Digitalisierungsbedarf verschiedener Branchen

Vergleich der Anforderungen in der Automobilindustrie, Pflege, Baubranche und öffentlichen Einrichtungen


Travail d'étude, 2020

33 Pages, Note: 1,3


Extrait


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Theoretische Fundierun
2.1 Digitalisierung
2.2 Organisation

3 Digitalisierungsbedarf nach Branche
3.1 Automobilindustrie
3.1.1 Digitalisierungsbedarf
3.1.2 Anforderungen
3.2 Pflege
3.2.1 Digitalisierungsbedarf
3.2.2 Anforderungen
3.3 Öffentliche Einrichtungen
3.3.1 Digitalisierungsbedarf
3.3.2 Anforderungen
3.4 Baubranche
3.4.1 Digitalisierungsbedarf
3.4.2 Anforderungen
3.5 Vergleich der Anforderungen nach Branchen
3.6 Digitalisierungsvorbild
3.6.1 Ausgangslage
3.6.2 Lösungsansatz
3.6.3 Bewertung

4 Fazit

1 Einleitung

„Die digitale Metamorphose betrifft unsere Wirtschaft, Gesellschaft, den Staat, die Politik und jeden Einzelnen gleichermaßen. [...] Sie betrifft alle Lebensbereiche der Menschen“ Kofler (2018, S. V).

Ausgelöst durch technologische Entwicklungen, ermöglicht die Digitalisierung nicht nur, neue Arten von Geschäftsmodellen zu entwickeln, sondern verändert damit einhergehend die Gesellschaft und die Art wie wir arbeiten. Die Technikdurchdrin­gung verschiedener Branchen bewirkt bei unterschiedlicher Geschwindigkeit einen unterschiedlichen Bedarf der Digitalisierung. Aufgabe dieser Arbeit ist die exem­plarische Betrachtung verschiedenartiger Branchen, um zu verdeutlichen, dass die Digitalisierung alle Branchen stark tangiert trotz unterschiedlicher Voraussetzungen und verschiedener Grade der Technikaffinität.

Die theoretische Fundierung führt den Begriff der Digitalisierung ein und zeigt, dass im wirtschaftlichen Kontext die Digitalisierungstreiber Daten, Netze und Ge­schwindigkeit mittels digitaler Technologien die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle und -prozesse ermöglichen. Nur durch konsequente Ausrichtung auf die Nutzer bzw. Kunden erlangen die digitalen Technologien und Geschäftsansätze einen Sinn, der tief greifende Veränderungen nachhaltig mit sich bringt. Die neuen Gegebenheiten erfordern neue Arbeitsweisen, sodass Unternehmen sich nicht nur neuen Anforde­rungen von außen stellen müssen, sondern aufgefordert sind, sich von innen so zu verändern, dass neue Organisationsformen Reaktionen auf sich beschleunigende, kom­plexere Umgebungen ermöglichen. Nach der theoretischen Fundierung beleuchten die folgenden Abschnitte für die Automobilbranche, die Pflege, öffentliche Einrichtungen und Baubranche den jeweiligen Digitalisierungsbedarf durch Messung der Relevanz der digitalen Treiber, Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien und damit Ent­wicklung neuer Geschäftsmodelle und -prozesse bei gleichzeitiger Kundenzentrierung. Für die vier hier exemplarisch betrachteten und dann verglichenen Wirtschaftszweige ergeben sich Anforderungen von außen, aber auch nach innen, die aufgezeigt werden. Vor dem Fazit wird ein vorbildliches Beispiel eines Unternehmens gebracht, das auf Kundennutzen zentriert pragmatisch neue Technologien einsetzt, um neue Geschäfts­möglichkeiten in der Praxis umzusetzen, die Startpunkt für neue Entwicklungen sind, von denen später auch andere Unternehmen profitieren werden.

