereinstimmend akzeptierte philosophische Orientierung“ (Woolfolk 2014, S. 276). Der Kognitivismus begreift den Lernenden als ein Individuum, welches äußere Stimuli aktiv sowie selbstständig verarbeitet. Äußere Reize steuern somit nicht mehr das passive Individuum. Lernen basiert auf kognitiven Strukturen. Dabei werden Eindrücke auf Grundlage von Erfahrungen sowie des Entwicklungsstandes wahrgenommen, interpretiert und schlussendlich verarbeitet. Beliebt ist in diesem Zusammenhang der Vergleich des menschlichen Lernprozesses mit einem Computer als Informationsverarbeitung, bei dem Reize in einem komplexen Prozess aufgenommen und verwertet werden (vgl. Raithel/Dollinger/Hörmann 2009, S. 71). Nun konnte ge- schlussfolgert werden, dass das „Innere“ eines Menschen keine „black box“ mehr darstellt, sondern wissenschaftlich analysierbar ist (vgl. Woolfolk 2014, S. 276). Während Behavioristen Motivation extrinsisch erreichen wollten, strebten Kognitivisten nun nach intrinsischer Motivation in ihren Lernsettings (vgl. Göhlich/Zirfas 2007, S. 25). Das „entdeckende Lernen“ richtete den Blick auf aktive Problemlösekompetenzen des Individuums und setzte sich der reinen Wissensanhäufung entgegen (vgl. Gudjons/Traub 2016, S. 230). Dieses informationsverarbeitende Modell erwies sich zunächst als nützlich, wurde dann aber doch für unvollständig befunden (vgl. Woolfolk, S. 280). Widerlegt ist inzwischen besonders, dass das Gehirn entsprechend der Computeranalogie ein „Produkt“ ist. Vielmehr handelt es sich um einen „Produzenten“ (vgl. Gud- jons/Traub 2016, S. 231).
3.3 Konstruktivismus
Der Konstruktivismus ging aus kognitivistischen Überlegungen hervor. Dabei bemisst er den eigenaktiven Verarbeitungsprozessen von Umwelteindrücken eines Individuums eine deutlich zentralere Bedeutung, als dies der Kognitivismus zuvortat und wertet damit die Rolle von äußeren Einflüssen im Lernprozess nochmals ab. Während es im Kognitivismus noch eine objektive Realität gab, wird diese im Konstruktivismus dahingehend abgelehnt, dass Wissen nur ein Ergebnis von inneren Erkenntnisprozessen ist. Jedes lernende Subjekt „konstruiert“ aufgrund der individuellen Erfahrungen eine eigene Wirklichkeit (vgl. Raithel/Dollinger/Hörmann 2009, S. 72). Beim Lernen wird ein mögliches Bild der Umwelt mit dem im Individuum existenten Bild abgeglichen und ggf. abgeändert. Wahrnehmung, Erkennen und Lernen werden zum Konstruktionsprozess. Erst dann kann von Lernen gesprochen werden (vgl. Göhlich/Zirfas 2007, S. 25). Der Konstruktivismus grenzt sich zum Kognitivismus insofern als „informationell geschlossenes System“ ab, weil nur das System selbst Informationen erzeugen kann. In diesem Zusammenhang steht der Begriff der „Autopoiese“: lebendige Systeme agieren selbstorganisiert innerhalb einer geschlossenen Struktur. Das System selbst ist für die Sinngewinnung zuständig (vgl. ebd.).
„Lernen im konstruktivistischen Sinne ist also ein aktiver, selbst gesteuerter, konstruktiver, situativer und sozialer Prozess“ (ebd., S. 26). Somit sind Motivation und Steuerung der Lernprozesse beim lernenden Subjekt selbst zu verorten. „Konstruktion“ meint, dass vielfältige Lernkontexte hergestellt werden müssen, womit netzwerkartige Wissensstrukturen „konstruiert“ werden können. „Situativ“ gibt Hinweise darauf, dass Lernsituationen den zukünftigen Anwendungssituationen strukturell ähnlich sein sollten, um erfolgreich zu verlaufen (vgl. ebd.). Konstruktivistisches Lernen findet letztlich in sozial-kommunikativen Kontexten statt. Hier entspringt der in der Pädagogik geläufige Begriff der „Ko-Konstruktion“, bei der kooperativ „konstruiert“ wird, d.h. durch das wechselseitige Beeinflussen und „Ineinandergreifen“ der Beteiligten sowie deren Handlungen. Zusammenfassend kann heute davon ausgegangen werden, dass sich der Konstruktivismus in der pädagogischen Psychologie als „Primat“ etabliert hat (vgl. ebd., S. 26f.). Mit einer klar konstruktivistischen Grundausrichtung stellt sich nun die Frage, wie solche Lernprozesse im Speziellen bei Kindern zu charakterisieren sind.
4 Lernen und Spiel in Kindertageseinrichtungen
„Spielen und Lernen sind in der Welt der Kinder und in der Frühpädagogik untrennbar.“ (Pram- ling Samuelsson/Asplund Carlsson 2007, S. 163). Diese Aussage scheint das weitere Vorgehen klar vorzugeben. Über eine genauere Betrachtung des Spiels als „Hauptaneignungstätigkeit“ im Vorschulalter kann ein tieferes Verständnis frühkindlicher Lernprozesse erlangt werden (vgl. Sächsisches Staatsministerium für Kultus 2011, S. 24). Was genau ist daher unter Spiel als Lernmodus zu verstehen und welche Bedeutung hat es für die kindliche Entwicklung unter konstruktivistischem Blickwinkel?
