Österreich von Ende 1848 bis 1867


Presentation / Essay (Pre-University), 2000

18 Pages


Excerpt


1. Der neue Kaiser - Zur Person Franz Josephs

Roman Huditsch

Als Kaiser Ferdinand, der ,,Gütige" genannt, in Dezember 1848 abdankt, kommt sein Neffe Franz Josef an die Macht. So wurde also ein Achtzehnjähriger Herrscher über zwanzig Königreiche und Länder im Donauraum, die unter der Krone des Hauses Habsburg- Lothringen vereint waren. Sogar den Titel eines Königs von Jerusalem führte er, obwohl es ein derartiges politisches Gebilde gar nicht mehr gab.

Die Ungarn wollten Franz Josef nicht als ihren König akzeptieren, da er weder mit der Stephanskrone gekrönt worden war noch den dazugehörigen Krönungseid abgelegt hatte. Der Ort des Thronwechsels vom 2. Dezember 1848 war Olmütz. Dort hielt sich nämlich gerade der Kaiserhof, der vor den aufständischen Wienern auf der Flucht war, auf.

Die treibende Kraft bei diesem Herrschaftswechsel war der Fürst Windischgrätz, der erkannte, daß der ,,gütige" Ferdinand die Unruhen im Reich nicht länger bekämpfen konnte, und daß auch sein Bruder Franz Karl kein wirklicher Ersatz war. So bewegte die Kaiserin Maria Anna Karolina ihren Gatten zum Rücktritt. Der nächste legitime Anwärter wäre der Bruder Franz Karl gewesen, doch jenem legte seine Frau Sophie den Verzicht nahe.

Wenn wir an Franz Josef denken, sehen wir meist nur einen alten Herrn, der sorgenschwer durch den Schönbrunner Park spazierte, dem nichts erspart blieb und der niemals kränken wollte: ,,Es war sehr schön, es hat mich sehr gefreut."

In Wirklichkeit aber stand Franz Josef schon um vier Uhr morgens auf, um möglichst viele Akten erledigen zu können. Und obwohl er ein fanatischer Militarist war, der es sogar vorzog, nachts auf einem gewöhnlichen Feldbett zu schlafen, verlor er die einzige Schlacht, die er selbst kommandierte (Solferino 1859). Zivilisten durften vor ihm nur in einem Frack erscheinen, sogar sein Leibarzt mußte am Krankenlager des Kaisers einen Frack tragen. Die Hand gab Franz Josef nur Hocharistokraten oder ausländischen Diplomaten. Nur ausnahmsweise wurde anderen Zeitgenossen gleich einem Orden der Händedruck verliehen. Sogar ansprechen durfte man den Kaiser nicht, sondern man mußte von ihm angesprochen werden, wobei als Thema nur das erlaubt war, was der Kaiser selbst anschnitt. Im Übrigen mußte man damit rechnen, daß Franz Josef eine Audienz plötzlich abbrach, wenn der Gesprächspartner über seinen Wirkungsbereich hinausgeriet.

Das familiäre ,,Du" erlaubte der Kaiser nur seinen eigenen Töchtern. Äußere Formen waren für ihn nicht nur leere Formalitäten, sondern stellten eine Ordnung dar, die auf alle Fälle bewahrt werden mußte. Der Kaiser selbst lebte recht bescheiden. Er haßte das Telefon genauso wie das Automobil. Auch die Kunst blieb ihm fern.

Die Kaiserin Elisabeth, die uns als jungmädchenhafte Sisi in Erinnerung blieb, bereitete dem Kaiser Kopfzerbrechen.

Kennengelernt hatte er sie am 16. August 1853, als die Herzogin Luise von Bayern nach Ischl reiste, um ihre ältere Tochter Helene mit Franz Josef zu verheiraten. Aber schon am nächsten Tag war klar, daß nicht Helene, sondern ihre Schwester Elisabeth die zukünftige Kaiserin von Österreich werden sollte. Sisi war ein unfertiges, aber unbeschwertes Kind, das seinem Vater, dem wilden Herzog Max, sehr ähnlich war. Die Mutter des Kaisers war entsetzt, da sie schon bemerkte, daß ihr Sohn die falsche Frau gewählt hatte. Elisabeth wollte sich nämlich nicht ins Unvermeidliche fügen und sah sich bald alleingelassen. Sie find an kitschig- sentimentale Gedichte voller Weltschmerz zu schreiben und stritt immer öfter mit ihrer Schwiegermutter. Besonders schlimm wurde es, als das erste Kind, es war ein Mädchen mit Namen Sophie, am 5. März 1855 zur Welt kam. Von da an gab ihr die Erzherzogin Sophie unentwegt Ratschläge, wie sie das Kind zu erziehen und behandeln habe. Die Überzeugung, daß sie alles von ihrem Franz Josef fernhalten müsse, was ihn vom Regieren abhalten könnte, machte Sophie hart und mitleidlos. Obwohl der Kaiser seine Mutter in ihre Schranken verweisen hätte können, tat er es nicht, da er ihren Weg für richtig hielt. So wurde durch die häuslichen Unruhen das traute Heim für Franz Josef zur Hölle, da Elisabeth und Sophie Ende der fünfziger Jahre unentwegt stritten.

Das erste Kind, nach seiner Großmutter Sophie genannt, starb 1857. Ein Jahr zuvor war ein zweites Kind geboren worden, wieder ein Mädchen mit Namen Gisela. Dieses wurde von Sophie sofort in Beschlag genommen, da sie Elisabeth für zu jung hielt, um ihre Kinder zu erziehen. Und die absonderlich versponnenen Briefe der Kaiserin gaben Franz Josephs Mutter recht. Der Sohn Rudolf kam am 21. August 1858 auf die Welt. Jetzt wäre der Kaiser vielleicht fähig gewesen, sich vom Eifluß seiner Mutter zu trennen. Elisabeths Unrast und ihre ständig wechselnden Stimmungen ließen aber selbst den Kaiser an ihr zweifeln. Eine Kämpferin war Elisabeth nicht. Sogar an der ehelichen Treue ihres Gatten zweifelte sie. Ende November 1860 entschloß sie sich zu einer längeren Reise nach Madeira. Diese Reise, oder besser gesagt Flucht, war der Anfang einer vierzigjährigen Wanderschaft , die niemals ein Ziel fand.