2 Theoretische Fundierung

2.1 Digitalisierung

Das deutsche Wort digital leitet sich vom lateinischen digitus, dem Wort für Finger bzw. Zeh, ab. Ab dem späten 15. Jahrhundert bezeichnet das neue Wort im Deutschen etwas Abzählbares, weil Menschen mit Fingern zählen können. Digitalisie­rung bedeutet ursprünglich den Prozess, etwas Kontinuierliches digital abzubilden. Ab den 50er Jahren gewinnt die Digitalisierung an Bedeutung, da der technologi­sche Fortschritt den Bau leistungsfähiger Rechenmaschinen erlaubt, sogenannter Computer (< engl. to compute < lat computare = (be)rechnen). Aufgrund ihrer Leistungsfähigkeit können nun auch kontinuierliche, also analoge Prozesse mittels Computer digital dargestellt werden.

Zustände mehrerer Transistoren, elektrische Spannung liegt an oder nicht, re­präsentieren lange Folgen von Nullen bzw. Einsen, die bei entsprechender Länge hinreichend genau kontinuierliche Dinge abbilden können. Besonders deutlich wird dieser Effekt bei Bildschirmen. Bildschirme sind Felder von Bildpunkten, die, gesteu­ert durch je einen Transistor, rot, grün bzw. blau leuchten. Das menschliche Auge kann aufgrund seiner geringen Auflösungsfähigkeit die hohe Anzahl der Bildpunkte pro Bildschirm nicht mehr einzeln wahrnehmen, sondern das Gehirn setzt die Reize, die durch die Rezeptoren des Auges wahrgenommenen werden, zu einem Gesamtbild zusammen, das eher den Erfahrungswerten der Menschen entspricht.

Der technologische Fortschritt durch Computer ermöglicht neue Geschäftsmodelle, die zum Begriff der Digitalisierung im betriebswirtschaftlichen Kontext führen. Dieses Dokument verwendet die Definition nach gartner.com (2020):

Definition. Digitalization is the use of digital technologies to change a business model and provide new revenue and value-producing opportunities; it is the process of moving to a digital business.

Die letzten Jahrzehnte zeigen, dass der Grad der Digitalisierung der Unternehmen zu einem immer essenzielleren Faktor wird, um sich gegenüber Wettbewerbern durchsetzen zu können. Digitalisierung wird nach Evans (2015) durch die Faktoren Daten, Vernetzung und Geschwindigkeit getrieben.

Daten werden digital durch Nullen und Einsen, den sogenannten Bits repräsen­tiert. So ergeben 8 Bit ein Byte, ein Wort, ursprünglich die Repräsentation eines Zeichens. Heute werden i.d.R. 64 Bit pro Zeichen verwendet, was die Verwendung von einer größeren Anzahl von Zeichen erlaubt als Wortlängen von 8 Bit. Verfügt ein Unternehmen über viele Daten, kann es diese Daten maschinell auswerten und dadurch Erkenntnisse erlangen, die ihm einen Wettbewerbsvorteil ermöglichen. Umso mehr Daten zur Verfügung stehen, umso mehr Erkenntnisse können gewonnen werden. Das resultierende Bestreben, mehr Daten zu erzeugen und zu verwenden, zeigt z.B. internetlivestats.com (2020).

Die Daten von internetlivestats.com (2020) werden über ein Netzwerk bereitge­stellt. Netze sind der zweite Treiber der Digitalisierung. Genau wie die Kombination von Transistoren einzelne Bits zu langen Bitfolgen werden lässt, erlaubt die Kom­bination von Computern zu großen Netzwerken die Schaffung nie da gewesener Rechenkapazitäten bzw. Datenspeicher. Mittels eines Netzes, das zwischen den be­reits gebildeten Computernetzen liegt, dem sogenannten Internet (> lat. inter = zwischen, > engl. net = Netz), wurde ein weltweites Computernetzwerk geschaffen, was einen weltweiten Datenaustausch schafft und damit wiederum neue Geschäfts­möglichkeiten erschließt. Hierbei zeigen sich Netzwerkeffekte, wonach die Anzahl der Verbindungsmöglichkeiten der Netze nicht linear, sondern polynomiell wächst. Entsprechend steigt auch die Anzahl der erreichbaren Kunden für neue Geschäftsmo­delle polynomiell, wie die Anzahl von Kanten vollständiger Graphen eindrücklich zeigt1. Beschränkte sich dies erst auf Menschen, so führt die Einführung des Internet of Things (IOT) für ein entsprechendes Wachstum von vernetzten Geräten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.1: Kanten vollständiger Graphen nach Conrads (1996, S. 7)

