Was wäre, wenn die Geschichte der Literatur der Schlüssel zur Entschlüsselung der menschlichen Seele selbst wäre? Victor Hugos "Préface de Cromwell" ist weit mehr als nur ein Vorwort zu seinem gleichnamigen Drama; sie ist eine explosive Kampfansage an die Konventionen des Klassizismus und ein leidenschaftliches Plädoyer für die Freiheit des künstlerischen Ausdrucks. Tauchen Sie ein in Hugos revolutionäre Theorie, die die Entwicklung der Literatur parallel zur Entwicklung der Menschheit selbst sieht: von der naiven Unschuld der Lyrik in der primitiven Ära, über den epischen Heldenmut der Antike, bis hin zur komplexen, dualistischen Weltsicht des modernen Dramas. Entdecken Sie, wie Hugo die starren Regeln von Ort, Zeit und Handlung ablehnt und stattdessen die ungeschönte Wahrheit des Lebens, die Verschmelzung von Schönem und Hässlichem, von Tragödie und Komödie fordert. Erleben Sie, wie Shakespeare zum Vorbild einer neuen dramatischen Kunstform erhoben wird, die die gesamte Bandbreite der menschlichen Existenz widerspiegelt. Diese Schrift ist ein Manifest der Romantik, das bis heute nichts von seiner Brisanz verloren hat. Eine tiefgründige Analyse der literarischen Gattungen, die unsere Sicht auf die Beziehung zwischen Kunst, Geschichte und Gesellschaft für immer verändern wird. Eine unerlässliche Lektüre für alle, die sich für Literaturgeschichte, französische Romantik und die ewige Suche nach künstlerischer Freiheit interessieren. Begleiten Sie Hugo auf einer faszinierenden Reise durch die Epochen der Literaturgeschichte und erkennen Sie, wie jede Gattung die Essenz einer bestimmten Epoche einfängt. Lassen Sie sich von seiner Vision einer Literatur inspirieren, die nicht nur abbildet, sondern auch hinterfragt, die nicht nur unterhält, sondern auch zum Nachdenken anregt. Ergründen Sie die revolutionäre Kraft der "Préface de Cromwell" und verstehen Sie, warum sie bis heute als eines der wichtigsten poetologischen Texte der französischen Literaturgeschichte gilt. Ein Schlüssel zum Verständnis der literarischen Epochen und ihrer Verflechtung mit der menschlichen Entwicklung, von der Lyrik der Ursprünge bis zum Drama der Moderne. Eine inspirierende Reise durch die Welt der Literatur, die den Leser dazu anregt, die Konventionen zu hinterfragen und die unendlichen Möglichkeiten des künstlerischen Ausdrucks zu entdecken.
Referat vom 21.06.96 von Jutta Krockenberger
Victor Hugo (1802-1885) schrieb die Préface im Oktober 1827. Sie ist, wie der Name schon sagt, das Vorwort zu dem Drama "Cromwell". Wegen ihrer antiklassischen Stoßrichtung ist sie zum Manifest der jungen Romantikergeneration und damit zu einem der wichtigsten poetologischen Texte der französischen Literaturgeschichte geworden. Hugo ist außerdem Verfasser von Romanen (Les Misérables, Notre-Dame de Paris 1482, L´homme qui rit), Gedichtzyklen (Odes et Ballades, Les Orientales) und anderen Dramen (Hernani ou l´Honneur, Les Burgraves). Zu Beginn der Préface hebt Hugo deren Bedeutung hervor und gibt zu, daßsie ihm im Grunde wichtiger ist als das Drama selbst. Nach dieser kurzen Einleitung begründet er, wie er auf seine Grundidee, die Entwicklung der Literatur mit der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit zu vergleichen, kommt: Die Erde war nicht ständig von der gleichen Gesellschaft bevölkert, die menschliche Rasse hat sich weiterentwickelt, so auch ihre poetische Ausdrucksweise, denn diese ist stets die Widerspiegelung der Gesellschaft, die Darstellung jedes einzelnen Menschen in Bezug zu seinem Umfeld. So teilt Hugo die Geschichte in drei Epochen ein, der er jeweils einen Gattungsbegriff, also die poetische Ausdrucksweise, zuordnet:
I. Die primitive Ära (patriarchalische Gesellschaft):
In der Frühzeit der menschlichen Geschichte lebte der Mensch laut Hugo in Einklang mit der Natur; er war in keiner Gesellschaftsstruktur gefangen, ihm wurden von keinem staatlichen System Gesetze vorgeschrieben. Im Leben in Gemeinschaft mit der Familie oder dem Stamm gab es keine Sorge um Eigentum, keine Kriege mußten Machtstreitigkeiten regeln. Von der Schöpfung überwältigt beginnt er seiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen, faßt er sein Naturerleben in Worte und läßt die Poesie erwachen: In der Ode lobt er das Wunderwerk der Natur. Die Bibel ist das älteste Zeugnis dieses literarischen Ursprungs. Die Lyrik (die Ode entspricht bei Hugo der Lyrik) mit der Naivität des neugeborenen Menschen ist also der Gattungsbegriff, den er der Primitiven Ära zuordnet.