Von den drei Brüdern des Kaisers war Ferdinand Max der interessanteste. Der zweite, Karl Ludwig, blieb ambitionslos im Hintergrund und war Repräsentant und Bearbeiter von Gnadengesuchen und Petitionen. Der jüngste, Ludwig Viktor, war ein hochintelligenter Intrigant, der stets für Unruhe sorgte und später vom Hof verbannt wurde. Ferdinand Max war ein politischer Träumer. Er heiratete die ehrgeizige belgische Prinzessin Charlotte, deren Vater für Ferdinand einen entsprechenden Posten verlangte. 1857 wurde er als Radetzkys Nachfolger Generalgouverneur, was sich bald als Himmelfahrtskommando herausstellte. Im Schloß Miramar bei Triest träumte er von Ruhm und von der Eroberung eines Kaiserreiches. Dieses Reich sollte Mexiko sein, wo monarchistisch- klerikale Konservative, ,,Reaktionäre" genannt, vom Sturz des liberalen antiklerikalen Regimes unter Benito Juarez, der von den USA gestützt wurde, träumten. Da die USA kurz vor dem Bürgerkrieg standen, konnte Juarez nicht mehr lange mit amerikanischem Schutz rechnen. Napoleon III wollte, daß Ferdinand Max in Mexiko den Platz von Juarez einnimmt. Ferdinand Max verlangte aber Garantien. Er forderte französische Truppen, eine Anleihe und eine Rückzugsmöglichkeit im Falle des Fehlschlages, der nur nach Österreich erfolgen hätte können. Franz Joseph aber wollte alle Gefahren für die Dynastie ausschließen und zwang seinen Bruder, auf jede Erbfolge im Hause Österreich zu verzichten. In solchen Familienangelegenheiten blieb Franz Joseph immer unerbittlich. Anfang 1864 wurde in Miramar unter Tränenvergießen der Vertrag unterzeichnet.

1867 wurde Ferdinand Max, oder Maximilian von Mexiko wie er auch genannt wurde, von seinem Volk enttäuscht, von seinen französischen Beschützern im Stich gelassen, von Juarez geschlagen und von einem Kriegsgericht zum Tode verurteilt in Querétaro erschossen.

Alle drei Kronprinzen, von denen Reformen erwartet wurden, starben eines gewaltsamen Todes. Von Franz Joseph hingegen war nie ein Abgehen von den Traditionen zu befürchten.

2. Das Ende der Revolution - Siege gegen Ungarn und Italien

Am Beginn der Regentschaft Franz Josephs herrschte in manchen Teilen Österreichs noch Revolution, doch waren die konservativen Kräfte bereits überall im Vormarsch.

Der berühmteste Paladin der Monarchie war sicherlich Radetzky, der trotz seines hohen Alters (82) den über die Grenzen eingedrungenen Feind schlagen konnte. Politische Ambitionen verfolgte er nicht, sondern begnügte sich damit Soldat zu sein. Anders hingegen Joseph Baron Jellacic, Banus von Kroatien, vielleicht der tüchtigste Heerführer. Er machte es sich zum Ziel, die ungarische Nation als Unterdrückerin der kroatischen Eigenständigkeit zu bekämpfen. Der Politiker Windischgraetz verabscheute die Revolution. Die Tendenz zum bürgerlichen Verfassungsstaat hielt er für den Untergang der Monarchie. Windischgraetz manövrierte am Höhepunkt der revolutionären Gefahr seinen Schwager Schwarzenberg ins Amt des Ministerpräsidenten. Dessen politisches Ziel wiederum war es, einen autoritären und zentralistischen Einheitsstaat zu bilden. Er wollte aus der Monarchie des Hauses Österreich den Staat Österreich machen. Am 8. Dezember 1848 beschloß der Reichstag in Budapest, den Thronwechsel nicht anzuerkennen.

Fürst Windischgraetz begann am 16. Dezember mit dem Vormarsch gegen die Ungarn. Daraufhin flüchtete der Rebellenführer Kossuth mit seiner Regierung, der Banknotenpresse und der Stephanskrone nach Debreczin. Am 30. Dezember schlug Jellacic ein ungarisches Heer bei Moor, am 5. Jänner war Budapest wieder in kaiserlicher Hand, ging jedoch fast wieder verloren. Der junge Kaiser trat den Bittgang nach Warschau an und bat den Zaren Nikolaus von Rußland um dessen Hilfe gegen die Ungarn. Dieser willigte ein, um so den Polen, die die Sorgenkinder Rußlands waren, zu zeigen, womit sie bei einer Revolution zu rechnen hatten. Er schickte russische Regimenter unter russischem Kommando, da er von der österreichischen Generalität nichts hielt.

Als der Kaiser erfuhr, daß Zar Nikolaus auf dem Weg ins Feld war, zog er mit seinem 16jährigen Bruder Max zu den Fahnen und geriet bei der Rebellenfestung Komoron gleich in einen Kugelhagel. Dem konzentrischen Angriff war die ungarische Armee nicht gewachsen, so wurde im Juli 1849 von den Russen fast ganz Siebenbürgen erobert. Die letzte Schlacht fand bei Temesvar statt. Kossuth flüchtete in die Türkei und Görgey ergab sich bei Vilagos den Russen. Der Zar schickte eigens seinen Thronfolger, um den Österreichern ,,Gnade für die Verirrten" zu empfehlen.

Ein außerordentlicher Ministerrat beschloß aber, die gefangenen Generäle vor ein Kriegsgericht zu stellen. 13 Generäle wurden hingerichtet, und am 25. Oktober wurden 6 Zivilisten justifiziert (Schüsse von Arad). Gehenkt wurde sogar ,,in effigie", das heißt, daß bei Abwesenheit des Verurteilten ein Zettel mit dessen Namen an den Galgen genagelt wurde. So wurde zum Beispiel auch Graf Julius Andrássy hingerichtet, der 15 Jahre später dem Kaiser als ungarischer Verhandlungspartner gegenüber stand. Durch die sechzehn Todesurteile fühlte sich der Zar persönlich beleidigt. Am 26. Oktober untersagte Franz Joseph weitere Hinrichtungen.

In Florenz und Rom tönten die Parolen des italienischen Einheitsstaates durch die Straßen. Vom Haus Savoyen erwarteten die Italiener den Hinauswurf der Österreicher aus ihrer Heimat. Die Armee des Königs Karl Albert, der an die Spitze dieser Bewegung gedrängt wurde, war nur 80.000 Mann stark und noch dazu schlecht ausgerüstet und unzuverlässig. Dem 82jährigen Graf Radetzky auf der anderen Seite waren die schwarz- gelben Truppen ohne Rücksicht auf Nationalitäten treu ergeben. Der neue Krieg dauerte nur wenige Tage. Die piemontesische Armee wurde zuerst am 21. März 1849 bei Mortara zurückgeworfen und zwei Tage später bei Novara vernichtend geschlagen.