Der technische Fortschritt beschränkt sich nicht auf digitale Abbildungen, sondern auch bei der Herstellung der Computer-Hardware nahm bis jetzt die Geschwindigkeit der Entwicklung stetig zu, wie Moore’s Law über Jahre eindrucksvoll zeigte. Die Anzahl der Transistoren pro Flächeneinheit eines integrierten Schaltkreises, also der zentralen Recheneinheit eines Computers, verdoppelt sich nach Moore jedes Jahr (vgl. Schaller, 1997, S. 53), d.h. wächst exponentiell. Polynomielles bzw. exponentielles Wachstum bewirken eine Zunahme der Entwicklungsgeschwindigkeit. Somit wird Geschwindigkeit zum dritten Treiber der Digitalisierung.

Betrachtet man die Einflussfaktoren der digitalen Treiber Daten, Vernetzung und xDer Binomialkoeffizient (f) ist ein Polynom und beschreibt die Anzahl der Kanten des voll­ständigen Graphen, wobei die hier vereinfachte Betrachtung nicht berücksichtigt, dass in der Praxis i.d.R. Kanten im Graph fehlen.

Geschwindigkeit innerhalb einer Branche dann ergibt sich das Potenzial der Digitali­sierung der Branche. Um der Konkurrenz zuvorzukommen, müssen Unternehmen einer betrachteten Branche dieses Potenzial nutzen, indem sie digitale Geschäfts­modelle entwickeln, die ohne die neuen Technologien nicht existieren könnten. Der Bedarf der Digitalisierung einer Branche ergibt sich also aus der Präsenz der Treiber Daten, Netze, Geschwindigkeit, möglichen Einsatzfeldern neuer Technologien und den Möglichkeiten auf Kundenbedarfe ausgerichtete Geschäftsmodelle und Prozesse zu entwickeln.

2.2 Organisation

Um Anforderungen an die Unternehmen aufgrund der Digitalisierung zu verstehen, bedarf es eines Verständnisses der Organisationsformen der Unternehmen.

Primärorganisationen bilden die klassische Organisationsform. Abteilungen mit Stellen werden hierarchisch ausgerichtet (vgl. Vahs, 2019, S. 141). Die klar abge­grenzten, leicht kontrollierbaren Einheiten spezialisieren sich und sind entweder nach Funktion oder Division organisiert. Den starren auf Einhaltung der spezialisierten Zuständigkeiten ausgerichteten Abteilungen gelingt es in einer digitalen Welt nicht, auf ständig sich ändernde, komplexen Anforderungen von außen zu reagieren. Mit­arbeiter, die sich nur im Rahmen ihrer klar definierten Aufgabe einbringen können, werden demotiviert, weil viele ihrer Fähigkeiten ungenutzt bleiben. Die zentrale Führung wird als Entscheider mit alleinigem Gesamtüberblick zum Flaschenhals.

Bei zunehmender Komplexität nimmt die Anzahl der Schnittstellen zwischen den Elementen der Hierarchie zu. Sekundärorganisationen führen hierarchieüber­greifende oder hierarchieergänzende Strukturen ein, wie ein Produktmanagement, Kundenmanagement oder strategische Geschäftseinheiten (vgl. Vahs, 2019, S. 142), um einen schnelleren Informationsfluss und bessere Steuerung quer zur Hierarchie zu ermöglichen.

