Die Automatisierung von Geschäftsprozessen unter Berücksichtigung der VUCA-Welt

Eine erfolgskritische Betrachtung


Hausarbeit (Hauptseminar), 2020

26 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


I Inhaltsverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

III Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung

2 VUCA

3 Wissensmanagement
3.1 SEKI-Modell
3.2 Acht Wissensbausteine des Wissensmanagement

4 Wissensintensive Geschäftsprozesse
4.1 Adaptive Case Management

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

II Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Beziehung zwischen den Ebenen der Begriffshierarchie

Abb. 2: Vier Formen der Wissensumwandlung

Abb. 3: Kernprozesse des Wissensmanagements

Abb. 4 ACM-Vorgehensmodell

Abb. 5: Unterschied zwischen ACM & BPM

III Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Derzeitige Entwicklungen in unserer Gesellschaft und Wirtschaft bewirken, dass sich unsere Arbeitswelt in einem stetigen Wandel befindet (Harsch, Schäfer, Severin, Festing & Bittlingmaier, 2016). In diesem Kontext stellt eine schnelle, komplexe und sich verändernde Welt für viele Unternehmen eine große Herausforderung dar. Viele Unternehmen sind seit dem Jahr 2000 zunehmend davon bedroht, Konkurs zugehen, aufgekauft zu werden oder gar vom Markt zu verschwinden. Diese Entwicklung spiegelte sich bereits bei 52% der Fortune 500 Unternehmen wieder (Wang nach Bonnet, Buvat & KVJ, 2015). Um in dieser unberechenbaren, unsicheren, komplexen und mehrdeutigen Welt agieren und handeln zu können, scheinen Fokussierung, Schnelligkeit und Flexibilität wichtige Unternehmenseigenschaften zu sein. Die durch die Digitalisierung, Globalisierung, demografische Entwicklung und den Fachkräftemangel geprägte Zeit, wird treffend von dem Akronym VUCA (Volatility, Uncertainty, Complexity, Ambiguity) beschrieben (Nienkerke-Springer, 2017), wobei folgendes Zitat die Auswirkungen der VUCA-Welt treffend zusammenfasst: „The illiterate of 21st century will not be those who cannot read and write, but those who cannot learn, unlearn, and relearn” (Toffler, Hyman, Abels, Abels, Abels & Richmond, zitiert nach Hacioglu, 2020, S. 4). Somit geht VUCA mit zahlreichen organisationalen, strukturellen und strategischen Veränderungen für Unternehmen einher (Nienkerke-Springer, 2017).

Um in diesen Zeiten einen organisatorischen Wandel, welcher die Schnittstellen Technologie, Wirtschaft und Mensch betrifft, erfolgreich zu meistern, ist es nötig, direkt an den Geschäftsprozessen anzusetzen (Newman, 2018). Das alleinige Implementieren von neuen Technologien ist nicht ausreichend, da diese Unternehmenssilos nicht zu beseitigen vermögen, das Lernen in der Organisation nicht vorantreiben, nicht die Kundenperspektive aufzeigen sowie agilen Methoden (z.B. Design Thinking) nicht ermöglichen. Vielmehr ist es nötig, direkt an den Geschäftsprozessen anzusetzen und diese zu überarbeiten (Pegasystems, 2019). Dabei soll die Kombination des organisationalen Lernens mit dem klassischen Prozessmanagement eine fortlaufende Überprüfung des erworbenen Wissens ermöglichen. Dieses ist nötig, damit Unternehmen wettbewerbsfähig bleiben (Czekaj, nach Szelągowski, 2019). Ein guter Geschäftsprozess ist somit abhängig von dem verfügbaren Wissen (Taylor, 2012). Die fortschreitende digitale Transformation eröffnet Unternehmen neue Möglichkeiten für einen Wissensaustausch. Diesbezüglich können Daten in größeren Mengen erhoben, verarbeitet und ausgewertet werden, um daraus neues Wissen zu generieren (Heisig, 2019). Dieses ist von besonderer Bedeutung, da das Wissen in den letzten Jahren rasant gestiegen ist. Bis ins achtzehnte Jahrhundert hat sich das menschliche Wissen nahezu in jedem Jahrhundert verdoppelt (Fuller & Kuromiya, 1981). Bis zum Ende des zweiten Weltkrieges verdoppelte es sich schon alle 25 Jahre. Heute hingegen verdoppelt es sich schon ca. jedes Jahr (Schilling, 2013), wobei IBM die Wissensverdopplung in Folge des sogenannten Internet of Things in Zukunft auf alle zwölf Stunden schätzt (IBM, nach Schilling, 2013).