Radetzkys Waffenstillstandsbedingungen waren so drückend, daß Karl Albert abdanken mußte, um die Auslieferung des Kronprinzen Vittorio Emanuele II zu verhindern. So wurde also Vittorio Emanuele der neue König von Piemont- Sardinien.

Dieser unterschrieb auch am 24. März 1849 den Waffenstillstand. Dieser Krieg von 1849 war der letzte, den die Donaumonarchie noch gewinnen konnte. Radetzky war der letzte schwarz- gelbe Sieger.

3. Der Neoabsolutismus

Der Hof saß im Frühjahr 1849 noch immer in Olmütz, da der Kaiser erst als vollkommener Sieger über die Demokratie in Wien einziehen wollte. Diese Demokratie verkörperte der Reichstag von Kremsier, der an einer Verfassung arbeitete, die die Macht des Kaisers erheblich verringern und einen Staat mit gleichberechtigten Bürgern und Nationen gewährleisten sollte. Am 25. Jänner 1849 sagte der Tscheche Frantisek Palacký: ,,Wir müssen Österreich so errichten, daß die Völker gerne in Österreich existieren, das sei unsere leitende Idee." Am 4. März wurde eine Verfassung von der Regierung Schwarzenberg verkündet.

Fürst Schwarzenberg schuf einen zentralistischen, konstitutionellen Einheitsstaat. Der Reichsrat war nur mehr eine Institution, die zwar beraten, aber nicht entscheiden durfte. Regiert wurde jetzt nicht mehr auf Antrag hin, sondern die Minister verwalteten auf Befehl des Kaisers. Franz Joseph schrieb: ,,Wir haben das Konstitutionelle über Bord geworfen und Österreich hat nur mehr einen Herrn."

Das Parlament in Frankfurt, ein revolutionäres Relikt, wollte das deutschsprachige Österrich und Böhmen bei Deutschland dabei haben. Dies hätte aber eine Teilung Österreichs bedeutet. Schwarzenberg hatte eine größere Zukunftsvision: Die Kleinstaaten südlich des Mains sollten mit Österreich zu einem 70 Millionen- Reich zusammengeschlossen werden. Aus deutscher Sicht wäre das Reich aber nur ein vergrößertes Österreich geworden. Die Frankfurter Deputierten wählten den preußischen König zum Kaiser von Deutschland. Friedrich Wilhelm IV lehnte aber ab, weil er nur durch deutsche Fürsten, nicht aber durch das Parlament, gewählt werden wollte.

Das am 21. Dezember herausgegebene Silvester- Patent, eine Willenskundgebung des Kaisers, faßte die drei Erlässe zusammen, die die Errungenschaften der Revolution liquidiert hatten. Nur die Gleichheit der Staatsbürger vor dem Gesetz und die Bauernbefreiung blieben erhalten. Sogar die Öffentlichkeit der Gerichtsverfahren und die Geschworenengerichte wurden aufgehoben. Die Zensur amtierte wieder. Die Gemeindeverwaltung wurde Regierungsbeamten unterstellt. Das Silvester- Patent wurde auch Bach'sches System, nach dem Innenminister, genannt. Schwarzenberg war 1852 gestorben. Franz Joseph wollte nur noch gehorsame Minister. Seine Beschlüsse pflegte er mit den Worten ,,Es ist Mein Wille" bekanntzugeben. Die Jahre nach 1851 wurden Neo- Absolutismus.

4. Ringstraßen- und Gründerzeit

Als der Kaiser am 18. Februar 1853 beim Kärntnertor auf der Bastei, gegen deren Schleifung sich die Militärs wehrten, einen Spaziergang machte, wurde er nur von dem Adjutanten Graf Maximilian Karl O´Donnell begleitet. Auf einmal sprang der ungarische SchneidergeselleLibényi Janos von seiner Parkbank auf und stach dem Kaiser mit einem beidseitig geschliffenen Messer ins Genick. Bei seiner Festnahme durch den Adjutanten rief er noch: ,,Eljén Kossuth". Die Verletzung des Kaisers war nicht lebensgefährlich. Obwohl Franz Joseph den Attentäter gerne begnadigt hätte, wurde er hingerichtet.

Der Kaiser ließ aber die alten Stadtmauern schleifen, da er erkannte, daß man nicht nur mit militärischem Druck regieren kann. Es begann die Ringstraßenzeit. Nun sollte die Stadterweiterung durch den Abbruch der Bastei beginnen. Aus Dank für die Errettung des Monarchen rief dessen Bruder Ferdinand Max zu einer Spendenaktion aus, mit deren Mitteln die Votivkirche, die der erste Ringstraßenbau sein sollte, gegründet wurde. Die Ringstraße sollte ein Denkmal des Kaisers, seiner Epoche und deren Gesellschaft werden. Das Arsenal, das auf einer Anhöhe hinter dem Schloß Belvedere gebaut werden sollte, war als befestigte Kaserne gegen etwaige Revolutonäre, Waffenfabrik und verteidigungsfähiges Waffendepot gedacht. Bei der Ausschreibung für den Bau des Arsenals tauchten Namen auf, die später berühmt werden sollten: August von Siccardsburg, Eduard van der Nüll, Ludwig Förster und Theophil Hansen, der die äußere Form des Bauwerks im Kleid einer byzantinisch- maurischen Burg lieferte. Sie wurde Vorbild für spätere militärische Bauten wie die Roßauerkaserne. Das Arsenal war das erste Produkt des Historismus. Jederzeit wurde an die Rückkehr der Proletarier gedacht.

Mitte des 19. Jahrhunderts herrschten in Wien katastrophale Lebensverhältnisse. Die neuen Wiener stammten hauptsächlich aus den slawischen Kronländern und brachten von dort ihre Armut und ihren Kinderreichtum mit. Es entstanden Massenquartiere des Proletariats. In Wien kamen auf ein Haus durchschnittlich 55 Bewohner. Die Prunkbauten der Adeligen reduzierten den sowieso schon sehr knappen Wohnraum noch zusätzlich. Ganze Familien hausten auf freien Plätzen der Innenstadt wie in einem Zigeunerlager. Die Polizei schob sie in Scheunen, Keller und Stallungen ab. Sogar die Gefängniszellen waren mit Obdachlosen überfüllt. Die Zuwanderer siedelten sich in den Vororten wie Meidling, Favoriten, Ottakring oder Hernals, an. Es entstand ein ,,trostloses Steinmeer grauer Zinskasernen".