Beschreibt die Aufbauorganisation die Anordnung der Organisationseinheiten, die aufgrund ihrer Spezialisierung getrennt voneinander sind, so zielt die Betrachtung der Ablauforganisation auf die Zusammenführung der Einheiten durch Koordinati­on der Arbeitsabläufe der einzelnen Einheiten, um die zeitlich und örtlich neben- bzw. hintereinander stattfindenden Arbeitsvorgänge wieder zu einem Gesamtpro­zess zusammenzufügen (vgl. Zell, 2019, S. 55). In der Ablauforganisation werden Arbeitsinhalte geordnet, zeitliche und örtliche Arbeitsabläufe definiert und die Arbeit einzelnen Mitarbeitern oder Teams zugeordnet.

Konnte die Aufbau- und Ablauforganisation in der Vergangenheit statisch hier­archisch von oben definiert werden, so führt die erhöhte Änderungsgeschwindigkeit und Komplexität im Rahmen der Digitalisierung (vgl. Erner, 2018, S. 103) zu der Notwendigkeit, diese stets ändern zu können unter Einbezug maximalem Wissens in der Organisation, das nah am Kontext auf der operativen Ebene vorherrscht. Entscheidungen werden zunehmend von dem Fachpersonal auf operativer Ebene nah am Kontext gefällt. Mitarbeiter sollen nicht nur Fähigkeiten und Fertigkeiten beschränkt auf der ihnen im Rahmen der Aufgabenteilung zugewiesenen Aufgabe einbringen, sondern in ihrer Ganzheit, die über die Rationalität hinausgeht, sich in das Unternehmen einbringen. Zusammengehalten durch den tieferliegenden Sinn der Organisation, den die Mitglieder der Organisation selbst entwickeln, können selbstgesteuerte Mitarbeiter, die sich in ihrer Ganzheit einbringen, ohne Hierarchien auskommen (vgl. Laloux, 2015, S. 54). Selbststeuerung, Ganzheit und evolutionärer Sinn bilden die Grundpfeiler integraler evolutionärer Organisationen (vgl. Laloux, 2015, S. 54). Mitarbeiter gleicher Rolle arbeiten in einem Kreis zusammen, wobei Mitarbeiter mehrere Rollen annehmen können. Die Metapher des biologischen Orga­nismus verdeutlicht diese Organisationsstruktur, bei der ineinander verschachtelte Kreise wie Zellen einen Organismus bilden.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2.2: Organisationsstruktur der HolocracyOne nach Robertson (2016, S. 74)

In der Holakratie, eine Form der integraler evolutionärer Organisation, dienen Governance-Meetings der Rollendefinition und -zuweisung, wodurch eine Steuerung durch Führungspersonal entfällt (vgl. Robertson, 2016, S. 25). Der integrative Ent­scheidungsprozess dient der effizienten und effektive Entscheidungsfindung durch einen Kreis (vgl. Robertson, 2016, S. 67). Die Organisationsstruktur passt sich stetig auf Zellenebene den kontinuierlich sich ändernden Anforderungen von außen trotz hoher Komplexität an.