Ziel der Hausarbeit ist es, für die beschriebenen Herausforderungen einen möglichen Ansatz aufzuzeigen, welcher den Unternehmen ermöglicht, ihre Mitarbeiter möglichst effizient auf die Herausforderungen der VUCA-Welt vorzubereiten. Vor diesem Hintergrund wird versucht, folgende Frage zu beantworten: Inwiefern lässt sich durch sogenanntes Adaptive Case Management, die Zukunftsfähigkeit der Mitarbeiter und der Unternehmen sichern?

2 VUCA

Der Begriff VUCA kommt ursprünglich aus dem US-Militär (Bennett & Lemoine, 2014). So wurden in einem militärischen Bericht Handlungsempfehlungen für die Ausbildung von militärischen Führungskräften aufgezeigt, die sich in einem rasant verändernden digitalem Zeitalter befinden (Whiteman, 1998). Mit Hilfe eines Zitates beschreibt Whiteman die Notwendigkeit organisationaler struktureller Veränderungen im US-Militär wie folgt: „In situations that are characterized by volatile, uncertain, complex, and ambiguous (VUCA) conditions, it becomes necessary to structure organizations in such a way that will meet the challenges presented by the environment” (Mink, Esterhuysen, Mink, & Owen zitiert nach Whiteman, 1998, S. 15). Mit dem 11. September 2001 drangen die Handlungsempfehlungen des VUCA-Konzeptes erstmalig zu einigen Amerikanern durch und mit der Finanzkrise im Jahr 2008 gewann das Konzept an Bedeutung, da sich viele Führungskräfte mit den Forschungen des US-Militärs auseinandersetzten, um die Zukunftsfähigkeit der Unternehmen zu sichern (Kinsinger & Walch, 2012).

Das Akronym VUCA steht für Volatility (Unbeständigkeit), Uncertainty (Unsicherheit), Complexity (Komplexität) und Ambiguity (Mehrdeutigkeit). Diesbezüglich meint Volatility die Schwankungsintensität von Dingen. So sind beispielsweise auf dem Aktienmarkt starke Schwankungen der Kurse in einem kurzen Zeitraum zu beobachten. Uncertainty meint, dass Ereignisse immer unvorhersehbarer werden. Umso mehr unvorhersehbare Ereignisse eintreten, desto unsicherer ist das Umfeld. Complexity entsteht durch die Vielzahl an gegenseitigen Wechselwirkungen innerhalb eines Systems. Umso mehr Abhängigkeiten bzw. Interaktionen es zwischen den Teilnehmern eines Systems gibt, desto höher ist die Komplexität. Die Bedeutung der Komplexität lässt sich am Beispiel eines Mobiles erkennen. Die Bewegung eines Teiles des Mobiles verursacht, dass sich auch alle anderen Teile des Mobiles in Bewegung setzen. Die Reihenfolge, in der dieser Bewegungsablauf vonstattengeht, ist jedoch im Vorfeld nicht voraussagbar. Ambiguity, als letzter Buchstabe des Akronyms VUCA, zielt auf die Mehrdeutigkeit in einer Situation ab. Trotz vieler vorhandener Informationen kann die Bewertung einer Situation mehrdeutig bleiben. Die Kommunikation enthält z.B. ein hohes Maß an Ambiguität, da Sender und Empfänger unterschiedliche Seiten des Vier-Ohren-Modells von Schulz von Thun für ihre Botschaften bzw. deren Interpretation nutzen können (Rascher, 2019).