Am 14. September 1854 begann der Verkauf der Staatseisenbahnen an private Kapitalgesellschaften, da der Staat durch die Revolutionskriege verschuldet war und kein Geld für den Ausbau der Eisenbahnen aufbringen konnte. Nach 1848 war die Monarchie ein einziger großer Wirschaftsraum. Von der Landwirtschaft bis zur Schwerindustrie war alles vorhanden (ungarisches Weizen, böhmischer Stahl, kroatische Schweine, Südtiroler Wein, Kohle aus Mähren, Holz aus Kärnten). Die österreichischen Alpenländer blieben vernachlässigt am Rande. Der Ausbau der wichtigsten Eisenbahnlinien (Westbahn, Südbahn) erfolgte durch die Bankhäuser Rothschild und Eskeles. Der Ausbau ging stürmisch voran und warf immer größer werdende Gewinne ab. Durch die Nord- Süd- Verbindung erfolgte ein sprunghafter Aufstieg der böhmischen Industrie. Es folgten viel billigere ungarische Agrarprodukte, die die Getreidepreise erheblich drückten. Die österreichischen Erbländer wurden wirtschaftliche Notstandsgebiete. Der große Freihandelsraum war also keineswegs für alle Länder ein Wirtschaftsparadies. Als 1918 wieder Zollgrenzen über den Donauraum gelegt wurden, gab niemand dem kleinen Rest der früher so großen Monarchie eine Überlebenschance, da er von seinen Rohstofflieferanten und Absatzmärkten abgeschnitten war.

Mit dem Ausbau der Eisenbahnen begann die Gründerzeit. 1857 hatte man die Generäle und Minister soweit, daß sie von den Befestigungsanlagen Abschied nahmen. Man brauchte dringend Platz für öffentliche Bauten. Bei jeder Bautätigkeit war auch ein militärischer Nebengedanke dabei. So konnte zum Beispiel auch der Ring zur Verteidigung Wiens beitragen.

5. Konkordat und Konservativismus

Am 18. August 1855, dem 25. Geburtstag des Kaisers, wurde das Konkordat mit dem Vatikan unterschrieben. Franz Josef wollte seine Rechte als absoluter Herr über Bischöfe und Pfarrer nicht verlieren.

Nach 1848 bemühten sich vor allem zwei Männer am Hofe des Kaisers um ein Konkordat. Der erste war Fürst Freidrich Schwarzenberg, der Bruder des Ministerpräsidenten, Kardinal- erzbischof von Prag, der sogar noch 1837 Protestanten austreiben ließ. Der zweite hieß Dr. Othmar von Rauscher, Fürsterzbischof von Wien und ehemaliger Lehrer Franz Josephs. Der Kaiser hatte schon als Kind gelernt, die bestehende Ordnung als gottgewollt zu betrachten. Auch die Pinzipien der Kirche waren Glaube und Gehorsam. So sollte die Kirche den Glaube an Gott und die von Gott eingesetzte Obrigkeit lehren. Der Schulunterricht wurde gänzlich der katholischen Lehre unterworfen. Nur Katholiken durften Lehrer werden, und diese waren der Kirchenaufsicht unterstellt. Die Bischöfe hatten die Lehrbücher zu bestimmen, die staatliche Obrigkeit übernahm es, die Verbreitung von ,,verwerflichen" Büchern zu verhindern. Aus dem zivilen Alltag wurde alles entfernt, was dem Kirchenrecht oder dem Glauben widersprach. Das Konkordat gab der Kirche, was ihr Josef II genommen hatte. Dafür mußte die Kiche dem Kaiser gläubige, gehorsame und lammfromme Untertanen liefern. Zu so einem Konkordat gehörte die entsprechende Schulreform, die mit dem Namen des Unterrichtsministers Leo Graf Thun- Hohenstein verbunden blieb. Er verwirklichte das fortschrittliche Ideal der Lehr- und Lernfreiheit durch Personalpolitik. An der katholisch- konservativen Grundhaltung der Professoren durfte jedoch kein Zweifel bestehen.

6. Wirtschaftliche Konflikte im Deutschen Bund - der Weg nach Königgrätz

Eines der Schicksalsjahre der österreichischen Monarchie war das Jahr 1853, genauer gesagt der Februar 1853. Der Kaiser lag mit Sehstörungen nach dem Attentat in seinem Bett, und der Hof bangte eine Woche lang ensthaft um ihn. Franz Josef träumte von seinem katholischen Reich der 70 Millionen, Schwarzenbergs Erbe. In Berlin träumte Bismarck auch von einem 70 Millionen- Reich. Im katholisch- süddeutschen Raum überschnitten sich die beiden Interessensgebiete. Hier mußte die entscheidende Auseinandersetzung der beiden Erzrivalen erfolgen. So wurde der Weg nach Königgrätz beschritten.

In Berlin führte Karl Ludwig Freiherr von Bruck Zollverhandlungen für Österreich. Dort wurde jedoch schon die zukünftige Bismarck- Politik betrieben. Bismarck selbst war preußischer Gesandter beim Deutschen Bund, einem armseligen Ersatz für das Deutsche Reich. Bismarck sah ein durch einige deutsche Staaten vergrößertes Preußen ohne Österreich. Dieses Reich mußte er den deutschen Fürsten allerdings aufzwingen. Bei den Verhandlungen spielte Bruck die Bayern, Württemberg, Badener und Sachsen gegen Preußen aus. Brucks Maximalziel war der Beitritt Österreichs zum Deutschen Zollverein, was aber Preußen nicht zulassen würde, da Preußen dann der bedrohte Kleinere wäre. Daher strebte er die Meistbegünstigungsklausel an: Weder Preußen noch Österreich durften dritten Staaten bei künftigen Verträgen günstigere Bedingungen gewähren. Dies war die Absicherung der deutschen Kleinstaaten. Wenn sich Preußen weigern würde, würde der Vertrag mit den Süd- und Mitteldeutschen abgeschlossen.

Dieser süddeutsche Zollverein wäre der erste Schritt zum 70- Millionen- Reich Schwarzenbergs. Also mußte Berlin nachgeben. Der Vertrag sollte bis 1866 halten. Die Zölle wurden beträchtlich herabgesetzt oder ganz aufgehoben. Der Hinauswurf der Donaumonarchie aus dem Deutschen Bund blieb aber Wunsch der Preußen.