3 Digitalisierungsbedarf nach Branchen

3.1 Automobilindustrie

3.1.1 Digitalisierungsbedarf

Dieser Abschnitt betrachtet den notwendigen Digitalisierungsbedarf in der Auto­mobilindustrie. Die Gründungsphase der Automobilindustrie war durch eine höhere Nachfrage als Angebot geprägt. Henry Ford begegnete dieser Herausforderung mittels Effizienzsteigerungen durch eine konsequente Arbeitsteilung mit der Einführung von Fließbandarbeit. Die nun möglichen hohen Stückzahlen kamen mit geringer Vari­anz der einzelnen Produkte einher, wie Henry Ford in seinen Memoiren zugespitzt formulierte „Any customer can have a car painted any color that he wants so long as it is black “ Ford (2007, S. 72). Auch wenn Produktkonfiguratoren mittlerweile eine flexiblere Fertigung zulassen, ist die Automobilfertigung auch heute auf effizi­ente Massenproduktion ausgelegt. Die Betrachtung der Treiber der Digitalisierung, Kundenzentrierung, mögliche Verwendung digitaler Technologien, daraus resultie­rende digitale Geschäftsmodelle und digitale Prozesse zeigen Bedarf grundlegender Veränderungen in der Automobilbranche.

Der Digitalisierungstreiber Daten hatte zu Zeiten Henry Fords noch keine Bedeu­tung. Das Auto war ein elektrifiziertes, mechanisches Gefährt ohne Datenverarbei­tungsmöglichkeit. Bei heutigen Kraftfahrzeugen fallen unter anderem aktuelle Daten innerhalb des Fahrzeugs an: Zustand des Fahrzeugs, des Fahrers, der Passagiere; aktuelle Daten außerhalb des Fahrzeugs: Zustand der Fahrbahn, Positionen anderer Verkehrsteilnehmer, Verkehrsleitsysteme, Parkleitsysteme, Wetter; prognostizierte Daten: Routenführung unter Berücksichtigung des geplanten Ziels, der erwarteten Verkehrssituationen und unter Einbezug möglicher Kombinationen verschiedener Ver­kehrsmittel, abgestimmte optimierte Routenplanung einer Gruppe von Fahrzeugen, Berücksichtigung von Tankstellen/Ladesäulen bei Routenführung oder Wartungsinter­valle der Fahrzeuge. Digitalisierung ermöglicht, diese Daten zu erfassen, auszuwerten und in Bezug zueinander zu setzen. Hierdurch entstehen neue Geschäftsmöglichkeiten, die weit über die ursprüngliche Herstellung von Fahrzeugen hinausgehen.

Erst die Vernetzung der Verkehrsmittel, Leitsysteme, Ladeinfrastruktur etc. er­möglicht die Erhebung und Auswertung der Daten. Die Vernetzung als zweiter Treiber der Digitalisierung hat einen immanenten verstärkenden Charakter, weil aufgrund der resultierenden Komplexität viele statt wenige Unternehmen im Pro­blemlösungsprozess involviert sein werden und mit Innovationen die Entwicklung vorantreiben werden. Hierdurch wird die Menge der Daten und Größe der Vernetzung kontinuierlich steigen, was die Zahl der Möglichkeiten exponentiell wachsen lässt, sodass auch die Entwicklungsgeschwindigkeit zunehmen wird, der dritte Treiber der Digitalisierung.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Diese zu erwarteten Entwicklungen sind von der Automobilindustrie erkannt worden und werden dort durch das CASE Prinzip adressiert. Verschiedene Quellen verwenden verschiedene Akronyme für dasselbe Konzept, z.B. CAEVS (vgl. Alkheir et al., 2018) oder ACES (vgl. Axsen und Sovacool, 2019). Mercedes und Bosch verwenden das hier benutze Akronym CASE (vgl. daimler.com, 2020), das für Connectivity, Autonomous Driving, Shared Mobility, Electrification steht.

Connectivity, also Vernetzung, ermöglicht z.B. in Kombination des Autonomous Driving s die Bildung von LKW-Kolonnen, die nicht nur aerodynamische Vorteile zum Energiesparen nutzen, sondern auch neue Konzepte der logistischen Planung ermöglichen. Durch den Bau von elektrischen (i.e. Electrification) Fahrzeugen können nicht nur die Emissionsvorgaben der Politik umgesetzt werden, sondern er bietet langfristige Kostenersparnisse, weil elektrische Fahrzeuge aus ca. 3000 Bauteilen, Tendenz fallend, bestehen, während Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor sich in der Größenordnung aus 15000 Bauteilen zusammensetzen (vgl. CryptoMonday, 2020). Shared Mobility, also geteilte, Fahrzeuge revolutionieren die Besitzverhältnisse von Fahrzeugen. Während PKWs im Schnitt Privateigentum darstellten, das über 95 % der Zeit ungenutzt Lebensraum in den Städten blockiert (vgl. CryptoMonday, 2020), kann Teilen von Fahrzeugen die Nutzungseffizienz einzelner Fahrzeuge deutlich erhöhen. Dies gelingt nur durch eine konsequente Vernetzung mit anderen Verkehrsmitteln.