4.1 Merkmale des Spiels
Problematisch erscheint, dass es bis dato keine allgemein anerkannte Definition von Spiel gibt (vgl. Hauser 2013, S. 17). Vorangegangenen Definitionsversuchen stellt Hauser eine „exklusive“ Definition von Spiel gegenüber, die hier als Grundlage verwendet werden soll, um dabei die Bedeutung des Spiels für die kindliche Entwicklung herausarbeiten zu können. Unter „exklusiv“ ist zu verstehen, dass alle der im Folgenden beschriebenen Merkmale vorhanden sein müssen, um Spiel als eben dieses einschätzen zu können (vgl. ebd., S. 20).
„Unvollständige Funktionalität“ meint, dass das Verhalten nicht vollständig, aber durchaus teilweise funktional sein darf, d.h. es darf nicht allein dem Überleben dienen. Spiel ist damit nicht mehr zweckfrei, denn es ist möglich, dass ein Zweck damit in Verbindung steht. Nur die Freude an der Tätigkeit selbst ist aber unmittelbares Ziel (vgl. ebd., S. 20f.). „So-tun-als-ob“ beschreibt, dass Verhaltensweisen spielerische und nicht ernsthafte Variationen einer möglichen Realität darstellen, die oft unvollständig sind. Ein weniger sperriges Beispiel ist das kindlich gespielte Essen, bei dem kürzer gekaut wird und nichts tatsächlich heruntergeschluckt wird. So setzt es sich von ernsthaftem Verhalten ab (vgl. ebd., S. 21f.). Das Merkmal der „positiven Aktivierung“ bezieht sich auf die Verstärkung des Spiels durch eine bestimmte Eigenschaft. Hier ist eine Vielzahl an Eigenschaften denkbar, von denen aber nur eine zutreffen muss. Äußert relevant sind intrinsische Motivation (vgl. ebd., S. 22), Freiheiten in der Spielgestaltung, aber auch positive Emotionen wie Spaß, hochkonzentriertes Spiel im „Flow“-Zustand und die Ungewissheit des Spielverlaufs (vgl. ebd., S. 27f.). „Wiederholung und Variation“ beschreibt, dass Spiel, oftmals mit explorativen Elementen zu Beginn, auf abwechslungsreiche sowie spielerische Weise wiederholt und variiert wird (vgl. ebd., S. 32). Das „entspannte Feld“ verweist darauf, dass es vor dem Spiel nötig ist, elementare menschliche Bedürfnisse (nach Nahrung, Sicherheit, Gesundheit, soziale Eingebundenheit etc.) zu befriedigen und Stressoren (wie intensive Ängste, starke Konkurrenz, Krankheit, soziale Konflikte) zu vermeiden (vgl. ebd., S. 33). Wichtigste Spielvoraussetzung ist eine sichere Bindung. Sie zeigt sich v.a. darin, mutig Neues zu explorieren, Risiken einzugehen und erfolgreich mit Stress umgehen zu können (vgl. ebd., S. 34f.). Exploration geht dem Spiel voran (vgl. ebd., S. 39). Auf die hier zu Grunde liegende Bindungstheorie sei jedoch nur verwiesen (vgl. Grossmann/Grossmann 2011).
4.2 Die Bedeutung des Spiels
Spiel scheint in jeglicher Hinsicht dem dargelegten konstruktivistischen Verständnis von Lernen als „aktiver, selbst gesteuerter, konstruktiver, situativer und sozialer Prozess“ zu entsprechen (Göhlich/Zirfas 2007, S. 26). Es bietet vielfältigen Raum für aktive, durch Freude und andere Eigenschaften und Emotionen motivierte, selbsttätige Handlung. Zentral für konstruktivistisches Lernen wie für das Spiel ist dabei die intrinsische Motivation. Sie ermöglicht emotionales Lernen, welches durch Interesse oder Begeisterung verstärkt wird. Solches Lernen gilt als deutlich nachhaltiger und wird als das wirksamste uns bekannte Lernen bewertet (vgl. Hauser 2013, S. 22f.). Ungewissheit im Spiel gilt zudem als freudvolle und herausfordernde Grundlage, die experimentelles sowie nachhaltiges und vielfältiges Üben anregt. Darüber hinaus werden die für die menschliche Entwicklung als wesentlich betrachteten Autonomieerfahrungen ermöglicht. Die Bevorzugung von positiver Ungewissheit konnte auch dahingehend bestätigt werden, weil sie den emotionalen Charakter im Lernprozess, das Engagement beim Lösen einer Aufgabe sowie die Wahrscheinlichkeit der Speicherung des Gelernten erhöht (vgl. ebd., S. 28f.).
[...]
- Arbeit zitieren
- Tobias Jahn (Autor), 2019, Lew S. Wygotski und die Frühpädagogik in 2019. Lernen und Spiel in Kindertageseinrichtungen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/947194
Kostenlos Autor werden
Kommentare