Seit dem Unterzeichnungstag, dem 19. Februar 1853, ging es geradewegs auf Königgrätz zu. Seit 1841 produzierten die Preußen Zündnadelgewehre nach dem System Dreyse. Erzherzog Johann machte die Wiener Generäle auf diesen preußischen Hinterlader aufmerksam. Deren Versuche mit den neuen Gewehren, die die Preußen zur Verfügung stellten, verliefen aber überhaupt nicht überzeugend, da sie trotz der enormen Feuerkraft eine Munitionsverschwendung fürchteten, und da die dünnen Zündnadeln leicht abbrachen. Entweder hatten die Preußen fehlerhafte Gewehre geliefert, oder die österreichischen Generäle kamen mit den technischen Feinheiten nicht zurecht. Man entschloß sich aber zur technischen Weiterentwicklung des Vorderladers. Das Lorenz- Gewehr ermöglichte jetzt drei statt nur zwei Schüsse pro Minute. Österreich hatte den kleinsten Rüstungsaufwand aller europäischer Staaten. 1854 wurden nur 90.000 von 120.000 Diensttauglichen einberufen, und obwohl die Staatseinnahmen um 58 Prozent zunahmen, wurden die Rüstungsausgaben um nur 15 Prozent erhöht. Preußen hingegen steigerte sie bei gleichen Staatseinnahmen um 60 Prozent. Die vom alten Radetzky ausgearbeitete Heeresreform blieb in ihren Anfängen stecken. Dafür wurden Hunderte Millionen Gulden für den Bau der Ringstraße ausgegeben. Das militärische Denken war nicht auf die Bekämpfung eines äußeren Feindes, sondern nur gegen rebellische Untertanen ausgerichtet.

7. Der Krimkrieg

1852 gab es noch einen ,,Kriegsschauplatz", den Balkan. In Montenegro fing es nach dem Regierungsantritt des Fürsten Danilo I an. Der russische Zar schlug dem britischen Gesandten Lord Seymour ein Tauschgeschäft vor. Rußland wollte die Schutzherrschaft über den Balkan. England sollte dafür Kreta und Ägypten bekommen. Die Verteilung des türkischen Erbes begann schon, bevor der ,,kranke Mann am Bosporus", wie die Türkei genannt wurde, noch tot war. Serbien und die Donaufürstentümer Moldau und Walachei waren tributpflichtige türkische Vasallenstaaten. In Bulgarien und Ostrumelien herrschte eine starke Unabhängigkeitsbewegung. Der Zar betrachtete sich als Schutzpatron über die Balkanslawen, weil sie Christen waren. Den Russen ging es jedoch hauptsächlich um die Meerengen, die ihnen die Ausfahrt ins Mittelmeer blockierten. Dort stand ein britisch- französisches Flottengeschwader an den Dardanellen bereit, denn die Briten und Franzosen waren an einer russischen Machterweiterung in diesem Gebiet keineswegs interessiert. Der Zar war entschlossen, den Traum von der Weltherrschaft zu verwirklichen. Nikolaus wollte, wenn nicht mit den Westmächten gegen die Türkei und gegen Österreich, dann erst einmal mit Österreich gegen die Türken und die Westmächte. Er kündigte die Besetzung von Moldau und der Walachei an und wollte von Österreich, daß es dasselbe mit Serbien und der Herzegowina tue. Dies war der Teilungsplan für den Balkan. Die Ausrichtung auf ebendiesen hätte aber die ganze Kraft der Monarchie beansprucht. Die Generäle, vor allem Radetzky, waren für Rußland. Der Zar wäre ein Partner ganz nach Geschmack gewesen, da er kein Emporkömmling wie Napoleon III war, und da Rußland noch nicht von der Demokratie ,,angekränkelt" war. Für den Franzosenkaiser machte sich der Außenminister Graf Buol- Schauenstein stark, da er die Russen nicht mochte.

Seine Ratschläge holte er sich von Metternich. Rußland war einfach schon zu stark, und ein Krieg an Rußlands Seite würde Krieg mit England und Frankreich bedeuten. Napoleon III wollte die Niederlage seines Onkels von 1812 gegen Rußland rächen. Niemand wußte aber, ob die Westmächte einen Krieg riskieren würden, wenn Österreich und Rußland nur schnell und energisch zugreifen würden. Die Entscheidung darüber lag in den Händen von Franz Joseph. Die britisch- französischen Flotteneinheiten gingen am 14. Juni 1853 bei den Dardanellen vor Anker, der Zar setzte den Truppenaufmarsch fort. Am 2. Juli besetzten die Russen die Donaufürstentümer. Nikolaus kam am 24. September nach Olmütz, um Franz Joseph zum Mitmachen zu beschwören. Er erinnerte ihn daran, daß Rußland Österreich 1849 Ungarn gerettet hatte. Aber der Kaiser ließ sich nicht verwirren. Damit hatte es sich Österreich endgültig mit Rußland verscherzt. Aber auch an der Seite der Westmächte zog Österreich nicht in den Krieg. Als am 30. November ein russisches Geschwader bei Sinope die türkischen Flotteneinheiten vernichtet hatte, griffen die Westmächte ein. Ein französisch- englisches Expeditionskorps landete auf der Krim (,,Krimkrieg"). Die Türken setzten sich energischer zur Wehr, als es die Russen erwartet hatten. Die Russen mußten die Walachei und die Moldau räumen. Auch Piemont schickte 15.000 Mann auf die Krim. Obwohl der Einsatz militärisch unbedeutend war, kaufte sich Piemont Frankreichs Waffenbrüderschaft ein. Österreichs nächster Kiegsschauplatz sollte Italien werden.

9. Solferino und Magenta - Niederlagen und deren Folgen

Solferino liegt in der Privinz Mantua, wo noch die Reste des Festungsvierecks Peschiera- Verona- Legnano- Mantua zu sehen sind. Von dieser Befestigung, die als Bastion österreichischer Macht in Oberitalien galt, aus startete Radetzky 1848 und 1849 seine Feldzüge. Er hatte 1849 die piemontesischen Truppen geschlagen und die Freischaren zerschlagen, aber den Nationalismus hatte er nicht besiegen können. Obwohl die Italiener bis jetzt noch nie einen Nationalstaat bilden konnten, wurde ihr Stolz und ihr Selbstbewußtsein nie ausgelöscht. 1853 war der innenpolitische Krisenherd wieder einmal Mailand. Dort lebte der Geist des Giuseppe Mazzini weiter, der Geist der Selbstbefreiung (Giovine Italia). Im Februar rebellierten die Mazzinianer wieder, aber der 87- jährige Radetzky war ein Mann, der hart zugreifen konnte. Als sich am Abend des Aufstandes der Vorhang der Mailänder Scala hob, sah das hochvornehme Publikum Soldaten, die ihre schußbereiten Gewehre in den Zuschauerraum richteten. Der Generaladjutant Grünne war der Meinung, daß Radetzky nicht mehr Herr der Lage war. Man schickte Bernhard Rechberg nach Mailand, um Radetzky wenigstens die Zivilverwaltung aus der Hand zu nehmen. Grünne hielt auch einen Nachfolger auf militärischem Gebiet bereit, den Grafen Franz Gyulai. Es herrschte zwar kein Krieg in Italien, aber Friede konnte dieser Zustand auch nicht genannt werden.