Aufgrund dieser Gegebenheiten stellt die VUCA-Welt für Unternehmen eine herausfordernde Zeitepoche dar (Schildknecht, 2018). Langfristige Planungen sind kaum noch möglich und die immer kurzfristiger werdenden Strategien entstehen vielmehr durch Bottom-up anstatt durch Top-down-Prozesse, da die Mitarbeiter direkt auf die zahlreichen und rasch erfolgenden Veränderungen am Arbeitsplatz reagieren müssen (Schildknecht, 2018). Das organisationale Lernen, welches in diesem Kontext von den Mitarbeitern initiiert wird, ist eine Voraussetzung für die Zukunftsfähigkeit des gesamten Unternehmens mit all seinen Mitgliedern (Schorta, 2018). VUCA scheint somit die Rahmenbedingungen für Unternehmen so zu verändern, dass eine neue Sicht auf das Lernen innerhalb der Unternehmen notwendig geworden ist. Ein kontinuierlicher organisationaler Lernprozess kann dabei unterstützen, den stetigen Wandel erfolgreich zu begegnen. Dieser Lernprozess geht über die bestehenden Prozesse hinaus und beinhaltet sowohl Innovations- als auch Strategieprozesse (Corporate Learning Community, 2018). So wird der Wissenstransfer der Mitarbeiter umso wichtiger, wenn die Digitalisierung von Prozessen und Arbeitsschritten ansteht, da die Mitarbeiter am besten über die Stärken und Schwächen innerhalb ihres Prozessbereichs Bescheid wissen. Die Nutzung des Erfahrungswissens der eigenen Mitarbeiter ist somit von Nöten, um als Unternehmen weiterhin auf dem Markt erfolgreich agieren zu können (Schorta, 2018).

3 Wissensmanagement

Unternehmen definierten sich lange Zeit über die von ihnen produzierten physischen Ressourcen bzw. Produkte. Zahlreiche Publikationen und geführte Diskurse deuten jedoch darauf hin, dass die Ressource des Wissens in das Zentrum der Unternehmen rückt, um langfristig wettbewerbsfähig zu sein (Hennemann, 1998). Diesbezüglich schrieb Nonaka (1991): “In an economy where the only certainty is uncertainty, the one sure source of lasting competitive advantage is knowledge” (S. 96).

Generell sind zahlreiche Definitionen zu den Begriffen Zeichen, Daten, Informationen und Wissen in der Literatur zu finden. Nach Brücher erfolgt eine Hierarchisierung der Begriffe (siehe Abbildung 1) beginnend mit dem Wissen, welches aus einer Verknüpfung von Informationen besteht (Brücher, 2004). Die Informationen setzen sich wiederum aus einer Anreicherung von vielen kontextspezifisch angereicherten Daten zusammen und die Daten bestehen wiederum aus strukturierten Zeichen (Alphabet, Zahlen, Satzzeichen) (Brücher, 2004). Probst, Raub und Romhardt (2012) definieren den Begriff des Wissens als oberste Hierarchieebene wie folgt:

„Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge“ (S. 23).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Beziehung zwischen den Ebenen der Begriffshierarchie (Probst et al., 2012, S. 16)