II. Die Antike (Theokratische Gesellschaft):
Doch nun entwickelt sich das menschliche Zusammenleben weiter. Die Famile entwickelt sich zum Stamm, der Stamm zur Nation. Der Mensch wird seßhaft, Siedlungen entstehen, Paläste, Tempel und Königreiche. Die Religion nimmt Gestalt an, Riten bestimmen das Gebet. Erste Machtstrukturen kommen auf, der uneingeschränkten Freiheit des Menschen werden Grenzen gesetzt, Rivalen prallen aufeinander, mit den ersten Kriegen beginnen die Völker-wanderungen. Die Literatur widerspiegelt erneut die großen Ereignisse. Mit Homer beginnt die Zeit der Heldensagen, des Epos, in dem von den wichtigen Geschehnissen, den Völkern und Königreichen erzählt, "gesungen" wird. Diese Form der Poesie benennt Hugo mit dem Stichwort Epik, gekennzeichnet von der Einfachheit, da ohne Ausschmückungen von den Ereignissen berichtet wurde. Die Poesie ist mit der Religion vermischt, Gebetszeremonien sind Theaterschauspiele, Priester die Darsteller. Gotteskult und Geschichte mischen sich in der Ausdrucksform des Epos. Die Epik, also die einfache, erzählende Darstellungsweise eines Ereignisses ist nach Hugo die der Antike zugehörige poetische Form, in der Berichterstattung von Homer sieht er deren Anfang.
III.Moderne:
Die Entstehung des Christentums bezeichnet Hugo als große Revolution, Ereignisse überhäufen sich, "il se faisait tant de bruit sur la terre...", so daßsich dieser Wirbel auch in den Herzen der Menschen niederschlägt. Das Christentum lehrt dem Menschen, daßer aus zwei Wesen besteht: einem Vergänglichen und einem Unsterblichen. Es reißt eine Kluft zwischen Körper und Seele, zwischen Mensch und Gott. Diese neue Weltauffassung hebt sich, so Hugo, deutlich vom Bild der Antike ab. Während diese alles sichtbar gemacht und offen dargelegt hat, läßt das Christliche Weltbild Platz für Phantasie und die Geheimnisse Gottes. Mit dem dualistischen Menschenbild erfährt der Mensch nun eine innere Zweiteilung, er ist gespalten zwischen Gut und Böse. Ein neues Gefühl breitet sich aus: Die Melancholie. Die Literatur hält wieder Schritt mit der Entwicklung der Gesellschaft und langsam entsteht eine neue Gattung: das Drama. Der Mensch erkennt nun das Häßliche neben dem Schönen und will auch in der Literatur nichts beschönigen. Nun zählt die Wahrheit, die Wirklichkeit und diese ist in der Literatur nur enthalten, wenn das Gute wie das Böse zur Sprache kommt: "Le christianisme amène la poésie à la vérité. Comme lui, la muse moderne verra les choses d`un coup d´oeil plus haut et plus large. Elle sentira que tout dans la création n´est pas humainement beau, que le laid y existe à coté du beau, le difforme près du gracieux, le grotesque au revers du sublime, le mal avec le bien, l´ombre avec la lumière." Das Drama ist Tragödie und Komödie zugleich. Hier führt Hugo nun den Begriff der littérature romantique ein, denn hierin sieht er den Hauptunterschied zur littérature classique. Dennoch streitet er nicht ab, daßsich auch schon das Komödienhafte in der antiken Literatur befunden hat, oder daßder Epos auch das Häßliche zur Sprache gebracht hat. Doch steckte dies seiner Auffassung nach damals in den Kinderschuhen und fand seine Vollendung erst im Drama. So wie die geschichtlichen Epochen die Darauffolgenden bewirkt haben, so entwickelte sich das Drama aus Lyrik und Epik, hängt es eng mit ihnen zusammen und kann beide enthalten. Durch die Vereinigung von Komischem und Tragischem (Bsp. Sganarelle-Don Juan, Mephisto-Faust) erhält das Drama seinen spezifischen Charakter, hinter dem das Epos weit zurück bleibt. "Le drame peint la vie"; das Drama packt die gesamte Wirklichkeit und spiegelt sie wieder.
In Shakespeare sieht er den Verfasser von Dramen, wie er sie sich vorstellt. Hugo nimmt Abstand von den Einheitsregeln Ort, Zeit und Handlung, wie sie in der doctrine classique gefordert waren, denn für ihn ist ja die neue Kunst der Ausdruck des Natürlichen, und diese Einheitsregeln stehen im Widerspruch zur Natur und der künstlerischen Freiheit. Als Versmaßim Drama fordert er allerdings den Alexandriner, was für uns eigentlich als Einschränkung der eben verlangten Freiheit erscheinen mag. Hugo sieht in ihm jedoch ein Versmaß, das frei und offen ist, das genügend Raum zur Entfaltung des "génies" läßt: "Cette suprème grace de notre poésie, ce générateur de notre mètre; inépuisable dans la variété de ses tours, insaisissable dans ses sécrets d´élégance et de facture: prenant, comme Protée, mille formes sans changer de type et de caractère...".