Auch in der Toskana fühlten sich die Einwohner als Italiener. Als Franz Joseph 1851 mit 35.000 Soldaten, die die Innenstadt von Mailand besetzt hielten, nach Italien reiste, konnte er die Feindseligkeit seiner Untergebenen spüren. Obwohl der Polizeiminister General von Kempen seine Besorgnis äußerte, unternahm der Kaiser mit seiner Gattin 1856 noch eine Reise nach Italien, um seinen guten Willen zu zeigen. Der Kaiser meinte, daß ein Herrscher keine Furcht vor seinen Untergebenen zeigen durfte. Zu fürchten war aber kein einzelner Attentäter, sondern ein ganzes Volk. Die Fahrt war keine Vergnügungsreise. In Triest wurde beispielsweise symbolisch für die Ablehnung eine riesengroße Glaskrone in Stücke geschlagen. Der lombardische Adel ignorierte den Besuch des Kaisers, und in Mailand mußten Polizisten die Scala füllen, damit das Haus bei der Vorstellung für das Kaiserpaar nicht leer blieb. Jetzt bekam Radetzky, der die Situation nicht mehr bewältigte, die Stimmung des Kaisers zu spüren. Graf Grünne, dem ein lebendes Denkmal wie Radetzky sowieso nicht ins Konzept paßte, bekam die Erlaubnis, Radetzky zum Rücktritt zu bewegen, der sich dann auch fügte. Gyulai bekam den Befehl über die Armee in Italien, Franz Josephs Bruder Max wurde Generalgouverneur. Er versuchte die Herzen der italienischen Untertanen mit Liebe zu erwerben, bald war das Land aber am Rande eines offenen Aufruhrs. Ferdinand Max weigerte sich aber einen harten Kurs zu steuern. So wurde er schließlich am Vorabend des Krieges von 1859 von Graf Gyulai abgelöst.

Seit 1852 war Camillo Graf Cavour Ministerpräsident in Turin. Sein Ziel war die Zerschlagung des Kirchenstaates und vor allem die Einigung Italiens. Er begriff, daß diese Einigung nur mit Hilfe einer Großmacht, besonders jener Frankreichs, zu erreichen war. Im Mai 1857 schlug der französische Kaiser Bismarck ein Bündnis gegen die Donaumonarchie vor, der die Duldung der Besetzung Hannovers, Schleswigs, Holsteins und Lauenburgs versicherte. Frankeich wollte Italien helfen, um eine Seeherrschaft über das Mittelmeer auf dem Weg über ein von Frankreich abhängiges Italien zu erlangen. Bismarck legte sich zwar nicht fest, empfahl aber eine Annäherung an Frankreich. Der romantisch- versponnene Friedrich Wilhelm IV war aber keineswegs kriegslustig. Als nach einem Schlaganfall Zeichen einer Geisteskrankheit auftraten, wurde er im Herbst 1857 von seinem Bruder Wilhelm abgelöst.

Auf Schloß Plombières trafen sich Napoleon und Cavour zu geheimen Gesprächen. Am 11. Juli 1858 wurde der Krieg gegen Österreich beschlossen. Da sich Napoleon für einen Angriffskrieg zu schwach fühlte, übernahm Cavour die Aufgabe, die Donaumonarchie herauszufordern. Für das Königreich Italien sollte Piemont- Sardinien mit Savoyen und Nizza bezahlen. Cavours Kriegsvorbereitungen waren nicht zu übersehen. Grünne drängte zum Krieg. Graf Buol erreichte ein Ultimatum an Piemont, das den Abzug von den Grenzen, Abrüstung und Verzicht auf nationale Propaganda forderte. Die Annahme des Ultimatums wäre aber höchstens eine Lösung für ein paar Monate, vielleicht Jahre, gewesen. Man wollte aber die Ausschaltung eines Gefahrenherdes für die Monarchie. Franz Joseph traf die gleiche Entscheidung, wie er sie auch 1914 treffen sollte: Krieg. Erzherzog Albrecht wurde nach Preußen geschickt, um es für Österreich zu gewinnen.

Preußen ging aber nicht mit. In Italien waren weder Österreich noch Frankreich in voller Stärke vertreten, da beide Armeen zurückhielten, falls es sich Preußen anders überlegen und doch am Rhein marschiert werden sollte. Graf Gyulai führte die kaiserliche Armee in Italien. Gyulai war viel zu unentschlossen und vorsichtig bis zur Ängstlichkeit. Als er Krieg führen sollte, ergriff ihn die Panik. Waffentechnisch war Gyulais Armee überlegen, da das Lorenz- Gewehr schneller feuerte. Die Ausstattung und Verpflegung der französischen Soldaten lag aber weit über österreichischem Durchschnitt. Die österreichische Organistion war katastrophal. Gyulai wollte sich in das Festungsviereck zurückziehen und den Feind abwarten, bekam aber den Befehl zum Angriff. Am 3. Mai bot sich bei Valenza und San Salvatore eine Schlacht an. Obwohl die Franzosen um 35.000 Mann unterlegen waren, schien Gyulai der Feind zu stark, und er wich aus. Von da an hatte er keine Chance mehr die Piemontesen alleine zu treffen.