Weiterhin findet eine Typisierung von Wissen statt. So unterschied bereits Aristoteles zwischen praktischem und theoretischem Wissen, was zeigt, dass das Wissen sowohl auf Erfahrungen als auch auf Theorien beruht (Zahn, 2019). Nach Kleinhans (1989) kann Wissen in Kenn-Wissen (theoretisches Grundlagenwissen), Können-Wissen (Praktisches-, Produkt- oder Prozesswissen) und das Wollen-Wissen (handlungsleitendes Wissen) unterschieden werden. Senge (1990) unterteilt das Wissens in Bezug auf strategische Entscheidungen in Fakten-Wissen (Ereignisse und Ergebnisse), Muster-Wissen (Trends) sowie Struktur-Wissen (Zusammenhänge von Ursache und Wirkung). Nonaka und Takeuchi (1995) nehmen eine weitere Unterteilung in implizites und explizites Wissen vor, wobei Spender (1996) anmerkt, dass das explizite Wissen kommunizierbar ist und dass das implizite Wissen erst durch die Handlung an sich zum Vorschein kommt, was einen Transfer zwischen den beiden Wissensarten erschwert.

Wissen ist in Unternehmen zwar vorhanden, jedoch wird es nur zu 40% genutzt (Zucker & Schmitz nach Bürgel, 1998). Ein ganzheitliches Wissensmanagement (WM) kann dabei unterstützen, Unternehmen zukunftsfähig zu machen (North & Haas, 2014). Es vereint die Disziplinen der Betriebswirtschaftslehre, der Wirtschaftsinformatik und der Informationswissenschaft (Gust von Loh, 2008) und verfolgt das Ziel, den internen sowie externen Informationsfluss zu optimieren, das Wissen sinnvoll zu steuern und weiterzuentwickeln, aber auch neues Wissen zu schaffen (Dani et al., 2006). Gerade in einem turbulenten und komplexen Zeitalter (siehe VUCA) ermöglicht das WM eine schnelle Reaktions- und Problemlösungfähigkeit. Diesbezüglich weist das WM eine stabilisierende und dynamische Funktion auf (North & Haas, 2014). Die stabilisierende Funktion zeichnet sich dadurch aus, dass Prozesse, Erfahrungen und spezifische Lösungen dokumentiert werden und von den Wissensträgern abgerufen werden können. Durch diesen Wissenstransfer geht dem Unternehmen das Wissen nicht verloren. Stabilität wird benötigt, wenn schnell auf bekannte Situationen reagiert werden muss. Jedoch kann vorhandenes Wissen ungenügend und hinderlich sein, wenn ein Unternehmen mit neuen Situationen konfrontiert wird. In diesem Zusammenhang ermöglicht die dynamische Funktion, dass die Mitarbeiter in einer unbekannten Situation schnell und kompetent handeln können (North, 2018).