Nach seiner ausführlichen Darstellung, was Drama sein soll und was nicht, geht Hugo im letzten Teil seiner Préface nun direkt auf sein Drama, Cromwell, ein, in dem er all diese Ideen zu verwirklichen versuchte. Er beschreibt den Charakter des Oliver Cromwell und erläutert, wie er ihm sein "Modelldrama" zugeschneidert hat. So entstand ein fünfaktiges Versdrama aus 75 Szenen und 6000 Versen. Mit 76 unterschiedlich zu besetzenden Rollen, zahlreichen Statisten und verschiedenen Schauplätzen ist es zu einem so aufwendigen Stück geworden, daßes erst 1956, also 71 Jahre nach seinem Tode in Paris uraufgeführt und auch später sehr selten inszeniert wurde. Seine eigentliche Berühmtheit erlangte das Drama nur durch die Préface. Sie formulierte die Richtlinien der Romantiker und galt seinerzeit als revolutionäres Schriftstück. Bis heute sind ihre Hauptaspekte zum Thema literarischer Gattungen von großer Bedeutung:
* Hugo teilt die Literatur in drei Gattungen ein: Lyrik, Epos, Drama.
* Er zieht den Vergleich mit der geschichtlichen Entwicklung und erklärt so die Abhängigkeit der Gattungsbezeichnungen voneinander.
* Er ordnet jedem Gattungsbegriff ein Hauptmerkmal zu und beschreibt so deren Bezug zur Realität. Literaturverzeichnis:
- Kindlers Literaturlexikon
Fragen und Antworten
Was ist die "Préface de Cromwell" von Victor Hugo?
Die "Préface de Cromwell" ist das Vorwort zu Victor Hugos Drama "Cromwell" aus dem Jahr 1827. Sie ist ein antiklassisches Manifest der jungen Romantikergeneration und gilt als einer der wichtigsten poetologischen Texte der französischen Literaturgeschichte.
Was ist die Hauptidee in Hugos Préface?
Hugo vergleicht die Entwicklung der Literatur mit der geschichtlichen Entwicklung der Menschheit. Er argumentiert, dass die poetische Ausdrucksweise stets die Widerspiegelung der Gesellschaft ist, die Darstellung jedes einzelnen Menschen in Bezug zu seinem Umfeld.
In welche Epochen teilt Hugo die Geschichte der Literatur ein?
Hugo teilt die Geschichte in drei Epochen ein: die primitive Ära, die Antike und die Moderne. Jeder Epoche ordnet er eine bestimmte literarische Gattung zu.
Welche literarische Gattung ordnet Hugo der primitiven Ära zu?
Der primitiven Ära ordnet Hugo die Lyrik (Ode) zu, da sie Ausdruck des unmittelbaren Naturerlebens und der Naivität des neugeborenen Menschen ist.
Welche literarische Gattung ordnet Hugo der Antike zu?
Der Antike ordnet Hugo das Epos (Epik) zu, in dem von den Heldentaten, Völkern und Königreichen erzählt wird. Die Epik ist gekennzeichnet durch Einfachheit und eine berichtende Darstellungsweise.
Welche literarische Gattung ordnet Hugo der Moderne zu?
Der Moderne ordnet Hugo das Drama zu. Das Drama vereint Tragödie und Komödie und spiegelt die gesamte Wirklichkeit wider, einschließlich des Schönen und des Hässlichen.
Was sind die Hauptmerkmale des Dramas nach Hugo?
Das Drama ist Tragödie und Komödie zugleich. Es zeigt die Wahrheit und Wirklichkeit, indem es das Gute wie das Böse zur Sprache bringt. Es ist eine Vereinigung von Komischem und Tragischem.
Warum kritisiert Hugo die Einheitsregeln von Ort, Zeit und Handlung?
Hugo lehnt die Einheitsregeln ab, da sie seiner Meinung nach im Widerspruch zur Natur und der künstlerischen Freiheit stehen. Er betrachtet die neue Kunst als Ausdruck des Natürlichen.
Welche Bedeutung hat Shakespeare für Hugo?
Shakespeare ist für Hugo der Verfasser von Dramen, wie er sie sich vorstellt. Er sieht in ihm ein Vorbild für die moderne dramatische Kunst.
Was ist das Besondere an Hugos Drama "Cromwell"?
Hugos Drama "Cromwell" ist ein fünfaktiges Versdrama mit 75 Szenen und 6000 Versen. Es ist ein aufwendiges Stück, das erst 71 Jahre nach seinem Tod uraufgeführt wurde und selten inszeniert wird.
Warum ist die "Préface de Cromwell" so berühmt?
Die "Préface de Cromwell" ist berühmt, weil sie die Richtlinien der Romantiker formulierte und als revolutionäres Schriftstück galt. Ihre Hauptaspekte zum Thema literarischer Gattungen sind bis heute von großer Bedeutung.
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- Jutta Krockenberger (Autor), 1996, Victor Hugo - La Préface de Cromwell, Múnich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94766