Während klassische Geschäftsmodelle von Autoherstellern sich auf die Produk­tion von Fahrzeugen beschränkten, bieten u.a. das Vermieten, Leasing, Betreiben von Ladestationen, Aufbau von Logistiksystemen autonomer LKW-Kollonnen, die Vernetzung mit Verkehrs- und Parkleitsystemen, die Konstruktion smarter Fabriken, Potenziale neue Geschäftsmodelle zu entwickeln. Diese neuen Geschäftsmodelle wer­den erst durch neue digitale Technologien ermöglicht. IOT-Lösungen, die im Rahmen von Industrie 4.0 Einzug in Fabriken halten, ermöglichen den Umbau klassischer Fließbandfabriken zu flexiblen, effizienten, modularen, smarten Fabriken (vgl. Weyer et al., 2016). Kombiniert mit den IT-Systemen der Zulieferer wie Abnehmer können komplette Lieferketten digitalisiert werden. Künstliche Intelligenz kommt in Fahr­zeugen zum Einsatz z.B. zur Sprachsteuerung, Bilderkennung und ermöglicht mit Augmented Reality neue Steuerungsmöglichkeiten der Fahrzeuge, die letzten Endes zum autonomen Fahren führen werden.

Die konsequente Vernetzung autonomer geteilter Fahrzeuge wird zu neuen Ge­schäftsprozessen führen. Z.B. ist es möglich, dass der Nutzer eines geteilten Fahrzeugs mit drei weiteren Fremden über App eines Vermittlungsdienstes ein autonomes Fahrzeug eines Vermieters im Urlaub im Ausland bestellt hat. Hat dieses Auto keine elektrische Energie fährt es selbstständig zur nächsten freien Ladesäule, die einem anderen Eigentümer gehört. Beim Laden erfolgt eine Transaktion, bei der gegen Geld elektrische Energie bereitgestellt wird. Die beiden Vertragspartner Auto und Ladesäule sind jeweils keine Menschen und können daher über eine definierte Infrastruktur, z.B. Blockchain, diese Bezahltransaktion abwickeln. Dieses Szenario ist nur ein Beispiel für neu entstehende Business Prozesse. Die Liste der möglichen Szenarien und dazu verwendeten Technologien lässt sich beliebig fortsetzen.

3.1.2 Anforderungen

Es ergeben sich Anforderungen von außen an die Automobilhersteller. Die Betrachtung der obigen Customer Journey eines Reisenden im Urlaub erlaubt die Ermittlung einiger solcher Anforderungen. Aus seiner Gewohnheit, in seinem Heimatland per App autonome, geteilte Autos zu buchen, erwartet der Nutzer bei Ankunft im Urlaubsland am Flughafen die Möglichkeit das Internet genau wie zu Hause, nutzen zu können, um mit derselben App auch hier ein Auto zu buchen. Dieses sollte genau so abgerechnet werden können wie im Heimatland. Die Suche nach einem solchen Auto muss also genau wie im Heimatland erfolgen oder zumindest angelegt an einen ähnlichen Suchprozess. Handelt es sich um die gleiche Marke oder zumindest um eine weltweit anerkannte Marke, wie heute Marken der großen Autovermieter, dann ist die Hürde geringer dieses Auto zu buchen. Der Kauf erfolgt wahrscheinlich über eine App, wenn der Nutzer nicht im Vorfeld zu Hause bereits das Auto am Heimcomputer gebucht hat. Ein negatives Nutzererlebnis wird sich nicht nur auf das Bild des Nutzers und auf das Produkt auswirken, das er ggf. nur in diesem Land nutzt, sondern ggf. auf das gesamte Land. Da der Nutzer das Auto nicht besitzt, ist die Hürde, zu einem anderen Anbieter zu wechseln, deutlich niedriger, sodass eine starke Customer Centricity notwendig wird.