Bullinger, Wömer und Prieto (1998) haben sich damit beschäftigt, welche Bestandteile ein WM beinhalten muss, um gewinnbringend für das Unternehmen zu sein. Sie kamen zu dem Schluss, dass ein effizienter Einsatz eines WM die Verfolgung einer ganzheitlichen Problemlösungsstrategie benötigt. Dieser ganzheitliche Ansatz wird bedingt durch die Nutzung von Informations- und Kommunikationstechnologien, Konzepte zur Wissensgewinnung, -aufbereitung, -speicherung und -übermittlung (welche durch die Organisation bereitgestellt werden) sowie eine förderliche Unternehmenskultur oder materielle und immaterielle Anreizsysteme, die durch das Human Resource Management geschaffen werden. Damit können Barrieren, wie z.B. das Vorhandensein von inkonsistenten Daten, der Wissensverlust durch Mitarbeiterfluktuation, die Betrachtung des Wissens als Eigentum und ein fehlender Wissensaustausch erfolgreich überwunden werden. Auch Hennemann (1998) beschäftigte sich mit der Frage: „(…) wie Individuen auf Dauer dazu befähigt und veranlasst werden [können], ihr (zunächst individuelles) Wissen und Können für unternehmensdienliche Zwecke zur Verfügung zu stellen“ (S. 207). Als ersten wichtigen Faktor identifizierte sie, dass es zur Kollektivierung des Wissens und Könnens auf der prozessualen Ebene kommen muss. Dadurch werden das Wissen und das Können an eine Vielzahl an Mitarbeiter weitergegeben, das Unternehmen wird unabhängig von den ursprünglichen Wissensträgern und zudem werden opportunistische Verhaltensweisen und Monopolstellungen von einzelnen Mitarbeitern gegenüber dem Unternehmen unterbunden. Weiterhin bedeutet die Kollektivierung von Wissen, dass vorhandenes oder neu gewonnenes individuelles Wissen von den anderen Mitgliedern kritisch geprüft werden kann. Es ist also relativ unwahrscheinlich, dass individuelles Wissen und Können unhinterfragt übernommen werden Der zweite wichtige Faktor beinhaltet, dass das kollektive Wissen und Können unternehmensdienlich verwendet wird, da das reine Vorhandensein dieses Wissens und Könnens nicht automatisch bedeutet, dass dieses auch im Unternehmen genutzt wird. Es muss somit zu einer Institutionalisierung von Wissen in Form eines Handlungsrahmens kommen. Der dritte Faktor bezieht sich auf die Aufrechterhaltung der beiden zuvor genannten Faktoren, d.h. dass individuelles Wissen und Können weiterhin kollektiviert wird und dass dieses auf Dauer sichergestellt wird. Diesbezüglich ist es wichtig, eine langfristige Bereitschaft der Mitarbeiter an den Prozessen, die für das organisationale Lernen entscheidend sind, zu erzielen und den Widerstand, der bei Veränderungen aufkommt, dauerhaft zu überwinden (Hennemann, 1998).

Ein erfolgreiches WM steht im engen Zusammenhang mit dem organisationalen Lernen, da das organisationale Lernen die Veränderung der Wissensbasis, welche sich aus dem individuellen und kollektiven Wissen zusammensetzt, innerhalb eines Unternehmens einschließt, um die Problemlösungs- und Handlungskompetenzen zu verbessern (Probst & Büchel, 1994). Jedoch findet der Prozess des organisationalen Lernens nur dann statt, wenn ein Individuum sein individuelles Wissen an das Unternehmen weitergibt und sich dadurch die Kompetenzen und Fähigkeiten des Unternehmens erhöhen (Plag, 2008). Wenn ein Individuum sein Wissen allerdings nicht dem Unternehmen zur Verfügung stellt, lernt zwar das Individuum aber nicht das Unternehmen. Auch Reber (1989) schreibt diesbezüglich:

„Selbstverständlich ist die Lernfähigkeit einer Organisation von der Menge und der Qualität des Wissens von Einzelpersonen über organisationsrelevante Aktionen und ihre Wirkungen in der gegebenen Umwelt abhängig; dieser Schatz kann aber nur gehoben werden, wenn er 'entprivatisiert', sozial zugänglich gemacht wird“ (S. 96).

3.1 SEKI-Modell

In Bezug auf das organisationale Lernen ist das implizite Wissen von Bedeutung. Diese Form des Wissens macht die Umsetzung von WM-Ansätzen in der Praxis oft schwierig, da es nur bedingt übermittelbar ist und sich zudem oft auf einer unbewussten Ebene abspielt. Einen möglichen Umgang mit dieser Herausforderung zeigt das Modell der Wissensspirale, welches auch als SEKI-Modell (Sozialisation, Externalisierung, Kombination, Internalisierung) bezeichnet wird. Das SEKI-Modell (siehe Abbildung 2) wurde von den Forschern Nonaka und Takeuchi entwickelt. Es verfolgt das Ziel der Transformation vom impliziten Wissen, welches nicht weitergegeben kann, hin zum expliziten Wissen, welches problemlos aussprechbar und dokumentierbar ist (Gust von Loh, 2008).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Vier Formen der Wissensumwandlung (Nonaka & Takeuchi, 2012, S. 91)