Gyulai ließ die Truppen nach Novara, wo 1848 Radetzky die Piemontesen geschlagen hatte, marschieren. Als Napoleon seine Hauptmacht ebenfalls dorthin dirigierte, brach er die Operation wieder ab, da er nur keine entscheidende Schlacht wollte. Er befahl den einzelnen Korps, sich um Magenta zu konzentrieren. Am 3. Juni kamen Franz Joseph, Generalstabschef Heß und Grünne selbst ins Hauptquartier zu Verona. Heß schickte der Kaiser zu Gyulai, um ihn zum Angriff anzutreiben. Durch das Durcheinander von Befehlen und Gegenbefehlen waren die beiden Korps V und VIII noch nicht auf dem Schlachtfeld, als die Franzosen bei Magenta erschienen. Trotz zahlenmäßiger Unterlegenheit griffen die Franzosen an der Flanke an, worauf Feldmarschalleutnant Graf Clam- Gallas schnell die Nerven verlor und eine Katastrophenmeldung an Gyulai schickte, der die Schlacht verloren gab und den Rückzug befahl. Nach dieser Niederlage bekam Gyulai seinen Abschied. Anstatt Ludwig von Benedek, der Radetzkys Generalstabchef war und jeden Baum in Italien kannte, zu dessen Nachfolger zu machen, übernahm der fast völlig unerfahrene Franz Joseph den Oberbefehl. Da er mehr auf Grünne als auf den Chef des Geberalstabs hörte, folgte bald die Katastrophe von Solferino. Napoleon überraschte die kaiserlichen Soldaten schon zwischen 3 und 4 Uhr früh in der Nachtruhestellung. Die Schlacht konzentrierte sich rund um Solferino. Wieder wurde der Rückzug befohlen, bevor sich jedoch Benedek gegen Abend anschloß, jagte er noch 30.000 Piemontesen von der Hochfläche. Als sich die beiden Kaiser am 11. Juli in Villafranca trafen, war der Sieg der Franzosen noch nicht sicher. Beide Herrscher sahen aber das Schreckgespenst Preußen, das der Monarchie Waffenhilfe anbot. Aber nur unter der Bedingung, daß die österreichische Armee unter das Kommando des Deutschen Bundes gestellt würde. Franz Joseph verzichtete lieber auf die Lombardei, bevor er die preußische Herrschaft über Deutschland anerkannte. Österreich und Frankreich bschlossen den Waffenstillstand von Villafranca, dem der Friede von Zürich folgte. Die Lombardei wurde an Napoleon abgegeben, der sie wiederum gegen Nizza und Savoyen an Italien weitergab. Parma, Modena und die Toskana waren jetzt nicht mehr zu halten und wurden nach den von Napoleon geforderten Volksabstimmungen abgetreten. Der über das Opfer von Nizza enttäuschte Gribaldi trat mit den Freischaren den Siegeszug nach Neapel an. 1860 wurde Vittorio Emanuele II König von Italien. Seine Ziele blieben Rom, Venedig, Welschtirol und Triest.

Bei Solferino hatten nicht die Soldaten sondern, die Organisation und die nicht genügend ausgebildeten Heerführer versagt. Es wurden Angehörige des hohen Adels zu Generälen, deren einzige Qualität deren Abstammung war. Hocharistokraten wurden bevorzugt, da Offiziere schlecht bezahlt wurden und deswegen sehr schnell verschuldet waren, wie zum Beispiel Radetzky und Benedek, deren Schulden der Staat begleichen mußte, um einen Skandal zu vermeiden.

Österreichs innere Entwicklung von Solferino bis 1867 - Der Kampf um eine Verfassung

Durch die Niederlage von Solferino hatte Österreich auch den Einfluß im italienischen Raum verloren. Das System des Neoabsolutismus war von den liberalen Ideen besiegt worden. So mußte Kaiser Franz Joseph seine bisherigen Minister entlassen und Reformen der Verwaltung und Gesetzgebung versprechen. Der Ruf nach einer Verfassung wurde immer lauter. Der Reichsrat, Relikt der Verfassung von 1849, wurde durch die Aufnahme von Vertretern der Länder verstärkt. Wegen der sich verschlimmernde Lage der Staatsfinanzen wurde ihm auch die Bewilligung des Staatshaushaltes übertragen. Der Reichsrat erarbeitete eine Verfassung, die der Kaiser am 20. Oktober 1860 erließ: das Oktoberdiplom.

Auch die Magyaren erhielten ihren Landtag und ihre frühere Verwaltung und die magyarische Amtssprache zurück.

Die neue Verfassung nach den Grundsätzen des Föderalismus stieß aber auf heftigen Widerstand. Sogar die Magyaren waren unzufrieden, da ihnen die neuen Zugeständnisse noch immer nicht genügten. Am heftigsten war jedoch die Ablehnung bei den Deutsch- Liberalen (Zentralisten), da diese dadurch ein Auseinanderbrechen der staatlichen Einheit befürchteten. ANTON Ritter VON SCHMERLING entwarf eine neue Verfassung, die am 26. Februar 1861 in Kraft trat: Das Februarpatent. Der Föderalismus wich nun einer zentralistischenVerwaltung, wie sie die Liberalen forderten. Die Aufgaben des Reichsrates wurden erweitert. Er bestand nun aus dem ,,Herrenhaus" (Adelige, Kirchenfürsten, vom Kaiser ernannte Männer) und dem ,,Abgeordnetenhaus", deren Mitgleider von den Landtagen delegiert wurden, jedoch war das Wahlrecht stark eingeschränkt (Zensus- und Kurienwahltecht).

Beim ersten Treffen des Reichsrates waren aber nur slawische und ungarische Abgeordnete erschienen, da die Ungarn wie 1848 keine Abgeordneten nach Wien schicken wollte. Bald verließen auch die Tschechen die Versammlung, da man ihnen nicht die autonome Verwaltung der böhmischen Länder zugestehen wollte. So war der Reichsrat nur mehr eine Vertretung des deutschen liberalen Bürgertums unter der Führung Schmerlings. Dies genügte dem Kaiser nicht. Er entließ Schmerling und nahm Verbindung mit den Fürsten der Ungarn und Slawen auf. 1865 wurde der Reichsrat aufgelöst und die Verfassung außer Kraft gesetzt, bis die Verhandlungen mit Ungarn zu einem Ausgleich über das gegenseitige Verhältnis führen würden.

Die Schlacht bei Königgrätz und der Ausgleich mit Ungarn 1867

Nach der österreichischen Niederlage in Oberitalien waren auch in der deutschen Bundespolitik wichtige Entscheidungen gefallen. Graf RECHBERG, BUOLl- SCHAUENSTEINS Nachfolger, hatte als Außenminister ein Einvernehmen mit Preußen gesucht. Dort war jedoch schon seit Herbst 1862 OTTO VON BISMARCK Ministerpräsident, der die deutsche Frage im kleindeutschen Sinn lösen wollte. Sein Ziel war es, Österreich aus dem Deutschen Bund zu beseitigen. Dies konnte nur auf kriegerischem Weg geschehen. Zu diesem Zweck verstärkte Bismarck das preußische Heer und rüstete es mit dem Zündnadelgewehr aus. Im August 1863 lud Kaiser Franz Joseph den preußischen König WILHELM nach Frankfurt ein, um über eine neue Bundesverfassung zu beraten. Bismarck riet seinem König jedoch dringend ab: Der Versuch, Deutschland unter österreichischer Führung zu einigen, scheiterte damit endgültig.