Es ergeben sich somit auch nach innen gerichtete Anforderungen an die Automo­bilhersteller, die diese berücksichtigen müssen, um die Anforderungen, die von außen gestellt werden, umsetzen zu können. Konnten Hersteller in der Vergangenheit ihren Fokus auf die ingenieurlastige Perfektion der Herstellung von Automobilen legen, so ist die IT nicht mehr nur unterstützend, sondern wird zum Schlüsselfaktor der Branche. Ähnlich wie beim Verwenden eines Zuges, wo der Nutzer sich selten dafür interessieren dürfte, ob die Lokomotive vorne aus der TRAXX Familie von Bombar­dier oder der Vectron Familie von Siemens stammt, werden Nutzer sich bei geteilten Autos nicht dafür interessieren, ob es sich um einen Mercedes oder Toyota handelt. Die Apps dahingegen bilden ein Front-End, dessen User Experience für Nutzer von entscheidender Bedeutung sein wird. Eine konsequente Nutzerzentrierung bei Ent­wicklung der Anwendungen für Endnutzer wird essentiell. Alternativ können heutige Automobilhersteller die Entwicklung der Endnutzersoftware anderen überlassen, und sie beschränken sich auf die Rolle des Hardwarelieferantens. Unabhängig davon müs­sen Unternehmen in der Branche enger zusammenarbeiten. Dies beschränkt sich nicht nur auf die Wirtschaft, sondern auch auf den Staat. Dieser ist für die Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur verantwortlich. Statt über Bilderkennung einzelne Schilder zu erkennen, kann man zukünftig, ähnlich zur Praxis im Eisenbahnverkehr, die Installation von Balisen erwarten, die Fahrzeugen Signalinformationen zusenden. Hierdurch wird die Einführung mindestens europa- ggf. weltweiter Standards für IT Schnittstellen zwischen der Infrastruktur und den Fahrzeugen notwendig, ähnlich zum ETCS der Bahn-Branche (vgl. ERTMS User Group, 2002). Auch Ladestatio­nen, Tankstellen und Werkstätte werden über kompatible Schnittstellen verfügen müssen. Nicht nur während der Nutzung, sondern schon im Herstellungsprozess werden kompatible Schnittstellen zwischen Roboter und IOT-Systeme in smarten Fabriken eine zunehmend wichtigere Rolle spielen. Da Fabriken lediglich Teil der Wertschöpfungskette sind, wird die notwendige Vernetzung von IT-Systemen die Einführung von Schnittstellenstandards auch bei Zulieferern erzwingen. Dies wird auch die komplexen Anforderungen an die IT-Sicherheit entsprechend steigen lassen.

[...]

Fin de l'extrait de 33 pages

Résumé des informations

Titre
Digitalisierungsbedarf verschiedener Branchen
Sous-titre
Vergleich der Anforderungen in der Automobilindustrie, Pflege, Baubranche und öffentlichen Einrichtungen
Université
Warsaw University  (Collegium Humanum)
Cours
MBA03 - Organisation und Digitalisierung
Note
1,3
Auteur
Année
2020
Pages
33
N° de catalogue
V947816
ISBN (ebook)
9783346284198
Langue
allemand
Mots clés
Organisation, Digitalisierung
Citation du texte
Martin Weck (Auteur), 2020, Digitalisierungsbedarf verschiedener Branchen, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/947816

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