Das Modell beschreibt den Prozess der Wissensentwicklung in Unternehmen als interaktiven Prozess zwischen dem impliziten und expliziten Wissen. Neben der Dimension der Wissensentwicklung beschreiben die Autoren die ontologische Dimension, welche sich auf die Interaktion zwischen Individuen, Gruppen und Unternehmen bezieht. Die Interaktion meint diesbezüglich die Umwandlung der Wissensarten. Diese findet spiralförmig in vier Prozessschritten statt (Nonaka & Takeuchi, 1997). Der erste Prozessschritt der Sozialisation (implizites Wissen wird in implizites Wissen transferiert) meint, dass Menschen mittels Beobachtung und Imitation implizites Wissen erwerben können (Nonaka & Takeuchi, 2012). Als Beispiel führen die Autoren an, dass die Firma Matsushita einen Brotbackautomaten für den häuslichen Gebrauch entwickeln wollte. Da der Knetprozess jedoch implizites Wissen des Bäckermeisters ist, mussten Mitarbeiter der Firma bei diesem in die Lehre gehen (Nonaka & Takeuchi, 1997). Der zweite Prozessschritt der Externalisierung (implizites Wissen wird in explizites Wissen transferiert) beschäftigt sich mit der Übertragung des durch die Sozialisation gewonnenen Wissens. Zur Vereinfachung der Übertragung werden oft Bilder, Modelle, Metaphern und/oder Analogien herangezogen. Dadurch ist die Ausarbeitung von Konzepten äußerst effektiv, wobei die Entwicklung von Konzepten oft durch die Kombination aus Deduktion und Induktion stattfindet. Die Externalisierung ist der Schlüssel zur Wissensschaffung, weil aus implizitem Wissen neue explizite Konzepte geschaffen werden. Der dritte Prozessschritt der Kombination (explizites Wissen wird in explizites Wissen transferiert) kennzeichnet sich durch ein sinnvolles Zusammenfügen von verschiedenen expliziten Wissensbestandteilen. Dafür werden unter anderem Datenbanken, Dokumente oder auch Gespräche genutzt. Durch die Neuanordnung, das Sortieren, Hinzufügen oder Kombinieren von vorhandenen Informationen kann neues Wissen entstehen. Die letzte Prozessstufe der Internalisierung (explizites Wissen wird in implizites Wissen transferiert) meint die Eingliederung von explizitem Wissen in das implizite Wissen nach dem Schema learning-by-doing. Wertvolles Wissenskapital entsteht, wenn Erfahrungen durch die drei vorangegangenen Prozessschritte in Form von mentalen Modellen oder technischen Fähigkeiten verinnerlicht werden (Nonaka & Takeuchi, 2012). Durch das Wiederholen der beschriebenen vier Prozessschritte, wird das individuelle Wissen letztendlich kollektiviert (Gust von Loh, 2008). Das Wissen der einzelnen Mitarbeiter muss somit im Wissensnetz der Unternehmen manifestiert werden (Nonaka & Takeuchi, 1997).

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Ende der Leseprobe aus 26 Seiten

Details

Titel
Die Automatisierung von Geschäftsprozessen unter Berücksichtigung der VUCA-Welt
Untertitel
Eine erfolgskritische Betrachtung
Hochschule
Hochschule Fresenius; Hamburg
Note
1,0
Autor
Jahr
2020
Seiten
26
Katalognummer
V947415
ISBN (eBook)
9783346284419
ISBN (Buch)
9783346284426
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Adaptive Case Management, Wissensmanagement, SEKI-Modell, SEKI, Wissen, Geschäftsprozesse, digitale Geschäftsprozesse, Business-Process-Management-Systeme, Business-Process-Management, BPM, BPMS, ACM
Arbeit zitieren
Julia Geese (Autor:in), 2020, Die Automatisierung von Geschäftsprozessen unter Berücksichtigung der VUCA-Welt, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/947415

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