Im deutsch- dänischen Krieg von 1864 einigten sich Österreich und Preußen noch einmal zum gemeinsamen Vorgehen, als der dänische König CHRISTIAN IX gegen die Londoner Protokolle von 1852 eine Verfassung bestätigte, nach der Schleswig zu Dänemark gehören sollte. Nach raschen Siegen der österreichisch- preußischen Truppen zwangen die Sieger Dänemark im Frieden von Wien, Schleswig und Holstein abzutreten. In der Gasteiner Konvention einigte man sich über die Zukunft der beiden Länder: Schleswig sollte von Preußen, Holstein von Österreich verwaltet werden.

Im Frühjahr 1866 spitzten sich die Gegensätze zwischen Preußen und der Donaumonarchie wieder zu, da Preußen versuchte, sich diese Länder anzueignen. Als Österreich den Deutschen Bund über Schleswig- Holstein entscheiden lassen wollte, schloß Preußen mit Italien ein Bündnis gegen Österreich und versicherte sich im Kriegsfalle für die Neutralität Frankreichs. Nun stand Österreich vor einem Zweifrontenkrieg. Bismarck beantragte eine Bundesreform, die den Ausschluß Österreichs aus dem Deutschen Bund verlangte. Der Bundesrat beschloß daraufhin in einer Abstimmung die von Österreich verlangte Mobilisierung gegen Preußen. Nach dieser Abstimmung erklärte der preußische Gesandte die Bundesverfassung für erloschen, und die preußischen Truppen rückten in die Elbherzogtümer ein.

Auf der Seite Österreichs zogen Bayern, Baden, Württemberg, Hannover, Sachsen und Hessen- Kassel, an der Seite Preußens die norddeutschen Kleinstaaten und Italien in den Kampf. Italien erhoffte sich durch einen Sieg den Besitz von Venetien. Auch diesmal ging Österreich unvorbereitet in diesen Krieg und stand einem besser bewaffneten Gegner gegenüber. Während an der Südfront Erzherzog ALBRECHT gegen die Italiener bei Custozzaeine Schlacht gewinnen konnte, mußte sich LUDWIG Ritter VON BENEDEK auf einem völlig unbekannten Gebiet dem Feind stellen. Er hatte gehofft, in Italien kommandieren zu dürfen, wo er ,,jeden Baum bis Mailand kenne". In der Schlacht bei Königgrätzam 3. Juli 1866 wurde die Nordarmee von dem preußischen General VON MOLTKE vollkommen geschlagen. Auch der Sieg von WILHELM VON TEGETTHOFF über die italienische Flotte vor Lissakonnte den Ausgang des Krieges nicht mehr ändern.

Im Frieden von Prag (1866) mußt Österreich Venetien an NAPOLEON III abtreten, der es Italien übergab, aus dem Deutschen Bund ausscheiden, der Neugestaltung Deutschlands zustimmen und 20 Millionen Taler Kriegskosten bezahlen. Preußen annektierte Frankfurt, Hannover, Kurhessen, Nassau und Schleswig- Holstein und bildete den Norddeutschen Bund. Bismarck hatte sein Ziel erreicht: Die kleindeutsche Lösung hatte gesiegt.

Nach der Niederlage bei Königgrätz hatte Österreich auch den Einfluß in den deutschen Gebieten eingebüßt, so daß es nur noch eine Machtposition im europäischen Osten und Südosten ausüben konnte, was zu Spannungen mit Rußland führen mußte. Da jetzt eine Einigung mit Ungarn dringend nötig war, entschloß sich Franz Joseph, die Forderungen der Ungarn zu erfüllen. So wurde 1867 durch den Ausgleich mit Ungarn die ungarische Verfassung wiederhergestellt.

Der ungarische Reichstag übte die Gesetzgebung aus, die Verwaltung die Regierung unter dem Ministerpräsidenten ANDRÁSSY. Das Heer, die Außenpolitik und die Finanzen blieben aber mit Österreich gemeinsam. Österreich und Ungarn waren also durch eine Personal- und eine Realunion verbunden. Neben dem gemeinsamen Herrscher gab es nun auch gemeinsame Ministerien für Äußeres, Kriegswesen und Finanzen. Die neue Bezeichnung für das Reich lautete österreichisch- ungarische Monarchie. Der Grenzfluß der beiden Reichshälften war die Leitha, weshalb der östliche Teil Cisleithanien und der westliche (ungarische) Teil Transleithanien genannt wurde. Gemeinsame Angelegenheiten wurden fortan nur noch als k. u. k. (kaiserlich und königlich) bezeichnet.

In der westlichen Reichshälfte wurde der Reichsrat, der wie bisher von den Ländern gewählt wurde, wieder reaktiviert. Das aktive Wahlrecht war an die jährliche Steuerleistung gebunden (Zensuswahlrecht). Die Regierung war wieder dem Parlament gegenüber verantwortlich. Durch das Abgeordnetenhaus kamen in der Verfassung vom Dezember 1867 eine Reihe wichtiger Staatsgrundgesetze zur Annahme: Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, allgemeine Zugänglichkeit der öffentlichen Ämter, Unverletzbarkeit des Eigentums, freier Wahl des Aufenthaltes und des Wohnsitzes, Freiheit der Person, Briefgeheimnis und das Vereins- und Versammlungsrecht. Diese Grundgesetze gelten in Österreich zum Teil sogar noch bis heute.

Damit war die konstitutionelle Monarchie, die nach den Prinzipien des Dualismus verwaltet wurde, gegründet. Ausgeschlossen von dem Ausgleich blieben aber die Slawen, die die Hälfte der Gesamtbevölkerung stellten. Sie waren deshalb unzufrieden und neigten zu panslawistischen Ideen, also zu einem Zusammenschluß der slawischen Völker unter der Führung Rußlands.

Excerpt out of 18 pages

Details

Title
Österreich von Ende 1848 bis 1867
Author
Year
2000
Pages
18
Catalog Number
V94803
ISBN (eBook)
9783638074834
File size
438 KB
Language
German
Keywords
Ende
Quote paper
Roman Huditsch (Author), 2000, Österreich von Ende 1848 bis 1867, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/94803

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